Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

Inland und Ausland. 
Deuifches Reich. 
Eine Zusammenkunft des Kaisers mit dem Zaren. Wie 
wir erfahren, wird das russische Kaiserpaar bereits 
iem Juli zu längerem Aufenthalt auf Schloß Fried— 
berg eintreffen. Während der Anwesenheit des Zaren⸗ 
paares findet eine Begegnung des Zaren mit Kaiser Wilhelm 
n Schloß Wilhelmshöhe statt, und zwar zur gleichen Zeit, 
vo Prinz Arthur Herzog von Connaught als Gast 
»es Deutschen Kaisers in Wilhelmshöhe weilen 
vird. Der Deutsche Kaiser wird dem Zarenpaar in Friedberg 
jor dieser Zusammenkunft einen Besuch abstatten. (Tel.) 
Festlegung des Osterfestes. Ueber die Festlegung des Oster-« 
festes werden demnächst unverbindliche Verhandlungen zwischen 
den verbündeten Regierungen einerseits und den in Betracht 
ommenden Inslanzen anderseits eröffnet werden. Soweit 
yekannt ist, haben die kirchlichen Behörden gegen eine Fest— 
egung des Osterfestes im allgemeinen nichts einzuwenden. 
AUuch Handel und Industrie haben sich mit diesem Gedanken 
zefreundet. Wie wir aus Regierungskreisen hören, soll der 
Lorschlag gemacht werden, Ostern auf-den zweiten 
Sonntagsim April festzulegen, damit die Karwoche 
in allen Fällen noch in den April fällt. Es soll zunächst 
die Meinungsäußerung der größeren Bundesstaaten zu dieser 
Frage eingeholt werden. 
Reform des Religionsunterrichts. Die Pädagogische 3tg9. 
zas Hauptorgan des Deutschen Lehrervereins, erlähßt einen 
lufruf an die deutsche Volksschullehrerschaft zu einer Reform 
8 Religionsunterrichts. Es ist bereits eine Vereinigung ge— 
zründet worden, die, anknüpfend an die Kämpfe um die 
keligion überhaupt, die Religionslehrer zum Zusammenschluß 
rmiahnt, um einen modernen, vom Verbalismus freien Re— 
igionsunterricht zu schaffen. 
Petition der Justizunterbeamten. Die Justizunterbeamten 
Preußens haben an den Justizminister eine Petition ge— 
ichtet, in der sie u. a. ihre Gleichstellung mit den 
Zicherheitsbeamten erbitten, ferner Aenderung der 
ditel und Uniform, Verkürzung der Dienststunden, Regelung 
zes Ferienurlaubs, Erhöhung der Entschädigung für Be— 
nienung der Gefangenen von Z3Z auf 10 Pf. und Erhöhung des 
Vohnungsgeldzuschusses bis zu 23 Höhe der den mittleren 
Heamten gezaählten Zulagen. 
Die Arbeit der nationalliberalen Partei in Schleswig⸗Hol⸗ 
tein. In Flensburg, Elmshorn und Lensahn hielt dieser 
Tage Reichssstagsabg. Landgerichtsrat Hagemann Vorträge über 
ie politischen Tagesfragen. Die gut besuchten Versamm⸗ 
lungen waren wieder ein Zeichen, daß in den hochgehenden 
Wogen der politischen Bewegung die Darlegungen eines Mit— 
arbeiters im Parlament eine Notwendigkeit für die Wähler 
in Lande sind. Die Ausführungen des Redners zeichneten sich 
urch ruhige Sachlichkeit aus und fanden deshalb eine zu— 
timmende Aufnahme. In Lensahn stellte sich bei dieser Ge— 
egenheit auch der Reichstagskandidat des 9. schleswig-hol⸗ 
teinischen Wahlkreises, Gutsbesitzer Hastedt-Wensin, mit einer 
nit lebhaftem Beifall aufgenommenen Ansprache vor. Außer- 
em gab Generalsekretär v. Trotha noh einige Ergänzungen 
ur Tagespolitik. R.) 
Das Inkrafttreten des Reichsviehseuchengesetzes. Nachdem 
»er Ausführungsgesetzentwurf zum Reichsviehseuchen«- 
esetz dem preußischen Abgeordnetenhause zugegangen ist, 
äßt sich auch der Zeitpunkt absehen, zu dem das letztere 
Hesez, das bereits vor ein paar Jahren erlassen ist, vor⸗ 
ausfichtlich in Kraft treten wird. Daß der vorgelegte preu- 
zische Entwurf in beiden Häusern des Landtages noch in 
der laufenden Tagung verabschiedet werden wird, 
st wohl anzunehmen. Bayern hat bekanntlich schon vor 
seraumer Zeit ein ähnliches Gesetz geschaffen. Es bleibt also 
ils Voraussetzung für das Inslebentreten des neuen Vieh— 
euchengesetzes im Reiche nur noch die Fertigstellung der Aus— 
ührungsanweisung durch den Bundesrat übrig. Ein Einver⸗ 
tändnis der Regierungen hierüber ist bekanntlich schon früher 
herbeigeführt. Man kann im ganzen damit rechnen, daß das 
ieue Reichsviehseuchengesetz zum 1. Januar 1912 durch Kaiser⸗ 
iche Verordnung wird in Wirksamkeit gesetzt werden. (R.) 
Der Landmangel der Ansiedelungslommifsion. Aus den 
dreisen des Deutschen Ostmarkenvereins wird uns 
eschrieben: Der Präsident der Ansiedelunaskommission bat, 
— — — —— r 
jard Friesings Adresse trugen. Der eine war ihm von Warfleth, 
vohin er gerichtet gewesen war, nachgesandt und zeigte feste, 
twas scharfe Schriftzuge und den Poststempel Bremen. 
Auf der Vorderseite war der Firmenstempel „C. F. Allmers 
ind Sohn“ gedruckt. Der andere Brief trug den Stempel 
er Bahnstation Berne, und die Adresse war von einer klaren, 
icht unschönen, aber unausgeschriebenen Hand geschrieben. 
Farl sah sich die Briefe mit einiger Besorgnis an. Ger— 
jard hatte in all dieser Zeit gar deine Korrespondenzen gehabt. 
Karl hätte ihn so gern noch eine Zeitlang vor den Wieder— 
intnüpfungen mit der Außenwelt gehütet, die ihn aus der 
hmeso wohltätigen Ruhe hier aufscheuchen möchten. Er 
chwankte einen Augenblick, ob er die Briefe nicht wenltgstens 
his morgen auf die Seite legen solle, um Gerhard, der erschöpft 
rusgesehen hatte, für die Nacht eine mögliche Beunruhigung 
u ersparen. Aber er fühlte, daß er trotz aller freundschaft— 
ichen Besorgnis kein Recht dazu habe, da möglicherweise ia 
zie Briefe eilige Mitteilungen enthielten. 
Erst nach dem Abendbrot kam Gerhard zurück; er sah 
biel frischer aus, beinahe heiter, und erzählte, daß er auf 
»em Spaziergange zunächst von heftigen Herzbeschwerden er— 
zriifen worden sei, die wieder die bösen Angstgefühle im Ge— 
olge gehabt hätten. Er sei dann in eine Weinstube ge— 
sangen, um dem Rate des Arztes gemäß die trägen Herz— 
nuskeln und versagenden Kräste mit einem Glase kräftigen 
Weines anzuregen; und dies sei vorzüglich gut gelungen. 
Karl legte die Briese vor ihn hin; Gerhard sah sie unan— 
jgenehm überrascht an, öffnete dann einen nach dem andern, 
jas sie langsam durch und reichte beide Briefe stillschweigend 
dem Freunde. 
(Fortsetzung folgt.) 
Theater, Kunst und Wissenschaft. 
Oedipus⸗Enthuf'asmus in Petersburg. Mittwoch abend 
and in Vetersburg die letzte Oedipus-Aufführung des Deut⸗ 
chen Theaters im Zirkus Ciniselli vor überfülltem Hause itatt. 
sdach Schluß der Vorstellung gebärdete sich das Publikum wie 
asend. Es rief unzählige Male Reinhardt, Moisfi und Rosa 
Bertens hervor. Schließlich drang das Publikum in die Arena 
siin. hob Moisst unter lauten Rufen in die Höhe und rief? 
‚„Auf Wiedersehen im nächsten Jahre!“ während ein Blumen— 
egen pon der Salerie auf die Arena niederging. 
— 
pie das Organ des Veutschen Ostmarkenvereins berichtet, eine 
zingabe des Oberkirchenkollegiums der altlutherischen Kirche, 
inige ausschließlich altlutherische Ansiedelungsdörfer zu gründen, 
ibschlägig beschieden und als Grund für die Ablehnung 
ieben anderen Momenten den „gegenwärtigen Land- 
nangel“ angeführt. Wenn trotz dieses Landmangels keine 
Enteignung erfolgt, so gibt das zu denken. GB.) 
Die sozialdemokratischen Gewerlschaften und die Arbeiter⸗ 
ugend. Man schreibt uns: Das Zentralorgan der sozialdemo⸗ 
ratischen Gewerkschaften ist sehr erbittert darüber, daß in 
zreußen die Staatsgewalt den Kampf gegen die sozialdemo⸗ 
ratischen Jugendorganisationen aufgenommen und Maßnah—⸗ 
nen zur Förderung einer nationalen Jugendpflege getroffen 
at. Das gewerkschaftliche Zentralorgan fordert die Arbeiter⸗ 
haft auf, „dieses verwerfliche Treiben mit allen Mitteln zu 
nterbinden“ und durch „Aufklärungsarbeit“ die Arbeiter⸗ 
uigend von den geplanten Veranstaltungen „mit ihrer Fröm⸗ 
ielei, ihrem Hurrapatriotismus und ihrer verlogenen na— 
jonalen Phrase“ fernzuhalten. Wie die Arbeiterschaft außer⸗ 
»em Ersatz für die sozialdemokratische Erziehungsarbeit schaffen 
oll, darüber gibt das gewerkschaftliche Zentralorgan folgende 
Inweisung: 
„Das kann vor allen Dingen durch die regste Werbe— 
irbeit für die Presse der Jugend des Vroletariats, für die 
Arbeiterijugend“ geschehen, die gerade nach der Er⸗ 
schwerung der Bildungsarbeit durch das gesprochene Wort 
in Versammlungen und Zusammenkünften eine noch weit 
zrößere Verbreitung erfahren muß, um desto jntensiver 
ind umfassender durch das geschriebene Wort auf die 
heranwachsende Arbeitergeneration erzieherisch und bildend 
einwirken zu können.“ 
Bekanntlich betreibt die „Arbeiterjugend“ die Verhetzung 
hrer jugendlichen Leser mit allen Mitteln. Indem die Ge—⸗— 
»erkschaftsleitung für dieses Organ Propaganda macht, er—⸗ 
nnert sie besonders eindringlich daran, daß Vartei und Ge—⸗ 
verkschaften eins sind. (B.) 
Der „grüne Assessor“. Der neue Gouverneur von 
Togo, Geh. Regierungsrat Edmund Brücdner, ist im Jahre 
906 dadurch bekannt geworden, daß er mit dem Zentrums— 
bgeordneien Roeren in der Angelegenheit Wistuba verhandelte, 
ie den Ausgangspunkt des Streites Dernburg-Roeren bildete. 
das Zenirum halnte damals der Kolsnialverwaltung Bedingun⸗ 
en stellen wollen. Abg. Roeren bestritt im Reichstage den 
zusammenhang dieser Verhandlungen mit der Stellungnahme 
es Zentrums zum Kolonialetat und sprach von einem „grünen 
lIssefsor“. Dieser grüne Assessor war Herr Brücdckner, der in 
o kurzer Zeit es bis zum Gouverneur von Togo gebracht 
„at. Herrn Roeren wird diese glänzende Karriere des grünen 
Issefsors vielleicht nicht sehr angenehm sein. 
Neue Stationen für drahtlose Telegraphie. Im Reichs— 
ostamt finden gegenwärtig Erwägungen darüber statt, wie beim 
lötzlichen Versagen der Drahtleitung die Uebermittelung von 
»epeschen durch drahtlose Telegraphie erfolgen kann. Aus 
iesem Grunde findet der Umbau und eine erhebliche Ver— 
färkung der Station Norddeich statt. Bei diesem Umbau 
erden alle Gesichtspunkte berücksichtigt, die fich auf den even⸗ 
uellen Ersatz der Drahtleitung durch drahtlose Telegraphie 
eziehen. Weitere Stationen sind in Aussicht genommen für 
zwinemunde und Königsberg (GGBr.), mit deren Bau 
hon in nächster Zeit begonnen werden soll. In der Nord— 
⸗e soll außer den bereits bestehenden Stationen Norddeich, Cux⸗ 
aven und Helgoland eine weitere Station auf der Insel! 
591t gebaut werden. 
Vorbereitungen zu den Reichstagswahlen. Im Wahl— 
reise Frankfurt-⸗Oder-Lebus ist von den Sozial⸗ 
entokraten der in der Ersatzwahl gewählte jetzige Abgeordnete 
zchuhmachermeister Fab er wieder als Kandidat für die kom⸗ 
jenden allgemeinen Reichstagswahlen aufgestellt worden. Wie 
as Berliner Tagebl. erfährt, macht sich nun im Wahlkreise 
ine Bewegung geltend, diese Kandidalur umzustoßen und da— 
ür den Rechtsanwalt Falkenfeld in Franifurt (Oder) 
ils Kandidaten zu nominieren. Das genannte Blatt meint, 
ziese Bewegung stehe in Zusammenhang mit der Tendenz, 
in Sielle der reinen Varteiagitatoren mehr Persönlichkeiten 
n die Reichstagsfraktion hineinzubringen. 
Tagesbericht. 
TII. verbandstag der hilfsschulen Deutschlands. 
V Läbeck, 19. April. 
In der Reihe der weiteren Veranstaltungen zum Verbands— 
age solgte am Dienstag der 
Begrüßungsabend 
n der Stadthalle, der die Teilnehmer an der Tagung bereits 
jemlich vollzählig vereinigte. Als Vertreter des Senates 
var Herr Senator Kulenkamp erschienen. Einige Musik⸗ 
orträge, ausgeführt von den Solisten der Kapelle des Inf. 
degts. Lübeck, leiteten den Abend ein. Danach erklärte Herr 
Vaisenvater Steen den der zuanglosen Vereinigung gewid⸗ 
neten Abend für eröffnet, worauf Herr Hauptlehrer 
Zztrakerjahn-Lübeck namens des Ortsausschusses nach— 
lehende Worte an die Versammelten richtete: 
Hochgeehrte Damen und Herren, liebe Kollegen und Kolle— 
sinnen! Im Namen des geschäftsführenden Ortsausschusses habe 
ch die Ehre, Ihnen am ersten. Abend Ihres Hierseins freudig 
ewegt die Hand zum Gruß zu reichen und Ihnen ein herzliches 
Willkommen in Lübeck zuzurufen. Dieser Gruß darf umso 
iniger und freudiger klingen, als er einer solch stattlichen 
zahl von Gästen dargebracht wird, die zu uns gekommen sind 
,on Nord und Süd, von Ost und West, ja von jenseits der 
hrenzen unseres lieben Vaterlandes, um ungetrennt durch Rang 
Ztand, durch Staatsangehörigkeit und Bekenntnis ihre Zeit 
ind Kraft in den Dienst der geistig minderwertigen Jugend 
u stellen. Unsere Verbandstage sind Sammelpunkte von Er—⸗ 
ahrungen, aus der unmittelbarsten Praxis von Arbeits⸗ und 
krforschungsergebnissen auf verschiedenen Gebieten. Sie bieten 
em Teilnehnmer micht nur Gelegenheit anregende Vorträge 
ind Beratungen anzuhören, sondern sie gewähren ihm auch die 
Uöglichkeit, persönliche Beziehungen mit Fachgenoshen anderer 
Ztädte jund Länder anzuknüpfen und durch einen Einblick in 
remde Verhältnisse den Gesichtskreis zu erweitern. Sie geben 
zer Hilfsschulidee impulsivo Kraft, sie weden Verständnis und 
kdeilnahme für das schwachbegabte Kind und tragen durch die 
Nacht ihrer Gründe die Hilfsschulbewegung in immer weitere 
kreise. 
Sie können versichert seien, daß Ihre Bestrebungen in 
inserer schulfreundlichen Stadt einen fruchtbaren Boden finden. 
zchon vor 25 Ihren wurde hier die erste Anregung zur Er— 
lichtung e iner Hilfsschule für schwachbegabte Kinder gegeben, 
ie ein schönes Denkmal sozialer Fürforge unserer Stadt ae⸗ 
vorden in. Und vor sechzehn Jahren wurden von Lübeck aus 
um ersten Male die Vertreter der Hilfsschulen Deutschlands z 
iner Nebenversammlung nach Heidelberg im Anschluß an di— 
ort abgehaltene Konferenz für das Idiotenwesen eingeladen. 
Ich brauche darum nicht zu erwähnen, daß wir die Vorberei— 
ungen für den diesjährigen Verbandstag mit großer Freude 
bernonimen haben. Gern benutze ich hierbei die Gelegenheit, 
dem hohen Senate, dem Bürgerausschusße, der Oberschulbehörde 
»er Presse und allen denen, die uns wohlwollend und hilfsbereit 
interstützt haben, den aufrichtigsten Dank auszusprechen. Möge 
auch die diesjiährige Tagung zum inneren und äußeren Ausbau 
der Hilfsschule beitragen, möge sie uns allen frischen Mut und 
neue Begeisterung für unseren mühevollen Beruf geben! Möchten 
ber auch all unsere lieben Gäste freundliche Bilder und schöne 
krinnerungen aus unserer alten Hansestadt mitrehmen in ihre 
zeimat! Lubed ist nicht nur eine Handelsstadt, sondern auch eine 
Bflegestätte der Kunst und Wissenschaft. Hochragende Denk- 
mäler haben wir freilich nicht viel, aber umso reicher ist Lübed 
an Denkmälern o pferfreudigen Bürgersinns; ich meine unsere 
oielen milden Stiftungen mit zum Teil prächtigen Gebäuden 
und großen Kapitalien. 
Hochverehrte Damen und Herren! Draußen in der Natur 
vill es Frühling werden. Die Some steigt höher und höher. 
Neues Leben drängt zum Lichte. Auch auf dem Silfsschulgebiete 
st der Frühling eingezogen, und Sie, die Boten dieses Früh— 
ings, sind zu uns nach dem Norden gekommen. Die Winter⸗ 
tarre liegt hinter uns. Die Sonne der christlichen Liebe hat 
reues Leben geweckt, hat die Herzen erwärmt und uns die Augen 
Jeöffnet für die Armut und Not der schwachbegabten Kinder 
unserer Volksschulen. Möge es bald überall grünen und 
blühen, wachsen und gedeihen zum Segen der schwachbegabten 
stinder, zum Wohle unserer Volksschule und zum Heile des 
Vaterlandes! Mit diesem Wunsche heiße ich Sie noch einmal 
jerzlich willkommen. (Lebhafter Beifall.) 
Es folgte ein von Herrn Chr. Rüsse⸗Lübeck geschriebener 
limmungsvoller, von Herrn Chr. Schroeder meisterlich vor⸗ 
etragener Prolog, worauf Professor C. Stiehls gemütvolle 
romposition „Abendfreden“, unter Herrn Hennings Leitung 
om Lehrergesangverein gesungen, die lange Reihe der mit Be— 
rüßungsansprachen und Musikstücken abwechselnden musika— 
ischen und deklamatorischen Vorträge eröffnete. Aus den 
Zegrüßungsansprachen sei hervorgehoben, daß Herr Rektor 
dähler namens des Berliner Lehrervereins sprach 
ind betonte, daß die Silfsschullehrer stets eingedenk sein und 
leiben möchten, daß sie zu den Volksschullehrern gehörten. 
Sehr richtig! Herr Hauptlehrer Reimpell begrüßte 
en Verbandstag im Namen des Lübecker Lehrervereins 
ind führte u. a. aus, daß Lübeck für seine Hilfsschule erheb⸗ 
iche Opfer bringe; ein Hilfsschulzögling koste dem Staat 135 6960 
nehr pro Jahr, als ein Volksschüler (69 Mujährlich), so daß 
nan wohl im Hinblid darauf, daß ein Silfsschulzögling dem 
Staate später doch nur einen geringen Nutzen leiste, die Frage 
ufwerfen könne, ob die Aufwendung so hoher Mittel berech— 
igt sei, zumal auch die Erhaltung der Schwachen und zum 
Kampfe ums Dasein nicht geeigneten Individuen nicht im 
WVillen der Natur liege. Die Frage sei indessen auf Grund der 
hristlichen Nächstenliebe doch zu bejahen und rechtfertige sich 
iuch durch die infolge der Nichterziehung der Schwachbefähigten 
icherlich unvermeidlichen hohen Kosten der Strafpvollstreckung 
egen solche Individuen, da sie jehr stark zur Kriminalität 
eigten. — Herr Pastor StritterHamburg (Alsterdorfer An⸗ 
alten) begrüßte den Verbandstag als Vertreter des Vereins 
ür Erziehung, Unterricht und Pflege Geistes—⸗ 
chwacher, ein älterer Bruderverein des Verbandes der deut« 
chen Hilfsschulen. Namens des Vereins zur Fürsorge 
ür Schwachsinnige und Epileptische in Oester— 
eich sprach Herr Direktor Schiner, Mitglied des k. k. Be⸗ 
irksschulrates in Wien, welcher besonders hervorhob, daß die 
sterreichischen Schulen für Schwachbefähigte nach deutschem Vor⸗ 
ilde eingerichtet seien. Der Preußische und Berliner 
ektorenverein ließ dem Verbandstage seine Glüdwünsche 
zurch seinen Vorsitzenden Herrn Tr. Leitzke⸗-Berlin aussprechen 
n der Hoffnung, daß der Ausbau des Hilfsschulwesens die 
Zorge um das Wohl der Volksschule nicht beeinträchtigen 
cerde, denn die Zukunft des deutschen Volkes beruhe auf der 
rößtmöglichen Ausbildung des Geistes und des Körpers der 
dormalschüler. Der Lübecker Lehrerinnen-Verein hieß 
en Verbandstag durch Frl. M. Koltze in den Mauern der 
lten, ehrwürdigen Hansestadt Lübeck willkommen, während Herr 
direkto Martin den Verbandstag namens der deuitschen 
?ztammesbrüder in der Haupt- und Residenzstadt Budanpest 
egrüßte und ihm ein freudiges Elsen zurief. Die Schweize⸗ 
ische Konferenz für Erziehung Geistesschwacher 
jatte, wie schon so manches Jahr, wiederum Herrn Sekundar— 
ehrer Auer zum Verbandstage der deutschen Hilfsschulen ent⸗ 
andt, der letzterem für seine Vertretung auf der schweizerischen 
donferenz dankte, den Verbandstag zur Teilnahme an der im 
Mai d. J. in Bern stattfindenden 8. schweizerischen Konferenz 
inlud und dann das deutsche Hilfsschulwesen als in der Welt 
inzig dastehend und vorbildlich pries. Endlich sprach noch 
zerr Stadtschulinspektor Göri als Vertreter der Stadt und 
des Stadtschulrates von Graz in Steiermark, deren drei Ab— 
geordneten Peter Rofsegger nachstehendes Geleitwort mit 
auf den Weg nach Lübech gegeben hat: 
Es weht vom Hochland bis zum Meer 
Ein warmes Brüdergrüßen her, 
Und deutsche Sänger mahnen: 
Es hab' in Freud und Streit und Not 
Ein Lied, ein Schwert und einen Gott 
Das Treuvolk der Germanen. 
Nachdem der Vorsitzende des Verbandes der deutschen Hilfs- 
chulen, Herr Stadtschulrat Dr. Wehrhahn⸗-Hannover für alle 
iebenswürdigen Begrüßungen herzlichst gedankt hatte, nahmen 
die Vorträge aller Art ihren Fortgang. An ihnen beteiligten 
ich der Lehrergesangverein als solcher, sowie Einzelmitglieder 
esselben durch Gesangsvorträge, die Herren L. Bad e⸗Lübed 
nd B. Clasen-Gelsenkirchen mit Deklamationen, sowie die 
erten H. Gieseler und P. Kruse⸗Lübed mit Liedern zut 
Ldaute, bis schließlich die vorgerückte Zeit zur Aufhebung dei 
fröhlichen Tafelrunde nötigte. 
Heute vormittag 9 Uhr begann in der Stadthalle 
die Hauptversammlung, 
velche der Vorsitzende, Herr Schulrat Tr. Wehrhahn, Hannover, 
nit einer kurzen Vegrüßung der Erschienenen eröffnete. Unter 
hnen befanden sich die Herren Senatoren Dr. Eschenburg, 
dulenkamp, Dr. Vermehren und Dr. Kalkbrenner, 
degierungsrat Dr. Lauge, der Wortführer der Bürgerschaft, 
zerr Konsul Dimpker, die Herren Landgerichtspräsident Dr. 
Demler und Landgerichtsdirektor Runde, sowie Vertretet 
es hiesigen Vereins zur Fürsorge für Geistesschwache und 
drüppel u. a. 
Der Gepflogenheit gemäß gab der Vorsitzende sodann zunächn 
einen kurzen Rückblick auf die Entwickeluna des Hilisschaulwesen
	        
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