Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

In allen anderen Landesteilen seien große Fortschritte in 
n Eisenbahnverbindungen zu verzeichnen. Nur auf Lu beds 
Vunsche sei die preußische Staatsbahn nicht ein⸗ 
Jegangen. In der Oeffentlichleit werde oft erwähnt, daß 
jerin System liege. Er trete zwar dieser Meinung nicht bei, 
aube aber doch hierauf hinweisen zu sollen. Der Herr 
fisenbahndirektionspräsident Franke trat der Meinung, daß 
ieVerlehreintereslen anderer Bundesstaaten von der preußi⸗ 
chen Staatsbahn zurücgelsetzt werden, entgegen. Er freue 
ch dab der Vertreter der Lübed er Sandelskammer fest⸗ 
zesiellt habe, daß er diese Meinung nicht teile. Jeder, der 
ie Verbesserungen im Fahrplan aufmerksam verfolge, müsse 
nerkennen, daß die preubische Staatsbahn lediglich durch 
Ferkehrsrüdsichten sich bei der Aufstellung der Fahr⸗ 
Fane leiten lasse, und daß gerade in diesem Jahre ganz be— 
onders große Aufwendungen 3. B. für die Verbesserung 
der Verbindungen nach und von Hamburg gemacht worden 
seien. Trotzdem seien auch unlängst in einer Sitzung der Ham⸗ 
zurger Bürgerschaft dieselben Vorwürfe gegen die preu⸗ 
zische Staatsbahn erhoben worden. Er stelle ausdrück— 
si fest, daß jede Vernachlassigung nichtpreu— 
zischer Verkehrsinteressen der preußilschen 
Staatseisenbahnverwaltung vollständig fern⸗ 
ege. Herr Eisenbahndirektor Fülscher fügte diesen Aus— 
führungen hinzu, daß in diesem Jahre neue Zuge auf der 
Strede Buchen-Lüneburs nicht hätten eingelegt 
Derden können, weil der Verkehr auf dieser Strede recht ge⸗ 
ing sei, und auf anderen Strecken mit weniger Zügen und 
rößerem Verkehr weit dringendere Wuünsche hätten erfüllt 
derden müssen. Es würden aber die Forderungen 
Ldubecks im Auge behalten und die Verbindungen ver— 
zessert werden, sobald die gewuünschten neuen Züge sich 
virtschaftlich rechtfertigen liehßen, und dringendere Wünsche 
richt zurückgestellt zu werden brauchten. 
v Ver tretung. Für die Dauer der Abwesenheit des Herrn 
ßurgermeisters Eschenburg hat einer amtlichen Be— 
anntmachung zufolge Herr Senator Dr. Eschenburg 
»en Vorsitz im Senate, Herr Senator Dr. Fehling 
den Vorsitz im Finanzdepartement übernommen. 
Dae 12. Plenarversanmlung des deutschen Veterinär⸗ 
zates, an der von Lübeck HSerr Staatstierarzt Dr. 
Fenner teilnahm, fand Mittwoch und Donnerstag in 
damburg statt. Vertreten waren auch das Reichsgesundheits⸗ 
amt, die Tierärztliche Hochschule in Berlin, Senat und 
ßürgerschaft von Hamburg u. a. Der wesentlichste Gegen⸗ 
sttand der Verhandlungen war die Frage des Privat—⸗ 
dozententums und des Professorenersatzes. Nach Vorirägen 
don Prof. Dr. Schmaltz-⸗Berlin. Hofrat Prof. Dr. v. Vaerst⸗ 
München und Prof. Dr. Richter-Dresden einigte man sich 
ruf folgende Grundsätze: 1. Das Privatdozententum gehört 
u dem Wesen einer Hochschule und ist in der Beachtung 
der Bedürfnisfrage auch für die tierärztlichen Hochschulen 
u fordern. 2. Das Privatdozententum ist geeignet den 
Unterricht an den tierärztlichen Hochschulen zu amen 
ind die Schwierigkeit des Professorenersatzes zu mindern 
Gesonders wanshenswert ist die Hahilitanon“ der Soch 
schulaffistenten. 3. Daneben empfiehlt sich, um Narun 
doꝛenten zu erziehen und die dringend notwendige —* 
taͤrkung der Lehrkräfte und Unterrichtserfolge zu schaffen, 
die Fortentwicklung der ersten Assistentenstellen zur —— 
ẽͤrhaltung bewährter junger Männer in diesen. 4. Bei 3 
etzung der Professuren für die nicht na turwissenschaftlih 
Fãcher an den tierärztlichen Hochschulen ist gn * 
ierãrztliche Approbation zu fordern. — Sodann beschäfti ie 
man sich nrit der Nachprüfung der Bongertschen uee 
Interfuchungen. Der Berichterstatter Obertierarzt Bonge 
Berlin teilte mit, daß nach seinen Untersuchungen 30 
lenderungen in der Art der Beurteilung des —* 
—DV —— 
zon Berlin habe bei der Wichtigkeit der wirtschaftlich 
Bedeutung dieser Untersuchungen beantragt, eine —* 
Nachprüfung der gesetzlichen Bestimmungen der —— 
eeren ———— J Nieberle-Hamburg —* * 
asselbe gebn estge F — t 
aereen —* allein esee ie * 9 
ntersuchungen anzustellen. Geheimrat Dr. 
ANtertag vom Reichsgesundheitsa ilte 
33 das Gefundheitsamt schon mhhe rdem en 
ätte. Die Alntersuchunas⸗raohnisse der fierärtlichen Ge— 
ufe zute ie si J 
yr i ihdie sich nach der Liszt-Rhapsodie so steigerten, 
— —————— e r n Dee 
— In aber i 
vdret durch seine eminenten — den aller 
ah, den letzten Teil der Rhapsodie zu ——— werenlaßt 
Meua Fybe ——— Musik⸗ 
oll, wie wir hören, in nächster Woche stattfinden. 
* 
— 
Die arktische Zeppelin⸗Expedition. Unter dem Titel Mit 
Zeppelin nach Spitzbergen“ ist im Verlage von 
Bong & Co., Berlin, der Bericht der Studienreise 
»er arktischen Zeppelin⸗Expedition von Geh.-⸗Rat Professor 
Miethe und Geh.Rat Prof. Dr. Hergesell erschienen. 
brinz Seinrich, der die Expedition mitmachte, hat hierzu 
in Vorwort geschrieben, in dem es u. a. heißt: In wie großer 
Naͤhe oder in wie weiter Ferne die Verwirklichung des Ge— 
danlens der Erforschung der arktischen Region mit Hilfe von 
Luftschiffen liegt, wird wesentlich abhängig sein von dem Maßße 
der Entwicklung dieser Fahrzeuge zu Dauerleistungen mit großen 
Aktionsradien und von der Unabhängigkeit don technischen Hilfs⸗ 
nitteln. Sind diese Bedingungen erfullt, so dürfte der Aus⸗ 
ührbarkeit einer arktischen Forschungsreife mit Luftfahrzeugen 
—“ystem Zeppelin nichts im Wege stehen. Sofern siaatliche 
Mittel fur ein solches Unternehmen nicht flüssig sein sollten, 
ware zu hoffen, daß opferfreubige Manner sich in Zukunft 
inden, die bereit lind, eine Kulturaufgabe lösen zu helfen, 
die des deutschen Namens würdig ist. 
Ruͤnstlernachrichten. Karl Scheidemantel scheidet im 
Jun' von der Dresdner Hofoper, der er fünfundzwanzig Jahre 
ingehörte, und wird Gesanglehrer in Weimar, seiner Geburts⸗ 
tadt. — Birgitt Engell, die Opernsoubrette des Wies⸗ 
40dener Hoftheaters, ist ab Herbst 1812 der Berliner Hofoper 
erpflichtet. — Frau Emmy So, die hochdramatische Sän⸗ 
erin der Kieler Oper, wurbe für die Maifestspiele in Rot⸗ 
er dam verpflichtet. — Selene Achterberg vom Ber— 
mer Schiller⸗Theater wurde nach ihrem Gastspiel als 
Dee vom Stadttheater in Halle als erste Heroine ver⸗ 
flichtet. 
ellschaft würden neben denen des Gesundheitsamtes mit 
n Betracht gezogen werden. 
Sechstes Diakonissenheim. Heute Donnerstag, nachm. 
z Uhr, fand die Einweihung des 6. Diakonissenheims in der 
gzorsiadt St. Gertrud — des 6. in der Reihe der Lübeder Heime 
Kottvitzstraße 30 statt. 
o- Diebstähle. In der Nacht vom 3. zum 4. b. Mis. 
ind aus dem Vorgarten des Sauses Gertrudenstraße Nr. 
zb zwei hochstämmige Rosenstöcke gestohlen worden. — In 
znem. in der Fleischhauerstraße belegenen Restaurant ist 
m4. d. Mis. in der Zeit von 8192 Uhr abends 
in Ebenholzspazierstock mit Elfenbeinkrücke gestohlen worden. 
der Stod ist unterhalb der Krücke mit einem 2 cm 
angen Silberbändchen umflochten. — Bei den am 4. d. 
Ris. in einem Hause der Mühlenbrücke ausgeführten Boden⸗ 
zebstählen ist außer den schon bekannt gegebenen Sachen, 
och eine fast neue aus Leder gefertigte Reisetasche mit 
olgendem Inhalt gestohlen worden: 1 graue Reisemütze, 
Maetalltrinkbecher und 1 Luftkissen mit grauleinenem Be⸗ 
ug. gez. G. S. 
o-· Des Diebstahls verdächtig. Festgenemmen wurde ein 
Irbeiter aus Eckhorst wegen Verdacht des Diebstahls. Er 
üUhrto eine Tüte mit za. 300 Stück Flaschenkorken, 1 
zlechschachtel mit za. 100 Stück Rundkugel-Zündhütchen 6 
am und 1 Paket Blutreinigungstee mit sich, über deren 
zerkunft er keine Auskunft geben konnte. Das Paket 
dee trägt die Aufschrift: Wilhelms Blutreinigungstee. 
c- Verhaftet wurde ein Klempnergeselle aus Travemünde, 
veil er sich verschiedene Werkzeuge feines Meisters rechts⸗ 
oidrig angeeignet hatte. 
bermischtes. 
Der Riesenbrand in Konstantinopel. Kadiköi, von dem am 
Mittwoch ein großer Teil einem Feuer zum Opfer fiel, ist 
ach Pera das reichste und größte Stadtviertel Konstantinopels. 
Idyllisch am asiatischen Ufer des Marmara-M»eres gelegen, 
dird es auf einer Seite von Haidar-Pascha, auf der anderen 
on dem Villenort Moda begrenzt. Aus Konstantinopel wird 
elegraphiert: Das Feuer kam im Bause des reichen armeni⸗ 
chen Kaufmanns Manukian, anscheinend schon in der Nacht, 
mus, wurde aber von niemand bemerkt, so daß die Feuer—⸗ 
vehr viel zu spät alarmiert wurde. Zudem wehte ein hef—⸗ 
iger Südost, und, wie immer, fehlte es an allen Rettungs⸗ 
eräten und Löschmannschaften. Als die erste Hilfe eintraß 
par es zu spät. Die Einwohner der Nachbarhäuser, durch 
»en Brandgeruch aus dem Schlaf geweckt, hatten kaum Zeit, 
ich auf die Straße zu retten. Um 6 Uhr hatte die Feuers— 
runst schon gefährlichen Umfang angenommen. Der Flam—⸗ 
ienherd breitete sich nach allen Richtungen aus. Zum Ent⸗ 
etzen der Beteiligten flammten plötzlich da und dort ganze 
Ȋuserkomplexe auf, die oft nicht einmal direkt an den 
auptherd grenzten. In zwei Stunden wurde das ganze 
ziertel zwischen dem Konak Riza Paschas und der katholischen 
dirche zerstört. Zahlreiche berühmte Paschakonaks, die armeni⸗ 
che Schule, herrliche Villen, kleinere Hotels und eine Kirche 
ind vernichtet. Die Straßen dieses Viertels grenzten zum 
beil an Moda, und das Feuer sprang nun auf diesen be— 
ühmten Villenort über. Alles in allem sind 800 Konaks 
zillen, öffentl.Gebäude, Magazine und Buden verbrannt. Gegen 
O Uhr entstand ein neuer Feuerherd; im Viertel Agatsch in 
zera sah man mit einem Male die neue griechische Kirche auf— 
lammen, deren beide Glockentürme weithin sichtbar sind. Am 
tsten war die Fruerwehr der Selimkaserne zur Stelle, die 
iber zu schwach war, um erfolgreich eingreifen zu können, 
ind der es auch an Wasser mangelte. Der Schaden wird 
ruf 5s Millionen Mark geschätzt, dürfte aber viel 
rößer sein. Vier Menschenleben sind dem Feuer 
um Opfer gefallen, und mehrere Personen werden ver— 
nißt. Zum Glück sind in Kadikbi wohl mehr Häuser versichert 
ils in irgend einem anderen Stadtviertel. Der Ort ist außer⸗ 
»em schon so oft von Bränden heimgesucht worden, daß die 
zewohner gewisse Erfahrung besaßen. Trotzdem ist die 
datastrophe unübersehbar schredllich. Mehrere Minister und 
Bertreter des Sultans begaben sich auf die Brandstätte. Die 
dokaldampfer wurden gestürmt von aufgeregten Menschen⸗ 
aufen, hat doch fast jeder Bewohner Peras in Kadikdi Ver- 
dandte oder Freunde. 
Der falsche Marquis de Roauefeuil, dessen Heirat mit 
jrau v. Boulmèene kürzlich stattgefunden hat, ist eine 
nerkwürdige Persönlichkeit. Mit seinem richtigen Namen 
eißt er Karl Reiß und ist in Saint Dié, wie das B. T. 
neldet, als Sohn eines Weinhändlers, also nicht, wie es 
uerst hieß, als Kind eines Akrobaten, geboren. Reiß 
rat mit 20 Jahren in ein Pariser Bankgeschäft ein 
ind machte dort die Bekanntschaft eines amerikanischen 
zflanzers, der ihn nach Buenos Aires mitnahm. Hier 
rwarb sich Reiß in zwei Jahren ein Vermögen. dbas 
rein Parfis wieder ausgab. Nun ging er nach Algzjer 
ind trat in das Trappistenkloster Staveli ein wo 
rvier Jahre Mönch war. Dann schloß er sich 
tnem Forschungsreisenden auf dessen Reise nach Indien 
ind Chiena an. Drei Jahre später kehrte er nach Algier 
urlick und fand hier Gelegenheit, sich die Papiere des 
Narquis Paul de Roquefeuil zu verschaffen, der als Besitzer 
iner Konzession in Fria gestorben war. Roquefeuil gründete 
zun unter dem neuen Namen die Zeitung „Vorité“ und 
ahm als Journalist starken Anteil an der antisemitischen 
Fropaganda. 1906 kam er nach Paris, wo er rasch 
zulaß zur quten Gesellschaft fand, da sein adliger Name 
ind seine gewinnenden Manfieren ihm alle Turen öffneden. 
dier lernte er seine jetzige Frau kennen. Er war aber 
ereits verheiratet, ohne verheiratet zu sein: denn er 
zatte sich in Fria mit einer Dameé trauen lassen unter 
»em Namen seines jungeren Bruders, der ihm zu diesem 
zwech Jeine Papiere übergeben hatte. Außer diesen Namens⸗ 
chwindeleien scheinen dem falschen Marquis auch unge— 
etzliche Sandlungen zur Last gelegt zu werden. Seie 
kntlarvung erfolgte, weil der wahre Marquis de Roquefeuil 
m „Figaro“ las, daß sein totet Bruder Paul an einem 
leganten Fünfubrtee feilgenommen habe. 
⸗ ——— 
Theater, Kunst und Wissenschaft. 
Das Kronprinzenpaar in Jialien. 
M, Rom, 5. April. Der Kronprinz begab sich heute 
iachmittag 43 Uhr in Begleitung des Generals Frugeni und 
es Lentnants Zobeltitz nach dem Pantheon, wo er zwei pracht⸗ 
olle Kränze aus frischen Blumen an ben Grabern der Kone 
ictor Emamuel I. und Sumbert T. mederlegie dag en 
Band des einen Rranzes rrug die deutsche Juschrift: „Demf 
glorreichen Andenken des Königs Victor Emanuel II., dem 
Begründer der Einheit Italiens“; das des anderen die In— 
chrift: „Dem glorreichen Andenlen des ritterlichen Königs 
Sßumbert J.“. Jahlreiche Deutsche, die sich unter der Zu—⸗ 
schauermenge befanden, empfingen den Kronprinzen mit be— 
geisterten Hochrufen. Der Kronprinz zeichnete sich in die Bücher 
für Besucher ein. Beim Verlassen des Pantheons wurde der 
Kronprinz erneut mit begeisterten Kundgehungen empfangen. 
Auf den Fahrten durch die Straßen wurden der Kronprinz 
und die Kronprinzessin von der Bevölkerung immer wiedet 
herzlich begrüßt. 
Nicht nur die hauptstädtische, sondern auch die provinziale 
Presse widmet den erlauchten Gästen die wärmsten Begrüßungs— 
artikel. 
Aus der Nede des Bürgermeisters auf dem Bahnhoß, 
sei nachgetragen, daß der Bürgermeister den Kronprinzen als 
den Vertreter des Oberhauptes einer großen, dem Könige und 
dem Lande befreundeten verbündeten Nation willkommen hieß 
und die Hoffnung ausdrücke, den Kronprinzen auch auf dem 
Kapitol begrüßen zu können, doch drücke er ihm schon jetzt 
den tiefen Dank der Stadt Rom für seinen Besuch aus. Der 
Kronprinz dankte dem Bürgermeister in freundlicher Weise. 
W. Rom, 5. April. Auch Fürst Bülow hatte sich beft 
der Ankunft des Kronprinzenpaares auf dem Bahnhofe ein⸗ 
gefunden. Die kronprinzlichen Herrschaften gaben nachmittags 
in der Villa Malta ihre Karten ab. Abends fand eins 
Familientafel statt 
Die Pest auf Java. 
Haag, 5. April. (Amtlich.). Jetzt ist die Pest auf Java 
bakteriologisch festgestellt. Gestern kamen ahht Erkrankungen 
und zwei Todesfälle vor. Die meisten Fälle sind in Malang 
aufgetreten, aber auch in Rembang breitet sich die Krankheit 
aus. Die zur Untersuchung der verdächtigen Fälle notwendiger 
Maßnahmen sind getroffen. Auf ganz Java wurde mit der 
Ausrottung der Ratten begonnen. 
47,8 Mill. Frs. Defizit im französischen Budget. 
W. Paris, 5. April. In der Kammer wurde heute bei 
Bericht Chérons über das Budget für 1911 verteilt. Die 
Summe der vorgesehenen Ausgaben beträgt rund 4330 Mill., 
das Defizit 47 806 000 Frs. Ueber die Dedung des Defizits 
durch Steuern herrscht noch große Unklarheit. 
Internationale Konvention über die Benennung bestimmter 
Bodenprodukte. 
W. Paris, 5. April. Eine in Madrid zwischen Frankreich, 
Zpanien, England, der Schweiz, Portugal und Brasilien ab⸗ 
zeschlossene Konvention stellt bekanntlich für jene Länder die 
Namen bestimmter Bodenprodukte, die die Benennung nach 
der Gegend führen, aus der sie stammen, unter Schutz. 
Eine weitere Konferenz wird über diesen Gegenstand am 
15. Mai in Washington verhandeln. Heute besprach der 
Ackerbauminister Pams in der Ackerbaukommission der Kam— 
mer diese Angelegenheit und erklärte dabei, er habe Grund 
uu der Hoffnung, daß einige Länder, deren Handel bisher 
aus einer fälschlichen Benennung einheimischer Produkte mit 
den betreffenden ausländischen Namen erheblichen Nutzen zog, 
darin einwilligen würden, dieser Konvention beizutreten. 
Doͤebstahhl ven französischen politijchen Geheimalten. 
W. Paris, 6. April. Infolge einer am 18. Februar 
⸗om Mtimister des Aeußern angestrengten Klage wegen Ent— 
wendung vertraulicher Schriftstücke aus dem Min' sterium des 
Aeußern wurden am 31. März der Konsulatseleve Reni Ronet, 
der Attaché des Ministeriums des Aꝛußern Bernard Maimon 
und dessen Schreiber Pallier verhaftet. Die Untersuchung 
hat bisher ergeben, daß die Diebstähle einen ziemlich beträcht- 
lichen Umfang angenommen hatten. Eine große Anzahl von 
Schriftstücken wurde beschlagnahmt und unter Siegel gelegt. 
Ferrerprozeß in der spanischen Kanmer. 
W. Madrid, 5. April. In der Kammer erklärte der 
tatalonische Republikaner Salvatello gegenüber der Behauptung 
des Konlervativen Sagnier, daß die Verurteilung Ferrers 
zu Recht erfolgt sei, er sei Augenzeuge der Ereignisse im 
Juli 1809 gewesen. Ferrer könne nach seiner Ueberzeugung 
nicht als Haupt der damaligen Bewegung angesehen werden. 
Niemand in Barcelona habe etwas von der Beteiligung Fer— 
rers an der Bewegung gewußt, ehe die Justiz öffentlich davon 
gesprochen habe. 
Aufstand in Marollo. 
W. Tanger, 6. April. Aus Fez wird unterm 31. März 
gemeldet: Fünfzehn Haremsdamen des Sultans, die zu Be— 
ninn des Monats März vor Eröffnung der Feindseligkeiten 
nach Rabat aufgebrochen waren, konnten das Gebiet der Beni 
Snassen nicht durchqueren und kehrten auf Umwegen wiedet 
nach Fez zurück. Plündernde Beni Snassen find bis Babefetul 
zekommen und erbeuteten Mault'ere, die el Glaui gehörten. 
Das Verhältnis der Hyainas zu dem Machsen ist weniger gut. 
Abgesandte von ihnen treffen zur Mitteilung der Bedingun— 
gen für ihre Unterstützung am nächsten Sonntag ein. Wenn 
hre Forderungen nicht erfüllt werden, werden sie in das 
Sebiet der Cheraga Ulediamaa. die dem Machsen treu bleiben, 
Raubzüge machen. 
Hungerstreik eines Camelots du ron. 
Patis, 5. April. Der kürzlich wegen Ruhestörungen im 
Gerichtssaal verurteilte Camelot du roy Armand Hubert ver—⸗ 
erweigert seit zwei Tagen die Nahrungsaufnahme, weil die 
Sefängnisverwaltung die Camelots nicht als politische Häftlinge 
vetrachtet. Hubert erhielt den Besuch des Gefängnisarztes, der 
ihm mitteilte, falls er bis morgen früh bei seiner Weigerung 
beharre, werde ihm gewaltsam Nahrung eingeflößt. 
Ein Gesetz gegen die russischen Studenten. 
Petersburg, 5. April. Bisher sind die Studenten, die 
den Unterricht in den Hochschulen unmöglich machten, admini— 
trativ gemaßregelt worden. Am 31. März hat nun der Mi 
nisterrat einen Gesetzentwurf zur Vorlegung vor die Kammer 
zenehmigt, der die Störung der Beschäftigung in den Re— 
gierungs⸗, Kommunal- und Stände⸗Instituten, in Lehranstalten 
und in öffentlichen Versammlungen bestraft. Unter den straf 
baren Gewalttätigkeiten wird auch die „fünstliche Vergiftuni 
der Luft“, d. h. die chemische Obstruktion der Studenten, ge 
ahndet. 
W. Müunchen, 6. April. Den Munchener Neuesten Nach— 
richten zufolge ist gesterrn der Kunsthistoriker De 
Berthold Riehl, Professor der Universilät in München 
gestorben.
	        
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