Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

gesetzt. R.⸗P.D., Kleist“ mit dem Reft der aus dem Kiaulschou⸗ 
zebiet abgelösten Offiziere und Mannschaften ist am 6. Mat 
n Aden eingetroffen und hat dim gleichen Tage die Reise nach 
Zuez und Port Said fortgesetzt. Ablösungs dampfer „Nedar“ 
nit dem Ablöfsungstransport sür das Kreuzergeschwader und 
für „Condor“ ist auf der Ausreise am 6. WMak in Colombo auf 
Leylon eingetroffen und hat die Reise am 7. Mai nach Song⸗ 
fong fortgesetzt. „Königsberg“ ist am 6. Mai in Gibraltau 
ingetroffen und am 7. Mai von dort nach Blissingen in See 
gegangen. „Sleipner“ ist am 6. Mai in Gibraltar eingetroffen 
und am gleichen Tage von dort nach Ferrol in See gegangen. 
Flrhkanonenboot „Tsingtau“ ist am 5. Mai in Cantin, „Otter“ 
am 6. Mai in Itschang am Jangtse, „Sperber“? am 6. Mat 
in Alexandrien, „v. d. Tann“ am 6. Mai vor Selgoland und 
„Condor“ am 7. Mai in Nagasakt eingetroffen. „Iltis“ ist 
am 6. Mai von Canton abgegangen und am 6. Mai in Hong⸗ 
'ong eingetroffen. „Eber“ ist am 7. Mai von Kotonu (Da—⸗ 
jome) und „Luchs“ am 8. Mai von Hankau abgegangen. 
„Grille“ ist am 6. Mai in Kiel eingetroffen und geht am 9. Wai 
iach Flensburg. Postregelung: Für „Geier“ Marinepostburaou 
Zerlin 
Neuefte Nachrichten und Telegramme. 
Der Kaiser in Straßburg. 
W. Straßburg, 8. Mai. Der Kaiser nahm heute vormittag 
den Vorbeimarsch der Truppen der Garnison ab. Der Vorbei— 
marsch wurde vom Generalleutnant Frhrn. v. d. Goltz kom⸗ 
mandiert. Hierbei führte der Serzog von Sachsen⸗Koburg⸗ 
Hotha das 2. Rheinische Husarenregiment Nr. 9 vor. Nach 
heendigtem Vorbeimarsch hielt der Kaiser Kritik ab und nahm 
militärische Meldungen entgegen. An Ordensauszeichnungen 
wurden u. a. verliehen: dem kommandierenden General Fabek 
der Rote Adlerorden 1. Klasse mit Eichenlaub, Generalmajor 
». Borries der Stern zum Kronenorden 2. Klafse, den General— 
majors v. Roeckmann, Dernen und Auler der Rote Adlerorden 
2. Klasse mit Eichenlaub. Inzwischen war von der Univer— 
lität her, geführt von dem Rektor, die gesamte Studentenschaft 
»er Universität angerückt, voran die Chargierten in vollem 
Wichs mit Fahnen und blanken Schlägern, dahinter in im— 
vosantem Zuge über 2000 Studenten. Der Kaiser war unter 
das Portal getreten. Der Rektor meldete dem Kaiser, 
daß die Studenten bereit ständen, ihrem Kaiser eine Huldigung 
darzubringen. Der Vorsitzende des Studentenausschusses trat 
vor, während die Chargierten einen Halbkreis bildeten, und 
dankte dem Kaiser für die gnädige Erlaubnis. Er sagte, 
daß die Studenten mit aller Begeisterung, der die akade— 
nische Jugend fähig sei, dem großen Führer des deutschen 
Volkes entgegenjubelten. An diesem Ehrentage legten sie das 
zeilige Gelöbnis ab, daß, wenn sie dereinst mitwirken dürf⸗ 
en an den heiligen Aufgaben des Vaterlandes, sie stets treu 
u Kaiser und Reich halten würden. Redner schloß mit einem 
zreifachen Hoch auf den Kaiser. Hierauf wurde ein Vers 
der Nationalhymne gesungen. Der Kaiser erwiderte darauf 
'olgendes: 
Ich spreche Ihnen meinen Dank aus für die Huldigung, 
»zie Sie mir soeben dargebracht haben. Ich erwarte von 
Ihnen,d aß, wenn Sie einst ins Leben hinaustreten werden, 
Zie gelernt haben werden, aus dem was in unserem Vaterlande 
zorgeht, daß die Partei nicht die Hauptsache ist, sondern einzig 
ind allein das Gedeihen unseres Vaterlandes und unseres 
Volkes. Wenn Sie das Interefse daran voranstellen, so hoffe 
ich, daß stets Ihr Leitstern und Ziel fei, das Wohl des 
Naterlandes. 
Die Studenten zogen hierauf, truppweise sich verneigend, 
or dem Kaiser vorüber. Der Kaiser zog dann noch den 
sRektor ins Gespräch. Das Frühstück wurde beim Komman—⸗ 
»ierenden General von Fabeck eingenommen. — Der Reichskanz⸗ 
er hat in vergangener Nacht Straßbburg verlassen. 
9 
* 
Wit. Metz, 8. Mai. Se. Maiestät der Kaiser ist um 
zu4 Uhr im Automobil hier eingetroffen und hat im General— 
ommando Wohnung genommen. Auf dem Wage hierher 
hat Se. Maiestät die Werke der Ostfront besichtigt. Auf dem 
zanzen Wege von Straßburg bis Metz wurde der Kaiser 
iberall auf das herzlichste begrüßt. Auch in den Straßen 
don Metz hieß den Kaiser eine große Menschenmenge mit 
indauernden Hochrufen willkommen. Abends folgte der Kaiser 
iner Einladung des Bezirkspräsidenten und Gräfin von Zep— 
elin-Aschhausen zum Diner. Auf dem Wege zum Bezirks— 
ßräsidium hatten die Schulen Aufstellung genommen. Heute 
abend beginnt eine größere militärifche Uebung. 
Sarnads 60. Geburtstag. 
W. Verlin, 8. Mai. roPfessor Harnad beging gestern 
einen 60. Geburtstag. Als erste Gratulanten brachten die 
AUnterbeamten der Königl. Bibliothek ihrem obersten Chef ein 
Ständchen. Der namens der Bibliothek gratulierende zweite 
direktor Schwenke überreichte eine von ihm herausgegebene Tür—⸗ 
tenbulle des Papstes Calixtus III., die 1456 als erster Druch 
nit Gutenbergischen Lettern erschien. Einer der ältesten Schüler 
Zarnacss, Professor Krüger-Giehßen, überreichte eine Harnack⸗ 
pende, die augenblicklich 10000 Mubeträgt und durch weitere 
Zammlungen noch erhöht werden wird. Telegraphische Glüdc⸗ 
wünsche liefen u. a. ein vom Reichskanzler, vom Justiz- und vom 
Finanzminister. 
Internationale Sygiene⸗Ausstellung. 
W. Dresden, 8. Mai. Heute vormittag 10 Uhr fand 
in der Internationalen Hygieneausstellung in Gegenwart des 
dönigs, des Prinzen und der Prinzessin Johann Georg, der 
Zpitzen der Behörden, des diplomatischen Korps und zahlreicher 
Ehrengäste die Eröffnung des ausländischen Pavillons statt. 
J. a. waren erschienen der chinesische Gesandte in Berlin, Bot⸗ 
schaftsrat bei der japanischen Botschaft in Berlin, Hata, und 
Botfchaftsrat bei der französischen Botschaft in Berlin, Baron 
»e Berdheim. Von den Fanfaren der Gardereiterkapelle be— 
zrüßt, fuhr der Monarch zunächst vor dem ungarischen Pa— 
illon vor, wo er von Geheimrat Lingner und dem Vertreter 
des österreichisch-ungarischen Gesandten in Dresden begrüßt 
purde. Der König besichtigte dann nacheinander die Pa— 
dillons der übrigen Staaten und zwar von China, Oester⸗ 
eich, Rußland, Japan, der Schweiz und Frankreich, wo en 
»on den betreffenden Regierungskommissaren begrüßt wurde. 
Ddie Gardereiterkapelle spielte jedesmal die Nationalhymne 
zes betreffenden Staates. Nach Beendigung des Rundganges 
erließ der König um 1254 Uhr, von stürmischen Kundgebungen 
begleitet. die Ausstellung. 
Die Nede des franzöfischen Generals Moinier. 
W. Tanger, 7. Mai. General Moinier richtete an 
die Stämme der Semurtales eine Proklamation, in der es 
beißt: Wir haben eine große Zahl von Soldaten und Kanonen 
dierher gebracht, nicht um Länder zu erobern, denn veren 
zaben wir genug. Wir wollen nur, und darin werden wir 
innachgiebig fein, daß unsere europäischen Brüder, welche in 
kurer Mitte wohnen, nicht in ihrem Leben und Eigentum 
edroht sind. Um den Gewalttätigkeiten ein Ende zu machen, 
hat die scherifische Majestät die Hirkastämme zu Hilfe ge— 
rufen. Wir wollen mit unseren Kanonen nur die Vertei⸗ 
»iger der Ordnung und der althergebrachten 
Mutsorität des Landes unterstützen. Wenn die 
Drohungen fortdauern, dann wird uns keine Macht hindern, 
die Anstifter der Unordnung zu züchtigen und alle Keime 
des Aufruhrs in diesem Lande zu beseitigen. 
Luftschiffahrt. 
W. Stuttgart, 8. Mai. Bei den Schauflügen auf dem 
Tannstätter Wasen überbot heute der Flieger Hirth auf einem 
kindechker den deutschen Höhenrekord für, Passagierflüge, der 
isher 650 Meter betrug, indem er mit dem Oberleutnant 
denke als Passagier eine Höhe von 800 Metern erreichte. 
W. Kopenhagen, 8. Mai. Der belgische Flieger Cozie 
tieg gestern abend in Malms auf und flug über den Sund 
iach dem bei Kopenhagen gelegenen Flugplatz. Der Flug 
iber den Sund dauerte 48 Minuten. Bei der Landung riß 
die Menge die Absperrung nieder und stürmte den Flugplatz, 
o daß das anwesende Militär einschreiten mußte. Cozic gewann 
nit dem Fluge den Preis von 2000 Kronen. 
W. Stettin, 8. Main. Auf dem außerordentlichen Dele— 
niertentag des pommerschen Provinzialverbandes der fort— 
chrittlichen Volkspartei wurden die Abmachungen über eine 
kinigung mit den Nationalliberalen einstimmig gutgeheißen. 
W. Kiel, 8. Mai. Marinegeneralarzt Dr. Matthio⸗— 
ius, Chefarzt im Marinelazarett Kiel-Wik, ist heute vormittag 
ꝛinem Herzschlag erlegen. 
W. Köln, 8. Mai. In einer konservativen Wahl— 
»ersammlung wandte sich der Präsident des Abgeordne— 
enhauses Kröcher gegen den Vorwurf, daß der schwarzblaue 
ßzlock bei der Finanzreform den Fürsten Bülowge— 
türzt habe. Den Nationalliberalen warf der Redner vor, daß 
ie den Gouverneur von Berlin im Etat hätten streichen wollen, 
in Posten, auf den heute im Hinblick auf die Sozialdemokratie 
zer beste Mann Preußens gehöre. 
W. Paris, 8. Mai. Gerüchtweise verlautet, die Polizei 
sabe ein von Anarchisten angezetteltes Komplott ent— 
»edt, nach welchem Dynamitattentate gegen die Polizeipräfek— 
ur und gegen mehrere hohe Polizeibeamte geplant sind. Die 
ßolizei verweigerte bisher jede Auskunft, doch habe sie um— 
assende Vorsichtsmaßregeln zum Schutze der Polizeipräfektur und 
der angeblich bedrohten Beamten getroffen. 
W. Epernay, 7. Mai. An einem Gartenzaune wurden 
6 Dynamitpatronen gefunden. Wian vermutet, daß 
ich der Besitzer aus Furcht vor Nachforschungen ihrer ent— 
Wedigt hat. 
— AküS— 
Deutscher Reichstag. 
W. Berlin, 8. Mai. 
Am Bundesratstisch: Dr. Delbrück, Caspar. 
Die Beratung der zweiten Lesung der Reichsversiche⸗ 
rungsordnung wird forigesetzt. Sie beginnt mit der 
Abstimmung über den sozialdemokratischen Antrag zu 8 181. 
Dio Kommission hat den 8 181 gestrichen. 
Der Antrag wird abgelehnt und der Streichung zugestimmt. 
Die 88 182 und 183 werden unter Ablehnung der dazu 
orliegenden sozialdemokratischen Anträge angenommen. Bei 
184 Gefreiung von Lehrern und Erziehern an nicht öffent— 
ichen Schulen usw. von der Versicherungspflicht, wenn die 
dienftleistung lediglich zur Ausbildung im Beruf erfolgt) be— 
antragt 
Abg. Göhre (Soz.) Streichung dieser Bestimmung. 
Abg. Mugdan (Vpt.) In diesen Fällen handelt es sich 
zrößtenteils um Studenten und Kandidaten, die größtenteils 
jegen finanzielle Schwierigkeiten in Krankheitsfällen geschützt 
ind. Wir lehnen die Streichung ab. 
Abg. Göhre (Soz.): Diese Studenten sollen sich nicht scheuen, 
n die allgemeine Versicherungsgesetzgebung hineinbezogen zu 
verden. 
Der Antrag wird abgelehnt und die 88 184 und 185 
verden angenommen. Bein8 186 (GVersicherungsbefreiung von 
zalbinvaliden) beantragt 
Abge Sus (Soz.) Streichung der Bestimmung. Besonders 
verden die halbinvaliden Bergleute betroffen, die mit leich— 
en Arbeiten über Tage beschäftigt werden, nur um von der 
Versicherungspflicht enibunden zu sein. 
Abg. Behrens (w. Vgg.): Die jetzige Fassung ist die 
rünstigste, die nur von dem Bochumer Knappschaftsverein, aber 
»on keiner anderen Organisation beanstandet ist. 
Abg. Becker (Itr.): Die halbinvaliden Arbeiter sind froh, 
wenn sie zu den geringen Renten noch etwas hinzuverdienen 
können. Diese Arbeitsgelegenheit ist aber meist nur zu er—⸗ 
angen, wenn keine Versicherungspflicht vorhanden ist. 
Nach kurzer weiterer Debatte wird der Antrag abgelehnt. 
1862 Gefreiung von Lehrlingen im elterlichen Betriebe 
ind von Personen, die wegen Arbeitslosigkeit in Arbeiter— 
olonien ꝛc. vorübergehend beschäftigt werden). Auch hier wird 
in sozialdemokratischer Abänderungsantrag nach kurzer 
debatte, an der sich die Wag. Haußmann (natlib.) und Mol⸗ 
enbuhr (Soz.) beteiligen, abgelehnt. Die 88 1864 bis 189 
verden nach den Kommissionsbeschlüssen erledigt. 
Die 88 190 bis 1924 umfassen die Versicherungsberechti— 
uung. Zu 8 1924, wonach die Versicherungsberechtigung er⸗ 
doschen soll. wenn das regelmäßige jährliche Gesamteinkommen 
riettausend Mark übersteigt, beantragt 
Abg. Molkenbuhr (Soz.), die Summe auf 5000 Mzu 
rhõhen. 
Abua. Mugdan: Auch wir haben gewisse Bedenken gegen 
ie Konmissionsfassung, zum mindesten muß es diesen Leuten 
aöglich dein, sich wieder zu versichern, wenn ihr Einkommen 
bieder fällt. 
Abg. Hoch (Soz): Es ist unerhört, daß Sie, wenn wir 
ns bemühen, Verbesserungen durchzubringen, dasitzen wie die 
duppen und sich nicht vrhren. 
Vizepräsident Spvahn ruft den Redner zur Ordnung. 
Nach weiteren Bemerkungen wird der sozialdemokratische An—⸗ 
krag abgelehnt und der 8 1922 angenommen. 
Damit ist der erste Abschnitt erledigt. Der zweite Ab—⸗ 
chnitt ist Gegenstand der Versicherung. Die 88 183 bis 196, 
sie von den Leistungen im allgemeinen handeln, werden nach 
urzer Debatte angenommen. Die 88 197 bis 209 heziehen 
ich auf die Krankenhilfe. 8 197 enthält die Leistungen der 
dassen an Pflegeartikeln und Krankengeld. 
Abg. Sachse (Soz.) beantragt Erweiterung der Lieferpflicht 
für Seilmittel und als Krankengeld nicht den halben, sondern 
den ganzen Tagelohn. 
Die Anträge werden abgelehnt. Sodann wird über den 
Fventualantrag der Sozialdemokraten namentlich abgeftimmt, statt 
des halben Tagelohnes als Krankengeld dreiviertel Tagelohn zu 
setzen. Der Antrag wird mit 212 gegen 59 Stimmen abge— 
lehnt und die 88 197 und 198 werden angenommen. 
Die 88 1897 bis 200 werden angenommen. Für 8 201 
wurde bestimmt, daß außer der Krankenhauspflege die Hälft- 
des Krankengeldes als Hausgeld bewilligt wird. 
Abg. Suber (Soz.) beantragte statt des hohen Kranken— 
jeldes dreiviertel zu bewilligen. Der Antrag wurde abge— 
ehnt. Die 88 201 bis 203 wurden angenommen. 
Die 88 204 bis 206 wurden angenommen. 8 207 enthält 
dis Bestimmung, daß das Krankengeld versagt werden kann, 
wenn die Erkrankunga us strafbaren Handlungen, Schläge— 
eien ufw. entstanden ist. 
Abg. Buseld (Soz.) befürwortet den Antrag, daß Kranken— 
jeld in solchen Fällen doch zu bewilligen ist, wenn die Betreffen- 
den für eine Familie zu sorgen haben. Der Antrag wurde abge— 
lehnt. 8 207 wurde angenommen. 
Die 88 208 bis 209 werden angenommen. Die 88 210 
bis 213 handeln von der Wochenhilfe. Die Sozialdemo— 
kraten beantragen für sämtliche Paragraphen weitergehende 
Beihilfen. 
Abg. Davrid (Soz.): Hier handelt es sich um eine künf— 
tige Generalion von bedeutendstem Wertzuwachs. Die Säug— 
ringssterblichkeit ist bei uns leider immer noch erheblich. Das 
siegt daran, daß die Kinder schon im Mutterleibe nicht die 
zenügende Ernährung haben. Unsere Anträge liegen durchaus 
in dem Rahmen des Erreichbaren. 
Abg. Irl (Zentr.): Die Argumente des Vorredners wegen 
der Unterernährung der Wöchnerinnen treffen wohl für Fa— 
irbeiterinnen zu, nicht aber für die auf dem Lande beschäftiten 
Ich bitte Sie, unseren Antrag anzunehmen, nach dem die Ge— 
vährung der Wochenhilfe für Wöchnerinnen, die in der Land—⸗ 
wirtschaft o der als Dienstboten beschäftigt werden, durch Satzung 
geregelt werden soll. 
Die Weiterberatung wurde auf morgen vertagt. 
Buntes Allerlei. 
Wegen unlauteren Weitbewerbs wurde der Inhaber eines 
Bonner Partiewarengeschäfts zu 160 MuGeldstrafe verurteilt. 
Die Strafkammer erblickte in den Ankündigungen: Normal— 
zemden 3,50 M, Fabrikpreis 7850 Meund 4 M, Seide 7 M, 
Wert das Doppelte, Verstöße gegen 8 4 des Gesetzes gegen 
en unlauteren Weitbewerb, nachdem die Sachverständigen aus— 
esagt hatten, daß die Beschaffenheit dieser Ware diesen An— 
ündigungen nicht entspreche. In der Urteilsbegründung wurde 
betont, es müsse gegen derartige Verstöke energisch vorge— 
Jangen werden. 
Ein Drudfehler, der ein Menschenleben kostete In Paris 
st dieser Tage ein seltsamer Prozeß entschieden worden: Am 
6. Sept. vorigen Jahres kam der Kunsttischler Tournieux 
n einem etwas angetrunkenen Zustande nach Hause und bat 
eine Frau, ihm aus der Apotheke irgend etwas zu be— 
orgen, das gegen seinen unangenehmen Zustand helfe. Sie 
chlug ihr Hausapotheklenbuch auf und fand darin ein Rezept, 
das aus 100 Gramm Wasser, 15 Gramm Pfefferminztinktur 
ind 15 Gramm Ammoniak zusammengesetzt werden sollte. 
Dieses Getränk nahm ihr Mann zu sich, und sofort war er 
vieder völlig nüchtern, aber noch am selben Tage starb er. 
zeine Witwe verklagte nun den Verfasser ihres Haus— 
pothekenbuches, das die zweite Auflage eines älteren Werkes 
par. Die erste Ausgabe hatte ganz richtig 13 Tropfen Ammo— 
ziiak angegeben, in der neuen aber hatte sich ein Druckfehler 
ingeschlichen, durch den aus Tropfen Gramm geworden war. 
Das Gericht entfchied, daß der Verfasser die Korrekturen 
nicht mit genügender Sorgfalt gelesen habe, und verurteilte 
hn zu drei Monaten Gefängnis und einer Geldstrafe von 
30 M, während der Apotheker, weil er ohne ärztliches Re— 
ept eine Arznei verkauft hatte, zu einem Monat Gefängnis 
ind der gleichen Geldstrafe verurteilt wurde. Beide aber 
purden ferner dazu verurteilt, der Witwe erstens einen 
zchadensersatz von 800 M, zweitens eine lebenslängliche Rente 
„on 240 Muund drittens jedem ihrer Kinder bis zur Groß— 
ährigkeit eine ebenso hohe Rente zu zahlen. 
nge. „Al Tasso!“ Man schreibt der N. G. C. aus 
dom: An Torquato Tassos Grab in Rom fanden am vorigen 
Zienstag. des Dichters Todestag, bedeutende Ehrungen statt. 
hor der schlichten Grabplatte in der Klosterkirche St. Onofrio, 
iie einst die Mönche ihrem Gaste meißelten, wurde ein großer 
xranz der Stadt Rom, der nur die Worte „al Tasso“ trug. 
äedergelegt. Dann zog ein Pilgerzug junger Mädchen und 
dinder durch das Tor, um den Sänger des „Befreiten 
Jerusalem“ Frühlingskränze zu bringen. Im Sterbezimmer 
Tassos, das sich im Kloster St. Onofrio selbst befindet, 
prachen junge Römerinnen einige Gesänge aus deni „Befreiten 
zerusalemn“. Dann zog der Zug weiter zur „Tasso-Eiche“, 
enem Platz, von dem des Dichters Augen am letzten Tage 
eines Lebens über die ewige Stadt und die frühlingsgrüne 
rampagna sahen. Die Eiche, die ihm damals Schatten gab, 
erstörten Blitz und Sturm, wir sehen von ihr nichts mehr 
ils den knorrigen, wetterdurchfurchten Stamm, der wie eine 
este Säule den Jahrhunderten Stand hielt. Aber der Frühling 
ist wieder da in seiner ganzen südlichen Pracht, und noch 
mmer ist dieser Fleck, von dem der Blick das weite Rom 
umfaßt, einer der schönsten Plätze der Welt. 
Unfall deutscher Aerzte im Petitgebiet. 
Tsingftau, 8. Mai. Die Aerzte Bierman und Gothein, 
die im Dienste der Regierung in Schanghai sich zum Studium 
der Pest in China befinden, haben bei einem Eisenbahn— 
Ansall in der Nähe von Tetschou Beinbrüche erlitten. 
Unglücksfall auf der Spree. — Aus dem 
Spielerprozeß Matiske. Berlin, 8. Mai. Gestern 
ormittag mieteten drei Personen bei Niederschöneweide ein 
Wasserveloziped zu einer Spazierfahrt. Unterwegs 
ijahmen sie noch drei Personen auf, so daß dues Wasserrad 
iberlastet war. Infolge von Dummheiten, die zwei junge 
Burschen machten, überschlug sich das Rad und alle stürzten 
ns Wasser. Die Mannschaften des Ruderklubs „Wiking“ retteten 
wei junge Mädchen und zwei junge Männer. Die beiden 
Irheber des Unheils sind ertrunken. — Im Spieler— 
dozeß Matiske wurden Sonnabend die Zeugen dernommen 
iber die Art, wie im Roulette-Klub gespielt wurde. 
ẽks geht daraus hervor, daß die Spieler kleine Einlagen machten, 
dährend Matiske und die Croupiers mit großen Einlagen an 
er Bank beteiligt waren. Die Zeugen haben beim Roulette— 
piel Summen verloren, die für ihre Verhältnisse nicht unbe— 
eutend waren
	        
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