Frage von dem bisherigen Brauch, der als solcher Anspruch
vuf Befolgung hat, in einem einzelnen Falle abzuweichen, er⸗
cheint so mißlich, daß die Mehrheit des Abgeordnetenhauses
das Richtige traf, als sie den Fall Liebknecht anders erledigte,
ils der vorberatende Ausschuß. Hoffentlich merzt das Plenum
»es Hauses auch den Beschluß aus, den sein Ausschuß üben
die Einführung des obligatorischen Keligionsunter—
richtes in den Fortbildungsschulen gefaßt hat.
Praktisch undurchführbar und aus psychologischen Gründen be—
»enklich, würde diese Neuerung vor allem dem Klerikalismus
ein weiteres Mittel für den klerikalen Jugenddrill in die Hände
pielen. Nicht nur die übrigen Parteien, sondern auch die Re—
gierung können vernünftigerweise daran kein Interesse haben.
Der sozial demokratischen Maifeier, die bezeichnenderweise
in katholischen Oesterreich weit ausgedehnter als in Deutsch⸗
land gefeiert wurde, ist bei uns der übliche Maikater in Gestalt
don kürzeren oder längeren Aussperrungen gefolagt. In Frank—
eich waren zur Sicherung eines ruhigen Verlaufs der Maifeier
nilitärische Maßregeln großen Stiles getroffen. In der Re—
zublik dier Freien und Gleichen ist bei solchen Anlässen die
Polizei ebensowenig Herr der Lage, wie bei der immer noch nicht
ingeschlafenen Winzerbewegung. Die zahlreichen Zusammen⸗
töhe zwischen den Maifeiernden und den Truppen in Paris
oerraten, daß die Marokkoangelegenheit trotz des
hauvinistischen Presselärms durchaus nicht die französischen Geister
‚eherrscht. Die französische Regierung hat so lange als möglich
»ie Fiktion aufrechterhalten, daß in Fez anarchistische Zustände
jerrschen und die Kolonne Brémond nicht dorthin zurüdcgekehrt
jei. Natürlich geschah dies zu dem Zweck, die militärischen Maß—
rtegeln nicht unterbrechen zu müssen. Mas unter den veränderten
Verhältnissen geschehen wird, ob Fez von den Franzosen besetzt
verden wird oder nicht, kann nicht lange unbekannt bleiben.
In der Besprechung des Reichskanzlers mit dem französischen
Botichaster, deren wesentlicher Inhalt durch die Nordd. Allg.
319. der gesamten Oeffentlichkeit mitgeteilt wurde, ist kein
zweifel über die Folgerungen gelassen worden, die Deutschland
us einer Antastung oder Beseitigung der Integrität Marokkos
ind dier Souveränität des Sultans zieht. Der Hinweis auf
die „volle Aktionsfreiheit“, die sämtliche Mächte in solchem Falle
wieder erlangen würden, ist für Frankreich eine deutliche War—
iung. Ob sie den Erfolg zeitigt, die schönen französischen Ver⸗
prechungen von der Uneigennützigkeit ihres Vorgehens zu ver—
virklichen, muß sich erst noch zeigen. In Großbritannien
zat, wie aus zahlreichen im Unterhaus gestellten Fragen her—
vorgeht, die französische Marokkoaktion Unbehagen hervorgerufen.
Aber die englische Regierung gab durch ihre Antworten zu ver—
tehen, daß sie gegen die Einmischung Frankreichs keine Ein—
vendungen erhebt. Die Begründung einer neuen deutsch-englischen
Freundschaftsgesellschaft fiel mit dem Stapellauf eines neuen
sieseuschlachtschiffes zusammen, und die Begeisterung für den
englisch-amerikanischen Schiedsgerichtsvertrag
chlug in einer Londoner Versammlung hohe Wellen. Wird
ach einer Auslassung des Präsidenten Taft der Abschkuß dieses
Vertrages noch einige Zeit auf sich warten lassen, so ist ein
iuderer längst gehegter englischer Wunsch, die Annahme einer
ritischen Anleihe durch Persien, endlich in Erfüllung ge—
langen. Auf Rußlands persische Politik wird dieser Vorgang
aum phne Einfluß bleiben. Die mexikanischen Ver—
Ȋlhtnifse sind zurzeit wieder recht undurchsichtig. Nach den
etzten Nachrichten ist nicht nur der Rücktritt des WPräsidenten
eht in Frage gestellt worden, was wenig zur Beruhigung der
sievolution beiträgt, sondern auch in den Vereinigten Staaten
»at man wiederholt die Intervention erwogen.
— t — — — WPrTIE
leueste Nachrichten und Telegramme.
Der Kaiser in Straßburg.
W. Straßßburg, 6. Mai. Frohbewegtes Treiben herrscht
jeute in der Erwartung des Ka iserbesuches in den Straßen,
die im Festschnuuck, Flaggen und grünen Kranzgewinden prangen.
Besonders stark ist der Zuzug vom Lande, von dem zahlreiche
dehrer mit der Schuljugend, die den Kaiser sehen will, einge—
roffen sind. Die gestrige zweifelhafte Witterung wandelte sich
n einen prächtigen Frühlingstag. Auf besonderen Wunsch des
zaisers unterbleibt jede militärische Absperrung, ausgenommen
auf dem Festplatz; bagegen bilden 120000 Schulkinder
Straßburgs von der Palaststrahe um den Kaiserplatz Ehren-—
palier. 'Rechts und linls von dem zu enthüllenden Denkmal
tellen sich die studentischen Korporationen mit Fahnen auf.
Der kaiserliche Sonderzug traf heute vormittag 11 Uhr
15 Min. im hiesigen Bahnhof ein, wo sich zum Empfange der
Polizeipräsident und Oberstallmeister v. Reischach eingefunden
zatten. Der Kaiser und der Großherzog von Baden
anit Gemahlin begaben sich ohne längeren Aufenthalt durch
das Fürstenzimmer zu den bereitstehenden Automobilen. Die
Fahrt ging durch die Kußstraße, den Staden entlang zum Kaiser—
platz unter den begeisterten Zurufen des Publikums und Glocken⸗
zeläut. An der Kaiser-Friedrichstraße verließ der Kaiser das
Automobil, um die Fronten der aufgestellten Kriegervereine und
Veteranenvereine abzuschreiten. Der Kaiser nimmt Wohnung
in Kaiserpalast. In seiner Begleitung befinden sich der Reischs⸗
rauzler und der Unterstaatssekretär Wahn—
chaffe, welche als Gäste des Statthalters in dessen Palais
Pohnung nehmen.
Auf dem Denkmalsplatze begrüßte der Kaiser, in der
Iniform des 1. Garderegiments zu Fuß, die Veteranen mit
inem „Guten Morgen, Kameraden!“ und schritt die Front der
beiden Ehrenkompagnien ab, die aus Mannschaften sächsischer
und württembergischer Truppenteile kombiniert waren. Dann
begab sich der Kaiser mit dem Großherzogspaar und
em Statthalter v. Wede Imit Gemahlin unter das
aiserzelt.
Der Festplattz bot im hellen Sonnenschein ein ebenso glän—⸗
zendes wie harmonisches Bild. Zu Seiten des Kaiserzeltes stan⸗
rnen die Generalität, das Offizterkorps der Gar—
nison, die Vertreter der Körperschaften und Be—
hörden des Landes, der Stadt, der Unidersität,
der hohen Geistlichkeit, weiter zurückk die Vertreter
der Studentenschaft. An den Fenstern und auf den
Dächern der umliegenden Staatsgebäude sowie auf den Tribünen
desand sich zahlreiches Publilum. Auf einer Plattform standen
die Fahnen und Standarten der Garnison.
Der Festakt wurde eingeleitet durch eine Hymne, welche
unter Posaunenbegleitung von 600 Mitaliedern der
Straßburger Männergesangvereine vorgetragen
wurde
Die Festrede
hielt Hetr Geheimrat Professor Dr. Wiegand, in
der er darauf hinwies, daß zum ersten Male seit den Tagen
nudolfs von Habsburg in den Mauern Straßburgs wieder einem
eutschen Herrscher ein Standbild errichtet werde Wenn in
der glten deutschen Schicksalsstadt, die Kaiser Wilhelm J. wieder⸗
rewonnen habe, sein Denkmal sich erhebe, solle es nicht die
zerkörperung kriegerischen Triumphes oder überheblicher Sieges⸗
reude sein, sondern ein Wahrzeichen, das die Entwickelung der
heschichte Deutschlands im verflossenen Jahrhundert zusammen⸗
asse und darstelle in der Heldengestalt des Kaisers, der uns
ein starkes Kaisertum hinterlassen, uns und der Welt den Segen
ꝛiner kraftvollen, selbständigen Monarchie, über den Parteien
tehend, handgreiflich vor Augen geführt habe. Das Denk—
nal solle sein ein Sinnbild der innigen nationalen Gemein—⸗
chaft, die alle Volksgenossen umschlinge, und zugleich der Zu—⸗
unft dieses schönen Landes und seines kernigen Volkes, die
inter den Schwingen des Kaiseradlers dem alten Vaterlande
oiedergewonnen wurden und erhalten bleiben werden.
Die Enthüllung ves Denkmals.
Darauf gab der Kaiser mit dem Feldmarschallstab das
zeichen zum Fallen der Hülle und salutierte. Die Fahnen
nnkten sich, die Ehrenwache präsentierte, Artillerie feuerte den
jalut, während,, Deutschland, Deutschland über alles“ gesungen
urde, betrachtete der Kaiser das einfache schöne Werk des
Zrofessors Manzel, welches Kaiser Wilhelm den Großzen
a ruhiger Haltung zeigt. Geheimrat von Bomhard übergab
»as Denkmal an die Stadt, in deren Namen Bürgermeister
)x. Schwander es Üübernahm. Redner schloß mit einem drei⸗
ichen Hoch auf den Kaifer, m das die vielen Tausende
estteilnehmer jubelnd einstimmten. Nunmehr führte der Kaiser
ie Großherzogin zum Denkmal, wo er einen prächtigen Lor—
eerkranz niederlegte. Der Großherzog, der Reichskanzler und
ie anderen Herren der Umgebung folgten. Zahlreiche andere
dränze wurden niedergelegt. Der Kaifer unterhielt sich län⸗
ere Zeit mit den Komiteemitgliedern und überreichte persön⸗
ich Ordensauszeichnungen. Es erhielten: den Kro—
enorden 2. Klasse Professor Manzel, Geh. Justizrat v. Bom⸗
ard, die Krone Roten Adlerorden 8. Klasse mit Schleife
zrofefsor Wiegand, den Roten Adlerorden 4. Klasse mit der
trone Hoflieferant Cuhler, die Krone zum Roten Adlerorden
.Klasse das Mitglied des Komitees Munke. Der Kaiser ließ
ich dann die Vertreter der Stadt durch den Bürgermeister vor—
ellen, sprach mit Bischof Dr. Fritzen, dem Weihbischof Zorn
»on Bulach und zog noch andere Anwesende ins Gespräch.
Nach dem Vorbeimarsch der Ehrenkompagnien mit allen
rahnen der Garnison und der Salutbatterie schritt der Kaiser
u Fuß rund um den Kaiserplatz zum Kaiserpalast, durch das
zpalier der Schulkinder, die ihn mit stürmischen immer erneuten
„urufen begrühßten. Dem kaiserlichen Gefolge ist außer dem
)berstallmeister Freiherrn v. Reischach der Flügeladjutant Frei—
err v. Holtzing beigetreten. General v. Chelius ist nach
zerlin zurückgekehrt. An dem Frühstück im Kaiserpalast nahmen
er Großherzog und die Großherzogin von Baden teil.
Wt. Siraßburg, 6. Mai. Der Kaiser besuchte nachmittags
ie Handwerkerkammer für Elsaß-Lothringen sowie später das
Balais Rohan und machte sodann einen Spaziergang.
Der Reichskanzler v. Bethmann-Hollweg und der Statt—
/alter nahmen an dem Frühstück im Kaiserpalast teil. Nachher
ianferierten beide längere Zeit miteinander.
Eröffnung der Internationalen Sygieneausstellung.
W. Dresden, 6. Mai. Heute vormittag fand in Gegen—
vart des Königs, der Mitglieder des Königshauses, der
Spitzen der Behörden, der Generalität, des diplomatischen
Rorps und etwa 3000 geladener Ehrengäste die seierliche Er⸗
sffnung der Internationalen Sygieneaus
stellung Dresden 1911 statt.
Zur Errichtung eines Bismarck⸗Nationaldenkmals.
Wit. Düsseldorf, 6. Mai. In der Sitzung sämtlicher Vor—
tände der Sonderausschüsse zur Errichtung eines Bismarck⸗
stationaldenkmals auf der Elisenhöhe bei Bingerbrück, die unter
»em Vorsitzz des Geheimen Kommerzienrats Emil Kardorf
tattfand, wurde beschlossen, die Ausstellung der Entwürfe in
Wiesbaden am 1. Juni zu eröffnen. Im Laufe des Juni
oll dorthin eine Sitzung der Sonderausschüsse einberufen wer—
»en, die über die weitere Behandlung der Denkmalsfrage be—
chließen soll. Die Sammlungen nahmen einen erfreulichen
Fortschritt, sie sollen durch Bildung weiterer Landes⸗ und
Irtsausschüsse eine nachdrückliche Förderung erfahren.
W. Potsdam, 6. Mai. Die Kaiserin und die Prin—
esjsin Viktoria Luise trafen heute vormittag auf der
ztation Wildpark ein. Zum Empfange hatten sich eingefunden:
as Kronprinzenpaar, Prinz und Vrinzessin Eitel Friedrich,
„ie Prinzen Adalbert und August Wilhelm und die Söhne
»es Kronprinzenpaares, Prinz Wilhelm und Prinz Louis Fer⸗
inand. Nach herzlicher Begrüßung begab sich die Kaiserin
mit der Prinzessin ins Neue Palais.
W. Berlin, 6. Mai. Die Budgetkommission des Abge—
»rdnetenhauses verhandelte über die Denkschrift betr. die An⸗
fiedelungspolitik in Westpreußen und Posen.
der Berichterstatter hob hervor, der Finanzminister habe seiner⸗
eit die Enteignung für wünschenswert erklärt, weil sonst die
Anfiedelungsgeschäfte nicht weitergeführt werden können und
ragte, weshalb denn von der Enteignung kein Gebrauch gemacht
verde. Der Minister erklärte u. a., sobald sich das Bedürfnis
instelle, werde er die Enteignung anwenden, soweit dies in
»em ziemlich engen Rahmen des Gesetzes zulässig sei. Die
eiden konservativen Parteien und die Nationalliberalen erklär⸗
sen sich mit der Staatsregierung prinzipiell einverstanden,
aß an der bisherigen Politik unbedingt festzuhalten fei, dahß
ber der außerordentlich hohe Preis, der heute den hundert—
indfünfzigfachen Grundsteuerreinertrag übersteige, zur Zurück—
altung nötige. Uebrigens wurde anerkannt, daß die Frage,
b und wann enteignet werden soll, lediglich von der Staats—
egierung zu entscheiden sei. Festgestellt wurde, daß wenigstens
a der Nähe der Ansiedlungsbezirke polnischer Besitz wenig,
ast gar nicht zu haben ist. Die Staatsregierung vertritt in
lebereinstimmung mit den drei genannten Parteien die An—⸗
hauung, daß ein selbständig von einem Deutschen bewirt⸗
hafteter mittlerer oder Großgrundbesitz zukünftig keinen für
ie Anfiedlungskommission geeigneten Landerwerb darstellt. Es
leibe also nur die Möglichkeit, gröhßere Latifundien zu erwer⸗
en, In dieser Beziehung seien die Verhandlungen, wie z. B.
es Herzogs von Koburg, bereits abgeschlossen und würden in
mderen Fällen demnächst zum Abschluß kommen.
W. Berlin, 6. Mai. Wie die Nordd. Allg. Z3tg. hört,
st der Antrasg auf Beisfetzung der Leiche des Kar di—
rals Ledochowsty im Posener Dom zurücgezo⸗
en worden.
W. Büceburg, 6. Mai. Die Schaumburg-Lippesche Lan—
eszeitung veröffentlicht folgenden Erlaß: An mein Ministerium.
die allgemeine herzliche und innige Teilnahme, welche bei dem
zeimgange und der Beisetzung meines geliebten Herrn Vaters
n zahlreichen Kundgebungen Mittrauernder von nah und fern
um Ausdruck gebracht wurde, hat mir und den Meinigen, be—
onders auch meiner vielgeliebten Frau Mutter großen Trost
m unserm tiefem Schmerz bereitet. Ich habe daraus ersehen,
velch große Liebe und Verehrung mein nun in Gott ruhender
leurer Herr Vater in allen Bevölkerungskreisen seines Landes
ind weit über die Grenzen seines Fürstentums hinaus genossen
hat. Der hohe Entschlafene, allezeit gütig und gerecht, hing aber
ruuch mit jeder Faser seines Herzens an seinem angestammten
dande und dem lieben deutschen Vaterlande. Allen, welché
durch ihre Teilnahme unseremHerzen wohlgetan haben, spreche
ich dafür meinen, meiner vielgeliebten Frau Mutter und der
Meinigen tiefgefühlten herzlichen Dank aus. Ich beauftrage
mein Ministerium, diesen Erlaß zur allgemeinen Kenntnis zu
zringen.
Büceburg, den 58. Mai 1911. (gez.) Adolf.
Wit. Gibraltar, 6. Mai. Die „Hohenzollern“ ist in Be—
gleitung des Kreuzers „Königsberg“ von Korfu hier einge—
troffen und geht abends nach Vlissingen in See, wo sich
der deutsche Kaiser zur Fahrt nach England an
Bord begibt. Mittagas schossen die britischen Kriegsschiffe und
die „Königsberg“ Salut zur Jahrestagsfeier der Thronbeste!
gung des Königs.
Deutscher Reichstag.
W. Berlin, 6. Mai.
Die zweite Lesung der Reichssversicherungsord—
nung wird fortgesetzt.
8 92 regelt die Kostenfrage für das Oberversicherungsamt.
Hiermit wird verbunden der gestern zurückgestellte 8 69, der
odie Kosten für die Versicherungsämter regelt und worin unter
Umständen auch den Gemeinden ein Teil der Kosten aufer—
legt wird.
Abg. Gyßling (Vpt.) Wir wünschen, daß die Kosten der
Bundesstaat trägt und halten es nicht für richtig, daß die
Gemeinden noch besonders belastet werden.
Direktor im Reichsamt des Innern Caspar: Ich bitte
zen Antrag des Vorredners, wonach der Bundesstaat sämtliche
dosten trägt, abzulehnen, da er für die Regierung unannehm—
bar ist.
Abg. SHildenbrand (Soz.) vertritt einen sozialdemokra—
ischen Antrag, der sich in gleicher Richtung wie der der Frei
innigen bewegt.
Abg. GEyßling (Vpt.): Die Annahme ist nicht richtig, daß
zie Lasten in Zukunft nicht gröher würden. Die Gemeinden
nüssen das Beamtenpersonal vermehren, das bedeutet neue
dostenlasten.
Abg. Horn (natlib.): Der eventuellen Mehrbelastung der
reisfreien Gemeinden stehen erhebliche Entlastungen von den
Versicherungspflichten gegenüber.
Die Anträge der Freisinnigen und der Sozialdemokraten
verden abgelehnt. Ein Kompromißantrag Schultz, der die
tosten der Bezüge der Versicherungsvertreter bei den Versiche—
ungsämtern nicht den Gemeinden auferlegen will, wird ange—
iommen. Damit sind die 88 69 und 92 angenommen. Die
8 93 bis 104 werden nach dem Antrag der Kommission er—
edigt. Zun8 105 beantragt
Abg. Schultz (Rpt.), bei den Wahlen der zwölf Versicher⸗
ten zum Reichsversicherungsamt die Verhältniswahl vorzusehen.
Der Antrag wird angenommen, im übrigen werden die 88 105
»is 127 in der Fassung der Kommission angenommen. Die
z8 128 bis 130 regeln die Rechtshilfe. Zu 8 128 befürwortet
Abg. Busold (Soz.) den Antrag, den Satz einzufügen? Bet
der Beweisaufnahme ist den Varteien Gelegenheit zur Teil⸗
nahme zu geben.
Nach kurzer Debatte ziehen die Sozialdemokraten ihren
Antrag zurück. Die 88 128 bis 134 werden angenommen.
ODie 88 135 und 136 betreffen die ärztliche Behandlung.
z 135 wird unverändert angenommen. Zu 8 136, der die Be⸗
jandlung von Zahnkrankheiten vorsieht, liegt ein Antrag vor,
ier die Behandlung von Zahnkrankheiten mit Ausschluß von
Mund- und Kieferkrankheiten außer durch Zahnärzte mit Zu—⸗
stimmung des Versicherten auch durch Zahntechniker zulassen will,
Abg. Fleischer (Z3tr.) begründet den Antrag.
Ministerialdirektor Caspar: Bedenken gegen den Antrag
bestehen nicht.
Nach unwesentlicher Debatte wird der Antrag angenommen.
Die 88 137 bis 160 werden unverändert angenommen
die 88 161 bis 164 handeln vom Ortslohn.
Zu 8 162 befürwortet Abg. Brey (Soz.) einen Antrag,
vonach als Ortslohn für männliche Personen über 21 Jahre
licht weniger als drei Mark und für weibliche über 21 Jahre
iicht weniger als 2 Mark festgesetzt werden soll.
Der Antrag wird abgelehnt, die 88 162 bis 168 werden
ingenommen. Die 88 169 und 170, betreffend die Behandlung
»on Ausländern in den Versicherungen, werden gleichfalls unter
blehnung eines sozialdemokratischen Antrages unverändert an—
genommen.
8 171 besagt, daß die Beschäftigung eines Ehegatten durch
den anderen im allgemeinen keine Versicherungspflicht be—
ründen soll.
Abg. Schmidt (Soz.): Wir beantragen „daß die Versiche—
rungspflicht durch Verwandtschaftsgrade zwischen Arbeitgeber
und Arbeitnehmer nicht ausgeschlossen wird.
8 171 wird unter Ablehnung dieses Antrages angenommen.
ebenso der Rest des ersten Buches bis einschließlich 8 176.
Es folgt das zweite Buch, Krankenversicherung. Die
38 177 bis 1923 behandeln den Umfang der Versicherung, und
war bis 8 188 die Versicherungspflicht.
Abg. Büchner (Soz.): Wir wünschen bei dem 8 177 wei—
ere Ausdehnung der Versicherungspflicht bis auf die selbstän—
igen kleinen Handwerker. Alle diejenigen, die ein Jahres⸗
inkommen bis zu fünftausend Mark haben, sollten einbezogen
verden.
Abg. Pauli⸗Potsdam (kons.): Wir halten es für besser
m Interesse seiner Selbständigkeit, wenn das Handwerk nicht
inter das Krankenkassengesetz gestellt wird. (Große Unruhe
inks.)
Nach kurzer Debatte wird der Antrag abgelehnt und 8177
n der Fassung der Kommission angenommen. Beimes8 181 be⸗
weifelt
Abg. Bebel (Soz.) die Beschlußfähigkeit des Hauses.
Das Bureau schließt sich dem an. Die Verhandlungen werden
abgebrochen.
Weiterberatung Montag 12 Uhr.
heer und glotte.
W. Berlin, 6. Mai. Reichspostdampfer „Lützow“ mit
inem weiteren Teil der aus dem Kiautschougebiet abgelösten
Iffiziere und Mannschaften ist am 5. Mai in Algier einge⸗
roffen und hat die Reise nach Gibraltar am gleichen Tage
ortgesetzt. „Bremen“ ist am 5. Mai in Newport News (Vir⸗
inia), „Scharnhorst“ mit dem Chef des Kreuzergeschwaders
im 6. Mai in Nagasaki eingetroffen. „Gneisenau“ und „Leip—
ig“ sind am 5. Mai in Itsikushima (Japan, eingetroffen.