Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

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2 J F J J I — 9 — 83 14. —— 
Ausgabe A. 
— 
aus den Nachbargebieten. 
Hanleft ad te. 
Samburg, 16. April. Das neue Thaliatheater 
wird einen Flächenraum von 2900 qm einnehmen, während das 
alle Thaliatheater nur einen solchen von 1800 qm hatte. Die 
sauptfront des Gebäudes liegt am Alstertor und ist dem 
etzigen Theater zugekehrt; ihre Länge beträgt 43 m. Die 
heiden Seitenfronten, am Pferdemarkt und an den Raboisen, 
hesißen eine Länge von eiwa 68 w. Das Parkett hat 522 
zach hinten erhöht angeordnete Sitzplätze. Das Orchester wird 
ief angelegt. Die Buhne mißt 300 am. Der Logenrang schließt 
30 Kogenplätze ein. Der erste Rang umfaßt 174 Sistzplätze. 
Der zweite Rang birgt 190 Sitzplätze. Im dritten Rang 
mndlich, der 306 Sitzplätze aufweist, befinden sich der Schnur⸗ 
hoden und die Werkstätten der Tischler, Maler, Schneider. 
Insgesamt wird das neue Thaliatheater 1272 Sitzplätze um— 
sassen; das alte Thaliatheater hat deren nur 1100. 
Der Elbetunnel, jenes gewaltige, mit einem Kosten⸗ 
rufwande von annähernd 11 Mill. Muerrichtete Bauwerk, 
zurch das eine feste Verbindung zwischen den beiden Elbufern 
zeschaffer wird und zu dessen Bau am 22. Juli 1907 auf 
Steinwärder der erste Spatenstich getan worden ist, geht 
mit Riesenschritten seiner Vollendung entgegen. Die beiden 
400 m langen und 6 m hohen Tunnels sind bis auf die 
Asphaltierung der Fahrbahnen und bis auf die Ausführung 
einiger Dekorations- und Beleuchtungsarbeiten fertiggestellt; 
das Gleiche läßt sich auch von den aus Basaltlava aufge— 
rührten imposanten Einfahrtshallen sagen, an deren äußere 
Ausschmückung gegenwärtig die letzte Hand gelegt wird. In 
»en ersten Tagen des kommenden Monats hofft die Bauleitung 
mit der Ausprobierung der sechs gewaltigen eisernen Aufzüge 
beginnen zu können, die sowohl die Passanten als auch Auto— 
mobile und Wagen und Pferde in die Unterwelt befördern 
und auf der anderen Seite sie wieder an das Licht des Tages 
schaffen sollen. Die Eröffnung des Elbetunnels wird voraus—⸗ 
ichtlich in der zweiten Hälfte des Juni erfolgen. 
Hamburg, 16. April. Die Uebergabe des Vor—⸗ 
lesungsgebäudes wird in einem feierlichen Akt Sonn—⸗ 
abend, 13. Mai, vormittags 10 Uhr, im großen Hörsaal des 
Vorlesungsgebäudes erfolgen. 
Todesfall. Nach längerem Leiden verschied Donnerstag 
der langjährige Geistliche an St. Katharinen, Pastor Ludwig 
Klapp im Alier von 75 Jahren. 
Die Prämiierung des 2000. Pfleglings im 
Lippertschen Erholungsheim in Poppenbüttel fand 
in feierlicher Weise statt. Lippert gab in einer herzlichen 
Ansprache seiner Freude Ausdruck über die guten, segensreichen 
Erfolge des von ihm vor 8 Jahren gegründeten Erholungs⸗ 
beims. Der 2000. Pflegling, eine junge, unbemittelte Braut, 
erlelt die Prämie in Gestalt einer gediegenen Wäscheausstat⸗ 
rung. Die übrigen jungen Mädchen empfingen je eine silberne 
Brosche mit Widmung zur Erinnerung an diese Feier. 
Schles wig⸗ Hontein. 
Altona, 16. April. Zum Landgerichtsdirek- 
kor bei dem Landgericht in Altona ist Landgerichtsrat Loh— 
mann⸗Verden ernannt worden. — Selbstmord. In der 
Nacht zum Sonnabend erhängte sich im Toilettenraum des 
Hauptbahnhofes ein etwa 20jähriger junger Mann. Er wurde 
dort von dem sofort herbeigeholten Bahnhofsposten abge— 
chnitten. Wiederbelebungsversuche waren ohne Erfolg. Es 
vurde ein Abschiedsbrief mit der Adresse Robert Bohme, Pott⸗ 
ichappel bei Dresden, bei der Leiche vorgefunden. 
Altona, 16. April. Eine Jakob Peters-Stiftung 
jat die verst. Wwe. Peters, geb. Matthiessen, zu Ehren ihres 
verstorbenen Mannes ins Leben gerufen und der Stadt eine 
jedeutende Summe vermacht mit der Bestimmung, daß die 
zinsen des Stiftungsvermögens jährlich in Portionen von 5600 M 
an in Altona geborene Jungfrauen, welche das 40. Lebensjahr 
iberschritten haben und bedürftig und unbescholten sind, aus— 
uzahlen sind. 
Kiel, 16. April. Ins Wasser gestürzt und er— 
runken. Bei den Uebungen, die das Schulschiff Württem⸗ 
zerg“ gemeinsam mit anderen Kriegsschiffen vornahm, er— 
ignete sich auf hoher See ein schwerer Unfall. Der Boots— 
nannsmaat Friedrich Ohde, der beauftragt war, ein Boot 
jerabzufieren, kippte mit dem Boot in der See zur Seite und 
türzte ins Wasser. Trotzdem sofort Leuchtbojen über 
Bord geworfen wurden und Scheinwerfer die Anfallstelle be— 
euchteten, gelang es nicht, den Verunglückten zu retten. Der Un— 
'all ereignete sich in der Höhe von Fehmarn. — Elek— 
rischer Strom für Treppenbeleuchtung. »Die 
Licht- und Wasserkommission beantragt bei den Stadtkollegien, 
u genehmigen, daß der Preis für Lichtstrom, der ausschließlich 
zur Beleuchtung von Treppenhäusern verwandt wird, bei kosten— 
joser Stellung eines Elektrizitätszählers, 36 Pfg. für die Kilo— 
wattstunde betrage. — Die Erleichterung der däni— 
schen Vieheinfuhr, die die Reichsregierung beschlossen 
hat, wirkt bereits günstig auf die Preisbildung. Nachdem lange 
Zeit ein ununterbrochenes Sieigen der Rinderpreise eingetreten 
war, zeigt sich jetzt der erste Rückgang. In Kiel sind in dieser 
Woche die Preise durchweg um 1 bis 2 Mugefallen. Man darf 
annehmen, daß die Einfuhrerleichterung normale Preise herbei— 
führen wird. 
Rendsburg, 16. April. Zu einer bedeutenden 
SHafenanlage wird nach einem früheren Beschluß des Kreis— 
ages der hiesige Kreishafen am Kaiser-Wilhelm⸗Kanal 
im Süden der Stadt jetzt ausgebaut. Die Erweiterung ver— 
ursacht dem Kreise nur geringe Kosten, da es der Kreis— 
enr gelang, durch rechtzeitige Anknüpfung von Ver— 
v“ — mit der Kanalbaubehörde und durch Gewährung 
entsprechender Aequivalente einen gümtigen Vertrag abzu⸗ 
schließen. 
vi —— 16. April. Ein neuer Rinaldo. 
nduaun aus Giddendorf bemerkte, daß sich in den 
nen beim Chausseehaufe in verdächtiger Weise ein Mann 
aufhielt. Es fanden sich geleerte Bierflaschen und auch Feuer⸗ 
lellen vor. Ein Gendarmeriewachimeister fand dauch einen 
Mann, den Vichler Hoffmann, schlafend im Gehölz vor. Die 
ꝛecht idyllisch eingerichtete Waldwohnung beherbente alledei 
zestohlene Gegenstände, namentlich Nahrungsmittel, und der 
ilsbald festgenommene Hoffmann gestand auch ein, in letzter 
zeit Diebstähle in Kembs, Sütel und Meeschendorf begangen 
u haben. 
fz. Burg d. F. 16. April. Einen Scheibenstand 
vird die Gemeinde Petersdorf derrichten. Die Gründung eines 
Schützenvereins wird beabsichtigt. 
Lauenburg. 
B. Mölln, 16. April. Fr. Holtz sen. f. Der Be— 
ründer der hiesigen weitbekannten Getreide-, Sämerei⸗ und 
ruttermittel-Firma H. F. Holtz, die in Lübeck eine Filiale 
at, ist im 66. Lebensjahre nach einem schaffens⸗, aber 
uch erfolgreichen Leben Donnerstag abend in Montreux 
n einem Herzschlag verschieden. Mit ihm ist ein Bürger 
nserer Stadt dahingegangen, der, mit besonderen kauf— 
nännischen und organisatorischen Fähigkeiten ausgestattet, zu 
en beliebtesten und angesehensten Persönlichkeiten Möllns 
nd des lauenburgischen Ländchens zählte. Aus kleinen An— 
ingen heraus vermochte er es durch rastlose Tätigkeit und 
nausgesetzte, eifrige Entfaltung seines kaufmännischen Könnens, 
ie im Jahre 1869 unter den denkbar schwierigsten Ver— 
ältnissen gegründete Firma zu einer der namhaftesten, ge— 
chtetsten des nordwestlichen Deutschlands emporzuheben. Ihre 
eschäsrnchen Verzweigungen reichen heute weit ins Ausland 
‚inein. Im Jahre 1900 zog sich der nun Verstorbene vom 
Ceschäft zurück, das er seinen beiden Söhnen übergeben hatte. 
ASandesneben, 15. April. Bei der Parzel— 
ierung der Dohrendorfschen Landstelle zu Sierksfelde blieben 
im Söchstgebot Landmann Timm mit 2 Koppeln, groß zirka 
O To., zu 800 M und Maurer Godehus, Lũchow, mit einer 
toppel, groß zirka 4 To., zu 1000 M. Für die Restländereien, 
rka 25 To. groß, und für die Wirtschaftsgebäude, jedoch 
hne Inventar, gab Landmann Tuwe, Groß-Klinkrade, das 
»öchstgebot von 25000 Meab. Sämtlichen Meistbietenden 
ourde der Zuschlag sofort erteilt. Tohrendorf will eine 
Hastwirtschaft mit Pensionat für Sommerfrischler erbauen. 
) Groß-Klinkrade, 15. April. In eine üble 
dage sind die Kunden der hies. Genossenschaftsmeierei ver⸗ 
etzt, indem ihr der Verkauf der Milch gänzlich untersagt ist, 
deil keine genügende Vorrichtung besteht, die Milch vor— 
chriftsmäßig erhitzen zu können. GroßssKlinkrade gehört, weil 
n Sierksnade die Maul- und Klauenseuche herrscht, noch zum 
3perrgebiet. 
Großherzog ümer Medlenbura. 
Schwerin, 15. April. Zur Beteiligung Schwe⸗— 
ins am deutschen Rundflug. Sicherem Vernehmen nach 
at der Großherzog für die Beteiligung Schwerins am groven 
eutschen Rundflug sein Protektorat, sowie ferner die 
ztiftung eines Ehrenpreises in Aussicht gestellt. — Geh. 
Aberbaurat Daniel tritt zum 1. JZuli d. J. in den 
uheslsand. Daniel ist am 16. Jan. 1829 als Sohn eines 
Zürgermeisters in Rehna geboren, steht also bereits im 
3. Lebensjahre. Er ist der Erbauer des hiesigen Hoftheaters, 
»es Regierungsgebäudes, des Schweriner Domturmes, den Graf 
Arthur v. Bernstorff-Wedendorf stiftete; er baute den Rastz e⸗ 
rurger Dom und die Pfarrkirche in Güstrow durch; zahl— 
eiche Kirchen- und Schloßbauten in beiden Mecklenburg stammen 
ron seiner Hand. — Todesfall. Nach langem, schwerem 
leiden ist Dienstag in Hersfeld Gessen) im 53. Lebensjahre 
Major z. D. Hans Freiherr v. Stenglin, Kommandeur des 
andwehrbezirks Hersfeld, gestorben. Lange Jahre hat der 
zerewigte in unserer Stadt gewohnt, denn 26 Jahre gehörte 
r dem Gren.Regt. Nr. 89 an. Er trat am 15. April 1878 
n das Regiment ein, wurde 1893 zum Hauptmann befsördert 
ind zum Kommandeur der 4. Kompagnie des Gren.Regts. er⸗ 
sannt, die er bis zum 15. Sept. 1904 führte. An diesem 
Tage erhielt der Verstorbene seine Beförderung zum Major 
ind wurde als aggregiert zum —— — 71 versetzt. 
907 wurde Frhr. v. Stenglin zum Bataillsütkommandeur im 
inf.«„Regt. Nr. 82 ernannt, 1910 in Genehmigung seines Ab—⸗ 
chiedsgesuches zur Disposition gestellt und zum Kommandeur 
»es Landwehrbezirks Hersfeld ernannt. — Reiches 
—zchnepfenjahr. Der Großherzog erlegte an einem 
dage mit fünf geladenen Gästen 45 Schnepfen. — Voll— 
sändig umgeweht ist bei dem orkanartigen Sturm am 
Nittwoch auf dem Ausstellungsplatz ein von einer Rostocker 
jirma errichtetes Ausstellungsgebäude. Menschen sind dabei 
licht verletzt. 
Wismar, 16. April. Eine zweite Vogelfreistätte 
in der meclenburgischen Küste soll auf der Insel 
Boel, wo bereits im Vorjahre die kleine Insel des langen 
Verders zu einer Schutzstätte für Wassergeflügel eingerichtet 
zurde, errichtet werden. Die Besitzer des zwischen den Ort⸗ 
chaften Wangern und Weitendorf gelegenen faulen Sees haben 
em Verein Jordsand die henachbarten Niederungen zwecks 
krrichtung einer neuen Vogelfreistätte überwiesen. Mit dem 
cchutß der Brutplätze und der Aufsicht des Geländes soll ein 
Zogelwart betraut werden. Ferner ist zwischen den Jagd⸗ 
erechtigten und dem Vertreter des Vereins Jordsand verein⸗ 
art worden, daß auf fünf Jahre hinaus die Vogelarten, 
iie besonders gefährdet sind, wie Seeschwalben, Sturm⸗ 
növen usw., Kiebitze, Regenpfeifer, Säger und Austernfischer, 
jeschont werden sollen. Außzerdem haben noch die Jagd- 
erechtigten des Geländes zu beiden Seiten des sogenannten 
zreitlings dem Verein Jordsand ihr Gebiet zur Verfügung ge— 
tellt. Auch dort ist die Anstellung eines Vogelwärters 
rwünscht. 
Kröpelin, 16. April. Gutsverkauf. Das Allodial- 
Rittergut Horst ging durch Verkauf des jetzigen Besitzers Homann 
in Gebr. Fischer⸗Charlottenfelde bei Neukloster und Hof Stein⸗ 
eld bei Broderstorf über. 
Der Osterhase. 
kine humoristische Ostergeschichte von Abolf Dhiele. 
Der Himmel war mit einfarbigem, düsterem Grau bededt, 
in feuchter Wind strich von Westen daher und brachte einen 
einen, durchdringenden Regen mit sich 
Das war kein Osterwetter! oer ν 
Der Reiter, der die Landstrahe entlang ritt, ꝛog ben 
Mantel dicht um sich und machte kein fsrohliches Gesicht. 
SVvXà. 
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So ritt er nun durch die Felder dahin, deren offene Furchen 
auf die Sommersaat warketen. Endlich erreichte er sein Ziel, 
in stattliches Dorf, wo ihn die Bewohner höflich grüßten, 
ind ritt in den Hof des größten Gutes ein. Gewandt sprang 
der kräftige, schlanke Mann vom Pferde, übergab es einem 
herbeieilenden Knecht und fragte freundlich: „Wo ist denn der 
Inkel ? 
„Serr Kunze ist im Bause,“ sagte der Knecht im herzlichen 
Tone, und auch die übrigen Leute, denen der junge Mann im 
Zzause begegnete, erwiderten ebenso zutunlich seinen Gruß. 
Im Bausflur des staatlichen Gutsgebäudes kamen Herr 
ind Frau Kunze dem Neffen entigegen und empfingen ihn 
nit liebevollen Blicken und warmem Händedruck. Nun führten 
ie ihn in die „gute Stube“, wie sie das größte, mit altväteri⸗ 
chen, gediegenen Mobeln ausgestaltete Zimmer nannten, und 
jier wurde Vetter Franz von den anderen Ostergästen be— 
rühßt, einigen Stadtbewohnern, unter ihnen einem Rittmeister 
a. D., und dem verheirateten Sohne des Onkels Kunze mit seiner 
XE 
Das offene, männliche Gesicht des Neffen drückte einige 
Verlegenheit aus, als er so plötzlich der Mittelpunkt der Auf- 
nerksamkeit wurde. 
„Kannst gleich mit Kaffee trinken!“ rief Onkel Kunze 
ovial, und nun begann ein Gespräch über allerlei Familiäres 
und Landwirtschaftliches. 
Ploötzlich tat sich die Tür auf, und Frau Gutsbesitzer Klee— 
nann, eine stattliche Dame, trat herein, begleitet von ihrer 
Tochter, einem hübschen, munteren Mädchen, ebenfalls Fest— 
zäste des Onkels. Mit gesellschaftlicher Gewandtheit erwiderten 
ie die Begrüßung der Anwesenden. 
Vetter Franz, der gerade ein Stück Kuchen angebissen 
atte, sprang empor und stieß dabei in der Hast seine Tasse 
im. Zu seinem Malheur, bemetkte er, daß das junge Mädchen 
den Mund zu einem Lächeln verzog, und dadurch wuchs seine 
Perlegenheit. Er errötete, und als er in den Blicken der An—⸗ 
vesenden eine nur mühsam verhohlene Heiterkeit bemerkte, 
burde er völlig verwirrt. Onkel Kunze machte ein ganz 
edenkliches Gesicht, die Damen halfen jedoch dem Vetter 
reundlich über die Verlegenheit hinweg, so daß alles wieder 
ns Geleise kam. 
Man trat gemeinsam den Kirchgang an und gab sich später 
dem gemütlichen Verkehr hin, wie er sich an Festtagen unter 
zastlichen Wirten und fröhlichen Gästen abspinnt. 
„Na, nun mache dich aber baid heran!“ ermahnte Onkel 
Zunze seinen Neffen, und dieser erwiderte: „Ja, Onkel, aber 
ich muß erst sehen, ob es sich trifft!“ 
Nun, die Anwesenden wußten es so einzurichten, dak es 
ich traf: Franz und seine Cousine im dritten Grade, die lieb— 
iche Selma, sahen sich gegen Abend plötzlich allein, nachdem 
zie anderen Gäste allmählich wie auf Kommando verschwunden 
varen. Da saßen sie nun, die beiden, die eigene Neigung und 
er Wunsch der Verwandten füreinander bestimmt hatte, und 
rußten nicht, was sie sagen sollten. Auch Selma war durch 
»as Verschwinden der anderen überrascht worden und fand 
u ihrer eigenen Verwunderung keine Worte; der aber, der 
iese Worte finden sollte, saß wenige Schritte davon in töd— 
icher Verlegenheit. Alles zog noch einmal an seinem Geiste 
orüber: wie er Selma, deren Heimatsgut mehrere Meilen 
on dem seines Vaters entfernt war, auf den von den Guts— 
zesitzern der Gegend veranstalteten Vällen kennen »elernt hatte, 
vie er in das ungezwungen plaudernde hübsche Mdchen gleich 
im ersten Tage verliebt war, wie er in seiner Schachternheit ihr 
aum wieder zu nahen gewagt hatte und doch, durch ihr 
reundliches Wesen unterstützt, immer wieder zu ihr hingezogen 
vurde und wie er schon recht hübsch mit ihr geplaudert 
zatte. — Aber nun war dies alles entschwunden, er hätte 
run und nimmer gewagt, ein entscheidendes Wort mit ihr zu 
prechen. 
Ihr beiderseitiges Schweigen machte die beiden jungen 
deute noch verlegener. Endlich begann er in höchster Not: 
„Das ist wirklich kein Osterwetter, der Regen will gar nicht 
ufhören.“ 
Da fiel ihm ein, daß eigentlich das Wetter in dieser 
Situation der unpassendste Gesprächsstoff sei, und dieser Ge— 
anke ließ ihn verstummen. 
Auch Selma schwieg beharrlich, ihre Verlegenheit wich mehr 
ind mehr dem Zorn über die seinige. Sie konnte doch nicht 
»as entscheidende Wort sprechen, das mußte doch der Mann 
un! Mber Franz wäre am liebsten davon gewesen, er 
rünschte sich, auf einem Pferde weit, weit durch die Felder 
ujagen, aber er sagte sich, es sei seine Pflicht, hier auszu⸗ 
alten, und mit seiner Pflicht nahm er es stets ernst. 
Selma aber wurde ungeduldig, und als der schüchterne 
Freier keine Miene machte, sich zu erklären. erhob sie sich. 
Jetzt fand er auf einmal Worte, aber nun war es zu 
pät, und ehe sich's der Vetter versah, war sie zur Tür 
hinaus. 
Franz machte sich die lebhaftesten Vorwürfe, aber dies 
var nun auch zu spät. Sein Onkel, der ihm auf dem vofe 
zegegnete, warf ihm einen ernsten Blick zu. Dies ärgerte den 
ungen Mann, und er zeigte sich abends, als alle im großen 
Zimmer saßen, von einer anderen Seite, er redete und scherzte 
nit einer gewissen Unbefangenheit; es entging ihm dabei jedoch 
ucht, daß dies Benehmen Frau Kleemann und auch sein holdes 
Bäschen zu verstimmen schien. Beide zogen sich denn auch bald 
zurlickk, während Franz, dem im Innern gar weh zu Mute 
war, sich mit den übrigen Gästen beim Wein lustig unterhielt, 
bis er dann endlich mit dem Rittmeister a. D., mit dem er 
ein Gastzimmer teilte, auch die Ruhe suchte. 
Am nãchsten Morgen, der wie der erste Feiertag düster und 
zrau daherkam, erhoben sich die beiden Junggesellen erst spät. 
Sie frühstückten allein im Zimmer, und als der junge Manr 
indlich hinunterging, rief ihn der Onkel in sein Zimmer. 
Hõre mal, Franz.“ sagte er ernst, „du hast gestern schlecht 
ibaejchnitten. Alle hatten wir erwartet, daß du dich erklären 
wurdejt, und mun sitzt du da wie ein Oelgötze und tust den 
Mund nicht auf. Hast doch sonst Courage, mit den wildester 
Pferden wirst du fertig, hast einen aus dem Wasser gerettet 
aibeyr gestern bast du dich nicht richtig benommen““
	        
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