U——
—
—
Wöchentlich 13mal (Wochentags morgens un
abendẽe, Sonntags morgens) erschelnend. Bezugẽ
preis für das Vierteljohr 3,30 Wark einschließlic
Bringgeld in Lůbeck. Durch die Post bezogen ohn
vestelgeld 380 Mark. Einzelnummern 10 Vig.
Anzeigenpreis (Ausgade A und B) für die sgesp.
Zeile 20 Pfg. Kleine Anzeigen (Arbeitsmarki usw.)
is Pig., für Auswärtige 30 Pfg., f. Geschäftl. Mit⸗
eilungen 1Me. d. Zeile. Tabellen⸗ u. schwieriger
Satz den Anforderungen entsprechend höher. o o
Beilagen: Vaterstädtische Blätter. — Der Familienfren
Amtsblatt der freien und Hansestadt Lübed 161. Jahrgan
heiblatt: Gesetz und Verordnungsblatt ꝛ Su urge ——
igen“, vom Grundungs· Jahre 1781 (6. März) ab, kefin det sich
SEOSSGSSSSSSSSGSSOGSSGœSSSOSCAAA ASSSASCASCSSSS n Rvchis des veriager sor in der Slckn dleiei u Tibeck
Naqhrichten für das herzogtum Tauenburg, die
gürsteniümer Ratzeburg, Lübed und das angren
Jende medllenburgische und holsteinische Gebiet.
)rucg und Verlag: Gebrüder Borchers G. m. b. S. in Lübed. — Geschäftsstelle Adretß haus (Köniastr. 46. Fernivrecher oooo u. oooꝛ.
LDrreze Anusgabe)
dienstag, den 2. Mai 191.
Morqen⸗Blatt NUr. 219.
eut. . n Nu
— — —
lüchtamtlicher Leil.
Weltwirtschaftliche Aufgaben der
deutschen Verwaltungspolitik.
Mach einer kürzlich erschienenen Broschüre von Universitäts—
Professor Harms-Kiel.)
Lübeck, 2. Mai.
Zwei Größen, die von konservativer Seite immer stark in
den Vordergrund gestellt werden — die agrarische
Grundlage unserer Wirtschaftspolitik und
die Abhängigkeit der Wirtschaftspolitik von
der sogenannten „großen Politik“ —, finden
neuerdings von seiten eines Gelehrten Anfechtung. Professor
Bernhard Harms in Kiel ist es, der als Nationalökonom
diesen Fragen in einer soeben erschienenen Broschüre näher
tritt, die den Titel führt: „Weltwirtschaftliche Auf—
gaben der deutschen Verwaltungsvolitif“ (Verlad
von Gustav Fischer in Jena).
Von einer Weltreise zurückgekehrt, gibt Harms hier kurz
und eindringlich eine Reihe von Reformvorschlägen,
die sich ihm aus den im Auslande gewonnenen Eindrücken
rgeben haben. Es ist die Kundgebung eines national ge—
innten und zu kritischer Betrachtung veranlagten Mannes, dem
unsere Stellung vor der Welt und auf dem Weltmarkt am
Herzen liegt. Daß wir auf dem Weltmarkt grohe und immer
wichtiger werdende Aufgaben zu erfüllen haben, sucht er kurz
aus populationistischen und volkswirtschaftlichen Gründen zu
erweisen. Dann aber geht er sogleich in medias res, um zu
sagen, was dazu dringend erforderlich ist.
Viererlei ist das in großen Zügen: die offene Er—
kenntnis, daß die große Politik im Dienst der
Wirtschaftspolitik steht und stehen muß, die
Verbesserung der Vorbildung der im Auslande
tätigen Verwaltungsbeamten, die Boden—⸗
ständigkeit dieser Beamten in dem Wirtschafts—
leben ihres Bezirks sowohl, wie ihrer Heimat,
und endlich die Sebung des literarischen
Konnexes zwischen Heimat und Fremde.
In allen diesen Beziehungen hat Harms draußen nicht
alles so gefunden, wie es wünschenswert wäre. Man findet
hie und da noch mehr bureaukratischen Sinn und Fesselung,
als dies im Interesse unserer Weltmarktstellung gut ist, und
zu wenig ausreichendes Verständnis für die wirischaftlichen
Aufgaben. Neben einer umfassenden national—
ökonomischen Ausbildung unserer Verwaltungsbeamten
im Auslande fordert er, daß sie in dem Bezirk, in dem
lie tätig sein sollen bodenständig werden, Das könn⸗
latt.
zior⸗
Blatt.
aber nicht erreicht werden, wenn die Konsulats- oder der—⸗
gleichen Posten als Durchgangsposten angesehen, oder wenn
der Beamte von Ostasien nach Amerika versetzt wird, und
umgekehrt. Daß der Wechsel des Domizils die Anpassungs—
fähigkeit stärkt und den Gesichtskreis erweitert, gibt Harms
ehr wohl zu. Aber man möge, sagt er, große Bezirke,
wie etwa Ostasien — Indien, zusammennehmen und
die Beamten nur innerhalb dieses Gesamt—
gebietes, nicht aus diesem Wirtschaftsgebiet heraus, ver⸗
setzen. Denn dann erst könne von einer dringend zu
fördernden Beherrschung der Sprache die Rede sein,
ohne die die Aufgaben heutzutage nicht mehr erfüllt werden
können.
Und nicht nur in dem Wirtschaftsgebiet jenes Amtsbezirkes
soll der Beamte besser als bisher bewandert sein, er soll
auch das heimische Wirtschaftsleben, dessen
Interessen er zu vertreten hat, besser kennen
als dies bisher im allgemeinen noch der Fall ist. Erst dann,
neint Harms, werden die Konsuln zu wirklichen Ver—
retern und Förderern der heimischen Pro—
uktion und können die nationale Exportpolitik in wirk—
samer Weise unterstützen. Dazu aber ist eine Aus—
pestaltung der Berichterstattung, die jetzt recht
ungleich gehandhabt wird und so ohne die gebührende Be—
ichsung im Inlande bleiben muß, erforderlich und — vice
rersa — verdient auch die Nachrichtenvermittlung aus Deutsch
land zu den Deutschen im Auslande ganz bedeutende Ver—
zesserung Harms ist ganz überrascht gewesen, und zwar
recht unangenehm überrascht, wie wenig zum Beispiel im Ver—
zleich zu englischer Literatur die deutsche in
ausländischen deuntschen Klubs zu finden ist. Er
mußte als Grund dafür hören, daß die deutschen Zeitschriften
und dergleichen nicht so praktisch für die Bedürfnisse des
Deutschen im Auslande angelegt seien, oder daß man nichts
Heeigneter kenne. Hier liegen nach seiner Ansicht noch viele
Kräfte brach, die nach Durchführung geeigneter Reformen zum
VBorteil des deutschen Wirtschaftslebens und unserer Be—
eiligung am Weltmarkt genutzt werden könnten.
Der erforderliche Konnex zwischen den
Deutschen im Auslande und der heimischen
Bolkswirtschaft wird aber erst dann voll aus—
rzestaltet werden können, wenn die Vorbildung
der Beamten eine idealere geworden ist, wenn
ie — statt (wie es jetzt vielfach der Fall ist) unerfahren
zinousgeschick zu werden — in einer dafür zu gründenden
zeigener Akademie eine für ihre weltwirtschaft—
ichen Aufgaben wirklich hinreichende Schulung
jenossen haben, die sich zusammensetzt aus Staatswissen—
chaften, Internationalem Recht und Weltwirtschaftslehre und die
den speziellen Bedürfnissen der einzelnen Beamtenkategorien durch
Modisikationen Rechnung trägt. Diese Aufgaben zeichnet Harms
in der an Anregungen reichen kleinen Schrift des näheren. Selbsi
wenn man nicht mit allem einverstanden sein sollte, was hier
ausqgeführt wird so verdienen diese Vorschläge doch weifgehende
Becchtung für unsere auswärtige Wirtschaftspolitik und zeugen
von offener Kritik und klarem Blick eines Mannes, dessen ganzet
Entwidelungsgang fast Bewunderung verdient, und der u. E
im Universitätsleben noch eine große Zukunft hat.
Die Lage in Lez.
(Telegramme.)
Die Agence Havas teilt mit: Das Ministerium des Aeußern
erhielt noch keine offizielle Bestätigung der Nach—
iicht von dem Eintreffen des Majors Bremond
in Fez. Das Fehlen von Nachrichten kann nicht als ein Zeichen
für eine Besserung oder Entspannung der Lage angesehen wer—⸗
den. Man darf nicht vergessen, daß nach früheren Telegrammen
die Lage in Fez sehr verwirrt, Munition knapp und Hunger zu
hefürchten war, andererseits weiß man, daß in Mekines ein an—
derer Sultan ausgerufen und die europäischen Posten beraubt
ein sollen. Demnach kann entgegen dem, was gewisse
Blätter zu glauben scheinen keine Rede davon sein,
den Vormarsch der Silfskolonne anzuhalten.
Weiter wird aus Tanger gemeldet: Die Mahalla Bre—
mond hatte auf ihrem Marsch fortgesetzt Angriffe zu be—
tehen, die jedoch zurückgeschlagen wurden. Bremonds Truppen
haben bei diesen Scharmützeln weder Tote noch Verwundete
gehabt, während die Gegner starke Verluste erlitten. Die ge—
reizten Mannschaften Bremonds brannten unterwegs Dörfer
und Ernten nieder, was auf die Bevölkerung starken Eindruck
machte. Die Stämme im Gharb-Gehbiet verhalten sich
abwartend.
W. Paris, 1. Mai. Infolge der aus Marokko einge—
troffenen günstigen Nachrichten treten mehrere Blätter
dafür ein, den Marsch nach Fez aufzugeben.
Wt. Varis, 1. Mai. Die Verstärkungen, deren Entsen⸗
dung nach Casablanca infolge der kürzlichen Ereignisse in Ma—
rokko von der Regierung beschlossen wurde und deren Transport
im Gange ist, bestehen aus zehn Bataillonen Infanterie, die
von Zuaven, algerischen Schützen, Senegalesen und Schutz⸗—
truppen-Infanterie gestellt werden, vier Eskadrons aus Algier
und Tunis, Schutztruppen-Artillerie, zwei Pionier-Kompagnien
und entsprechenden Trains und Kolonnen.
Mit. Rabat, 1. Mai. Alle Truppenteile der Kolonne Bru—
lard und die Gums sind seit dem 23. April hei Elknitra ver—
einigt.
Wt. Tanger, 1. Mai. Nach brieflichen Meldungen aus
Fez vom 20. April wurde ein österreichischer Untertan, der nach
Fez gekommen war, um sich anwerben zu lassen, aber auf Er—
suchen seiner Gesandtschaft abgewiesen wurde und Fez verlassen
hatte, in Raselma als Gefangener zurückehalten.
Der Aufstand in China breitet sich bedenklich aus.
(Telegramme.)
W. Hongkong, J. Mai. Daily News melden aus Can⸗
ton: Nach Drahtberichten breitet sich die aufständische Bewegung
auf andere Städte aus. Auch in Futschau sind Unruhen. Die
——
tiebenswürdigem, zuweilen schalkhaftem Humor, bald tief er—
greifend, bald durch scharfe Beobachtung oder anekdotenhafte
Züge fesselnd, auf jeder Seite gedankenreich und anregend,
reißt das Werk unwiderstehlich hin. Wenige Künstler haben
ein so ereignisvolles Leben gehabt wie Richard Wagner. Von
Stadt zu Stadt, von Land zu Land jagte er seinem Ziele zu.
Die eigene Erzählung dieses Lebens läßt uns einem erschüttern⸗
den Drama beiwohnen.
Die Orestie des Aeschylos im Zirkus. Direktor Sarrasani will
im nächsten Herbst in Berlin einen festen, 6000 Personen fassenden
Zirkus errichten und verhandelt mit Reinhardt über griechisch—
zenische Aufführungen. Das Deutsche Theater soll die Orestit
don Aeschylos zur Aufführung bringen. Dem ruhrigen Direktor
Sarrasani scheint der Direktor des Zirkus Busch zuvorkommen
zu wollen. Unter der Aegide des Geheimrates Exzellenz von
Wilamowitz-Moellendorff plant er am 31. Mai oder am
2. Juni ebenfalls eine Aufführung der Orestie. So gehts in
Berlin immer: wenn einer eine Idee hat, machen zehn andere
sie schleunigst nach.
„König Oedirus“ in Prag. Die Maifestspiele des deut—⸗
ichen Theaters in Prag wurden Sonntag abend mit einem Ge—
samtgastspiel des Berliner Deutschen Theaters mit „Köng
Oedipus“ eröffnet. Die Titelrolle gab Wagener, Frau Bertens
die Jokaste unter stürmischen Ovationen.
Aus dem Reich des Todes. Minna Wagner, verw.
Ueberhorst, ist in Dresden im Alter von 71 Jahren durch
einen Unglücksfall gestorben. Sie gehörte in den siebziger
Jahren zu den gefeiertsten Operettensängerinnen und war in
Wien, Hamburg und München (zur Zeit der Eröffnung des
Gärtnertheaters) engagiert. Später ging sie in das Fach
der jugendlich-dramatischen Sängerinnen über, wo sie lange
Jahre am Stadttheater in Nürnberg tätig war. — Infolge
eines Schlaganfalles ist der Schriftsteller Hans Hochfeldt in
Berlin plötzlich gesto rben. Sonntag sollte in Leipzig seine
Dper erstmalig aufgeführt werden, zu der er in Gemeinschaft
mit Hans Brennert den Text und Boaumil Zempler die Musi
neschriehen hat
Theater. Kunst und Wissenschaft.
Lübeck, J. Mai.
Stadthallen⸗Theater.
„Die goldene Ritterzeit“.
Burlesker Schwank von Ch. Marlowe.
Mit einem weinenden und einem lachenden Auge nahmen
zestern die Lübecker Abschied von der Direklion Kurtscholz
— im Stadttheater starb Isolde den Liebestod und in
der Stadthalle regierte einen Akt lang die goldene Ritterzeit.
„In Ritterstiebein und Streitschuhen“ schied man also dort
wie hier.
Dẽr englische Schwank hat eine Anzahl guter Ansätze zu
höherer Persiflage, nur wird nichts ordentlich durchgeführt.
Aus der UAebertragung einer englischen Landadelsfamilie nebst
ihrem Anhang in die Zeit des löwenherzigen Richard liebe sich
außerordentlich viel mehr machen, als Marlowe vermocht hat.
Die Idee ist ja alt, aber sie verträgt schon noch Variationen.
„Die goldene Ritterzeit“ steigt oft ganz aufs Niveau der stu—
dentischen Biermimik hinab, und in ihren besseren Teilen steht
sie auf gleicher Höhe mit den patodistischen Darbietungen
auf Münchener Faschingskünstlerfesten. Zudem hat der Ver—
fasser, an unrechter Stelle um historische Echtheit besorgt, alle
seine Witze der Riiterzeit entnommen, und augenscheinlich nicht
ne der goldenen, ja manchmal scheint er noch tiefer in
iefen der Vergangenheit hinabgetaucht zu lein; einzelne
Kalauer gehen bis auf den Turmüau von Babel zurück. Es
lann auch witzig sein, ganz faule und alte Witze zu machen, nur
muß man dann die feste Ueberzeugung haben, daßk der Re—
freffende auch anders kann.
Wenn trotzdem das Publikum sich königlich amũüsierte, so
lag das an der ausgezeichneten Darstellung vor allem Stanis
iaus Fuchs als Sir Guy de Vere zeigte sich von sine glän⸗
jendsten Seite. Drastisch ohne Verzerrung, immer troͤden,
jede Pointe, auch die fürchterlichste, treffficher hinhauend, fadel—
haft gelenklig, und bei alledem ein lieber Kerl be— man die
Beliebtheit bei seinen Pächtern und Dienfsthoten alaubt. ließ
er weder Ueberdruß noch Blasiertheit auffkommen: er adelte
den Blödsinn.
„Die goldene Ritterzeit“ nimmt als historisches Stück natür—
ich zahlreiche Mitspieler in Anspruch; ich will nur hervor—
heben, daß so ziemlich alle Künstler ihre Aufgabe mit bestem
ßumor anfaßten. Einige Angehörige des scheidenden Ensem—
zles, welche sich schon in imposanten Rollen verabschiedet hatten,
rlebten dabei eine beträchtlich weniger feierliche Auferstehung.
Die Regie des Herrn Bruno w ohatte für echte Szenerie gesorgt,
o echt, daß die Burg direkt altersschwach war und von den
eizenden Cousinen des Sir Guy fast umgerannt wurde. Der
ßesang der Nonnen wirkte ebenfalls überraschend echt und
primitiv. S. O. E
Wagners Memoiren. Soeben ist ein seit langem mit
Spannung erwartetes Werk erschienen: „Mein Leben“ von
Kichard Wagner, in zwei Bänden, geb. M 25, Munchen, F.
tzruckmann A.«G. Die Lebenserinnerungen Richard Wagners
imfassen die Jahre 1813 bis 1864. Die Abfassung fällt in
ie Jahre 1866—5 1873. Der Meister konnte dabei Nolizen
senutzen, die er seit dem Jahre 1835 mit genauer Angabe der
Daten geführt hat. Um die einzige Handschrift vorm Unter—
zange zu bewahren, ließ sie der Meister in einer geringen
Anzahl von Exemplaren in Basel privatim durch Druck ver—
ielfältigen. Friedrich Nietzsche las für ihn die Korrekturen.
der Drucher wurde von Wagner zur Verschwiegenheit eidlich
»erpflichtet. Auch nach seinem Tode hat die Familie das Ge—
eimnis so treu bewahrt, daß viele an das Vorhandensein
echter“ Memoiren des Bayreuther Meisters nicht glaubten.
Aus Schonung gegen Lebende bestimmte der Meister, das Buch
»ürfe „erst einige Zeit nach seinem Tode“ veröffentlicht werden;
»enn, wie er sagt: „Der Wert der hiermit gesammelten Auto—
iographie beruht in der schmucklosen Wahrhaftigkeit“. Jetzt dürfte
)er Zeitpunkt gekommen sein, wo — mit Streichung nur weniger
Worte — keine berechtigte Empfindung mehr verletzt wird.
Wagner erzählt sein Leben und Schaffen einfach und
ktlar, mit bedeutendem Sinn für das Wirkliche und bewun—
vernswerter Kunst des Ausdrucks. Schlicht und offen. mit