zroßer Heiterkeit des Hauses als eine Mischemg zwischen Rea⸗
Snens und Heraldit.) Hier ist ein bedaueclicher Niedergang
inferer Bünzprägekunst zu verzeichnen. Auch die Ausgestaltung
her neuen Hundertmartscheine erregt Kopfschütteln. Ganz un⸗
iläruch ist der angehängte Knpon, dessen Wasserzeichen mit dem
wopf Kaiser Wilhelms J. sehr bald beschmutzt wird, Die Germania
nit eiwas altertümlichem Anflug trägt Schnürstiefelchen und eine
upderne Kappe. Schade, daß die Firma nicht mit angegeben
st. (Große Heiterkeit.) Im Hinterarund sieht man zwei Panzer⸗
iffe als Zeichen dafür, wozu man das Geld auszugeben hat.
Groͤßze Heiterteit.) Wir sollten das englische System nachahmen
nid an die Banut zurückgeilossene Scheine durch neue, ganz ein⸗
ach ausgeftatteie, erfeben. CLebbafter Beifall)
Siagefetretar Wermuth. Unsere Künstlerschaft muß doch
zegenüber einer derartigen Kritik in Schutz genommen werden.
Iit ünwverfilätsmuünze zeiat den Gründer Friedrich Wilhelm II.
ach der besten Riauchschen Büste. Für die Banknote bin ich nicht
erantwortlich. F
Abg. Bindewald (Wirtsch Bgg.): Ich muß gegen diese Kritik
roteftieren. Eine schönere Bauknote, als unseren neuen Hundert⸗
arischein habe ich noch nicht gesehen. (Schallende Heiterleit.) Sie
st von hervorragend künstlerichem Wert.
Abg. Frhr. v. Gamp: Ueber die Schönheit der Denlmüngze kann
nan streiten, jedenfalls sollten mehr Deukmünzen in Umlauf gejetzt
verden. Ueber die Erhöhung der Veteranenbeihilse freuen wir
ins alle. Bei den fiskalischen Bauten muß mehr auf Verbilligung
esehen werden. Die Haupischuld liegt darin. daß jedes Ressort
sch seine Bauverwailung hat. Das ist von ungeheurem Nachteil ür
die Vaterialienbeschaffung und die Vergebung des Bauausführung.
Abg. Baumann (Zentr.): Die Kriegsveteranenbeihilfe sollte mög—
ichft lohal bewilligt werden.
Abg Hufnagel (zdons.) schließt sich dem Vorredner an.
Abg. Schöpflin (Soz.): Auch wir verlangen, daßz die Einzel⸗
regierungen die Bestimmungen möglichst loyal durchführen. Vor
zllen Tingen sollte die Bestimmung fallen, daß die Untersftützung nur
intriit, soͤsern keine unterhaltungspflicht gen Angehöctgen vorhanden
ind. Man sollte sich hier überhaupt viel weitherziger zeigen.
Abg. v. Oertzen (Veichsp.): Wir haben unier allen Umständen
zie Verpflichtung, daß unsere aälten Kameraden nicht notleiden. Ein
Veindesteinkommen sestzusetzen, halte ich nicht für richtig. Alle Be⸗—
rürftigen sollten unterstützt werden. Ez, wäre bedenklich, die „Wür—
igleil“ der Veteranen ais Bedingung für die Unterstützung vorzu—
chreiben. Das könnte zu schikanösen Auslegungen führen.
Staatssetretär Wermuth: Ich bin 9 jür de tatsächliche Aus⸗
abe der bewilligten Gelder verantwortlich. Darin liegt doch eine
arantie dafür, daß Weitherzigkeit geübt wird. Die Rusführungs-
eftͤmmungen haben sich gegenüber dem jrüheren Gesetze wesentlich zu
hrem Vorteile geändert. Schikanen sollen unter allen Umständen
ermieden werden. Ich hoffe, daß wir unseren Verpflichtungen den
Zeteranen gegenüber nachkommen können.
Abg. Wieland (Fortschr. Vp.): Wir erkennen dankbar an, daß
mseren alten Kameraden eine etwas reichhaltigere Beihilfe zuteil
berden soll. Es darf nicht soweit kommen, daß, die Ausführungs—
esiimmungen dahin ausgelegt werden, daß die Veteranen durch die
nterhaltungspflicht wiederum um die Beihilfe gebracht und wieder
uf die Landsiraße gesetzt werden. Dem Wohlwollen der Gemeinde—
ehören dürfen die Beihilsen nicht ausgeliefert werden.
Abg. Prinz zu Schönaich-Carolalh inl.): Ich frene mich, daß es
udlich gelüngen ist, für unsere alten Veteranen etwas zu sun. Die
Zestimmungen müsfen in möglichst warmherziger Weise angewendet
verden. Leider ist auch diese en nicht ausreichend, aber
ungesichts unserer Finanzlage immerhin schon anerkennenswert. Wir
nüssen unseren alten Kriegern, denen wir das Reich verdanken, eine
würdige Existenz sichern. Lebh. Vahn
Abg. Br. Neumann⸗Hofer 88 — Die Verwaltung der
ndirekten Steuern und d muß vereinheitlicht werden,
Der Etat des Reichsschaßamts wird bewilligt.
Es folgt der Etat dr die
Schnutzgebiete,
»er unter Annahme der vorliegenden Anträge vohne Debatte an-
zenommen wird. Ebenso wird der Etat des Reichskolonialamts
hne Debatte bewilligt.
Es folat der Etat des
Reichseisenbahnamtes.
Abg. Hengsbach Soz.): — im voxigen, Jahre habe ich bei
»er Interpellation wegen, des Mülheimer ee e ee anf die
Befahren jener Strecke hingewiesen und tatsächlich ist später fast
inf derselben Stelle ein Ünglück geschehen. Der Petition des Lokv-
notivführerverbandes, die sich mit dieser Angelegenheit befaßt. sollte
eachtung geschenkt werden
Fone des Reichseisenbahnamtes Wackerzapp: In der zwei—
en Lesung des Etats hat im Anschlusse an meine Rede der Abg.
—35 w. Gamp erklärt, die Verlängerung der Reichstagsverhand⸗
ungen sei vielsfach in den langen Reden der Reglerungsvertreter
u suchen, denen das richtige Augenmaß für die Vemessung ihrer
Darlegungen fehle. Ich muß eine derarfige Kritik eines Mitgliedes
der Verbündeten Regierungen anf das bestimmteste zurückweisen.
Bei dem Mülheimer Ünglück handelt es sich um ein verhängnisvolles
bersagen unserer sonst ausgezeichneten Signalvorrichtungen.
Abg. Frhr. v. Gamp (Rp.): Ich muß für mich das Recht
uus der preußischen Verfassung in Anspruch nehmen, wozu jeder
Preuße das Recht hat, frei seine Meinung zu äußern.
Veeene
Darquf wird der Etat des Reichseisenbahnamtes genehmigt.
Bei dem Etat der
Reichsschuld
agt
Abg. Dr. Arendt (Reichspt., Die Verzinsung unserer
——8 isft bis 1911 auf ig Mill. Deeinenehe das
»edeutet eine jährliche Zunahme von etwa 24 Mill. Demgegen—
iher ist erfreulich, daß eine Mehrbelastung der sest verzinslichen
Verte mit nur 14 Mill. eingetreten, und es steht zu erwarten,
»aß in diesem Jahre überhäupt keine Mehrbeträge ersorderlich
verden. 242
Staatssekretär Wermuth: Es ist nicht —A in dew
Jahre eine Anleihe aufzunehmne. Eebh. Bravohh Die Ver—⸗
sältnisse sind nicht dazu angetan, daß wir dazu genötigt wären,
orausgesetzt, daß uns nicht die Inanspruchnahme des Marktes
von anderer Seite dazu zwingt.
Darauf wird der Etat der Reichsschuld angenommen, ebenso
der Etat,des Rechnungshofes und des Allge—
meinen Pensionsfonds.
Es folat der Etat der
Post⸗ und Telegraphenverwaltung.
Ahg. Giesberte (Zentr.) befürwortet eine Resolution w
rtatsmahige Anstellung, von Arbeitern und Unterbeamten nach
ojahriger Dienstzeit. In diefem Jahre felen die Unterbeamten
Icht tiefmütterlich behandelt. Ebenso musfe die Resoinfien auf
pahrung einer Zuͤlage für die Oberpostassistenten befolgt
verden.
. Abg. Hengsbach (Soz.) bringt Mißstände im VPostwesen von
damborn zur Sprache. —
Abg. Hormann ssortschr. Vp.): Für Arbeiter, die im Post⸗
pesen uüͤberflüssig werden, sollte anderweile Verwendung dat-
inden als Poftboten usw. Bei der Beurlaubung der Unter⸗
deamten müßten genügend Ersatzmänner oet werden.
Staatssekretär Kraetkte: Ueberzählige Arbeiter werden schon
eute anderweit untergebracht, eventuell in anderen Bezirden.
Vährend der Urlaubszeit müssen wie in Handelsbetrieben auch
ei der Post die Kollegen den betreffenden Uxlauber vertreten
md eine Stunde pro Woche mehr, Dienft tun; das geschieht auch
ehr gern. Die Hamborner Verhältnisse sind bei dem rapiden
Wachtssum dieses Oried hanz eigenartig. Die Resolution kann
ch nit annehmen, sie ist undurchführbar.
„Abg. Dr. Droescher (onf.): Die Keferenten bei den Ober⸗
ostdirektionen sind überlastet, ihre Dienstverhältnisse sind zu
evidieren. Die Stellenzahl iß zu vermehren.
Staatssekretär Kraelte iese letzte Forderung erkenne ich
ils Mpendig a
g. Irhr v. Hamp Reichsp.): Ich muß dem Antrage
Droefcher widersprechen, In dritter Lesung ee man davon
39— die gestrichenen Stellen wieder einzusetzen;
die Maßnahmen zuͤr Vereinfachung des Postbeiriebes sind recht er⸗
reulich. Die Resolution Giesberts sollte zurückgezogen werden.
Abg. Bed-⸗Heidelberg (natlib.,: Wir stimmen dem Antrag
Aöscher quf, Wiedereinsehung der in Zyener Lesung gestrichenen
Oberpostraͤte und 2 —B———— au.
Abg. Eichhorn (Soz) bringt Behwerden über die Be⸗
—XXI—
Staatssekrettr Kraette? Zur Nachprüfeng aller lolcher Be⸗
chwerden ist naug, daß ins die Hintermänner genannt werden, die
en Abgeordneten das Malerial liesern.
Abz. Dr. Neumann-Hofer Fortschr. Vp.): 7 Jahre streb⸗
en der Ihheee und jetzige Direktor des Lessing⸗Theaters an, im
lephonbuch richtig verzeichnet zu werden; bisher ist das nicht ge⸗
umngen. (Große Heiterkeit.)
Abg. Zubeil (Sos.) bringt Beschwerden darüber vor, daß
in Telegramm an die Volizei ausgeliefert wurde, woraufhin ein
erfahten gegen den Mann eingeleitet worden sei.
Siaatssetretaͤr Kraette: BVir sind verpflichtet, dem Unter⸗
uchungsrichter Auskunft zu erteilen, und entsprechend ist auch ver⸗
ahren worden.
Damit schließt die Debatte. Die Resolution Giesberts wird an⸗
enommen. Der Antrag Dröscher wird abgelehnt. Der Titel Ost⸗
rartenzusahge wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten
md des —88 angenommen, die Polen stimmten, da ihnen
ugenscheinlich die Fragestellung entgangen war, dafür. (Schallende
deiterkeit des ganzen Hauses
Der Posteiat wird bewilliat.
FIs folgt der Etat der
Zölle, Steuern usw.
Staatslekretär Wermuth: Der, Abgeordnete Gothein hat bei
er weiten Lesung die Frage angeschnitten. ob die Zuwendungen
Beaaufsfleüe des Bundes der Landwirte an den Bund aus
c Zenabeaben der Schenkungsfteuer unterliegen. Ich möchte
azu folgendes erklären; Lieat eine Schenkung vor, so ist die
cuer nahlen, liegen vellwertige Gegenleistungen vor, so ent-⸗
zie die Strner. Diese Rechtsfrage spitzt sich aber zu einer Tat-
rage zu. Die einen behaupten, daß der Ueberweisung von Mitteln
urchaus aleichwertige Begenleistungen dadurch gegenüberstehen,
aß der Bund der Landwirte für die Verkaufsstelle Propaganda
nacht. Die Frage der Geschenksteuerpflicht und Kalipropaganda⸗
eider für die Verkaussssesse des Bundes der Landwirte scheidet
us, da eine vollwertige Gegenseistung vorhanden ist. Ich lehne
zarundfätzlich entschieden ab, über die wirkliche oder angebliche
reuerpflicht eines Zensiten Auskunft, zu geben. Die Frage. ob
uch die Vereins- und Parteibeiträge heraypgezogen werden können,
it Sache, einer umfassenden schwierigen Untersuchung. (Große
»eiterkeit.)
diba. Dove ssortichr. Vo. Gegen den sachlichen Inhalt dieser
ẽrklärupg ihn nihts einzuwenden.
Aba, Rösicke ikoms.s Ich kann konstatieren. daß sich somit die
5 — Judeise gegen Suns als hinfällig erweisen. Große
Unruhe.
Ver Rast des Etats wird, bewilliat. Damit ist der ganze
se senor rn dritter Lesung erledigt. Eebhaftes
ravo.
Nächst,e Sitzung: Dienstag, Mai, nachmittags
U ber. Einführungsgesetz, zu der Reichsversicherungsordnung,
lufhebung des Hilfskassengeseßes
Präsident, Graf Schwerin⸗Löwitz: Bevor ich die Sitzung
hliehße, wünsche ch Ihnen allen von Herzen ein recht frohes
Rsersest unind hofde, daß wir uns möglichst frisch hier wiedersehen.
Aebhaftes Brawo euf allen Seiten des Hanses
Schluß 8 Ubr
Preußischer Landtag.
Hherrenhaus.
(6. Sitzung.)
Berlin, den 4. April.
Am Ministertisch: v. Trott zu Solz.
Foahornt Frhr. v. Manteuffel eroffnet die Sitzung um 1 Uhr
O Minuten.
Zu Ehren des seit der Jetzten Sitzung verstorbenen Mitglie⸗
es Beheimrats v. Di est-Merseburg erhebt iich das Haus.
Neu berufen sind die Herren Dr. Oehler, Johansen, Dr.
Zocker und v. Wiedebach-Nostiz.
wp Ser Gegenstand der Tagesordnung ist der Gesetzentwurf
ibher die
Beschulung blinder und taubstummer Kinder. r
Kultusminister v. Trott zu Solz: Der Gesetzentwurf enthält
die Schulpflicht sür taubstumme und blinde Kinder. Bei der Re⸗
selung dieser Angelegenheit läßt sich ein starker Eingriff in die
lterliche Gewalt nicht vermeiden. Da solche Anstalten nur an
enigen Orten vorhanden sein können, so wird es vielfach rötig
derden, daß die Kinder auch gegen den Willen der Eltern aus
en Familien genommen werden. Mit den Aenderungen der
dommission, die den Zweck versolgen, daß die Schulaufssichts-
ehörde möglichst wenig in die Verhältnisse dieser Schulen ein⸗
reift, ann ich mich einverstanden erklären, denn wir haben in
ieser Richtung volles Vertrauen zu den Provinzialverwaltungen.
dagegen muß ich mich gegen die Abänderung der Vorlage dahin
rklaͤren, daß die Dotgtionen des Staates für diese Zwecke erhöht
verden sollen. Durch das Dotationsgesetz ist die Kostendeteili⸗
nng des Staates geregelt. Wenn in einzelnen Fällen die für die
Zrovinzen ausgeworsenen Sunmen nicht ausreichen, so könnte
iese Frage für sich geprüst werden. Das Gesetz ist aber nicht
ie Stelle, wo diese Frage zum Austrag kommen soll. Ich bitie
aher, in diefsem Bankt die Regierungsvorlage wiederherzustellen.
ind das Zustandekommen des Gesetzes nicht zu gefährden. Ich
soffe, daß es zustande kommt und ersprießlich wirken wird.
Graf Zoltowski: Durch die zwangsweise Einschulung sind die
echte der Eltern nicht genügend gewahrt. Wir verlangen christlich⸗
eligiöse Erziehung und erwarten, daß die Anstalten konfesfioneil
— werden. Ferner fordern wir Berücksichtigung der Mutler-
RXache.
v. Dziembowski: Ueber die Berücksichtigung der Konfessionen
edarf es keiner geietzlichen Bestimmung. Die an
en werden schon in dieser Beziehung das 9 ichtige treffen. Ich
itte um Annahme meiner Resolution, worin die Erwariung aus—
esprochen wirde daß eine Neuregelung der Dotationen unfer wen—
eichender Entlastung der zu dem höheren Steuerzuschlag gezwunge-
en Provinzen baldigst hexbeigeführt werde
Damit schließt dae allgemeine Besprechung.
In der Spezialberatung werden die 83 127 ohne Debatte an—
zenommen.
ze 3 8 befürwortet —
Fünltbischof Dr. v. Hopp einen Antrag des Grasen Droste zu
Zischering, wongach die Kinder in einer Änfiait ihres Bekennt⸗
nisses untergebracht werden sollen, soweit die vorhandenen Einrich-
ungen der Anstalt dies exmöglichen.
28 wird mit diesem Antrag angenommen.
Die g8 11 werden, ohne Debalie angenommen.
r 12 behandelt die Kostenfrage. Noch den Kommissionsbeschlüssen
ollen die Dotationen des Staates erhöht werden.
Kultusminister v. Trott zu Solz bittet nochmals, diesen Para—
raphen nach der Regierungsvorlage anzunehmen.
s 12 wird, unter Ablehnung der Kommifsionsfassung nach der
vLeg unsergesage angenommen.
Der, Rest des Geseßes wird ohne Debatte im wesentlichen nach
»en Beschlüssen der Kommission angenommen.
Die Resolution v. Dziembowski auf Neuregelung der Provinzial⸗
otationen, wird ebenfalls angenommen.
g Win der Geseßentwurf beir. die Verpflichtung zum
desuche
ländlicher FJortbildungsschulen
nn den Provinzen Brandenburg, Pommern, Zaher. Westfalen sowie
n der Rheinprovinz und in den Hobenzolleraschen Landen.
Nach der Vorlaͤge kann durch statutarische Bestimmung einer
hemeinde für die nicht mehr schulpflichtigen, unter 18 Jahre
Iten mantilichen Versonen die Verpfüchtumg zum Befuch einer
ändlichen Fortbildungsschule begruͤndet werden An Sonntagen
oll Unterricht nicht erteilt werden.
Nach dem Kommissionsbeschluß vp der Untexricht an Sonn⸗
agen erteilt werden körmen, wenn die ortlichen Verhältniffe da—
unzwingen.
Graf v. Haeseler: Die volksschulentlassene Jugend müßte
dgemein zum Vend der ländlichen Fortbildungsschulen ver—
flichtet werden. Mit Ausnahme der Gottesdienstzeit sollte auch
m Sountag Unterricht erteilt werden.
—AA hingewirkt
verden, die Kreiskommunglverbände zu Trägern der sändlichen
Jortbudungsschulen zu machen. derner ist es erwunscht,
rößere Beträge zur Ausbildung, von Lehrkräften bereitgesteilt
verden. Sodann sollten die Geistlichen zum Fortbildungsschut⸗
interricht, und zwar nicht bloß für den Religionsunterricht, her—
ngezogen werden. Wir wünschen, daß hei dem tländlichen Fort⸗
„ildungsschulunterricht besonderes Gewicht auf die sittlich-reli⸗
iöfe Beeinflusfung der Jugend gelegt wird. Geifall.)
Landwirtschaftsminister Frhr. v. Schorlemer: Bei den gün⸗
tigen Erfahrungen, die auf diesem Gebiet gemacht worden sind-
and bei den zustimmenden Erklärungen, die die Vertretungen der
n Betracht kommenden Landesteile zu den Vorschlägen der Re—
ierung abgegeben haben, verzichte ich darauf, näher auf den
Wert und die Bedeutung der ländlichen Fortbildungsschulen ein⸗
ugehen. Die Fortbildungsschulen allgemein einzuführen, dazu
jaben wir weder die Mittel, noch die Lehrkräfte. Wir müssen
ins damit bescheiden, mit einer gewissen Langsamkeit auf diesem
gebiet fortzuschreiten. Es wird nicht zweckmäßig sein, gleich nach
Zeendigung der Volksschule den Fortbildungsschulunterricht be⸗
tinnen zu lassen. Deshalb wollen wir die Verpflichtunge zum
Besuch der Fortbildungsschule auf drei Winterhalbiahre festsehen.
dem Plan, den Unterricht auch auf das Sommerhalbjahr auszu⸗
ehnen, stehen die ländlichen Verhältnisse entgegen. An Sonn⸗
agen foll der obligatorische Fortbildungsschulunterricht nicht er⸗—
eilt werden.
Staatssekretär a. D. v. Köller: Bezüglich des Sonntagsunter⸗
ichts stehen wir auf dem Standpunkt des Ministers. Am Sonntag
W die jungen Leute an Gottes freier Natur sich erfreuen. 30
Oberpräsident a. D. Graf v. Zedlitz und Trützichler; Die
— der allgemeinen Pflichtfortbildungsschule ein Ziel
paterer Zeit. Mit dem Prinzip des Gesetzentwurfs sind wir ein⸗
erstanden. Wir glauben zwar nicht, daß durch die ländlichen Fort-
ildungsschulen das Eindringen der hedeneet en Tendenzen
uf das Land verhindert wird. Wir hoffen aber, daß das vermehrte
Pissen und der Eindruck der erziehlichen Zucht ein Vorteil für das
anze Leben sein wird. —
Oberhofprediger, D. Dryander: Den Darlequngen des, Ministers
timme ich zu. Ich bitte ihn, von der, Bereitwilligkeit der Geistlichen,
Unterricht Dhn Fortbildungsschulen zu erteilen, reichlichen Ge—
rauch zu machen.
Ie v. Landsberg: Die Entscheidung darüber, ob der Unter-
icht an Sonntagen erteilt werden soll, können wir den Gemeinden
berlassen.
Die Beratung schließt. F
Der Gesetzeniwurf wird in der Fassung der Kommission an-
enommen mit der einen Ausnahme, daß, wie es die Regierungs-
,prlage bestimmt, an Sonntagen kein Unterricht erteilt
oerden darf.
Angenommen wird ferner eine Resolution des Grafen Drost e
u Vischering auf Einführung des Religionsunterrichts in den
ändlichen Forthildungsschulen.
Es folgt der berfenwut betr. die Auflösung der
Iee dulverbaltast eim Regierungsbezirt Stral—
und.
Der Gesetzentwurf wird in der Kommissionsfassung ohne
Debatte en bloc angenommen.
Der Ge'retzentwurxi betr. die Bewilligung, weiterer Staats-
migt,tel zux.VBerbetserung der, Wohnungsverblt
rifsse von Arbeitern, die in sigatlichen Betrieben beschäftiat
ind, und von gering besoldeten Staatsbeamten wird ebenfalls ohne
Debatte angenommen; desgleichen der Gesetzentwurf betr. die Er⸗
veiterunrag des Stadikreises Breslaou.
Es solat der Gesetzenwurf betr. die Erweiterung des
Stadetreises Stettip.
Oberbürgermeister Beudec-Breslau protestiert dagegen. daß
»ie Provinziallandtage be Eingemeindungen gehört werden; sie
jaben gar nicht die örtliche Keunntnis, um über derartige Dinge
u entscheiden.
Ein Regierungskommissar: Wenn es sich um Eingemein⸗
uungen von erheblicher Bedeutung handelt, werden die Pro⸗
gndlage qgechört, um eine allseitige Uebereinstimmung herbei⸗
zuführen.
Die Vorsage wird angenommen.
Die Tagesordnung ist erschöpft. i
Nächste Sizung Mittwoch, J Uhr: Etat emerc
Schluß gegen 6 Uhr. F —
Dockbrãnde in Buenos Nires.
Die N. H. BeH. schreibt:
Von Jahr zu Jahr nehmen die Klagen über die Unzu⸗
inglichkeit des Hasfens von Buenos Aircs zu, auch unsere großen
dampiergesellschaften, die diesen wichtigen Hasen mit ihren
Zchiffen besuchen, haben schon mehrfach, so u. g. in ihren Jahres⸗
erichten, über die immer ärger werdenden Stockungen in dem
ortigen Hafenbetriebe Klage geführt. Nach einer anderen, leider
aoch traurigeren Richtung wird ein grelles Licht auf diese Ver—
zältnisse durch einen Artikel des in Buenos Aires erscheinenden
zurrier de la Plata geworfen. Der Artikel befaßt sich mit dem
cuer, durch das am 13. Februar dieses Jahres einer der großen
zollspeicher am Dock Nr. 1eingeäschert worden ist und gibt in
er Einleitung einen Brief des Kommandanten der Feuerwehr
in den Chef der Polizei wieder, der in der Uebersetzung etwa
olgendermaßen lautet: „Ich bringe hiermit zu Ihrer Kenntnis,
aß wir gestern abend, als wir das im Zollspeicher beim Dock
dx. 4 entstandene Feuer löschen wollten, die fämtlichen eisernen
ren verschlossen fanden, auch war kein Zollbeamter oder
vächter mit den Schlusseln zugegen, der uns hätte Eingang ver—
chaffen können. Meine Leute waren daher gezwungen, unter
roßen Anstrengungen die schweren Türen mit ihren Beilen zu
ertrümmern. Ich halte es für meine Pflicht, Ihnen dieses mit⸗
uteilen, da bei einem großen Feuer in diesen mit wertvollen
Varen angefüllten Zollspeichern die Folgen einer solchen Nach-
assigkeit außerordentlich schwere sein würden. Es müßte doch
eicht sein, einen Angestellten der Nachtwache mit der Aufbe-
vahrung der Schlüssel au betrauen, sodaß diese bei Ausbruch.
eines Feuerg jederzeit zur Hand wären.“ Das Intercessante, oder
esser gesaat, Traurige an diesem Briefe ist, daß er sich nicht auf
as Jetzte, oben erwähnte Feuer bezieht, fondern, daß er vom
0. April 1905 datiert und seiner Zeit anläßlich eines kleinen
Feuers im Dock Nr. ¶ geschrieben worden ist. Seit diefer Zeit isi
am 18. September 1906 ein Kollspeicher im Dock Nr. 4aufge
ranut, am 18. Dezember 1910 ging ein Kollspeicher im Dock 8
n Flammen auf und am 13. Februar dieses Jahres wurde der
Zollspeicher Nr. T des Docks Nr. 1 durch Feuer vollständig zer—
tört. Bei jedem dieser drei Feuer hat sich der aleiche Vorgang
ibaespielt. Die Feuerwache kam an, fand die
eisernen Türen verschlossen, es mußte viele kostbare Keit
rgeudet werden, um sich gewaltsam Eingang zu verschaffen. Die
Behörden hatten aus den vorhergegangenen Unfällen —2 gelernt,
a, man hatte die Forderung des Kommandanten der Inrhe
infach in den Wind geschlagen und dadurch ungeheure Werte dein
berderben ausgesetzt.
Das Blattespricht dann weiter von der Zollverwaltung und sagt,
aß deren Personal'in einem sehr schlechten Rufe slehe. Ulle Kauf⸗
eute wüßten zu ihrem Schaden, daß Diebstähle in den Zollhäusern
in der Tagesordnung seien. Die Kaufleute reklamieren zwar an—
auernd, aber sie regen sich nicht mehr sonderlich auf, fie belrachlen
iese beständigen Beraubuügen ihrer Waren schon als' ein ungus—
leihliches Uebel, gegen das anzukämpfen doch mehr oder weniger
iutzlotz w Das große Publikum ist jedoch, eingedenk des Sprich—
vortes „Wer ein Ei stiehlt, stiehlt auch einen Ochsen“, anderer Mei⸗
iung. Es, besteht die Ausicht, daß die Angestellien der Zollverwal—
ung durch ihre erfolgreichen Diebereien immer dreister geworden
ind und inumer größere Quͤantitäten geslohlen haben, und, um diese
Uregelmäßigkeiten zu verdecken, schließlich die Zollhäuser in Vrand
esteckt haben Von j00 Personen, so meinnt das genannte Blatt, die
nan in Buenos Aires fragen würde, würden sich wenigstens 8) in
ieser Weise äußern. Wahrlich sehr bezeichnend für die Wertschätzung
er grgentinischen Zollbeamten in ihrem eigenen Lande.
Eine inzwischen eingesetzte Kommission hat dann auch schon
inwandsfrei festgestellt, daß, Brandstiftung vorliegt. Ob die Täter
vohl je erniert werden? Es ist wirklich erssaunlich, daß in inerStadt
vie Buenos Aires, die in vieler Beziehung so glänzend verwaltet
vird, noch solche Zustände herrschen können. Da durch die in Frage
tehenden Zoll speicher auch jährlich für viele Millionen Mark deutsche
Varen gehen, so wäre es vielleicht ganz angebracht, wenn man von
eutscher Seite versuchen würde, zur Besserung dieser Zustände aul
ne argentinischen Behörden einen Druck auszuüben