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Neueste Nachrichten und Telegramme.
Sturz eines deutschen Fliegers.
W. Mühlhausen, 2. Mai. Oberleutnant Roser vom Feld—
artillerieregiment in Saarburg, der erst vor wenigen Tagen
sein Fliegerexamen abgelegt hatte, unternahm heute früh bei
prächtigem Wetter einen Flug, bei dem er zweimal das Dorf
Habsheim kreuzte. Beim Nehmen einer Kurve über dem Habs—
heimer Bahnhof stürzte er herab und wurde bewußtlos auf—
gehoben. Sein Zustand ist hoffnungslos. Der Apparat wurde
zertrümmert.
Ermordung eines spanischen Geistlichen.
W. Paris, 2. Mai. Eine Blättermeldung aus der spa—
nischen Ortschaft Metril (Granada) besagt: Der Pfarrer Fara—
guit wurde, während er von der Kanzel eine heftige Predigt
gegen die Pfarrangehörigen hielt, von mehreren Burschen
überfallen und durch Messerstiche getötet. Die Mörder schleiften
den Leichnam unter dem Beifall der Menge durch die Straßen
und wurden von der Bevölkerung geschützt, als Gendarmerie
sie festnehmen wollte.
Die japanische Südpolerpedition gescheitert.
Sydney, 1. Mai. Die japanische antarktische Expedition,
die Neuseeland im Februar verlassen hatte, ist durch Packeis
und Eisberge zur Umkehr gezwungen worden. Das Schiff mit
den Expeditionsteilnehmern ist heute hier eingetroffen.
Wt. Berlin, 2. Mai. Prinzessin Friedrich Wil—
helm von Preußen ist von einer Prinzessin entbunden wor⸗
den. Mutter und Kind befinden sich wohl.
Wt. Berlin, 2. Mai. Der neue deutsch-schwedi—
sche Handelsvertrag wurde heute durch den Staats—
sekretär des Auswärtigen Amts, v. Kiderlen-Wächter, und den
schwedischen Gesandten, von Trolle, unterzeichnet. Der Wort⸗
laut wird morgen in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung
veröffentlicht.
Wit. Bern, 2. Mai. Gestern starb Oberst Schäck, der
Sieger des Gordon-Bennett-Wettfliegens in Berlin 1908.
W.. Meran, 1. Mai. Der Besitzer des vornehmlich von
Reichsdeutschen viel besuchten Hotels „Kaiserhof“, Alexander
Ellmenreich, der Bruder der bekannten Schauspielerin, ist
destoerben.
Deutscher Reichstag.
W. Berlin, 2. Mai.
Am Bundesratstisch: Staatssekretär Delbrück.
Präsident Graf Schwerin⸗Löwitz eröffnet die Sizung um
251 Uhr und heißt die Mitglieder herzlich willkommen. Er
hoffe, daß alle gut erholt und mit frischen Kräften an die
gesetzgeberischen Aufgaben herantreten. Vor Eintritt in die
Tagesordnung macht der Präsident die Mitteilung vom Ab—
leben des Fürsten zu Schaumburg-Lippe. (Die Abgeordneten
erheben sich zu Ehren des Verstorbenen von ihren Plätzen.)
Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste Lesung
eines Einführungsgesetzes zur Reichsversicherungsordnung und
eines Gesetzes zur Aufhebung des SHilfskassengesetzes.
Staatssekretär Dr. Delbrükft: Der Entwurf einer Ein—
führung zur Reichsversicherung hat weder hervorragende wirt
schaftliche noch politische Bedeutung. Es sollen in ihm nur
Mittel und Wege gefunden werden, um möglichst einfach und
leicht der Schwierigkeiten Herr zu werden, die der Wechsel
der Rechtszustände naturgemäß für die Behörden und Ver—
sicherten mit sich bringt. Namentlich sind die Termine für
das Jukrafttreten der Reichsversicherungsordnung darin ent—
halten. Die Hinterbliebenenversorgung kann 1912 nur dann
in Kraft treten, wenn die Reichsversicherungsordnung er—
heblich früher verabschiedet wird; denn umfassende Vorbe—
reitungen sind für die Hinterbliebenen-Versorgung notwendig.
Im allgemeinen sollen die günstigeren Bestimmungen Platz
greifen. So sollen die neuen Bestimmungen, soweit sie
günstiger sind als die alten, auch für Unfälle angewendet
werden, wenn die Unfälle vor dem Inkrafttreten der Reichs—
versicherungsordnung eingetreten sind. Aehnlich liegt es bei
der Invaliden-Versicherung. Hier sollen die günstigeren Be—
stimmungen für die ersten 10 Jahre den Versicherten zuge—
billigt werden.
Abg. Trimborn (Zir.): Dieses Gesetz greift tief in die
Verhältnisse und Interessen weiter Kreise der Versicherten ein.
Es handelt sich hier um ein sehr schwieriges Gesetz. Kom⸗—
missionsberatung ist notwendig, die Materie sollte an dieselbe
Kommission verwiesen werden, die die Reichsversicherungsord⸗
nung beraten hat.
Abg. Schicert (kons.)!: Auf die Beamten wie auf die Ver—
sicherten soll jede möglich Rücksicht genommen werden.
Abg. Soch (Soz.): Wir bekämpfen das Gesetz mit allen
Kräften. (Lebhafter Beifall.)
Staatssekretär Delbrück: Das Gesetz ist nichts als die Kon⸗
sequenz dessen, was die Kommission mit überwiegender Ma—
jorität beschlossen hat. Es soll eine zwechmähßige Auswahl
und eine zweckmäßige Kontrolle der Kassenbeamten sichergestellt
werden.
Abg. Horn (natlib.): Grundsätzliche Bedenken gegen die
Vorlage haben wir nicht, über die Einzelheiten wird in der
Kommission zu beraten sein.
Abg. Behrens (w. Vag.): Wohlerworbene Rechte werden
wir nicht antasten, Mißstände aber müssen beseitigt werden.
Die Interessen der Arbeiter stehen nicht auf dem Spiel, höchstens
die der Sozialdemokraten.
Abg. Dove (Vpt.): Es muß ein Ausgleich stattfinden
für die bereits erworbenen Rechte. Vor allen Dingen wäre
eine Entschädigung für die überflüssig werdenden Beaniten
nötig. Als Ausnahmegeseß kann ich die Vorlage nicht be—
zeichnen.
Abg. Schultz (Rpt.): Die wohlerworbenen Rechte der An⸗
gestellten wollen wir nicht beschränken, wir wollen aber ver—
hindern, daß die Arbeiterschaft durch übertrieben hohe Ge—
hälter geschädigt wird.
Abg. Schmidt (Soz.): Ein Ausnahmegesetz gegen den So⸗
ialdemokraten ist die Vorlage auf alle Fälie.
Die Vorlage geht an die Reichsversicherungskommission.
Es folgt die erste Lesudng des Gesetzes zur Aufhebung des
Zilfskassengesetzes.
Staalssekretär Delbrüch: Die Verbündeten Regierungen sind
der Meinung, daß den vorhandenen Mihständen in den Hilfs—
kafsen nur durch die Aufhebung des Silfskassengesetzes und
durch Unterstellung der Hilfskassen unter das Gesetz vom
12. Mai 1901 betreffend die Aufsicht über die privaten Ver—
ücherungsgesellschaften begegnet werden kann.
Abg .Trimborn (Itr.): Im großen und ganzen billigen
air die heutige Vorlage.
Darauf wird die Weiterberakunga auf morgen 1 Uhr ver—
tagt. Außerdem schlägt Vizepräsident Schultz vor, auf die
Tagesordnung zu setzen: den Einspruch des Abg. Seve—
ring gegen den ihm bei Gelegenheit der Beratung des Marine—
etats erteilten Ordnungsruf und Petitionen.
Abg. Severing (Soz.) gibt eine Erklärung ab, in der er
darslellt, daß ihm ferngelegen habe, bei seinem Vorwurf gegen
die Marinerundschau den Staatssekretär treffen zu wollen.
Vizepräsident Schulz: Hä'ste der Abg. Severing schon da—
mals eine so bündige Erklärung abgegeben, hätte ich keinen
Anlaß gehabt, den Ordnungsruf aufrecht zu erhalten.
Abg. Severing: Ich ziehe meinen Einspruch zurück. (Große
Heiterkeit.)
wurgericht Lübeck.
7. Tag.
VLübeck,“ Mai.
LSaudfriedenibruch.
(Fortseßzung der Beweisaufnahm—
Zeuge Schutzmann Bauer: Es waren in der obe—
ren Clemenstwiete ungefähr 40 Personen. Vor⸗
itzender: Was waren das für Leute? — Zeuge: Mitswillige
ind auch andere. Als die Leute aus der' Straß vertrieben
daren, ist alles ruhig geblieben in der Twiete. Im 4 Uhr
zurde mir gesagt, daß bei Puls geschossen worden i. Als ich
nich dorthin begab, standen vor dem Hause wa 9 Arbeits—
villige. Ich forderte die Leute auf, sich zu entfnen. Da
ief einer: Die Schutzleute sand Bluthu de und
S„chweine! Der Mann wurde vorhaftet, mußte c er wieder
aufen gelassen werden, da die Acheitswilligen die in dem
Pulsschen Lokal Verhafteten befreien wollten. Infolgedessen
ogen wir blank und vertrieben die Leute. — Zeuge Schutz⸗
nann Vogelsang bekundet, daß ein aus der Clemens—
wiete vertriebener Trupp sich die Beckergrube hinunterbegab
und aus diesem heraus an der Untertrave geschossen wurde. —
Vorsitzender: Sind Schlägeresen vorgekommen? — Zeuge
Ja. Wer aber geschlagen hat und geschlagen worden ist,
veiß ich nicht. — Zeuge Schutzmann Charles hat in der frag—
ichen Nacht in der Johannisstrake Posten gehabt. Er hörté
yon der Straße den Skandal in der Wirtschaft „Ewige Lampe“
ind ging deswegen hinein. Er forderie die Leute auf, die
Wirtschaft zu verlassen. Da sie das nicht taten, ließ er von
ner Kanzleiwache Hilfe holen. Darauf wurde das Lokal ge—
äumt, doch drangen einige wieder hinein und zerbrachen ver—
chiedene Stühle und Gläser und warfen mit Bieruntersätzen.
Inzwischen war draußen geschossen worden. Darauf wurde
lank gezogen und die Straße gesäubert. Als die Leute fort⸗
iefen, wurde gerufen: „Revolver her!“ Nach einiger Zeit
erlangte der Wirt Puls Hilfe, worauf ich mich mit einigen
tdollegen dorthin begab. — Vorsitzender: Wie viel Personen
varen wohl in der „Ewigen Lampe““ — Zeuge: Etwa
—DDDD
zeuge: Nein, es waren auch andere Personen darunter. —
ztaatsanwalte Dr. Eschenburg: Hat nicht einer gerufen:
Ist kein Revolver da, um den Schutzleuten einen vor den
Zopf zu brennen?“ — Zeuge: Das habe ich nicht gehört.
zeuge ehemaliger Schutzmann Derlin bekundet die Vor—
zänge bei Luckmann im wesentlichen wie der vorhergehende
— Zeuge ehemaliger Schutzmann Derlin bekundet die Vor—
ich gestritten. — Vorsitzender: Sie sagen Arbeitswillige und
Streikende. Woher wissen Sie das? — Zeuge: Das muß
nan doch wohl annehmen. In dem Eingang zur
‚Ewigen Lampe“ lag ein Verwundeter. Er sagte, er
ei geschossen worden. — Vorsitzender: Wer war der
Mann? — Zeuge: Wir haben den Mann auf die Straße
jebracht. Später war er verschwunden. Weiteres kann ich
nicht sagen. — Angeklagter Cramer: Der da lag, war ein
zewisser Peter Menzel. — Vorsitzender: Der Mann ist, ebenso
vie der „wilde Toni“, nicht aufzufinden gewesen. — Zeuge
Schutzzmann Kitschkel: Puls lam mit dem Angeklagten
Lramer aus dem Keller und sagte: Dies ist der Mann, der den
Buschow geschossen hat. Cramer hielt seinen Revolver auf
dem Rücken. Ich nahm ihm die Waife weg. — Vorsitzender:
zat Cramer zu Ihnen gesagt: Wenn ich doch noch eine Kugel
m Revolver hätte, wüßte ich, sfür wen die bestimmt wäre? —
zeuge: Das erinnere ich nicht. — Vorsitzender: War der
devolver Cramers noch geladen? — Zeuge: Ja, fünf Kugeln
varen noch darin. — Angeklagter Cramer bestreitet dies und
zehauptet, nur noch leere Hülsen im Laufe gehabt zu haben.
— Zeuge Schutzmann Schulz1 (hat die ersten Vernehmungen
der Verhafteten geführt?: Der Angeklagte Cramer war am
25. September morgens noch auf der Wache und behauptete,
inschuldig zu sein. Ich begab mich mit Cramer zur
Maschinenbaugesellschaft hinaus und ließ mir von ihm die
deute zeigen, die am Abend vorher zur Stadt gewesen waren.
Ihre Sachen wurden durchsucht und alle gefundenen Maffen
zeschlagnahmt. Etwa 30 Leute wurden von Cramer als an
zen Krawallen beteiligt gewesen bezeichnet. Die Leute wurden
nerhaftet und am nächsten Tage im Gefängnis dem Wirt Puls
segcnübergestellt. Dieser erkannte Cramer, Lamottke, Weitner,
Schneider, Stauber und Soder bestimmt als die Haupttäter
vieder. — Geschworener Oberlehrer Dedekind fragt den
Zeugen, ob er in Klährens Bett einen Revolver gesunden
ind welche Aussagen Klähren derzeit gemacht habe. — Zeuge:
Zlähren sagte, er wisse nicht, wem der Revolver gehöre. Das
jabe ich nicht geglaubt. Die Verhaftung des Wegener hat
in Mädchen aus der Clemenstwiete veranlaßt, da er diesent
in blutiges Messer gezeigt und dazu geäußert hat, woher
»as komme, könne es sich wohl denken. Wegener habe
päter behauptet, daß das Blut daher rühre, daß er sich
elbst mit dem Messer geschnitten habe. — Zeuge Gastwirt
Puls: Nachts gegen 3 Uhr, ich hatte schon Feierabend
seboten, kamen noch drei Leute ins Lokal und forderten sich
in Glas Bier. Ich glaubte, es seien Reservisten. Gleich
darauf kamen noch vier Mann herein. Um allen Streit zu
ermeiden, schenkte ich auch diesen vier Leuten Bier ein.
darauf kamen noch 21 Mann herein. Auch diesen ließ ich
Bier einschenlken. Als ich 20 Pf. für ein Glas Bier forderte,
tanden der „wilde Toni“ und Cramer auf und kommandierten,
as Bier müsse mit 20 Pf. bezahlt werden. Etwa eine Stunde
aßen die Leute in meinem Lokal. Da ich schon mehcsach
Feierabend geboten hatte, wollten die Leute schon fortgehen.
Dda kamen der Zimmermann Buschow und Gamp herein und
orderten ein Glas Bier. Ich sagte ihnen, sie möchten
»arauf verzichten, damit ich die anderen los würde. Darauf
jingen beide hinaus. Alsbald sprang Cramer auf und
solgte ihnen, kam aber sofort wieder herein, rief ein Wort,
das ich nicht verstand, und sofort liefen alle hinaus nach,
dem Keller und nach dem Hof. Ich eilte auch in dei
Keller. Zuerst wurde geworfen. Der Zimmermann Buschow
hielt sich infolgedessin ein Faß vor das Gesicht. Cramer
ichng auf ihn, worauf Buschow das vorm Geiicht gehaltene
Faß hinwarf und in den zweiten Keller flüchtete. Darauf
schoß Cramer nochmals und verwundete den Buschow. EGleid
varauf schossen zwei neben mir Stehende gleichfalls. Ich ba—
die Leute, sie möchten es doch nicht tun, ich sei doch au
ihrer Seite und hätte ihnen doch nichts getan, und sie wären
doch ganz unschuldig, da die beiden anderen die Ruhestörer
zewesen seien und zuerst geschossen hätten. Da gab Schimansk
den Befehl, in den Keller nicht mehr zu schießen und bald
danach: „Hände hoch, und aus dem Keller heraus!“ Ich
zjandelte dem Befehl gemäß und kam mit erhobenen Armen
ius meinem Keller heraus. Wir gingen darauf alle aus
oem Keller heraus. Bevor er aber geschlossen wurde, schoß
Tramer noch einmal in den Keller hinein. Da kam der Mann
mit der Zither und kommandierte, der Keller solle offen
bleiben. Als ich aus dem Keller kam, schlug er mich mit seinem
Instrument vor die Brust. Dann lief ich zur Polizeiwachc
ind holte Hilfe. Als ich mit Schutzleuten zurückkam, stand
Lramer auf dem Hofe und lud seinen Revolver. Ich sagte zu
inem Schutzmann, indem ich auf Cramer zeigte: Der hat ge—
chossen. Darauf sagte Cramer, ich sei ein Lump; wenn er noch
ine Kugel im Lauf hätte, wüßte er, für wen sie bestimmt
ei. Als die Unholde weggebracht worden waren, holten
vir Buschow aus dem Keller, der am Kopf und an der
Schulter verletzt war. Erstere Wunde wird von einem Stoß
oder Fall, letztere von einem Schuß herrühren. Zeuge erklärt
zum Schluß, daß er die Angeklagten bestimmt als die Täter
wiedererkennt. Auf Befragen sagte Zeuge noch aus: Als ich
aus dem Keller kam, lag unten an der Treppe jemand auf
den Knien und schoß dreimal. Weitner ist derjenige gewesen,
der ein großes Messer hatte und sagte: Dem da unten müsse
der Wams aufgeschniltten werden. Es ist auch gesagt worden,
im Keller liegen zwei Tote.
Es folgte sodann die Vernehmung einer Reihe von Mäd—
chen aus der Clemenstwiete, worauf die Verhandlung auf
Dienstag vertagt wurde.
8. Tag.
Lübeck 2. Mai—
Landfriedensbruch.
In der heutigen Sizung, an der wieder der Vorsitzende
der Justizkommission des Senates, Herr Senator Dr. Fehling,
leilnahm, wurde den Geschwoörenen zunächst ein vom Kriminal—
schutzmann Rath angefertigter Plan von der Pulsschen Wirt—⸗
schaft Annd dem Keller vorgelegt und erläutert. Die Geschwore—
nen hielten es aber doch für wünschenswert, die Dertlichkeiten
elbst in Augenschein zu nehmen. Darauf wurde beschlossen,
diese nachmittags zu besichtigen. Hierauf wurde
die Zeugenvernehmung fortgesetzt
und zwar wurden zunächst die Ereignisse in der Klemenstwiett
wieder erörtert. Von einem Wirt, seiner Frau und verschie—
denen Mädchen wird u. a. bekundet, daß ein Mann, der sich
aber nicht unter den Angeklagten befindet, einen Dolch abge—
zeben und nicht wieder zurückgefordert hat. Die Waffe wurde
»em Gericht übergeben. Von einem Mädchen wurde über den
Ingeklagten Wegener, der an den Krawallen nicht beteiligt
Jewesen sein will, ausgesagt, daß er einmal das Lokal ver—
lassen hat und mit einer blutenden Hand und einem blutigen
Messer zurückgekommen ist. — Ueber die Vorgänge im „Uni—
ersum“ sagte Zeugin Artistin Wagner, die der Schieße—
ei auf dem Hofe von einem Fenster des zweiten Stockes zuge—
ehen hat, aus, daß wiederholt gerufen worden ist: Schießt!
zchießt! — Zeuge Dornburg hat gesehen, daß einer einen
ßummischlauch in der Hand hatte, als der Krawall in der
Klemenstwiete losgehen sollte und sagte weiter aus, Cramer
jat bei Puls ins Gastzimmer gerufen, er sei geschlagen wor—
den. Darauf sind alle hinausgelaufen. Draußen ist gesag!
worden, es wird aus dem Keller herausgeschossen. — Ange—
klagter Cramer hat darauf sofort in den Keller hineingeschossen,
auch Hünerbein hat geschossen. Angeklagter Cramer bestritt
diese Aussage, worauf Zeuge erklärte, die Vorgänge im einzelnen
nicht mehr genau zu erinnern. Angeklagter Cramer behauptet
sodann noch, daß der Zeuge Dornburg eine angespitzte Feile
aus der Fabrik mitgenommen und im Keller bei Puls selbst
mit Flaschen geworfen hat. Angeklagter Hünerbein behauptet
ferner, daß Dornburg in der Klemenstwiete auch geschossen hat.
Der Zeuge wurde wegen Verdachts der Mittäterfschaft nicht ver⸗
idigt. — Zeuge Wirt Luckmann, Besitzer der „Ewigen
dampe“, sagte u. a. aus: Als die Leute in drei Trupps
»on 10 bis 12 Mann hereinkamen, pflanzten sie sich gleich vor
zem Büfett auf. Ich sagte deswegen zu dem in der Nähe
tehenden Zimmermann Buschow, er möchte doch aufpassen, daß
richts geklaut werde. Die Leute bestellten sich dann warme
Würste, beschwerten sich, daß meine Preise so hoch seien und
zeschmierten meiner Frau die Bluse mit Senf. Als Buschow
hon einem der Leute geschlagen wurde, ließ ich das Lokal räu—
nen. Auf einen scharfen Pfiff kamen die Leute wieder herein—
zestürmt und dann ging die Verwüstung los, so daß ich von
der Polizei Hilfe erbat. — Zeuge Kellner Beckmann (bei
Puls) bekundete, er habe gleich, als die Leute hineingekommen
eien, den Eindruck gehabt, daß sie es auf Streit abgesehen
jehabt hätten und erzählte dann die Vorgänge wie der Wirt
Puls. Weiter sagte Zeuge aus, 10 bis 12 Schüsse gehört zu
haben, und daß keiner von den Leuten während des Krawalls
im Gastzimmer geblieben sei, sondern alle auf den Hof hin—
uusgelaufen seien. — Zeuge Buchdruckher Potenberg hat
uuf einen Freund gewartet und auf einem Gang durch die
Klemenstwiete sei er von einem ihm unbekannten Mann nieder⸗
zeschlagen worden. Er hat drei Wunden am Kopfe davon—⸗
Jjetragen und ist eine Zeitlang besinnungslos gewesen. Wer
hu geschlagen hat, kann er nicht angeben. Herr Dr. med. Hed⸗
zinga hat festgestellt, daß die Schläge mit einem stumpfen
Instrument ausgeführt sein müssen. — Zeuge Zimmermann
83uschow berichtet über die Vorgänge in der „EwigenLampe“:
Ich stand mit dem Wirt am Büfett und sagte, als die Leute
ich an dieses herandrängten: „Hier muß man aufpassen, daß
nichts geklaut wird“. Der Wirt bat mich dann aufzupassen, daß
nichts entwendet werde. Das tat ich, und dadurch bekam ich
nen Wortwechsel mit dem Angeklagten Cramer, der mich ins
Hesicht schlug, worauf sich dann die weiteren Krawalle ent—
wickelten, wobei mit Biergläsern geworfen und draußen auch
zeschossen wurde. Ich blieb wohl noch gut anderthalb Stun—
en im Lokal, worauf ich mit dem Zimmermann Gamm fort—
zing. Wir wollten noch im „Café Central“ ein Glas Biet
rinken, wurden aber, da wir keine weiße Wäsche trugen, nicht
„ineingelassen. Deswegen begaben wir uns nach Puls. Als
ch hineinkam, erkannte ich gleich die Gesellschaft wieder. — Vor⸗
ißender: Warum gingen Sie denn nicht gleich wieder weg? 2
Jeuge: Ich wollie mir keine Blöße geben. Während ich mid
n der Nähe der Bühne hinsetzte, sprach Gamni mit Puls. Wir
gingen dann wieder hinaus, um den Abort aufzusuchen. Aut
dem Flur erhielt ich einen Schlag ins Genick, worauf mein Hut
zur Erde fiel. Ich wandte mich gegen den Augreifer, der so.
fort wieder ius Gastzimmer zurückkief. Ich nahm schleunigst