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Beilagen: Vaterstädtische Blätter. — Der Familienfreund.
Amtsblatt der freien und Hansestadt Lübed
heiblatt: Gefetz· und Verordnungsblatt Vexe
pOOSSGOC(ι ασο
61. Nachrichten für das Herzogtum Tauenburg, die
au Fürstentümer Ratzeburg, Lübeck und das angren⸗
αια Jende medlenburgische und holsteinische Gebiet.
Orud und Verlag: Sebrüder Borch ers G. m. b. S. in Lübed. — Seschãrisstelle Adret haus (Koniasir. 46). Ferniprecher 060 u. 9001
Ausgabe CGGroße Ansgabe) Donnerstag, den 15. April 191. Morgen⸗Blatt Nr. 189.
Erstes Blatt. Hierzu
Umfana der heutigen Num
besitzt dazu alle Vorbedingungen: Sachkenntnis, Beherrschung
der politischen Verhältnisse, Ehrgeiz und Ausdauer; dazu
kommt als in Frankreich kaum zu überschätzendes Moment
eine große Volkstümlichkeit. Die französische Flotte, es ist
vahr, hat durch jahrelange Mißwirtschaft starke Einbußen er—
itten, aber in Deutschland sollte man sich hüten, sie als quan-
ité négligeable anzusehen, und insbesondere zu glauben, es
verde unter keinen Umständen besser werden. Das kann schnell
genug kommen!
Daß Deutschland für das nächste Etatsjahr übrigens im
Vergleich zu den anderen Seemächten sehr bescheiden in seiner
Mehrforderung gewesen ist, das möge zeigen folgende
Uebersicht über die Marine-Etais der größeren Seemächte
für das Jahr 1911/12
1910/11 1911/12 e
weniger
Millionen Mark
ßroßbritannien.. 8838,3 905, 6 4* 773
hereinigte Staaten v. Amerika 551,7 531.2 - 205
Deutschland.... 433.,9 450,2 4186,3
rankreich 3005 3298 429,3
ihiand . . . . 143 2388 15*
zapan. 1358,3 180,8 * 2*
Inen 139,9 1539 2.
esterreich Ungarn.... 72,1 1048 —838
Aus ihr geht deutlich hervor, daß abgesehen von Amerika,
welches 20,6 Mill. Muweniger in den Etat eingestellt hat als
m vorigen Jahre, Deutschland mit 16,3 Mill. Mmehr am
venigsten verlangt hat. Das ist um so bemerlenswerter, als
kngland, sogar 77,3 Mill. Meund Frankreich 29,3 Mill. M
mehr als 1010/11 aufwenden wollen.
—
fähig gewesen wäre, wie sie es gegen Schluß war, der Krieg
früher und für die Russen wohl auch erfolgreich hätte be—
endet werden können.... Es kommt also auch jetzt für
Rußland nicht sowohl darauf an, an der fernen Grenze
biele Armeekorps zu unterhalten, als vielmehr im Bedarfs—
falle über den asiatischen Kontinent schnell Armeen hinüber—⸗
führen zu können. Vor dieser Aufgabe müssen alle weiteren
Fragen, auch die des Festunasbaues in zweite Linie
treten.“
In Frankreich, wo bisher die „Entblößung“ der
cussisch-deutschen Grenze so lebhafte Beunruhigung hervorge—
cufen hat, verdient nach allem jetzt diese Maßnahme immer
mehr als das Ergebnis einer nüchternen, russischen Interessen—
politil gewürdigt zu werden.
Ronferenz zur Vorbereitung der neuen Handels—
verträge.
Der Handelsvertragsverein schreibt: Die Vorberei—
kung handelspolitischer Maßnahmen ist bisher un—
milänglich und wenig zwechmäßig gewesen. Die isolierte Samm-
ung und Bearbeitung des Materials durch die zahlreichen
wirtschaftlichen Körperschaften — Handelskammern, Branchen—
bereine, Zentralverbände usw. — hat dazu geführt, daß die
Behörden mit einer Ueberfülle von Eingaben und Anträgen
überschüttet wurden. Ueberdies mußte diese vielfache Doppel⸗
arbeit naturgemäß ungleichmäßige und zum Teil sich wider—
prechende Ergebnisse zeitigen. Um diese Uebelstände nach Mög—
lichkeit zu beseitigen, hat der Handelsvertragsverein eine Aktion
in die Wege geleitet, welche hoffentlich eine Plaänmäßigere
und rat ionellere Gestaltung der Vorberei—
tungsarbeit für die künftigen Handelsverträge sichern wird,
ohne die Autonomie der einzelnen Korporationen oder die Frei—
zeit ihrer handelspolitischen Haltung irgendwie zu beeinträch—
tigen. Der Handelsvertragsverein hat an eine große Anzahl
wirtschaftlicher Körperschaften ein Rundschreiben geschickt, in
welchem er bei den interessierten Korporationen schließlich fol—
gende Anfragen stellt:
1. ob die Vereinigung grundsätzlich bereit sein würde, sich
an einer solchen Besprechung durch einen oder mehrere
Dlelegierte zu beteiligen,
ob deren Anberaumung auf Ende April in Berlin
passen würde,
ob ihr die nachstehende Gliederung des Materials
für die Verhandlungen zweckmäßig erscheint: a) Die
neuen produktionsstatistischen Erhebungen, b) Die No—
velle zum deutschen Zolltarif, ce) Vorbereitung ver
neuen Handelsverträge,
ob und welche anderen Vorschläge sie zu Einzelheiten
Anregung oder zu dieser selbst etwa zu machen
at.
Diese Anregung hat lebhaft Zustimmung gefunden. Zahl—⸗
reiche Verbände haben bereits eihre Teilnahme an der vorge—
schlagenen Konferenz zugesichert, sodaß deren Zustandekommen
als gesichert gelten kann. An die Lübecker Handels—
kammer ist bisher eine Einladung des Handelsvertragsvereins
nicht ergangen.
nichtamtlicher Ceil.
—öXL
Flottenausbau.
(Nach Mitteilungen des Deutschen Flottenvereins bearbeitet.)
0 Lübed, 13. April.
Der jetzige französische Marineminister Delcassé steht völlig
auf dem Boden seines Vorgängers, Admirals Bous de
Lapeyrdre. In einer Rede, die er neulich im Senate hielt,
kam der folgende Passus vor: „Die Marine — bedeutet
die Flotte. Sie muß man also so gut wie mög—⸗
lich, soschnell wie möglich und so billig wie mög—
lich bauen.“ Delcassés betonte besonders auch den richtigen
Gedanken, daß man die Leistungsfähigkeit der
Staatswerften so sehr wie möglich, auch hinsichtlich der
Ausführung von großen Neubauten erhöhen müsse, damit
die Regierung so in der Lage sei, die Preisbildung den Privat—
werften nicht überlassen zu brauchen. Diesen, bisher in Frank⸗—
reich besonders vernachlässigten Grundsatz, hat
man in Deutschland seit länger als einem Jahrzehnt befolgt
und gute Wirkungen mit ihm erzielt. Es ist also sicher anzu—
nehmen, daß die deutsche Marineverwaltung hier
wieder einmal der französischen als Muster gedient hat.
Zwei große Schlachtschiffe sind es, wie bereits vor kurzem
bekannt gegeben wurde, die der Minister gefordert hat und für
welche die Deputiertenkammer und der Senat die Kredite an—
standslos bewilligt haben. Dieses Tempo entspricht der Bau—
verteilung, wie sie der im vorigen Jahr von Bous de
Lapeyrère eingebrachte Entwurf eines langfristigen Flotten—
gesetzes vorsieht. Auffallenderweise ist dieses Flottengesetz
noch mimer nicht zur Bewilligung gelangt, obgleich die gesamte
maßgebende Presse förmlich danach schreit, und die Majorität
der Kammern sich wahrscheinlich auch nicht ablehnend verhalten
würde.
Trotz der außerordentlichen und aus der Verfassung
wie den obwaltenden Verhältnissen beruhenden Abneigung der
französischen Kammern, sich selbst und ihre Nachfolgerinnen
ruf Jahre hinaus budgetär zu binden, ist der Eindruck des
Rückganges der Flotte doch groß genug gewesen, um in einer
gesetzlichen Festlegung der Zukunft der französischen Flotte die
rinzige Möglichkeit einer Heilung und eines Fortschrittes erkennen
zu lassen. Delcassé rechnet in seinen Reden bereits mit einer
solchen Heilung, als ob sie schon von den Kammern sanktio—
niert wäre, und er ist bestrebt, seinen Landsleuten die Hoffnungs⸗
losigkeit auszutreiben, die vielfach hinsichtlich der Flotte vor⸗
handen ist. Er rechnet daher den Franzosen vor, daß im Jahre
1920 Frankreich 22 Dreadnoughts haben werde, und Deutsch—
sand ebensoviele. Freilich werde man zum gleichen Zeitpunkte
an Panzerkreuzern, besonders qualitativ, erheblich hinter Deutsch⸗
land zurüchstehen, aber auf keinen Fall sei der mindeste Grund
sum Verzagen vorhanden.
Es ist kaum zu bezweifeln, daß Delcassé, wenn er lange
zjenug am Ruder bleibt, mächtig vorwärts treiben wird. Er
—5*
Rußlands Aufgaben im fernen Often.
Im demnächst erscheinenden Heft 156 der Grenzboten
vird eine Abhandlung veröffentlicht, die für deutsche Leser
deshalb von besonderem Interesse ist, weil darin die viel erörterte
Verlegung russischer Truppen aus Polen nach
dem Innern des Reiches mit den Bedürfnissen der asiatischen
Politik Rußlands gerechtfertigt wird. Hierüber führt Bolcho—
vitinoff, der Verfasser, an einer Stelle etwa folgendes aus.
„Rußland ist in seiner heutigen Finanzlage nicht imstande,
an allen seinen Grenzen die zu ihrer Verteidigung notwendige
Truppenmacht zu unterhalten; daher wird es im Falle kriege
rischer Vexwicklung nötig, Streitkräfte aus dem Zen—
trum des Reiches an die bedrohten Grenzen
u werfen, und das kann nur geschehen mit ordentlich ausge—
auten, ausgestatteten und verteidigten Verkehrswegen. Man
vird in der Annahme nicht fehlgehen, daß die im Laufe des
»origen Jahres erfolgte Verlegung von Truppen
rus dem Westen nach Mittelrußland mit dieser
vrkenntnis in innigem Zusammenhange steht. Bei der Bei—
egung des drohenden Konfliktes mit China
n diesen Tagen hat diese Verlegung zum
»rsten mal ihre Früchte getragen, denn es ist kein
Zweifel, daß jetzt die Ergänzung der an der chinesischen Grenze
tehenden Truppenmassen durch die Armeekorps an der Wolga
oiel leichter zu bewirken gewesen wäre, als etwa der Auf—
marsch im vorigen Kriege. Es ist auch kein Zweifel, daß.
wenn die sibirische Bahn zu Anfang des Krieges so leistungs—
Cheater, Kunst und Wissenschaft.
Musikpädagogischer Kongreß. Unter zahlreicher Beteili—
rung von Musiklehrern und ⸗lehrerinnen, ausübenden Künst—
iern, Konservatoriumsinhabern und anderen interessierten Per—
önlichleiten begannen im Reichstagsgebäude die Verhandlungen
des fünften Musikpädagogischen Kongresses in Berlin. Hans
Schaub Cerlin) sprach über „Die soziale Lage der
deutschen Musiklehrenden“. Der Redner ging, nach
dem B. L.⸗A. davon aus, daß es unbedingt notwend'g sei, die
oziale Lage der Musiklehrenden auf ein höheres Niveau zu
hringen. Die Musiklehrenden würden in ihrer Stellung nicht
o gewürdigt, wie sie es verdienten. Man müsse allerdings
bedenken, daß nicht Wollen und Streben, sondern Können
und Vollbringen ausschlaggebend seien. Eine Ueberproduktion
ei überdies an der gegenwärtigen Lage der Musiklehrenden
ichuld. Durch das Ueberangebot von Kräften schaffe man ein
Unterangebot von Gonoraren. Es sei eine Schande, daß für
Privatstunden in Musik Preise gezahlt würden, die jeder Tage⸗
löhner ablehnen würde. Vor allem aber sei die Schmutz⸗
und Schwindelkonkurrenz an der geringen Bewertung der Mu⸗
sillehrenden schuld. Die schamlofesten Inltitute seien hier die
sogenannten Musikhäuser, die Instrumente verkaufen und dafür
gratis Unterricht erteilen. Viel Unfug werde auch mit den
Titeln Konservatorium“ und „akademisch gebildet“ getrieben.
bier kann nur eines helfen, nämlich der vom Verband gefor—⸗
derte Befähigungsnachweis zur Eröffnung eines Kon⸗
servatoriums. Dann wird gegen solche Schwindelinstitute auch
mit strafrechtlichn Mitteln wegen unlauteren Wettbewerbes
und Vetruges vorgegangen werden. Der Redner wendet sich
ierner gegen die Konkurrenz der Volksschullehrer. Zum Schluß
zeht Redner auf die Lustbarkeitssteuer ein, die er als
ain. Altento⸗ꝰ muiss die Kultur bezeichnet. Sie lei die kunstfeind⸗
7
ichste Steuer, die man sich denken könne. Es habe Zeiten
egeben, wo eine solche Steuer gesetzlich nicht erlaubt gewesen
däre. Jetzt aber werde sie von vielen Städten eingeführt,
neist nur auf Konkurrenzneid auf benachbarte Ortschaften,
in die direkten Steuern nicht erhöhen zu müssen. Der Redner
chließft mit einem Appell an die Oeffentlichkeit, die
Bestrebungen des Musifpäbdaoodgischen Verbandes zu unter—
tützen.
Pater Expeditus gegen Schönherr. Im Berliner Archi—⸗
eltenhaus sprach, wie bereits telegraphisch gemeldet,
ver Franziskanerpater Dr. Expeditus Schmidt, der
uuch in SGamburg durch seine literarhistorischen
Zorträge bekannt geworden ist, über Schönherrs Drama
Glaube und Heimat“. Er wandte sich sehr scharf gegen das
„tück, wie das Berliner Tageblatt berichtet. Er glaubte zuerst
onstatieren zu müssen, daß dieses Drama einen Erfolg ge—
unden, wie er sonst nur Operetten beschieden sei. Die erfolg—
eichsten Stücke seien nicht immer die künstlerisch besten, und
„Glaube und Heimat“ habe vor allem den fragwürdigen Vor⸗
sug der Sensation. Pater Expeditus schließt sich der „Ver⸗
simmelung“ des Werkes nicht an; wohl trage das Stück die
kigenheiten bodenständiger Kunst, aber es nenne sich zu Unrecht
‚die Tragödie eines Volkes“, denn es schlage den Theater⸗
ffekten zuliebe der historischen Wahrheit ins Gesicht. Man
abe gesagt, Schönherr sei der deutsche Dichter, auf den wir
jewartet; er, Pater Expeditus, sehe in Schönherr diesen deut—⸗
ichen Dichter nicht. Im weiteren Verlauf seines Vortrages kri—
tisierte der Pater die geschichtliche Auffassung Schönherrs und
nennt „Glaube und Seimat“ ein effektvolles Bauernstück. Er
erliest dann noch ein Schreiben der katholischen Schriftstellerin
zZaronin Enrika v. Handel⸗Mazetti, die behauptet, Schönherr
sabe sehr viel aus ihren Büchern entlehnt. Eine Behauptung,
ie übrigens auch schon Lion Feuchtwanger in der Zeitschrift
i
Die Schaubühne aufgestellt hat. Immerhin meint Pater Ex—
peditus, auf Karl Schönherr passe Nietzsches Ausspruch von den
Schülern, die Schüler bleiben. Schließlich drückt er den Wunsch
aus, Schönherr, der ein entschieden bodenständiges Talent sei,
möge sich durch den künstlich gemachten Erfolg von „Glaube
und Heimat“ nicht verleiten lassen, sondern in ernster künst⸗
lerischer Selbstzucht höher hinauf streben.
Im Kölner Stadttheater finden im Juni Festspiele im
größten Stile statt. Zur Aufführung gelangen „Tristan
und Isolde“, „Der Rosenkavalier“, „Carmen“ und
„Die Fledermaus“.
Daͤe diesjährige Delegierten-Versammlung des Allgeme nen
Deutfchen Musikerverbandes ist für die Tage vom 18. bis
22. Juli nach Zittau in Sachsen einberufen worden.
sᷣleichzeitig wird dort am Tage vorher die Delegierten⸗
versammlung der Deutschen Pensfionstkasse für Mu—
siker abgehalten werden. Diese Kaslse hat in den ersten
drei Monaten dieses Jahres zulammen 22 168 M Penhlionen
ausgezahlt.
„Nichard D.“ im Zirlus Busch. Die Erstaufführung von
Richard UI.“ im Zirkus Busch mit Ferdinand Bonn, Adele
Zandrock, Ludwig Hartau, Richard Hahn und anderen nam⸗
jaften Kräften Berliner Bühnen sowie Fräulein Liesbeth
Steckelberg vom Theater in der Josefltadt in Wien, findet
Sonnabend, den 15. April, statt.
Ein Schutzlled gegen Radiumstrahlen. Der Pariser Arzt
Baul Aubourg, Chefarzt des Hospitals Boncicaut, hat ein voll⸗
tändiges Kostüm für Aerzte, die sich vorzugsweise mit der
Radiotherapie beschäftigen, angefertigt. Kautschukt, Blei und
Wismut finden bei dem eigenartigen Dominogewande, das dern
Urzt anzieht, zweddienliche Verwendung