der Minoritäten“ (1898), „Die Erklärung der Menschen- und
Bürgerrechte“ (1895). Zu seinen bedeutenden smjtematischen
Arbeiten zählt auch „Das Emsten der subiektiven öffentlichen
Rechte“ (1892). Seit 1902 gab Jellinek mit Piloty das
von Marquardsen beg ündete „Handbuch des öfsentlichen Rechts
der Gegenwart“ heraus.
Politische Wochenschau.
B. Lübeck, 14. Januar.
Die deutsch-orussischen Verhandlungen, die be—
hufs jchriftlicher Festlegung der Votsdamer Besprechungen ge⸗
führt werden, haben zu eiter kuffallenden Indiskretion Anlaß
gegeben. Die Londoner Evening SBimes nämlich teilte den an⸗
geblichen Wortlaut der deutscherussischen „Note“ nrit. Iit dabei
auch der Wortlaut selbst nicht uchtig wiedergegeben, so wurden
immerhin die Punkte Ritgeteilt, über die zwischen den Mächten
verhandelt wird. Selbsverständch solste diese Veröffentlichung
den Fortgang der Verhandlungen siören und ihren Abschluß er⸗
schmeren oder gar verhindern; die deutschfeindliche Presse in den
Fauptstädten der Tripel-Entente hat sie naturgemäß in solchem
Sinne aufgefaßt. Es war daher ein törichtes Unterfangen der
Nowoje Wremja, das Berliner Auswärtige Amt als den Ur⸗
heber der Indiskretion zu bezeichnen.
In der französischen Kammer sit das deutsch-russische
Verhältnis sowohl vom Minister Pichon, wie von verschiedenen
Deputierten erörtert worden. Während letztere teilweise recht
deutlich der Besorgnis usdruck gaoen, dag die internationale
Stellung Frankreichs seit der Potsdamer Monarchenbegegnung
sich verschlechtert hätte, war der Minister bestrebt, den Glauben
iun erweden, daß alles beim Alten geblieben sei. Die Kammer
nahm die Rede des Miniiters mit groher Kühle auf und bekundeté
hierdurch ihre Erkenntni— des Nmshounges, der für die politische
Gesamtrichtung der Triple-Entente sich aus der Ta lsache
ergeben hat, Maß Rußland bei der bosnischen Krisis die
Erfahrung machte, wie unzulänglich seine Interessen durch allzu
mtime Annäherung an Großbrit annien und Frankreich gewahrt
werden. An den russischen Erfaßrungen hätte auch König
Eduard VII. laum Wesentliches ändern Hnnen, wenn ihm ein
längeres Leben beschieden gewesen wäre.
Die Eröffnung des preußischen Landtages fiel mit
der Wiederaufnahme der Reichstagsverhandlungen nach der Weih,
nachtspause zusammen. Daß die Thronrede keine neue Wahlrechts-
vorlage ankündigte, kann ernsthaft nicht in Erstaunen setzen.
Wohl aber muß der Verzicht auf die gesetzliche Regelung der
Feuerbestatrung befremden. War doch die Betätigung des neuen
Ministers. des Innern in Sachen der Feuerbestattung die erste
politische Tat, die man von Herrn von Dall witz erwariete.
Tas Schweigen der Thronrede über die ganze Angelegenheit
bedeutet eine bedauerliche NRüchsicht auf die konservativ-klerikale
Mehrheit des Abgeordnetenhauses. Der neue Herr im preuhi—
ichen Finanzministerium hatte die angenehme Aufgabe, einen
erheblich günstigeren Etat einzubringen, als es Herrn von
Rheinbaben in den letzten Jahren beschieden war. Die Herab⸗
minderung des Anleihebedarfs quf 29 Millionen erweckt die
Aussicht auf baldige Ueberschüsse. Daß Finanzminister Len tze
trotzdem den Daumen auf den Beutel hält, ist um so mehr zu
billigen, je weiter Rer Kurs unserer Staatsanleihen
immer noch hinter der wünuschenswerten Höhe zurüchbleibt.
Im Reichstage führte die Verhandlung über die Jünd«
warensteuer selbstverständlich zu einer Finanzreformdebatte
Der Gedanke, die Zündwareninduitrie zu monopolisieren, ist von
nationalliberaler Seite mit bere htigtem Nachdruck empfohlen
worden. Die Beratung der ‚ogenannten lleinen Strafrechts⸗
reform zeigte in der Schächtfrage die große Mehrheit im
Lager des „Schächtblods“. so bost die ontisemitischen Gegner
des Schaͤchtens vereinzelt blieben. Die Annahme der
Regierungsvorlage zu8 186, die eine Beweisaufnahme über
die behauptete oder verbreitete beleidigende Tatsache von der
Zustimmung des Beleidigten abhängig machte, wirkte nach dem
Verlauf der Kommissionsberarung wie eine Ueberraschung.
Hoffentlich wird dieser Beschluß auch bei der dritten Lesung be—
taͤtigt.
Aussehenerregende Tumulte haben sich in Meß anläß—⸗
lich des Verbots einer Veranstaltang des französischen Sport⸗
vereins ereignet. In diesem Augenblich wo die reichsländische
Verfassungsreform mit dem Ziel, die Autonomie Elsaß⸗Lothrin⸗
gens erheblich zu erweitern, auf der Tagesordnung steht, müssen
die Ausschreitungen der Französlinge doppelt verstimmen. Die
rasche Auflösung des Sportsvereins wird daher mit Genua⸗
kuung begrüßt werden.
Tie Moabiter Tumulte haben endlich ihre gerichtliche
Sühne erfahren, so weit sie vor der Strafkammer zur Abur⸗
teilung gelangten. Der Nachwes, daß die Sozialdemokratie
die Unruhen anzettelte, ist nicht erbracht worden. Aber die mo—⸗
ralijche Mitschuld einer Partei, die den Streikterrorismus ver—
ceidigt, den Klassenhaß schützt und beständig gegen die Polizel
hetzt, läßt sich deshalb nicht bestreiten.
Die silberne Hochzeit dies Färsten Bülow erschien un⸗
erer Zentrumspresse als ein willkommener Anlaß, durch Aus—⸗
streuungen über Bülows Verhalten vor der letzten Reichstags-—
auflöfung den Anschein zu erwedken, als habe sich der frühere
Reichskanzler dem Grafen Ballestrem gegenüber nicht korrekl
benemmen. Vermutlich lag diesem Treiben das christliche Ver—
langen nach Einschränkung der Bezüchwünschungen zugrunde, die
dem Fürsten Bülow aus dem gedachten Anlaß zuteil werden
mußten. Ein Erfolg ist solchem Wunsche versagt geblieben: die
fürstliche, die politische und die vornehme Welt hat des Fürsten
trotzdem sehr lebhaft gedacht und so die Teilnahme widerge—
spiegelt, die auch weiteste Kreise des Bürgertums dem früheren
Kanzler imerlich an seinem Jubiläumstage entgegenbrachten. Daß
selbst der Papst das Bülowsche Vaar beglückwünscht hat, wird
manchem llerilalen Heiksporn besonders mider den Strich de—
gangen sein.
Papst Pius X. hat beinahe gleichzeitig seinem Schützling
de Mathies keine geringe Enttäuschung durch sein Schreiben
an den König von Sachsen und die öffentliche Ankün—
digung bereitet, daß das päpitliche Majordomat den dreisten
Monsignore zur Bitte um Tntschuidigung vor dem Könige an⸗—
halten werde. Nachdem ein Vierteljahr ohne solche päpstliche
Anweisung verstrichen ist, hat der vatikanische Baron auf einen
derartigen „inkenden Boten“ darum noch gerechnet. Hoffentlich
wird die Angelegenheit de Math:s noch — vor Oitern ende
rültig abgeschlossen!
Der glänzende Erfolg der ungarischen Anleihe in
Deuischland und in der Donaumonarchie hat kiar bewiesen, daß
Ungarn bei der Befriedigung seiner finanziellen Bedürfnisse es
nicht nötig hat, sich von Frantreich politische Daumenschrauben
ansetzen zu lassen. Auf die innere Festigung des Dreibundes
kann diese Erfahrung nur vorteilhast zurücwirken. Das neue
dsterreichische Ministerim wird in cinemTeil derPresse
mit gewohntem Optimiertius Fearntt. Nach den kahllosen Ent—
tãuschungen darf der Realpolitiker bezweiseln, ob die inner—
politsichen Schwierigkeiten Cisleithaniens im Zusammenhange mil
der Ernennung des Grafen Thun zum Statthalter von Böhmer
endlich beseitigt werden können.
Die junge Republik Vortugal ist infolge des Eisenbahner—
streiks einer starken Erschütterung ausgesetzt. Die neuen Macht—
saber, die eine bedenkliche Fruchtbarkeit in der Erzeugung pa—
pierener Erlasse und programmatissher Kundgebungen offenbaren,
müssen nun derch praktische siaatsnännische Arbeit den Beweis
bafür liesern,d aß sie wirkich im Besitz der Staatsgewalt sowie
zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung fähig sind.
Inland und Ausland.
Derutsches Resch.
d. Dentschlands Freischeinfrhr aus sinen Kolon'en. Bei
den Beratungen, die in Deutschland Aber Maßregeln zur Be—
hebung der Fleischteuerung getroffen wurden, ist immer wieder
ruf die Notwendigkitüt hingewiesen worden, von außerhalb
des Deu! schen Reiches Flesh einzuführen. Bisher scheiterten
alle Versuche an dem Widerstand der deutschen Viehinter—
sfsenten, die ausländ'sches Vieh sernhalten wollten. Jetzt
hat, wie wir hören, der Farmerbund der Kolonie Deutsch
Sũudwest⸗Afrika eine Denkschrift an den Reichstag ausgear—
heitet, in welcher mit klaren Zahlen bewiesen wird, daß
»iese Kolonie in wenigen Jahren imstande sein wird, das
egenwärtige Fleischmanko in Deutschland zu deden, sofern
hr die Garantie eines demensnrechenden Absatzes nach dem
Mutterlande geboten würde. Bei dem sür DeutschSüdwast
Afrika erwarteten Viehstand ist allährlich mit einer Schlach
tung von einer Million Rinder. 5 Mekrtlionen Schafe und
5Millkonen Ziegen zu rechnen. Dies ergibt (unter Zugrunde—
legung der fär Deusschland ermitterten Durchshnittsgewichte)
ein Schlachtgewicht wie folat: J Million Rinder zu 250 kg
250 000 000 kg; 5 Mill'onen Schafe zu 22 kg 110000 oco x,
5 Mill'onen Ziegen zu 16 kg 83 000 000 Kg, zusammen 440 Mil-
lionen Kg, so daß von Deutschland sebbst kaum der vierte
Teil geliefert zu werden brauchte, um das Manko zu deckeen,
und ohne die Hllfeleistung des Auslandes in Anspruch zu
isehmen. Die Flesschnroduklionsges Ishaften Südamerikas ar—
veiten mit 10 bis 20060 Reingewainn. Dieselben Resultate
würden in den deutschen Kolonien erzielt werden, wenn erst
die Ausfuhr gefrorenen Fleisches aus den deu schen Kolonien
nach dem Mutterlande von der deutschen Regierung organi—
siert sein wird.
Heer und glotte.
W. VBerlin. 14. Jan. „Leipzig“ ist am 13. Jan. in
bongkong eingetroffen und am 14. Jan. wieder in See ge—
jangen. „von der Tann“ ijt am 13. Jan. in Kiel einge
roffen. Die 5. und 6. Halbflottille sind am 13. Jan. in
S„winemünde, am 11. in Kiel und am 12. in Apenrade elinde—
troffen
Neuete Nachrichten und Telegramme.
W. Berlin, 14. Jan. Die Nordd. Allg. Zisg. schreibt;
dem Wiederbeginn der Reichsstagsverhandlungen lint
in der Presse Andeutungen voraufgegangen, als beabsichtige
die Regierung, den Reichstag vorzeilig aufzulssen und das Land
nit einer unerwartet frühen Vornahme der Neuwahlen zu
Werrumpeln. Wir können mitteilen, daß nichts hinter diesen
seröchten ist, die offenbar nur agitatorischen Bedürfnissen
hre Entstehung verdanken. Die Regierung muß Wert darauf
egen, daß der Reichstag hinreichend Zeit behält, um die
vichtigen, ihm noch obliegenden Aufgaben in aller Ruhe und
Sorgfalt zum Abschluß zu bringen. Die Regierung hat keines—
vegs dem Reichs?age eine Reihe anerkannt wichtiger Vorlagen
zemacht und diese im Verein mit dem Reichsstag zum Teil
schon weit gefördert, um diese Arbeiten nun mitten auf dem
Wege stecken zu lassen.
W. Vexrliez. . San. Die Nordd. Allg. Zig. bringt
noch einmal einen längeren Artikel über den Moabiter
Prozeß, welcher schließt: Das Gericht hatte die Aufgabe,
die Tatsachen festzustellen. Der Ursprung der Krawalle aus den
Anc»isffen auf Arbeitswillige, die Verwöstungen, die Verhöh
nung der Polizeibeamten am ersten Tag der Krawalle, das
gesetzwidrige Vorgehen der Arbeiterschaften, die s.lbst am Streil
aicht beteiligt waren, — solche Tatsachen stellte das Gericht
jest. Damit sind die Anschauungen durchaus beltätigt, die
der Reichskanzler unabhängig von den einzelnen im Vrozeß
derhandelten Straftaten vorgetragen hat.
Wt. Berlin, 14. Jan. Die Berliner Telefunkengesell
chaft gründete heute mit der Allgemeinen Elektrizitäts-Ge
ellschaft Siemens & Halske eine grohe Funkentelegra—
»hen-Betriebsgesellschaft für Deuschland. Die bel—
zische Gesellschaft für drahtlose Telegraphie, Besitzerin der
eutschen Marconipatente, ist an dem neuen Geschäft betei—
igt; sie trat die langfristigen Marconiverträge mit dem Nord—
deutschen Lloyd und der Hamburg-Amerika Linie an dicese ab.
W. Königsberg i. Pr. 14. Jan. Die juristische Fatultät
ernannte den Handelsminister v. Sydo w zum Ehrendoktor.
W. Dresden, 14. Jan. Der Antrag Sachsens betreffend
die Fleischeinfuhr aus Frankreich wurde vom Reichs—
sanzler im wesentlhichen unter denlelben Bedinaungen wie für
Süddeutschland gestattet.
Wit. Twresden, 14. Jan. Das Dresdner Journal schreibt:
Nachdem der Papst dem Könige schon vor längerer Zeit den
Lusdrudk aufrichtigen Bedauerns und entschiedene VWeißbilli—
zung zu der Auslassung de Mathies übermittelte, ist jeßzt
»em Ministerium des Aeußern auf diplomatischem Wege die
Nachricht zugegangen, daß inzwischen eine entsprechende Ver—
tändigung des genannten Geistlichen scitens des apostolischen
Nuntius in München erfolgte und eine angemessene Ertlärung
don ihm dort abgegeben worden ist.
W. Stuttgart, 14. Jan. Der König begab sich, dem
Schwäbischen Merkur zusolge, zu fünfwöchigem Aufenthalt nach
Kap Martin bei Mentone.
Die Zweite Kammer wählte von Payer zum Prä—
identen, von Keno zum ersten und Kraut zum zweiten Mize—
präsidenten. — Die Erste Kammer mählte als Stall—
zertreter des vom König ernannten Präsidenten Fürsten zu
hohenlohe-Bartenstein den Fürsten von Waldburg zu Zei
ind Trauchburg zum Vizeprasidenten.
W. Neiers burg, 14. Jan. In einem gesistern veröffent
ichten Restript weist der Kaiser auf die veständigen und
heharrlichen Maßnahmen him, dank welchen das Fgeee
unter der Leitung des Finanzministers Kokowtz;ow dauernd
Erfolge in der Ordnung der russischen Finanzer
rzielte. Die Resultate seien dem beständigen Eifer des Mi—
nisters eHenso wie seiner umfassenden Erfahrenhezit als eines
der älirsten Mitglieder des Ministerrates zuzuschreihen. De
Kalser druckt Kokotzzow seine aufrichtige Anerkennung für s
bvielleitiges fruch“ bringendes Wirken aus. Das Reltript l
unterzeichnet: „Ihr Sie hochachtender Nicolai.“
Wt. Washinngton, 14. Jan. De r Justizausschußz des Re.
präsentantenhauses beschloß die Annahme der —A
au emrfehlen, welche schwere Strafen auf Spionage
setzt. Das bisherige Gesctz kannte nur Spionage in Kriegs.
zeiten.
— —
Wt. Breslau, 14. Jan. Der Ballon „Dresden«
der am Donnerstag vormittag in Riesa an der Elbe mi
von Rochow und einem Ingenieur aufgestiegen war, stran,
dete Frei ag nacht 2 Uhr in den Wäldern des Isergebirge—
auf der grünen Koppe in einer Söhe von 1127 Metern. v
Rochom verletzte sich dabei am Bein. Die Ballonhülle wurd,
vom Sturm entführt und später in Baumwipfeln wiede
aufgefunden. Die Luf schifsfer irrten die garze Nacht in grim
miser Kẽlse bei hef igem Schneesturm in meserhohem Schne
umher. Est gegen Morgen wurden beide vlleg ershörft auf
gesunden und in Sö3rnerschlitten nach FIn berg gebract.
W. Mes, 14. Jan. In der Angeltgernheit der Lorrain—
Sportive wurde der Schlosser Sil verhaftet, der br
schuldigt wird, die Vershlußkette der Saaltär im Terminus
hosel gesprengt zu haben. — Der verhaftete Vors'tzende der
Lorrain Sportive, namens Samain, ist heute abend nach
Hin:erlegung einer Kaulion wircder auf freien Fuß ae
setzt worden.
W. Dirkuchen, 14. Jan. Während eines Unwetters, sinß
vorgestern und gestern an der Küsite von Grapelines zwe
Fische boote mit je sichs Mann Besabung untergegangen
W. Newyoakt, 14. Jan. Die Newyork Times meldet
Der ameritanssche Agent des bri ischen Ma'rrsen- und Heizer
vebandes gibt bekannt, er habe von dem Generalsekretär
Wilfon ein Schreiben erhalten, wonach sich für die Ziit de
Königsk önung ein Streik, der alle britischen vafen
betresfen soil. in Vorbereitung befinde.
Deutscher Reichstag.
W. Berlin, 14. Januar.
Auf der Tagesordnung steht die Abänderung de—
Militärstrafgesetzbuches, der Militärstraf—
ordnung und Gleichstellung des Veterinaärkorpé
mit den Sanitätsoffizieren.
Die dritte Lesung wird ohne D batte angenommen. Die
Beratung der Strafgesetzbuchnovelle wird fortgesßetzt bel
den No! diebstahl⸗ und Mundraubpa agraphen, wofur mildere
Strafen von höchstens drei Monaten brantragt send. Die Vor
lage sah sechs Monate vor.
Abg. Bedcher⸗Köln (Z3tr.): Die Strafen für diese Delikte
sind erfreulicherweise herabgesetzt. An Stelle der Gefaͤng⸗
nisstrafe sollte die Geldstrafe zugelassen werden.
Staatssekretär v. Lisco: Bei mildernden Umständen le—
diglich Geldstrafen zuzulassen, kann nur bei der allgemeinen
Reform des Strafgesetzbuches entschieden werden.
Abg. Frohme (Sosz.) begrundet den sozialdemokratischen
Antrag, wonach das Betteln aus Not straslos bleiben soll
AWg. Müler-Meiningen (fortschr. Vpt.) tritt für die Kom—
missionsfassung ein. Das Betteln straflos zu lassen, hiebe
die Bettelei geradezu provozieren.
Geheimrat Jock: Es ist unangängig, das Betteln straf—
los zu lassen, dann müßte die Landstreicherei ebenso behandel
werden.
Abg. Gröber (Itr.) beantragt das Betteln aus unver
schuldeter Notlage straflos zu lassen.
Geheimrat Joel: Der Antrag würde einen sozial um
möglichen Zustand herbeiführen, unverschuldet in Not gera—
tene Veute das Betteln zu privilegieren. (Lärm links.)
Staatsfekretär v. Lisco: Ich bitte, alle Anträge zur
Straffreiheit des Bettelns abzulehnen.
Nach längerer Debatte werden die Kommissionsvorschläge
angenommen. Die Abstimmung über den sozialdemokratischen
Antrag bleibt zweifelhaft. Der Hammelsprung ergibt Be—
schlupunfãhigkeit.
Nächste Sitzung um 124 Uhr.
Bei der wiederholten Abstimmung über die Anträge zum
Bettelparagraphen wurde der sozialdemokratische An—
trag mit dem Unterantrag Gröber angenommen, wonach das
Betteln aus unverschuldeter Notlage straflos bleibt. — Es
folgt Ziffer 7, die Erpressung mit Gefängnis nicht unter
einen Monat bestrafen will. Die Sozialdemokraten bean⸗
tragen eine Reihe Abänderungen.
Abg. Stadthagen (Soz.): begründet diese Anträge.
Abg. Gröber (Ztr.): Wir erwarten, daß bei der großen
Revision des Strafrechts eine weitere präzise Festlegung des
Tatbestandes der Erpressung vorgesehen wird.
Geheimrat v. Tischendorf: Ich bitte, es bei den Kom
misslionsbeschlüssen zu belassen.
Darauf wurde unter Ablehnung der sozialdemokratisch⸗
Anträge die Fassung der Kommission angenommen.
Nach kurzer weiterer Debatte wurde der Rest der Vot
lage unter Ablehnung der dazu noch vorliegenden sozial
demokratischen Anträge unverändert in der Kommissionsfassunt
angenommen.
Nächste Sitzung Montag 2 Uhr. Zuwachssteuergesetz.
Sportnachrichten.
Für die deutich-aAmer kanischen Sonderklassenwettfahrtet
dieses Jahres sind die Ausschreibungen von dem Easterr
Jacht-Klub in Boston und dem Kaiserlichen Jacht-Kluhni'
Kiel soeben erlassen.
Die deutschen Ausscheidungsrennen beginnen am 10. Juni
Die Wettfahrten selbst nehmen Montag, 19. Juni, ihrei
Anfang. Die Auswahl der zu Vertretern Deutschlands aus
ersehenen Boote soll kurz vor den eigentlichen Wettfahrten er
folgen. Wesentliche Aenderungen enthält die Ausschreibunt
zegenüber den vergangenen Jahren nicht. Die Regatten wer
den 1911 in Kiel zum Austrag kommen. Es werden fün
Rennen gesegelt. Amerika kann eine, zwei oder drei Jachte
stellen; Deutschland darf höchstens ebensoviel. kann aber wenige
itellen.
An Preisen steht als vornehmite Trophäe zunächst de
Kaiser-Wilhelm-Pokal zurx Verfügung. Dieser Poka
wird dem Besitzer derjenigen Jacht verliehen, welcher zuer
drei Renner bezw. das fuünste Rennen gewinnt.
Der Prinz-Heinrich-Pokal wird in den eriter
vier Negatten nach Vunlten cusgesenelt, falls fünf ode
sechs Rennen für den Katsrteolal ge'egelt werde
müssen, andernfalls nach Punsten in fünf Nenuten. J
Der Gewinner des Kaiser-Bilkeln Kolals vommt
den Prinz-Heinrich Votol nicht in Betrack