Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

nur die Kandidatur Hillmann, sondern auch die 
kreisinnige Kandidatur Dühring zurückzuzie hen 
ei. Dem erst kürzlich gegründeten Verein traten mehrere 
Mitglieder bei. 
Die Unterzeichnung des deutjsch⸗rufsischen Ablommens steht 
nach einer Petersburger Drahmeldung der Täglichen Rund— 
schau unmittelbar bevor. Der Vertrag hat lediglich die 
bereits bekannten Spezialfragen, also persische Angelegen— 
heiten und solche der Bagdadbahn, zum Gegenstand. Russischer⸗ 
eits wird das Akltenstück seitens des Gehilfen des beurlaub— 
en Ministers des Auswärtigen vollzogen werden. 
Eintreffen einer militärischen Ankaufskommifsion aus Bra⸗ 
silien in Deutschland. Wie mitgeteilt wird, hat die brasiliani— 
che Militärverwaltung eine besondere Kommission, die aus 
iktiven Offizieren des brasilianischen Heeres besteht, ernannt, 
im Ankäufe für Heereszwecke in Deutschland zu 
nachen. Die Kommission besteht aus dem Major Mario 
»a Silveira Netto als Chef und den Hauptleuten José 
Bictoriano Aranha da Silva, Manoel Bongard de Castro 
Silva, Luis Mariano Pereira d'Andrade fowie dem Oberleut— 
rant Joßño Torres Cruz. Die Herren find jetzt in Essen ein— 
jetroffen und haben dort zunächst in den Kruppschen Werken 
zesichtigungen vorgenommen. 
Der Kolonialgerichtshof und die Ueberseelaufleute. Meh— 
ere große Firmen in Deutsch-Neuguinea haben an 
»en Bundesrat eine Petition gerichtet, in der sie bitten, 
HßHamburg und nicht Berlin als Sitz des Kolo— 
rial- und Konsulargerichtshofes zu bestimmen. 
Wie erinnerlich sein dürfte, hatte sich die Kommission des 
Reichstags, allerdings nicht ohne lebhaften Widerspruch, schließ⸗ 
ich, um die Vorlage nicht scheitern zu lassen, der Ansicht 
des Staatssekretärs angeschlossen, der sich gegen Hamburg 
erklärke. In dem Gesuch der Kaufleute aus Neuguinea wird 
hesonders hervorgehoben, daß das notwendige unbedingte 
Bertrauen in die Tätigkeit des obersten Gerichtshofs nur dann 
Platz greifen könne, wenn auch der letzte Zusammenhang 
wischen Rechtsprechung und Verwaltung vermieden würde. 
Auch wird gegen die Absicht, einen oder gar zwei Verwal— 
ungsbeamte als Richter zu wählen, Einspruch erhoben. 
Die Stellungnahme der thüringischen Industriellen zur Pri⸗ 
patbeamtenversicherung. Der Verband thüringischer In— 
zustrieller sprach sich in seiner gestrigen Hauptversammlung in 
Weimar einstimmig für den Gesetzentwurf betreffend die 
Pensionsversicherung der Angestellten im Sinne des Haupt⸗ 
ausschusses der deutschen Privatbeamten aus. Die Haltung 
zes Deutschen Handelstages, der für den Ausbau der In— 
alidenversicherung eintritt, wurde scharf gemißbilligt. 
Die Wirkung des sozialdemolratischen Schnapsboylotts. Im 
Betriebsijahre 1909/10 sind im deutschen Branntweinsteuer⸗ 
ebiet 8357595 Hektoliser Branntwein weniger verbraucht worden 
uis im Jahre zuvor. Auf den Kopf der Bevölkerung kommt 
zabei ein Rückgang von 42 auf 2,8 Liter, also um 
in genaues Drittel. Es unterliegt keiner Frage, daß 
dies eine W'irlung dessozialdemokratischen Schnaps⸗ 
zoykotts ist. Er konrmt das Reich etwa 34 Miill. zu stehen, 
denn so hoch beziffert sich der gleichzci ige Rückgang der Brannt— 
veinverbrauchsabgabe. 
Ter Verkehr auf dem Kaiser Wilhelm-Kanal. Während des 
Bierieljiahres vom 1. Januar bis 31. März 1911 haben 9836 
Schisfe (gegen 7595 Schiffe im selben Vierteljahr 1910) mit 
einem Neitoraumgehast von 1618453 Reg.To. (1910 
1270 572 Reg.To.) den Kaiser-Wilhelmkanal benutzt 
uind nach Abzug des auf die Kanalabgabe in Anrechnung zu 
zringenden Elblootsgeldes an Gebühren 782 128 M. (1910 
b47 591 M) entrichtet. Davon entfielen auf den Monat März 
1022 (1910 3167) Schiffe mit 595 725 (1910 457 329) Reg.To. 
und 296 118 (1910 238 410) MuüGebühren. 
Tarifvrertrag und Maifeier. Man schreibt uns: Gewerk⸗ 
chafien mit Tarifverträgen haben es sich angelegen sein lassen, 
zu rerhüten, daß ihre Nitglieder die Arbeitsruhe am 1. Mai 
um Gegenstand eines besonderen Verlangens machen. Der 
Vorstandes des Hilfsarbeiterderbandes z. B. be— 
onte in der Solidarität, es dürfe ohne Einwilligung der Ar—⸗ 
beiigeber der 1. Mai nicht durch Arbeitsruhe gefeiert werden, 
da in Tariforten jede Arbeitseinstellung am 1. Mai 
als Tarifbruch angesehen werden müsse. Das Organ des Buch⸗ 
binderverbandes hat in ähnlichen Ausführungen vor 
der Arbeitsruhen am 1. Mai gewarnt. Und das Organ des 
buchdruckerverbandes bezeichnet es „als ganz selbst— 
verständsich“, „daß auch bei uns keine andere Auffasiung iäu 
e 
War das noch der verliebte Bräutigam, der galante Kur⸗ 
macher, um den sie so viele in die Höhe strebende Mädchen 
zeneidet hatten, den sie im Geiste lehenslang in steter Anbetung 
hrer Schönheit zu ihren Füßen gesehen hatte? Sie sollte 
ich jetzt schon vor ihm beugen wie — wie eine Sklavin? 
Nein, nein und abermal nein! Lieber wollte sie — — — 
Ja, was denn? Sie konnte den Gedanken nicht zu Ende 
denken! Es gab ja kein „lieber“ mehr für sie! Es gab 
lein Zurück! Was — was sollte sonst — aus ihr und den 
glänzenden Zukunftshoffnungen werden?. 
Sie hob das Haupt und suchte ihm ins Gesicht zu sehen. 
Er mußte ja längst die häßlichen, herrischen Worte bereut 
haben! Vielleicht neigte er zur Eifersucht! Er liebte sie ja 
so leidenschaftlich, so rasend.. .. Aber sie sah nur eisige 
Kälte, unbeugsamen Starrsinn in jeinen Zügen und — — er— 
itterte davor! 
„Nun, Elisabeth,“ sagte er endlich. „Hast du dir's über⸗ 
legt, daß du dich fügen mußt, wenn du meine Frau werden 
willst? So gib mir die Hand! Zu einem finsteren Tyrannen 
möchte ich dir nicht werden.“ 
Seine Augen suchten aufflammend die ihrigen; er sah 
ie hilflos und gedemütigt por sich stehen, die ihm sowohl 
n dieser Haltung wie vorhin in dem flammenden Zorn 
tleich begehrenswert erschien. Er preßte seine schöne Braut an 
ich und bedeckte ihr noch immer erregtes Gesicht mit Küssen. 
Sie ließ alles über sich ergehen. 
Am Abend brachte er ihr „zum Dank fuür die herrlichen 
Rosen“, die sie ihm am Morgen geschenkt habe, ein kostbares 
heschmeide und bestand darauf, es ihr selbst um den feinen, 
reißen Nacken zu legen. 
19. Kapitel 
Im städtischen Krankenhause in Bremen war die Zeit 
»er Mittagsruhe vorüber und in den Sälen feierte man, 
so weit es Schmerz und Krantkheit zuließen, in bestmög— 
ichem Behagen die Vesperstunde. Die diensttuenden Schwestern 
jatten oft Mühe, die in der Genesung begriffenen Kranken in 
den notwendigen Schranken zu erhalten, damit die Matten 
ind Leidenden durch ihre allzu frohe Laune nicht gestört 
der Maifeierfrage Platz greifen kann.“ — So ist die Entwid— 
ung des Tarifvertrages ein starkes Hemmnis für die Ver— 
wirklichung der Arbeitsruhe am 1. Mai geworden. 
Die Unterstütung der rheinischen Winzer. Die bereits an⸗ 
zekündigle Notstands vorlage für die rheinischen Winzer 
aist ausgearbeitet und wird dem Wiesbadener Kom⸗ 
nunallandtage vorgelegt werden. Ueber ihren Inhalt wird 
ovem Berliner Lokalanzeiger mitgeteilt: Die Staatsregierung 
wird dem vom 8. Mai d. J. in Wiesbaden tagenden Kom— 
nunallandtage eine Vorlage zustellen lassen, welche eine plan— 
näßige organisierte Hilfe aus Staatsmitteln und aus Mitteln 
»es Bezirksverbandes zum Ziele hat. Diese Hilfe soll nicht 
n Form von Geschenken, sondern in der Form zinsfreier Dar— 
ehen an die Kreis-Kommunalverbände bestehen. Auf die 
tückzahlung eines Teilbetrages der Darlehenssumme soll seitens 
es Staates und des Bezirksverbandes von vornherein ver— 
ichtet und die Summe von den Kreisen nach einigen Freijahren 
llmählich in Jahresraten zurückerstattet werden. 
Ein Fleischergeselle erhält die Berechtigung für den Ein⸗ 
ährigendien? wegen herrorragender Leistungen. Ein Fleischer— 
zeselle erhielt infolge hervorragender gewerblicher Leistungen 
zio Berechtigung zum Einjährig-freiwilligen Dienst. Diese Aus— 
eichnung ist, wie die Allgemeine Fleischerzeitung mitteilt, dem 
Sohne des Fleischerobermeisters Paschke zu Charlottenburg, 
em Fleischergesellen Karl Paschke, zuteil geworden, dessen 
Horzügliche Arbeiten auf der in Charlottenburg im vorigen 
Jahre veranstalteten Fachausstellung damals Aufmerklamkeit 
rregten 
die Lübecker Geographische Gesellschaft auf 
dem Polarschiffe Deutschland“. 
O Der stellvertretende Leiter der übermorgen in See 
sehenden neuen Deutschen Südpolexpedition, Dr. Heinrich Seel— 
zeim, hielt unlängst in der Geographischen Gesellschaft hierselbst 
inen Vortrag über das geplante Unternehmen des bayerischen 
Rerleutnants Wilhelm Filchner. Dieser besuchte vor zwei 
jahren den Lübecker Geographentag, nachdem er 1903 bis 
905 seine erfolgreichen Reisen in Tibet vollendet hatte. In 
reundlicher Weise wurde die Gesellschaft eingeladen, das für 
ie Expedition angekaufte Schiff, einen zirka 15 Jahre alten 
orwegischen Walfischfänger, der für die jetzigen Zwecke um— 
ebaut ist, zu besichtigen. An 25 Teilnehmer hatten sich zu 
ieser interessanten Besichtigung aufgemacht. Der Fährdampfer 
etzte uns unter Führung von Professor Lenz am Asia⸗Kai ab, 
in dessen Schuppen 34 die ehemalige „Biörn“ lag, die jetzt 
»en Namen „Deutschland, Hamburg“ am Heck zeigt. Schon von 
veitem fiel uns die kleine Bark mit dem Krähennest im 
sßroßtopp, dem Ausqudsposten, auf. Eine größere Zuschauer— 
nenge umstand das Fallreep des nicht großen Fahrzeuges, 
on dessen Gaffel die deutsche Dienstflagge wehte. Gegen seinen 
dachbar, den Riesen-Fünf- Master „Potosi“, sah das nur 580 
Tons messende Schiff nicht imponierend aus. Jedoch nahm 
ins ein eigentümliches Gefühl gefangen, als wir seine gedrun— 
jenen Linien, das fast ungefüge zu nennende Ruder und die 
kisverstärkungen der Schußhaut gewahrten. Um dem Kampf 
nit dem Eispanzer der Antarktis besser gewachsen zu sein, 
jat man Holz als Baumaterial sür solche Schiffe dem spröden 
kisen vorgezogen. Der nur 56m lange Bau ist auch im 
Innern durch Stützen gegen die Spanten verstärkt und soll 
»urch diese Versteifungen große Pressungen siegreich überstehen 
önnen. Um bei Gegenwinden und zwischen Eisfeldern voran— 
ukommen, hat die „Deutschland“ eine Compoundmaschine als 
zilfsfortbewegungsmittel erhalten. Sie indiziert ungefähr 
00 Pferdekräfte. Der Kohlenvorrat und eine große Menge gut 
u verpackender Briketts geben dem Schiff einen Aktionsradius 
zon zirka 1800 Dampftagen, wenn man, wie im kise die Regel, 
nit nicht voller Kraft fährt. Drahtlose Telegraphieeinrichtung 
bird — hoffentlich — ermöglichen, eine Reichweite von un— 
zesähr 1200 Km. zu erlangen. Diese Zahl gilt für hiesige 
Witterungsverhältnisse, man muß aber erst einmal abwarten, 
vie sich die Dinge in jenem Klima gestalten, von dessen 
lektrischen Eigenschaften in dieser Beziehung noch gar keine 
krfahrungen vorliegen. Wir traten auf den Landgang, ließen 
ins durch die schwarze Tafel: „Unbefugten ist der Zutritt 
erboten“ nicht abschrecken und wurden auch schon von dem 
erbeigerufenen Dr. Seelheim begrüßt. Der Herr übernahm 
zersönlich die Führung und geleitete uns von hinten nach 
zorn, von oben nach unten, von Bachbord nach Steuerbord 
durch das ganze Schifflein, das mancher von uns sich größer 
and romfortahler vporgestellt hatfte! Aber mit jedem Schritt 
würden. Die Schwestern vesperten inzwischen, je nachdem sie 
ibkömmlich waren, miteinander oder nacheinander im soge— 
zannten Tagesraum, nachdem auch die Tabletts mit Kaffee 
uind Vesperbrot der Patienten in den Extrazimmern ausge— 
ragen waren. 
In einem dieser freundlichen Extrazimmer hatte man Ger—⸗ 
jard Friesing untergebracht, nachdem der Arzt ihn vorsichts— 
halber die ersten beiden Nächte nach der Verwundung in 
einer Wohnung belassen hatte. Die Kugel war ohne Schwie—⸗ 
rigleit aus der Wunde entfernt worden und weiterer Blut— 
»erlust hatte nicht stattgefunden; aber die Schwäche des 
Kranken hatte eine frühere Ueberführung nicht zugelassen. 
(Fortsetzung solgt.) 
Theater, Kunst und Wissenschaft. 
Lübech, 1. Mai. 
stadttheater. 
„Tiefland“. 
Musikdrama von Eugend' Albert. 
Herzlich haben wir am Sonnabend abend bedauert. daß 
vir uns mit einer nur einmaligen Aufführung der Oper „Tief⸗ 
and“ für diese Spielzeit haben begnügen müssen; brachte uns 
»och das musikalisch wertvolle Werk Ueberraschungen höchst er⸗ 
reulicher Art, die die Oper in ihrer ganzen Schönheit an uns 
vorüberziehen ließen. Wir hatten eine folche Marta, einen 
olchen Pedro von Frau Dr. Bartsch-Jonas und Herrn 
kKichard Pistori nicht erwartet. Die beiden Gestalten waren 
jeistig so scharf erfaht und mit so sicherem Auge geschaut, daß wir 
Jarstellerisch auch nicht den kleinsten Zug vermißten. Gesang⸗ 
lich waren Sängerin und Sänger mit ihren herrlichen Stimm- 
nitteln atuf voller künstlerischer Höhe; beide schwelgten förm— 
ich in den wie für sie geschriebenen Partien, die Zuhörer mit 
ich fortreißend. Frau Dr. Bartsch war von Anfang an die 
ertretene, ihrer ganzen Lebensfreude beraubte Untergebene, 
odie in wilder Leidenschaft und ohnmächtigem Zorn aufflammte, 
um sich gleich wieder in dumpfer Resignation zu ducken; die 
Künstlerin hat sich in letzter Zeit außerordentlich im Spiel ent⸗ 
æicddelt. Ergreifend schön gesungen wurden die tieftraurigen Her—⸗ 
— 
den wir weiter musterten, wuchs auch unsere Achtung vor dem 
Unternehmungsgeist, vor dem Mut, mit dem die Forscher 
an ihr Werk gehen. Noch lag manches herum und harct 
des kundigen Stauers. Jeder Winkel, jede Ecke zeigte noch, das 
fast zu wenig Platz für so viel, was mit muß. Unterwegs 
st natürlich nichts zu haben. Um Raum für 15 Kammern, die 
zenaue Zahl konnte unser Mentor nicht angeben, zu gewinnen 
st ein Aufbau an Dedh gemacht, das Halbdeck nach vorne 
berlängert worden. So entstand eine lange „Pupp“, wie der 
Seemann sagt, auf deren Dech an Backbord eine Anzahl 
Schlitten, nach Sir Shakletons und Nansens Muster, zuersi 
Ansere Aufmerksamkeit fesselt. Kein Nagel, keine Schraube« 
alles ist mit Lederriemen gebunden, man sollte nicht denken 
daß sie später eine Last von 240 Kg. schleppen müssen. Die 
Zzufen aus hartem Hichory-Holz werden durch (noch nicht ange 
brachte) Stahlkufen geschützt, damit sie auf Märschen über 
Moränen und Geröll nicht splittern. Dieser Vorrat liegt unten 
der Badbordswant, die uns auffällt, da noch Talreepen, 
reine Wandschrauben, die Hoofttaue halten. Eine Treppe 
führt uns auf das Vordeck. An beiden Seiten ein vierkant 
zebauter Pferdestall für mandschurische Ponys, die sich frühe 
vei Shakletons Expedition bewährt haben. Noch weiter vorn« 
liegen die Hundeställe, deren Bewohner stets so nützliche Be 
gleiter der Polarreisen gewesen sind. Die Tiere kommen ers' 
päter in Buenos Aires an Bord, wo auch der Leiter, Ober— 
leutnant Filchner, zur Expedition söößt. Wir besichtigen noch 
den Aufenthaltsraum der Leute unten im Vorschiff und folgen 
odann dem bereitwilligen Erklärer in das Dedslaboratorium 
Eng ist's zwar, aber die Forscher werden sich bald einarbeiten, 
in der Beschränkung soll sich ja immer der Meister erst zeigen. 
Unter Mitnahme einiger schöner Farbenfleckchen — für Prinz 
deinrichs Besuch am folgenden Tage wird alles noch mal sein 
iberlackiert — schlängeln wir uns nach achtern. Dr. Seelheim 
erzählt uns gerade, wie viele Hunde man an Bord nehmern 
vill und mit wie vielen Exemplaren mehr man unten anzu 
ommen gedenkt. Unserer Zahl geht's genau so; sie ist auch 
mmer größer geworden. Alle Zaungäste vor dem Schiffe 
cheinen sich schlauerweise uns Lübeckern angeschlossen zu haben! 
die Lotmaschinen werden uns gezeigt. Herr Dr. Brennede von 
»er Seewarte, auch Lübeckts Gast am Geographentage, setzt 
ruseinander, wievielmal zehntausend Meter Klarierdraht man 
nitnimmt, um die Senkbleikegel in die Tiefen der Antarktis als 
fFJühlhörner hinabzulassen. Tann nimmt uns die Messe auf; 
in anheimelnder Raum, umgeben von den Kabinen des wissen— 
chaftlichen Stabes. Bescheiden an Raum sind alle Kammern 
stur Filchner ist der doppelte Platz zugemessen. Sonst aber hal 
nan jedem eine eigene Kabine gegeben, da der Leiter das für 
ötig hält. Denn der Aufenthalt ist für mehrere Jahre 
orgesehen — und da ist es, bei oller Hingebung an das ge— 
neinsame große Ziel, doch gut, wenn man mal einen Schmaoll— 
einkel, ein stilles Kämmerlein so ganz, ganz allein fsür sich 
esitzt! Schon haben manche Bewohner sich häuslich ein— 
erichtet: Bilder und geschmackvoller Zimmerschmuck ziert die 
Vände. Eine Schiffsbibliothek ist gestiftet, ein Klavier eben— 
alls, ein zweites steht in Aussicht. Leider wird's mit dem 
daum hapern. Weiter nach hinten liegen die Tunkelkammer,. 
zie Kapitänskajüte und die Telefunkenanlage. Ein kurzer Besuch 
er Maschine zeigt auch hier Raumenge und kluge Benutzung 
es Platzes. Eine kleine Dynamomaichine liefert in der langen, 
ingen Polarnacht die nötige Helligkeit. Andere Hilfsmaichinen 
ollen die Neze aufwinden, die Lotmaschinen betätigen und 
noch manche Arbeit verrichten. Gute Pumpen sind vorgesehen, 
twa eindringendes Wasser wieder herauszuschaffen, so daß 
alle Sicherheitsvorrichtungen vorhanden sind, wenn das Eis mal 
u ungestüm andrängt. Die Schraube kann gelüftet und in 
jinen „Brunnen“ hochgeholt werden. Ein Reserveruder liegl 
lat, wenn dieser wichtige Teil sollte beschädigt oder gar ver— 
oren werden. Das Steuerrad ist vom Hinterdeck auf die 
dommandobrücke versetzt, damit der Rudersmann einen Ueber— 
»lick nach vorne hat. Auch dem Kompaß, der in der Nähe 
»es Poles sowieso Schwierigkeiten macht, ist gehörige Aufmerk 
amleit geschenkt. Als Stellvertreter Filchners fungiert bis 
Zuenos Aires unser Cicerone, Tr. Seelheim. Ein Stab Ge— 
ehrter begleitet die Expedition. Dr. Brennecke von der Deut 
chen Seewarte, der die Valdivbvia-Cxpedition einst mitmachte. 
leitet die ozeanographischen Arbeiten. Als Meteorologe und 
Luitelektriker geht Dr. Barlow von der Berliner Warte mit 
auf die Reise. Der Arzt ist aus München, Dr. Kohl, der auch 
als Zoologe tätig sein wird und lis Buenos Aires von einem 
Gelehrten der Rostocker Universität angeleitet werden soll. Eben⸗ 
falls ein Bayer ist der Geologe Dr. Heim. Als Astrondom if 
Te. Przybyllot gewonn⸗ r Techn?tan Serre Neuberger 
———— 
gänge ihres Lebens, wie ihr Gang zur Hochzeit; in jubelnden 
Atkorden ertönte ihr Liebesduett mit Pedro „Hinauf zu den 
Bergen“. Es dürfte schwer halten, einen Zusammenklang von 
wei schöneren Stimmen zu finden. Herr Pistori, der den 
rinfachen Nalurburschen mit rührender Naivität gab, hatte in 
einer Treuherzigkeit wahrhaft crgreifende Momente, wie bei 
der Sonnenbegrühung und der Erzählung vom Wolf. Das 
allmähliche Erwachen aus schönem Liebestraum zu hochdramati— 
scher Steigerung war herrlich herausgearbeitet. Wir sind 
doppelt froh, den stimmbegabten Sänger noch im nächsten Winter 
den unseren zu nennen, da der Künstler sich so entwichelungs- 
ähig im Spiel erweist. Frau Dr. Bartsch, die am Sonn— 
abend abend wie eine Königin gefeiert wurde, der man Blumen 
und Lorbeeren in Menge streute, und die man mit einer Herz— 
lichkeit sondergleichen immer wieder hervorrief, mußte am 
-Zchlusse noch ungezählte Male in der Türe des eisernen Vor— 
janges erscheinen. Sie müssen wir leider verlieren! Möchte 
die kommende Direktion sich ihrer Beliebtheit erinnern und sie 
ins als Gast zuführen; man wird es ihr sicher Dank wissen. 
In der Rolle des Tommaso war Herr Vollmer neu. Wie 
zei allen Darbietungen des Künstlers, sahen wir eine natur— 
getreue Gestalt in dem Achtzigjährigen vor uns; anfangs lebend⸗ 
rfahren und treuherzig, regte sich in dem Alten später das 
panische Blut in Entrüstung über die Schlechtigkeit des Se— 
dastiano. Das alles war vorzüglich getroffen und wurde unter— 
tützt durch wirksamen Gesang. Die prachtvolle Leistung des 
zebastiano (Herr Arnold Langefeld) ist bekannt, ebenso wie 
aicht leicht eine kindlich rührendere Nuri als Frl. Gertrud 
Stretten zu finden sein dürfte. Die drei neugierigen, dreister 
Müllermädchen bildeten zu ihr einen schroffen Gegensatz. Mo 
uccio und Nando (Herr v. Schenck und Herr Haas) waren 
gesanglich und darstellerisch wirksam in ihrer Auffassung. Hert 
Kapellmeister Abendroth leitete die Oper mit gutem Er— 
folge, ruhig und sicher; manches schöne Piano war zu ver— 
zeichnen, wie beispielsweise in der Begleitung von Martas Er⸗ 
zählung und Sebastianos Tanzlied, wenn auch die orchestrale 
Unterstützung bei dem Liebesduett etwas zu stark ausfiel. Gant 
wundervoll geblasen wurde von Herrn Konrad der Rul 
des Hirten“ am Anfang der Oper; das war so schwermütin. 
jso stimmungsvoll. daß man fast ganz die Wirklichkeit daritnet
	        
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