Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

eueste Vachrichten und Celegramme. 
V. Haubsurg, 3. Noril. Prinz Heinrich von 
PBreußen, der heute morgen hier eingetroffen war und 
m Hotel „JZu den vier Jahreszeiten“ Wohnung genommen 
zatte, stattete vormittags der Wilhelmsburger Fabrik der Pal⸗ 
nin-Werke H. Schlinck K Co. A.G. einen etwa 2 Stunden 
dauernden Vesuch ab und interessierte sich auf das eingehendste 
ür alle Einzelheiten der Anlage. 
Wt. Dresden, 3. Aprit. Prinz Waldemar von 
Preußen ist im Sanatorium Weißer Hirsch bei Dresden einge— 
roffem 
W. Metz, 3. April. In der heutigen Verhandlung im 
Prozeß gegen die Lorraine Sportive kam es zu einem Zwischen⸗ 
all. Staatsanwaltschaftsrat Richert mußte sein Plädoyer plötz- 
ich abbrechen, da er einen Nerdenchok erlitt und zusammenbrach. 
Die Verhandlung mußte abgebrochen werden. Es ist frag⸗ 
ich, oh der Prozeß heute zu Ende geführt werden kann. 
W. Bern, 3. April. Das Volk des Kantons Zürich hat 
die Verhältniswahl für den Kantonsrat mit 42227 gegen 
39 464 Stimmen verworfen. 
W. Mailand, 3. April. Als mehrere Artilleristen plau— 
dernd auf dem Balkon der Artilleriekaserne in Venaria Reale 
hei Turin standen und auf die Straße hinabsahen, brach das 
Geländer, und die Soldaten stürzten in die Tiefe. Einer wurde 
getötet. fünf wurden schwerverletzt ins Hospital gebracht. 
W. Betersburg, 3. April. In hiesigen politischen Kreisen 
st man der Ansicht, daß der schwerkranke Minister des Aeußern 
Ssasonow demnächst durch eine andere Kraft ersezt werden wird. 
Man nennt Iswolski als Nachfolger Ssasonows. 
We. Schanghai, 3. April. Der Amerikaner Murray, Mit— 
slied der Mission in Tsinanfu, ist am 28. März siebzehn Meilen 
iördlich von Tsinanfu angegriffen und schwer verwundet wor—⸗ 
»en. Die Angreifer wurden von den chinesischen Behörden fest— 
zencmmen 
Das neue spanische Ministerium. 
W. Madrid, 3. April. Das neue Ministerium setzt sich 
solgendermahen zusammen: Canalejas, Vorsitz und Inneres; 
Ruiz Valerino, Aeußeres; Garzia Prieto, Oeffentliche Arbeiten; 
Gasset, Unterricht; General Luqué, Krieg; Kapitän Pidal, 
Parine. Die Finanzen werden zwischen Rodriganez und Suarez 
Inclan geteill. Alle, mit Ausnahme Pidals, waren bereits Mi— 
nister; sie werden heute vereidigt. 
Wit. Madrid, 3. April. Das Ministerium ist endgültig 
zebildet. Die Finanzen übernahm Rodriganez. 
Allgemeiner Auftuhr in Maroklo. 
Tanger, 2. April. In dem Kampf am 26. März schlugen 
ie scherifischen Truppen die Aufständischen, die wenig zahlreich 
varen, zunächst zurück. Die Maharla verfolgte die Flüchtenden, 
ils sie sich schließlich einer großen feindlichen Macht gegenüber— 
ah. Nach einstündigem Kampfe mußte die Mahalla trotz der 
energischen Mitwirkung der Artillerie weichen da es den Fuß— 
truppen an Munition und auch an Disziplin mangelte. Bei der 
Verteidigung der Geschütze wurden u. a. drei Kaids getötet. 
Fez, 27. März. Der Tag verlief volllommen ruhig. Die 
von den Beni Mier gefangen genommenen Soldaten der Ma— 
halla wurden wieder freigelassen, nachdem ihnen Waffen und 
usrüstung abgenommen waren. 
Tanger, 2. April. Die letzten Nachrichten aus Fez schil— 
dern die Lage als sehr ernst. Die schwere Niederlage der 
Scherifentruppen machte einen großen Eindruck auf die Stämme 
ind veranlaßte sie, sich alle gegen Mulay Hafid zusammenzu— 
schließen. Jeden Augenblick wird ein Angriff auf Fez erwartet. 
Sollte es dazu kommen, müßte die Stadt kapitulieren, da 
s den Truppen an Geld und Lebensmitteln fehle. 
Tanger, 3. April. Die Beni Mier forderten nach ihrem 
Frfolge vom 26. Miärz alle Stämme bis zum Ghargebiet auf, 
ich ihnen zur Belagerung von Fez anzuschließen. Nach Ge— 
rüchten unter den Eingeborenen sollen die Berber in Fez ein— 
zedrungen sein und Mulan Ismael zum Sultan ausgerufen 
haben. 
Verhaudlungen mit den mexikanischen Rebellen. 
Kein, 3. April. Der Sonderberichterstatter der Kölnischen 
Zeitung meldet über die Lage in Mexiko aus San Antonio 
interm 2. April: Das hiesige Hauptquartier der Aufständischen 
st von der Botschaft des Präsidenten Diaz zwar nicht befriedigt, 
erblict aber darin einen großen Sieg. Er traut indes seinen 
Versnrechungen nicht und fordert eine Bürgschaft für ihre Durch— 
ührung. Madero-Vater und Gustavo Madero sind unerwartet 
iachts nach El Paso abgereist, wo sie mit den Abgesandten 
dimantours zusammentreffen, um die morgen dort eintreffende 
Antwort des Rebellenführers Francischo Madero zu be— 
prechen. 
Die gestrige Divifionsparade, an der 8000 Mann teil— 
nahmen, dauerte eine Stunde. Das prächtige Wetter hatte 
ungeheure Scharen von Zuschauern angelockt. Es war ein 
ungewohntes Schauspiel, das selbst auf das Miilitär einen 
tiesen Eindruck machte. Der deutsche, der englische und der 
französische Militärattache waren anwesend. 
Niederlage der Albanesen. 
Konstantinopel, 3. April. Die von den aufständischen Ma— 
issoren belagerte Stadt Tuzi an der montenegrinischen Grenze 
vurde am Sonnabend durch türkische Truppen nach siegreichem 
Kampf entsetzt. Damit ist die Niederlage der Aufständischen 
ntschieden. Die türkischen Truppen haben ihren Erfolg erzielt, 
ioch bevor die von hier abgesandte Verstärkung auf dem Schau— 
olaßk eintreffen konnte. 
Die Pest auf Java. 
W. Haag, 3. April. In der Umgebung von Malang 
ruf Java sind nach amtlicher Feststellung 46 Pestfälle vorge— 
'ommen, von denen 26 tödlich waren. Mehrere Aerzte sind 
iach Malang abgesandt. Zur Verhütung der Weiterverbrei— 
ung sind streuge Maßnahmen getroffen. 
Schiffsunfälle in der Ostsee. 
W. Christiauia, 3. April. Bei Vardö wurde eine große 
Fischerflottille von einem Nordweststurm überrascht. Mehrere 
Boote werden vermißt; man hegt die schlimmsten Befürchtungen 
über ihr Verbleiben. Eine Anzahl Leichen ist hbereits an den 
Strand gespült worden. 
V. Kopenhagen, 3. April. Bei Vergen überfuhr der 
Dampfer „Fialir“ ein Boot, das vom . Sturm überrascht wor— 
den war und den Hafen erreichen wolite. Von den Insassen, 
einem Vater mit sieben Kinder, ertranken der Vater und 
vier Kinder. Die übrigen Kinder konnten von einem Rettungs⸗ 
voot aufgenonmmen werden. 
Hafenarbeiterstreiks. 
W. Mannheim, 3. April. Etwa zweitausend Hafenarbeiter 
ind wegen Lohndifferenzen in den Ausstand getreten. 
M. Paris, 3. April. Der nationale Verband der Hafen— 
urbeiter Frankreichs erließ einen Aufruf an die Hafen- und 
Dodarbeiter, von heute ab in den Häfen des Allantischen 
Dreansg und des Aermelkanals in den Nusstand au treten, weil 
ie Reeder angeblich beabsichtiglken, die Organisation der Hafen— 
Irbeiter zu zerstören. 
Wt. Vantes. 3. April. Ein Teil der Dockarbeiter 
ist ausständig. 
Wt. Kiel, 3. April. In der Kapelle des Marinefried- 
hofes fand heute nachmittag für die drei Opfer der Explosion 
uf dem Panzerkreuzer „VYork“ eine Trauerfeier itatt, 
bobei Marinepfarrer Dehmel die Gedächtnisrede hielt. So—⸗ 
dann wurden die mit reichen Kranzspenden geschmückten Särge 
neinem gemeinsamen Grabe beigesetzt. Außer den Verwandten 
daren zahlreiche Offiziere der Marine sowie auch die Kameraden 
er Toten zugegen. 
Das Befinden der Verletzten vom Kreuzer „Vork“ ist völlig 
ufriedenstellend. 
Wt. Braunschweig, 3. Aprik. Geheimer Hofrat Ernst 
zäseler, Professor für Eisenbau und Brüdenbau an der 
siesigen Technischen Hochschule, ist, wie die Braunschweigische 
randeszeitung meldet, heute im Alter von 67 Jahreu ge— 
torben. 
Wt. Leipzig. 3. April. Auf die Revision des Angetlagten 
zurde heute das Urteil des Schwurgerichts Kiel oom 17. Febr. 
ufgehoben, wodurch der Schuhmacher Friedrich Hinrich Schitd 
zegen Mordes und anderer Straftaten zum Tode und einer 
zuchthausstrafe verurteilt worden war. Die Aufhebung er— 
'olgte wegen eines Prozeßverstoßes beim Ausschluß der Oeffent— 
ichkeit. 
Wit. Kopenhagen, 3. April. Die Einigungsverhandlungen 
wischen den Vertretern der Arbeitgeberorganisationen und den 
Maurern und Tischlern sind gescheitert. Infolgedessen wird 
norgen früh die von den Acrbeitgebern angekündigte Aus- 
perrung in Kraft treten. Die Aussperrung umfaßt 11500 
Arbeiter. 
Deutscher Reichstag. 
W. Berlinu, 3. April. 
Auf der Tagesordnung steht zunächst die dritte Lesung des 
Reichsbesteuerungsgesetzes. 
Abg. Ahlhorn (Vpt.) begründete einen Antrag Gröber, 
ßrunsterman und Ahlhorn, wonach eine Gemeinde, welcher in— 
olge des Reichsbetriebs Ausgaben erwachsen, einen vieichszuschuß 
erlangen kann, sofern die in der Gemeinde wohnenden 
zersonen, welche in Reichsbetrieben beschäftigt sind, nebst Haus⸗ 
altsangehörigen mehr als 806 statt 6 der Zivilbevölkerung 
usmachen. Der Entwurf ist den Interessen der Bevölkerung 
ußerordentlich entgegengekommen, während in den Eiat bisher 
nehr freiwillige Beiträge eingestellt sind. Bisher erhielten elf 
Irte mit Marine- und Militärverwaltungen Beihilfen. Nach 
»em Entwurfe werden künftig neununddreißig Gemeinden diese 
nterstützung erhalten und zwar in allen Teilen des Reiches. Ich 
itte, den Abänderungsvorschlag anzunehmen. Nach kurzer De— 
atte wurde das Gesetz unter Annahme des Abänderungsantra— 
jes in dritter Lesung angenommen. Es beginnt die dritte 
Lefung des Etats. 
In der Generaldebatte führt 
Abg. Ledebour (Soz.) aus: Wann die Reichstagswahlen 
ommen, ist uns gleichgiltig. Wir sind im Herbste ebenso ge— 
»appnet, wie wir es im Frühiahre sein werden. Wir meinen 
iber, daß zur Bewältigung unserer Aufgaben die Session 
zerlängert werden muß. Dazu sei aber die Erweiterung und 
lbänderung des Diätengesetzes nötig. Die Erklärung des 
teichskanzlers, die Abrüstung sei praktisch undurchführbar, ist 
inzulänglich. Wegen des bevorstehenden Konkurrenzkampfes 
wischen Amerika und Enropa sollten wir die Ausgaben für 
düstungen einschränken. Wir protestieren gegen die Scheußlich— 
eiten, die vom Kapitalismus — auch den kapitalistischen Repu— 
liken — an politisch Andersdenkende begangen sind. 
Damit schließt die Generaldebatte. Es folgt die Spezial—⸗ 
ebatte. Ohne Debatte werden erledigt die Etats des Reichs— 
ags, des Reichskanzlers und der Reichskanzlei. 
Beim Etat des Auswärtigen befürwortete 
Abg. Oeser (Vpt.) den Antrag auf Einstellung eines Be— 
rages in den Etat, womit die deutschen Generalkonsulate und 
donsulate die Portokosten für die amtliche Korrespondenz mit 
Zzrivaten bestreiten sollen. 
Der Präsident teilt mit, daß über den von den Sozialdemo— 
raten wieder eingebrachten Antrag auf Wiederherstellung der 
zeizerzulagen namentlich abgestimmt wird. 
Abg. Hormann (Vpt.): Die Handhabung des Auswan—⸗ 
zerergesetzes, namentlich in gesundheitspolizeilicher Hinsicht, hat 
ich durchaus bewährt. Die Darstellung Davids, als ob die 
luswanderer unbehelligt Deutschland durchkreuzen könnten, wenn 
ie den Schnellzug benutzten, ist unzutreffend. Sofern die 
kisenbahnfahrt auf Grund eines Billetts der Schiffahrtsge— 
ellschaften zurückgelegt wird, stehen allerdings die Reisenden 
inter der Verantwortlichkeit des Lloyds und der Hamburg 
merila Linie und unterstehen der polizeilichen Kontrolle nicht. 
Im übrigen besorgen die beiden Linien den Passagierverkehr 
wischen England und Deutschland nicht mehr. 
Abg. David (Soz.): Die Darlegungen des Vorredners 
iie das unglaubliche Verhalten der Polizei im Falle des von 
england nach Wien reisenden Brautpaares noch entschuldigen 
wollen, sind geeignet, Deutschland vor dem Nuslande noch weiter 
zu diskreditieren. 
Staatssekretär v. Kiderlen-Waechter: Ich bin beauftragt, 
m Namen des Reichskanzlers zu betonen, daß die Frage der 
Fremdenpolizei ausschließlich Sache der Bundesstaaten ist. Ein 
deichsgesetz über die Fremdenpolizei haben wir nicht. Der 
ster reichischungarische Botschafter hat die Beschwerde eines 
einer Landsleute wegen angeblicher Verletzung ihrer Rechte 
nurch die preußischen Behörden uns übergeben. Eine Verletzung 
ertraglicher Rechte hat dabei nicht stattgefunden. Die vom 
Uinister des Innern über die Vorgänge erbetene Auskunft ging 
»ahin, daß auf die betreffenden Reisenden ausschließlich die 
zestimmungen der preuhdischen Verordnung über die Aus⸗ bezw. 
Rurchwanderung augewandt seien. Wenn diese die Reisenden 
efonders hart betroffen haben, haben sie es sich selbst zuzu—⸗ 
chreiben, denn sie haben sich als Auswanderet bezeichnet, trotz⸗ 
em aber die Bestimmungen für Auswanderer umgangen. Es 
iterliegt jetzt der Prüfung, wie es zu vermeiden ist, daß 
olche Härten in einzelnen Fällen eintreten. 
Abg. Hormann: Die Leute sind zurücdgewiesen, weil sie 
ich der Kontrolle der Kontrollstationen nicht gestellt haben. 
Abg. Arendt (Rpt.): Die Darstellung Davids ist so un⸗ 
zlaublich, daß sie unmöglich wahr sein kann. 
Abg. Dove (Vrt.): Unsere Fremdenpolizei liegt im Argen. 
Benn sie auch Sache der Einzelstaaten ist, ist sie doch auch 
5ache des Reiches, da Auswandererfragen leicht zu Verwick— 
ungen führen können. 
Abag. David (Soz.): Der Staatssekretär sollte uns nicht 
nit solchen kleinen Einwendungen kommen, die Reisenden hatten 
ich solhit IIs Auswanderer hezeichn⸗ 
Staatssekretär v. Kiderlen⸗Waechier: Die Frage, ob die 
xreußischen Bestimmungen sinngemäß angewandt sind, gehörr 
richt vor den Reichstag. Was die Beauffichtigung betrifft 
ann davon nichts in der Verfassung stehen, daß der Reichs 
anzler den Einzelstaat in seiner Gesetzgebung in einer Ma— 
terie, die ihm vorbehalten ist, beaufsichtigt. 
Aba. Hormann: Abg. David sprach von einem System, 
venn er das tut, macht er der Polizei und den Schiffahrts— 
sesellschaften den Vorwurf der Korruption; das muß zuruch 
zewiesen werden. 
Absg. Dove: Es ist durchaus angebracht, zu verlangen, 
daß eine reichsgesetzliche Regelung der Fremdenpolizei veranlaßt 
wird. 
Abag. David: In Kiderlen-Waechter haben wir einen 
ichlechten Wächter des Fremdenrechts. 
Abg. Prinz Schünaich⸗Carolath (natlib.): Die Reichsbe— 
sjörden sollten der Frage der Schiedsgerichte freundlicher gegen— 
iberstehen. Die öffentliche Meinung Deutschlands beweist, daß 
deutschland die Schiedsgerichtsbewegung außerordentlich gün— 
tig aufgenommen hat. Die interparlamentarische Union, der 
Abgeordnete aller Länder und Parteien angehören, vertritt 
nie Idee mit allen Kräften. (Lebhafter Beifall.) 
Abg. Stresemann (natlib.): Wir stimmen der Resolution 
Ablaß auf Portofreiheit für die Konsulatsbriefe zu. 
Damit schließt die Debatte. Die Resolution Ablaß wird 
angenommen. 
Abg. Everling (natlib.): Es ist bedauerlich, daß der Abg. 
Kohl bei dem Schulwesen im Ausland eine beabsichtigte Be— 
iachteiligung der katholischen Lehrer konstatieren zu sollen 
glaubte. 
Abg. Kohl (Ztr.): Tatsächlich werden die katholischen 
Lehrer vom UAnterricht in Deutsch und Geschichte ferngehalten. 
Abg. Pichler (3tr.): Bei jeder Gelegenheit bringt Abg. 
Everling in der Debatte konfessionelle Gesichtspunkte vor. 
Abg. Schrader (Vpt.): Konfessionelle Streitigkeiten wer⸗ 
den immer gerade vont Zentrum in die Debatte gezogen, 
Abg. Everling: Ich habe mich nicht in katholische Dinge 
eingemischt. 
Abg. Erzberger (Z3tr.): Auch wir bringen unsere Ange— 
legenheiten nur vom nationalen Gesichtspunkte aus vor. 
Abg. Ledebeur (Soz.): Ich frage, ob der russische Staats- 
bürger Montag, der 40 Jahre lang in Berlin als Kaufmann 
rnsässig war, an die russischen Behörden ausgeliefert oder aus— 
zewiesen ist. 
Staalssekretär v. Kiderlen⸗-Waechter: Es handelt sich ledig⸗ 
lich um eine Ausweisung. Er lag im Scheidungsprozeß und 
bedrohte seine Frau mit einem Revolver. 
Abg. Ledebour (Soz.)!: Die einfache Antwort des Po— 
lizeipräsidenten v. Jagow genügte dem Staatssekretär, hier 
eine schnoddrige Antwort zu geben. 
Vizepräsident Schaltz ruft den Redner zur Ordnung. 
Abg. Gotheimn (Vpt.): Die Sache ist sehr ernst, da hier 
das Ansehen des Reiches zu wahren ist. Gelächter.) 
Abg. Ledebour (Soz.): Es handelt sich hier um eine 
maskierte Auslieferung. 
Staatssekretär v. Kiderben⸗Waechter: Die Ausweisung 
erfolgte auf Aufforderung des Vormundschaftsrichters. 
Nach weiteren Bemerkungen wird der Etat des Auswärtigen 
bewilligt. 
Es folgt der Etat des Innern. 
Abg. Hengsbach begründet die Resolution der Sozialdemo- 
raten auf Ergänzung der Bundesratsverordnung betreffend 
»en Betrieb und die Anlagen der Großeisenindustrie, die Fest— 
egung der Arbeitszeit. Arbeitspausen usw., sowie eine weiter. 
esolution betreffend die Vorlegung eines Gesetzentwurfs, worin 
die Verhältnisse der für die industriellen Werke bestehenden 
Pensionskassen für das ganze Reich einheitlich geregelt werden— 
Abg. Gamp (Rpt.): Die Mehrzahl der Arbeitgeber wünschl 
ein gutes Verhältnis zu den Arbeitern. Wenn dieses so oft 
zestört wird, liegt dies an der Agitation der Sozialdemo— 
raten. 
Staatssekretär Delbrück: Ueber die gesetzliche Regelung 
»er Werkpensionskasse habe ich bei der zweiten Lesung mich 
jeäußert, eine gesetzliche Regelung sei gegenwärtig nicht an— 
zängig, da zunächst die Privatbeamtenversicherung abzuwarten 
st. Die Verhältnisse der schweren Eisenindustcie sind in den 
einzelnen Werken außerordentlich verschieden in bezug auf die 
leberstunden und die Wechselschichten. Hier können die Ge— 
verbeaufsichtsbeamten einschreiten. Schärfere weitergehende 
Vorschriften wären jetzt verfehlt. 
Abg. Vogel (nattib.!: Die sozialdemokratische Resolution 
enthält größtenteils Selbstverständliches. 
Abg. Frauk (Z3tr. verlangt Aufhebung der Sprachenpara⸗ 
graphen des Bereinsgesetzes. 
Abg. Riederloehner (kons.!: Die Bäckereiverordnung sollte 
auf dem platten Lande und in den kleineren Städten nicht so 
scharf gehandhabt werden. 
Abg. Giesberts (Ztr.) befürwortet seine Resolution auf 
Vorlegung einer Denkschrift über die Wirkung der Bundes— 
ratsverordnung für die Großeisenindustrie. 
Nach Bemerkungen der Abgg. Werner GRept.) und 
Sachse (Soz.) wurde die Resolution Giesberts angenommen 
und die Resolutionen der Sozialdemokraten abgelehnt. Bei dem 
Titel Hebung des Kaliabsatzes begründet 
Abg. Areudt (Rpt.) eine Resolution zur Hebung der Kali— 
propaganda in den Kolonien. Die Resolution wurde ange— 
nommen. 
Bei dem Titel Kanalamt begründet Abg. Wommels⸗ 
dorff (natl.) eine Resolution, den projertierten Eckernförder 
Kanal betreffend. Die Resolution wurde abgelehnt. 
Der ordentliche Etat wird bewilligt. Bei den einmaligen 
Ausgaben erörtern Stresemann (natlib.) und Rößicke (kons.) 
die Produktionsstatistik für Landwirtschaft und Industrie. 
Nach kurzer weiterer Debatte wurde der Etat des Reichs— 
amtes des Innern bewilligt. Die noch ausstehenden Resolu— 
tionen wurden angenommen. 
Nächste Sitzung Dienstag 10 Uhr. Fyrtittzung der dritten 
Lesung des Etats 
— — “ — — — 
Luftschiffahrt. 
Erste Passagierfahrt des Zeprerinkreuzers „Ersatz Deutsch⸗ 
sand“. Ucber die erste Passagiersahrt des „Ersatz Deutschland“ 
am Sonnabend wird gemeldet: Die Frühfahrt ist ausgefallen, 
a alle Teile agut waren. Nachmittags von drei bis fünf Uhr 
wurde die erste Passagiersahrt mit geladenen Gästen und 
dem Grafen Zeppelin über Konstanz, Singen, Stein und 
zurück über Konstanz, Mainau nach Friedrichshasen aus— 
zeführt. Der Flug dauerte über zwei Stunden. Das 
Wetter war herrlich. Sonntag werden weitere Fahrten 
zorgenommen. Montag und Dienstag sollen einige Aende 
rungen am Vuffschiff getroffen werden
	        
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