Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

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greitag, den 5. Mai 191. 
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Ausgabe 4. 
Morgen⸗Blatt Rr. 225. 
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Tagesbericht. 
Lübed, 5. Mai. 
Deutscher Rundflug 1911. Am gestrigen Tage weilte der 
Vertreter des Organisationskomitees des Rundfluges 1911, Herr 
Major von Tschudi aus Berlin, in Lübeck, um mit Mit— 
gliedern des Vorstandes des Lübecker Vereins für Luftschiffahrt 
die Frage wegen einer event. Landung der Flieger in Lübeck zu 
besprechen. Seitens des Vorstandes des Lübecker Vereins wurde 
als Landungsplatz der Wesloer Exerzierplatz, der schon mehrfach 
ähnlichen Zwecken gedient hat, vorgeschlagen und von Herrn 
Maior von Tschudi als günstig befunden. Nachdem so die 
Aeußerlichkeiten für eine Landung sich günstig zu gestalten 
scheinen, wird es sich lediglich fragen, ob eine genügende finan— 
zielle Beihilfe, wie sie zahlreiche Städte gestellt haben, sich 
auch in Lübeck wird beschaffen lassen. Wie verlautet, ist eine 
Veränderung der ursprünglich in Aussicht genommenen Etappen 
beabsichtigt. Es wird die Fahrt von Berlin nach Magdeburg, 
von hier nach Schwerin, dann nach Hamburg, weiter nach 
Kiel, endlich nach Lübeck, LüUneburg und Hannover gemacht. 
Als Landungszeit dürften die Tage vom 23. bis 26. Juni 
in Frage kommen. 
Der WVerein Seebad Travemünde hielt Mittwoch im 
Hotel de Russie zu Travemünde eine gutbesuchte Versammlung 
ab, in welcher der Vorsitzende, Herr Konsul Piehl, zunächst 
über den neuen Sommerfahrplan berichtete. Die verschie— 
denen Verbesserungen, die der Sommerfahrplan bringt, sind 
dankbar anzuerlennen. Bedauert wurde, daß auch in dem 
neuen Sommerfahrplan für den Schnellzug, der abends 6 Uhr 
58 Min. Travemunde-Strand verläßt, kein Halten am Stadt⸗ 
bahnhof vorgesehen ist. Der Verein wird dieserhalb höheren 
Ortes aufs neue vorstellig werden. Wegen des Winterfahr⸗ 
planes wurde beschlossen, baldmöglichst eine Eingabe an die 
Eisenbahndirektion zu machen, in welcher die Wünsche des 
Vereins hinfichtlich des nächsten Winterfahrplanes zum Aus⸗ 
druck gebracht werden sollen. Es handelt sich hauptsächlich 
darum, in den langen Zeitraum von 5 bis 49 Uhr abends 
einen Zug von Lübeck nach Travemünde zu legen, und umge— 
kehrt einen Zug von Travemünde nach Lübecdck einzulegen, der 
— 
b Uhr 10 Min. ist zurzeit der letzte Zug, welcher Travemünde 
im Winter verläßt. Da sich aber bereits im Winter ein erfreu— 
liches Leben in Travemuünde entwickelt, so muß auch der Fahr- 
plan dem künftig mehr Rechnung tragen. — Der von dem 
Badekommissar Herrn Heyl verfaßte neue Führer begegnet 
allseitig wegen seiner sachkundigen und wirkungsvollen Auf— 
wachung leohaftem Beifall. Ferner wurde die von dem Ge— 
aannten im Verein mit dem Finanzdepartement in Gang ge— 
setzte außerordentlich rührige Reklame allseitig gutgeheißen. 
Jedenfalls hat sich der neue Badekommissar in diesen Punkten 
als durchaus sachkundiger, praktischer und rühriger Mann ge— 
zeigt. Für festliche Veranstaltungen in Travemünde wurde 
aus der Vereinskasse ein Zuschuß von 100 Mebewilligt. Sehr 
geklagt wurde darüber, daß der für den Concours Hippique 
bestimmte Platz in Travemünde ganz unzulänglich hergerichtet 
sei, sodah große Gefahr vorhanden sei, daß diese Veranstaltung 
in diesem Jahre nicht abgehalten werden könne, wodurch 
für Travemünde ein großer Ausfall entstände. Es wurde be— 
schlossen, bei der zuständigen Behörde dringend um ordentliche 
Walzung dieses Platzes einzukommen. Wegen der Höhe der 
Elektrizitätspreise wurde wiederholt Klage geführt; der Vor— 
sitzende erklärte, daß die Verwaltungsbehörde die Frage prüfe, 
in welcher Weise hierin Abhilfe zu schaffen sei. An die Bau—⸗ 
deputation soll eine Eingabe gerichtet werden, auch an em 
Strande vor dem neuen Ostsee-Hotel einen Anlegesteg für 
Boote zu errichten, um den nördlichen Badestrand zu enkt— 
lasten. Bemängelt wurde, daß im Winter der Abort am 
Gneversdorfer Weg in einem ganz unwürdigen Zustand sich be— 
findet und daß hierin künftig Wandel geschaffen werden müsse. 
Auch ist die Aufsicht am Strande bisher eine ungenügende. 
Vielfach wird der Strand noch mit Glasscherben usw. be— 
worfen; ktuch fehlen Papierkörbe. Es ist erforderlich, daß 
an jeder Treppe am Strande ein Papierkorb aufgestellt wird. 
Nachdem noch einige Wünsche hinsichtlich der telephonischen 
und postalischen Verhältnisse zum Ausdruck gebracht wurden, 
schloß der Vorsitzende die Versammlung. 
O Serr Stahl-Nachbaur, unser talentvoller jugendlicher 
Held und Bonvivant vom Stadttheater hat, wie er uns mitteilt, 
ein sehr vorteilhaftes Engagement am Straßburger Stadt— 
theater erhalten. Herr Stahl-Nachbaur, dessen Familienname 
Guggenheimer lautet, ist der Sohn des Generaldirektors und 
Konsuls Dr. Guggenheimer in München. Nach verschiedenen 
Engagements in Hanau, Stralsund, Neustrelitz, Rostock, kam er 
vor drei Jahren nach Lübeck, und wir können wohl sagen, daß 
er sich in den Rollen Mortimer, Melchtal, Ferdinand, Gyges, 
Marc⸗Arron (Revolutionshochzeit) ac. sowie durch seine zahl— 
reichen, liebenswürdigen, flotten und eleganten Bonvivants die 
volle Gunst unseres Theaterpublikums zu erobern verstand. 
Sein neues Engagement erhielt Herr Stahl-Nachbaur auf Grund 
eines mit großem Erfolg ausgefallenen Probegastspiels in den 
„Räubern“, in denen er die Rolle des Carl Moor de ellte. 
Wir wollen hoffen, daß das neue Wirkungsfeld dem jungen, 
vielversprechenden Schauspieler eine weitere erfolgreiche Zu— 
kunft sichert, und daß er sich bei uns gelegentlich als Gast einmal 
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— — 
o. St. Gertrud⸗Bücherhalle. Die Bücherausgabe am 
Montag vormittag schließt mit dem 15. Mai und findet 
von da ab nur noch Mittwochs und Sonnabends von 6 bis 
J Uhr statt. 
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ende. Aber wenn die ßerrm von varnborough Sill es durch 
die Umstände für geboten hält, bringt sie ihren Zeitgenossen 
»och sehr deutlich zum Bewußtsein, dah sie noch unter ihnen 
weilt, und zwar nicht als ein bloßes Phantom. Als sich 
mm Sommer 10909 das Gerücht verbreitete, sie sei mit der 
Abfassung ihrer Memoiren beschäftigt, ließ sie durs, ihren 
Zekretär mit aller Entschiedenheit in der Oeffentlichkeit er⸗ 
flären, es wäre lein wahres Wort daran. 
Napoleon 1. auf dem Sterbelager. 
nge. Am heutigen 5. Mai kehrt Napoleons J. Todestag 
um 90. Male wieder. Etwa acht Tage vor seinem Ende 
ziktierte der schwerkranke Kaiser dem Grafen Montholon folgende 
zeilen in die Feder, die dieser nach seinem Ableben an Sir 
zudson Lowe, den Gouverneur von St. Helena, schreiben sollte: 
Herr Gouverneur, Kaiser Napoleon ist am.... infolge einer 
angen schweren Krankheit gestorben. Ich habe die Ehre, 
die davon in Kenntnis zu setzen. Er hat mich ermächtigt, 
zhnen, wenn Sie es wünschen, seine letzten Wünsche mitzu—⸗ 
eilen. Ich bitte Sie, mich wissen zu lassen, welcher Art 
zie von Ihrer Regierung vorgeschriebenen Dispositionen füt 
ie Ueberführung des Leichnams nach Europa und diejenigen 
ind, die sich auf die Personen seines Gefolges beziehen.“ 
Am Abend des 2. Mai 1821 versuchte der Gefangene von 
St. Helena seinem Kammerdiener Marchand noch einige 
estamentarische Bestimmungen zugunsten seines Sohnes unx 
er Prinzessin Pauline in die Feder zu diktieren, aber jetzt 
ersagten ihm schon die Worte; es war, als ob er sich im 
zalbdunkel des erlöschenden Lebens mit seinen Gedanken nicht 
nehr zurechtfinden konnte. In der Nacht vom 2. zum 3. Mai 
rhob er sich plötzlich mit krampfhaften Zuckungen von seinem 
ager, um aus dem Bett zu springen; das in seinem 
znnern brennende Feuer war ihm zur unerträglichen Qual 
zjeworden. Rur mit Mühe vermochte Montholon ihn in die 
iegende Stellung zurückzudrücken. Der folgende Tag und die 
olgende Nacht verliefen ziemlich ruhig; in der Nacht zum 
. Mai trat jedoch eine Krisis ein, in der Napoleon mit so 
inwiderstehlicher Wucht aus dem Bette sprang, daß er den 
Heneral, der ihn daran zu hindern suchte, mit sich auf den 
Fußboden niederriß. Mit dieser letzten außerordentlichene An— 
trengung aber hatte sich die Lebenskraft des Sterbenden er⸗ 
chöpft, wenige Stunden später begann schon das Todesröcheln, 
und von jenem Augenblick an war nach den Beobachtungen 
Montholons von einem Todeskampf nichts mehr zu spüren. 
Ruhig lag er auf dem Rücken da, mit der rechten Hand 
rußerhalb des Bettes, ohne irgend welche Schmerzen zu ver—⸗ 
raten, mit dem Ausdruck tiefen Nachdenkens, die Lippen 
usammengepreßt. Zehn Minuten vor 6 Uhr abends am 5. Mai 
1821kam in Frieden das Ende für den, der die Welt mi 
Waffenlärm und dem Ruhm seines unsterblichen Namens er 
üllt hatte. Während Napoleon im Siterben lag, brauste ein 
dewaltiger Sturm über die einsame Ozeaninsel hin, als ob die 
entfesselten Elemente ihm den Sterbegesang singen wollten. 
Sportnachrichten. 
Der Norddeutsche Regattaverein veröffentlicht soeben die 
Ausschreibung für die Punitpreise, welche während der Wett— 
ahrten der Hamburger und der Kieler Woche zur Ausseg⸗ 
lung gelangen. Für die 8m-Klasse sind 750, für die Sebener 
300, für die Sechser 500 und für die Fünfer 400 Muäausgelobt. 
statürlich haben diejenigen Jachten die größere Anwartschaft, 
welche nicht nur an der Kieler Woche, sondern auch an der Ham⸗ 
yurger Woche sich beteiligen, und es steht zu erwarten, daß die 
mmerhin seltene Ausschreibung von Geldvreisen eine Anziehunas- 
raft ausüben wird. 
Die Meldungen zur Berliner Frühjahrswoche sind recht 
jünstig ausgefallen. Insgesamt sind zu den 5 offenen Wett— 
sahrten 66 Fahrzeuge mit 311 Meldungen eingezeichnet worden 
diese Beteiligung entspricht der des Vorjahres. Die einzelnin 
Klassen sind recht gut beschickt, in allen sind Neubauten ver— 
treten, ganz besonders reich ist mit ihnen die Sonderklasse und 
die Klasse der Nationaljollen bedacht. Bemerkenswert ist auch, 
daß diesmal ausnahmsweise eine Hamburger Jacht gemeldet 
ist. Es ist der Blitz XIV, der mangels geeigneter Geanerschaft 
in Hamburg nach Berlin kommt. 
Ueber das andauernde Defizit der deutschen Automobil⸗ 
teuer wird in der neuesten Nummer der Zeitschrift des Mittel— 
ur opäischen Motorwagenvereins berichtet: In dem am 31. März 
ibgeschlossenen Fiskaliahre 1910/ 11 hat die Ist-Einnahme aus 
»er deutschen Automobilsteuer, deren Erträgnis bei ihrer Ein— 
ührung seitens der Reichsfinanzbehörde auf 3500 000 Mube— 
echnet wurde, nur 2815 000 Mubetragen. Während ihres 
zjährigen Bestehens brachte diese Steuer 9 750 000 Miein, wäh⸗ 
rend behördlicherseits mit mindestens 17500 000 Mugderechnet 
vporden waor 
Hanfestadte. 
vBamburg, 5. Mai. Adolph Woermann 7. 
Adolph Woermann, der seit längerer Zeit schwer leidend war, 
st, wie schon gemeldet, dem Schlaganfall, von dem er Dienstag 
etroffen wurde, in der Nacht zum Domerstag erlegen. Der 
herstorbene stand im 64. Lebensjahre. Wegen seines leiden⸗ 
en Zustandes hatte er fich bereits vor einigen Jahren aus der 
deitung seines Geschäfts zurückgezogen und lebte meistens auf 
einem Besitz bei Trittau. 
Seit 1874 war Woermann, der den Überseeischen Handel 
urch längeren Aufenthalt in Singapore und Batavia sowie 
urch seine Tätigkeit auf den Faktoreien seines Vaters in West⸗ 
ifrika kennen gelernt hatte, Mitinhaber und seit 1880 Chef 
»er Firma C. Woermann, unter deren Mitwirkung 1884 Ka—⸗ 
nerun dem Reiche als Schutzgebiet angegliedert wurde. Dem 
keichsstage gehörte der Verstorbene von 1884 bis 1890 an. 
Auch als Mitglied der Handelskammer, deren Vorsitzender er 
vährend einer Wahlperiode war. und als Mitglied der Bürger⸗ 
chaft hat sich Woermann große Verdienste um seine Vater— 
tadt erworben. 
Noch vor ganz kurzer Zeit hat der Verstorbene die General⸗ 
hersammlung der Deutschen Ostafrika-Linie, bei der er Vorsitzender 
»es Aufsichtsrates war, geleitet. Auch dem Aufsichtsrat der Ham—⸗ 
urg⸗Amerika Linie, der Hamburg-Südamerikanischen Dampfschiff⸗ 
ahr1s⸗Gesellschaft, der Brasilianischen Bank für Deutschland, der 
storddeutschen Versicherungs-Gesellschaft in Hamburg und der 
Zoologischen Gesellschaft in Hamburg gehörte er an. Ferner 
bar er Vorsitzender des Aufsichtsrats von Blohm K Voß, Kom⸗— 
nandit-Gesellschaft auf Aktien, stellvertretender Vorsitzender des 
lufsichtsrats der Norddeutschen Bank in Hamburg, der Dyna⸗ 
nit A.“G. vorm. Alfred Nobel K Co. und der Hammonia Stearin-⸗ 
Fabrik in Hamburg, sowie zweiter stellvertretender Vorsitzen⸗ 
er bei der Diskonto-Gesellschaft in Berlin. Hervorzuheben ist 
uich seine Tätigkeit als Mitglied des Zentralausschusses der 
deichsbank und des Verwaltungsrats des Vereins Hamburger 
keeder, aus dem er erst kürzlich ausgeschieden ist und der ihn noch 
benige Tage vor seinem Tode durch Ueberreichung einer Adresse 
hrte. Seine Anteilnahme an den kulturellen Aufgaben Ham—⸗ 
»urgs betätigte er als Mitglied des Kuratoriums der Wissen⸗ 
chaftlichen Stiftung. 
In erster Ehe mit einer geborenen v. Hoßtrup vermählt, 
»ie in jungen Jahren starb, verheiratete er sich 1885 mit einer 
Tochter des damaligen hanseatischen Ministerresi— 
denten in Berlin Dr. Krüger. Mit der Witwe, den 
Söhnen und Töchtern trauern die weitesten Kreise Hamburgs 
im diesen hervorragenden Mann. Verschiedene Geschäftshäuser, 
die Werften und die Börse haben zu Ehren des Verstorbenen 
zalbstock geflaggt. Im Hafen wurden auf die Kunde von Woer— 
nanns Tod auf den Schiffen der Woermann⸗-Linie, der Deut⸗ 
chen Ostafrika-Linie und der Hamburg-Amerika Linie die 
Flaggen auf Halbstock gesetzt. Die Einäscherung der Leiche findet 
Sonnahend vormittag 93 Uhr im Ohlsdorfer Krematorium statt 
Schleswig⸗Holstein. 
Kiel, 5. Mai. Die Kruppsche Germaniawerft 
heauftragte die Kieler Firtima Lahann mit dem Bau einer 
tdiesenhalle, unter welcher die größten Schiffe ohne 
Zeeinträchtigung durch ungünstige Witterung gebaut werden 
önnen. Die Anlage erfordert 56 000 M. 
Neustadt, 5. Mai. Dampfschiffsbrückenbau. In 
zellenhusen und Dahme wird rührig an den Bauten der 
Dampfschiffsbrücken gearbeitet. Die Pfähle (GBaumstämme), auf 
velche die Brücken sich stützen sollen, werden 3 mm tief in den 
ßoden gerammt und sind bei normalem Wasserstande 4 m im 
Wasser und 3m über demselben. 
Großherzogtümer Medlenburg. 
88 Grevesmühlen, 5. Mai. Verkauft hat 
-„chulze Steinhagen zu Greschendorf seine Erbpachtstelle Nr. 1, 
twa 34 300 Quadrat-Ruten groß, an den Rentner Sönnichsen, 
Lübeck, für 133000 M. Uebergabe 1. Juni. 
— VVXXX 
nge. Am heutigen 5. Mai volendet Kaiserin Eugenie ihr 
fünsundachtzigstes Lebensjahr. Die Last der hohen Jahre macht 
ich jetzt an ihr doch schon bemerkbar, die bewunderungswürdige 
örperliche und geistige Rüstigkeit, mit der sie so lange dem 
Alter getrotzt hat, muß allmählich der unvermeidlichen Hin— 
rälligkeit weichen, die die einst so Ruhelose mehr und mehr 
in ihren in Hampshire gelegenen englischen Landsitz Farn⸗ 
dorough Hill kettet. Durch das Fenster ihres Zimmers schwei⸗ 
fen ihre Blidee ungehindert nach der Grabkapelle, wo sie 
in der Seite ihres Gemahls und ihres Sohnes zur letzten 
Kuhe gebettet werden will, wem ihr langes, wechselvolles 
deben mit seinen Höhen und Tiefen zu Ende gegangen ist. 
In den Gemächern ihres gegenwärtigen englischen Heims hat 
ie überall Gegenstände vor Augen, die ihr die Zeiten des 
ängst entschwundenen Glückes und Glanzes lebendig ins Ge— 
»ächtnis zurückrufen können, vor allem das bekannte Ge— 
nälde von Winterhalter, das sie im Kreise ihrer Hofdamen 
darstellt. Ein besonderer Raum, der „eiserne Saal“ ge- 
zenannt, ist in eine Art Museum fur Reliquien aus der Zeit 
»es ersten Kaiserreiches umgewandelt worden; dem Herzen der 
derrin des Hauses aber steht unzweifelhaft ein anderes Zimmer 
»iel näher, das sie mit Unterrichtsgegenständen aus Lulus 
Inabenzeit angefüllt hat. Halme des langen afrikanischen 
ßrases, von ihrer eigenen Hand an der verhängnisvollen 
Stelle gepflückt, wo er unter den Speeren der Zulukaffern 
ein Leben aushauchte, sind zur Ausschmückung dieses Gemaches 
zerwendet worden, in welchem sie oft mit ihren Erinnerungen 
allein weilt. Sie selbst wolle nichts mehr als eine Erinnerung 
ein, erklärte sie vor einigen Jahren einem italienischen Jour⸗ 
ialisten, sie sei nur noch ein Schatten, ein Phantom, ein 
Zummer, der über die Erde dahinschreito. Die Vergangenheit 
bilde den liebsten Zufluchtsort für ihre Gedanken, besonders 
ihre Jugend mit dem hellen Glanz, der ihre alten Augen, 
die sich an Dunkelhelt gewöhnt dätten. cuweilen förmlich 
Vermischtes. 
tk. Die Bibliothel Iwans des Schredlichen gefunden. Im 
Treml zu Moskau sind vor kurzem unterirdische Gänge entdeckt 
vorden, in denen man die Bibliothek Iwans des Schrecdlichen 
vorfand, die aus Urkunden in hebräischer, griechischer und la— 
einischer Sprache besteht. Bisher wurde allgemein geglaubt, 
ie wertvolle Handschriftensammlung wäre im Jahre 1551 bei 
inem Brande im Kreml verloren gegangen. 
Familientragödie in der Schweiz. Ein Familiendrama er— 
ignete sich in Witikon bei Zürich. Eine sieben— 
öpfige Familie Bucher sollte der Luzernischen Heim— 
zemeinde zugewiesen werden. Bucher, der vorher schon ge— 
iußert hatte, er werde alles zusammenschießen, wenn die 
lebersiedelung erzwungen werde, griff mun zum Revolver. 
Zeine Frau flüchtete sich mit dem jüngsten Kinde, wurde aber 
son dem ersten Schuß getroffen. Mit dem zweiten stredte er 
einen zweijährigen Sohn nieder, der dritte traf sein neun— 
ähriges Töchterchen in die Schläfe; der nächste verleßte einen 
bierjährigen Knaben tödlich. Der älteste Knabe rettete 
jich durchs Fenster. Nun richtete Bucher die Waffe gegen 
ich selbst und t8tete Jich durch einen Schuß in den Kopf. 
die verletzten Kinder liegen im Sterben. Bucher ist 
37 Jahre alt. Er war ursprunglich Coiffeur, hatte aber als 
Ilkoboliker den Beruf ufgeben müssen 
b. Eine Wohltätigkeitsvorszellung im Sansatheater, und 
zwar zum · Besten der Kasse des Kinderhilfstages, will die 
Dramatische Vereinigung zu Lübeck, gegr. 1910, am Donnerstag, 
18. Mai, veranstalten. Sie wird dann daselbst das bekannte 
Schauspiel: „Im Forsthause“ von Richard Skowronnek zur 
Aufführung bringen. Das erschütternde, vielumstrittene Stück 
machte in seiner Erstauffüuhrung im Hamburger Stadttheater 
den Dichter mit einem Schlage berühmt und bahnte sfeinen, 
nun in schneller Folge erscheinenden weiteren Bühnenwerken 
den Weg über sämtliche Bühnen Deutschlands. Erwedt das 
Stück „Im Forsthause“ an und für sich schon das Interesse 
aller Bühnensreunde und Bühnenkenner, so durfte der qu to 
Zwed der Veranstaltung die weitelten Kreise unserer Bepl— 
lerung wachrufen.
	        
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