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Amtsblatt der freien und Hansestadt Lübed 61. Jahrgaan nachrichten für das herzogtum Lauenburg, die
Beiblatt: drnn verordnungsblatt 8R — hrge — —* gürstentümer Ratzeburg, Lubec und das angren—
εεναενα αααασειαεαιασαεοεισαοο ι zende medlenburgische und holsteinische Gebiet.
Drud und Verlag: Geb rad er Borchers G.m. b. S. in Lübed. — Geschäftsstelle Adrekß hauts Köõriastr. 45). Serniprecher 800o u. VI.
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Ausgohbe
(Große Ansgabe) Montag, den 3. April 1911.
Abend⸗Blatt Ur. 171.
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Erstes Blatt. hierzu 2. Blatt. —
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⸗ AUmfang der heutigen Nummer 8 Seiten.
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Nichtamtlicher Teil.
Kritik an Bethmann⸗hollwegs seltener
Anwesenheit im Reichstage.
D. Lübeck, 3. April.
So selten wie Bethmann⸗-Hollweg hat sich noch kein Reichs—
kanzler im Reichstage gemacht. Selbst bei der Erörterung
seines Kanzleretats war er kaum einige wenige Stunden an—
wesend. Sonst aber bleibt der erste Sessel am Bundesraistisch
für gewöhnlich leer. Das ist denn auch den Abgeordneten
aufgefallen und sie haben, soweit ihnen der Varlamen⸗
tarismus eine ernsthafte Sorge ist, schon lange ihrem Miß—
vergnügen über die geringe Beachtung des Reichstages durch
den gegenwärtigen Kanzler Ausdruck gegeben. Jetzt aber,
als Herr von Bethmann⸗Hollweg selbst bei der Lesung seines
eigenen Etats allen Gepflogenheiten seiner Vorgänger zu—
wider die meiste Zeit durch Abwesenheit glänzte, da haben
die Vertreter der Linken vor aller Oeffentlich—
keit diesen Zustand gerügt.
Es liegt nun entschieden eine Geringschätzung des Parla—
ments vor, wenn der leitende Staatsniann so wenigs selbst er⸗
cheint. Das war zu Bismarcks Zeiten ganz anders. Obwohl
nan es dem eisernen Kanzler weniger als seinen Epigonen
verdacht haben würde, wenn er den Parlamentsverhandlungen
nur selten beigewohnt hätte. Auch seine Nachfolger waren
bis auf Herrn v. Bethmann-Hollweg bei fast allen wichtigeren
Debatten im Reichstage zu sehen und vielfach auch zu hören.
Es hatte oft geradezu etwas Rührendes, wenn der alte Fürst
Hohenlohe tief in sich zusammengesunken viele Stunden auf
der Bundesratsestrade aushielt. Und vom Fürsten Bülow
weiß man, daß ihn ein Schlaganfall wegen Arbeitsüberhäu—
jung nicht daheim und nicht in seinen Anitsräumen, sondern
im deutschen Reichstage ereilte. Herr v. Bethmann-Hollweg
scheint sich demgegenüber zur Regel gemacht zu haben, so
jelten wie irgend möglich vor den Vertretern des deutschen
Volkes zu erscheinen. Man hat es sogar erlebt, daß der
fünfte Kanzler des deutschen Reichs bei Hofjagden oder Hof—
festlichkeiten zugegen war, wenn die wichtigsten Fragen der
auswärtigen Oder inneren Politik im Reichstag entschieden
wurden. Man wird sich allem Anschein nach auch noch daran
gewöhnen müssen, Herrn v. Bethmann im Parlament zu ver—
missen, ohne daß irgendwelche äußeren Gründe für sein Fehlen
mitgeteilt werden. Wenigstens in den Tagen, an welchen
ein Etat im Reichstag zur zweiten Lesung stand, hat man
es nicht für nötig befunden, des Reichskanzlers Abhmesenbeitf
irgendwie zu entschuldigen.
Man soll nun freilich nicht ungerecht sein. Das laute
Parteigezänk, das sich bei der Beratung des Etats des
Reichslanzlers erhob, in allen Einzelheiten zu hören, wird
nemand als Pflicht des Reichskanzlers hinstellen wollen.
Jedoch ist nicht zu verkennen, daß es auch dem höchsten
»olitischen Beamten des Reiches, dem verantwortlichen Leiter
der politischen Geschicke Deutschlands sehr dienlich sein kann,
die parteipolitischen Stimmungen und Strömungen aufs
renaueste an der Quelle zu studieren. Wenn lich Herr
o. Bethmann-Hollweg also bloß in diesen Stunden in
die schönen Räume des Reichstages zurückgezogen hätte, die dort
für ihn reserviert sind. so hätte wohl niemand etwas
dabei gefunden.
— —
Der Sentralausschufz der Prinzipalverbände gegen
die Sonderkasse.
Der,Zentralausschußder Prinzipalverbände
in Sachen der Pensionsdersicherung der Privat—
angestellten“ veröffentlicht jetzt eine von dem Versiche—⸗
rungssachverständigen Dr. Grumnso w-Hamburg verfaßte Denk—
schrift, in welcher die Grundlinien und die Einzelbestimmungen
des Gesetzentwurfs einer kritischen Besprechung unterzogen wer—
den. In der unserer Redaktion übersandten Denkschrift wird
bemängelt, daß sich die Verfasser des Entwurfs zum Sprachrohr
der Wünsche einer bestimmten Angestelltengruppe (Siebener⸗
fkommission) gemacht hätten, ferner erörtert sie die grundsätz⸗
lichen und praktischen Erwägungen, welche die Prinzipalität
veranlassen, gegen den Plan der Sonderkasse und für den
Ausbau der Invalidenversicherung einzutreten, und sie unter—⸗
zieht alsdann die versicherungstechnischen Unterlagen des Ent—⸗
wurfs einer Besprechung. Hierbei gelangt der Verfasser zu
dem Ergebnis, daß insbesondere der für die Ver—
waltungskosten der Sonderkasse angesetzte Auf—
schlag zweifellos zu niedrig und die für den
Satz von 2,10 gegebene Begründung direkt
falsch sei. EKine Erhöhung der Beiträge sei daher unaus—
bleiblich.
In der Einzelkritik wendet sich die Denkschrift insbesondere
gegen die Vorschläge des Entwurfs über die Begrenzung des
Kreises der «versicherungspflichtigen Personen, welche Streit—
älle ohne Zahl darüber ergeben werde, ob ein Angeitellter
inter das Angestelltenversicherungsgesetzt oder unter das In—⸗
oalidenversicherungsgesetz falle. Der Kritik der Vorschläge des
Intwurfs über die Stellung der Zwangskasse zu den pridvaten
Versicherungseinrichtungen ist ein weiterer Abschnitt der Denk⸗
schrift gewidmet. Die Dentschrift spricht schließlich die Er—
wartung aus, daß diejenigen Stellen, denen die Verantwortung
für die Ausgestaltung des Gesetzes obliege, doch noch zu der
Erkenntnis gelangen würden, daß eine befriedigendere Lösung
des Problems in dem Ausbau der Invalidenversicherung unten
Anfügung weiterer Lohnklassen erblidt werden müsse.
Die Resolutionen zur Rüstungs- und Schiedsgericht
frage,
die vom Reichsstage angenommen worden sind, haben folgenden
Wortlaut:
Den Reichskanzler zu ersuchen, nach dem Muslter de—s
unterm 12. Juli 1904 mit Großbritannien abgeschlossenen
und im Jahre 19009 verlängerten Schiedsgerichtsvertrages auch
mit anderen Mächten Schiedsgerichtsverträge
abzuschließen.
Den Reichskanzler zu ersuchen, die Bereitwilligkeit zu
erklären, in gemeinsame Verhandlungen mit anderen Groß—
mächten einzutreten, sobald von einer Großmacht Vorschläge
über eine gleichzeitige und gleichmähige Begren—
zung der Rüstungsausgaben gemacht werden.
— AfWWrVEI
euch selbst ein Urteil über ihn biiden... .“ Sie hatte dann
eine Zeitlang gedankenvoll vor sich hingeblickt, bis eine der
jungen Vertrauten sie anstieß.
„Liesbeth, woran denkst du?“ Und als Liesbeth wider
Willen errötete: „Was soll aber dann aus dem angehenden
Herun Regierungsrat werden, deinem interessanten Kurmacher,
wenn dein alter Schwarm zurüchkommt?“
„Ach, laß doch die saden Reden,“ wehrte Liesbeth ab,
die, seitdem sich der ältere, gut gestellte Regierungsbegmte
ernstlich um sie zu bemühen schien, gern einen etwas über—
legenen, blasierten Ton annahm, wenn von sogenannten Her—
zensangelegenheiten die Rede war.
Liesbeth war, wie jedes Mädchen, das in einer guten
Heirat die einzige standesgemäße Versorgung zu sehen gelernt
hat, zwar praktisch geworden, aber auch kritisch in ihrem Ge—
schmach, da es ihr an Huldigungen nicht gefehlt hatte. Der
romantische Zauber, mit dem ihre Mädchenphantasie den Ge—
genstand ihrer jugendlichen Schwärmerei umwoben hatte, war
ohne äußeren Glanz und gesellschaftliche Unantastbarkeit nicht
mehr recht denkbar für sie. Dennoch hatte Gerhatds liebens—
werte Persönlichkeit, seine ritterlich zartsinnige Art, ihr seine
Bewunderung zu zeigen, seine sieghafte, wenn auch beinahe zu
zarte Schönheit und sein herrlicher Gesang ihre Phantasi
von neuem gefangen genommen. Sie brannte darauf, ihn
ihren Freundinnen, den schwärmerischen sowohl als auch den
kritischen, zu zeigen und ihr Urteil über ihn zu vernehmen, das
ihr seinen Wert erhöhen oder herabsetzen konnte.
Karl, der Bruder und Freund, dhatte mit offenen und prü⸗
fenden Augen die beiden zu betrachten begonnen. Er mierkte,
wie Gerhard, von Liesbeths vornehmer Anmut gefangen ge
nommen, derselben mit leuchtenden Augen folgte, wenn sie
ihre kleinen, häuslichen Obliegenheiten besorgte, oder wennß
die schlanken weißen Hände eine Handarbeit hielten, auf die
sich der blonde Kopf mit den flimmernden Löchcchen auf dem
zraziös gebogenen Naden niederbeugte. Er merkte, wie er
ije ansah, wenn sie, zum Ausgehen gerüstet, schlank, schön
und vornehm neben ihm stand, oder wenn sie am Klavier saß
und er die Notenblätter für sie umwandte. Trotzdem wurde
Karl die Erinmnerung an Fräulein Adelina Allmers nicht los,
die bei ihrem unvermuseten Erscheinen im Bremer Ratskeller
Auch daß er den Saal verließ oder nicht aufsuchte,
venn gerade die sozialdemokratischen Redner sprachen, kann
hm menschlich nicht allzusehr verdacht werden. Noch mit
einem Kanzler ist die Sozialdemokratie so
rücksichtslos umgesprungen, noch leinen hat sie
o persönlich an der Ehre angegriffen, wie ihn. Wenn
eshalb jetzt die sozialdemokratischen Blätter entrüstet rügen,
zaß der Reichskanzler vor der Rede des Sozialdemokraten
Scheidemann fortgegangen und nach der Rede des Sozial
»xmokraten Frank erst wiedergekommen sei, so darf doch
vohl daran erinnert werden, daß es bei den Inter—
»ellationen über d'ie preußische Wahlrechtsreform im deuischen
keichsstag auf allen Seiten des Hauses recht peinlich
mpfunden wurde, wie unangemessen die Form war, in
»er gerade Herr Frank den Reichskanzler zur Rede stellte.
luch die Charakterisierung des Herrn v. Bethmann alses
längliche Unzulänglichkeit“ auf dem letzten sozialdemo—
ratischen Parteitage in Magdeburg stammte aus Jranks
Munde. Wenn man ferner noch die lieblichen Worte des Ab—
zjeordneten Ledebour unmittelbar vor der Abstimmung über
das Gehalt des Reichskanzlers hinzunimmt, so wird man
es Herrn von Bethmann gewiß nachsehen können, daß
er sich bei den sozialdemokratischen Reden fernhielt. Es
sst zwar erwünscht, wie Fürst Bülow behauptete, daß die
Diplomaten und Staatsmänner alle eine Rhinozeroshaut
»esißzen, aber es ist doch keineswegs VWlicht.
Trotz dieser Entschuldigung aber muß man im Interelse
des Ansehens der deutschen Volksvertretung bei der
Forderung verharren, daß der Reichskanzler mehr als seither
m deutschen Reichstage erscheint. Eine Entfremdung zwischen
dem ersten Beamten des Reiches und der Volksvertretung
ifolge allzuseltenen Verkehrs liegt weder im Interesse
der Entwicklung des deutschen Reiches noch im Interesse
unserer parlamentarischen Fortentwicklung, vor allem aber
nicht im Interesse des deutschen Reichskanzlers selbst.
Ob fie wohl kommen wird?
Roman von Renata Greverus.
(21. Fortsetzung.) (Nachdrucd verboten.)
„Ich kann es nicht so sagen, wie ich's sühle. Geld haben
diese Feintuenden ja oft nicht viel, aber“ darüber kommt
man hinweg, wenn sie selbst nicht zu viel von uns haben
wollen. So müßte die Feinheit und Bildung sie desto besser
und brauchbarer und freundlicher machen. Aber das gerade
Gegenteil kommt oft dabei heraus. Wenn sie nichts weiter
ist als fein und hübsch, wenn's in ihr leer ist und kalt,
— was hast du dann von ihr? Gerhard, die Aehren, die
io fein zierlich und gerade stehen und hoch hinauswachsen,
iind leicht und leer. — — Ich wmeiß nicht, obh du mich recht
berssehen kannst — —.“
Gerhard fahte des Bruders Hand. „Lieber Junge!“ sagte
er bewegt, „ich kenne dich ja gar nicht wieder. Denkst du
jo viel nach? Und ganz im Stillen? Was habe ich heute
alles von dir hören müssen! Lauter ernsthafte Dinge!“
„Ich bin ja immer allein,“ erklärte Hinrich. .Dann kommen
inem die Gedanken.“
„Aber sorg dich nicht um mich! Mit der Bremerin ist
es wirklich nichts! Ich kenne sie ja gut; aber — an eine
Verbindung mit ihr habe ich nie gedacht! Und die andere?
Ich werde sie ja nun wiedersehen und will an deine Worte
venken, mein Junge! Ich habe ietztlich auch viel Seltsames
erfahren, das mich zum Nachdenken gebracht hat. Und etwas
so Wichtiges wie das Heiraten übereile ich nicht.“
Hinrich hatte sich inzwischen erhoben, um die Gläser von
neuem zu füllen. Gerhard wollte ihn zurüchhalten. „Laß
mich nur,“ sagte der andere und machte sich los, „dann
kann ich wenigstens schlafen.“ Gerhard sah ihm betrübt nach
10. Kapitel.
Nach wenigen Tagen, faft um dieselbe Abendstunde, saß
Serhard an dem zierlich geordneten Teetisch der Familie
Nüder, die einige Gäste eingeladen hatte. Ein paar alte
Schulkameraden von Karl und Gerhard, die in der Stadt
wmöohnten, und außerdem eine auserlesene Anzahl von Fräu—
lein Liesbeths Freundinnen waren anwesend. Die alte Frau
Rätin oben an der Tafel sah vornehm und freundlich aus
und übersah zufrieden den Kreis. Ein junger, den angehenden
debemann verratender Arzt machte mit heiterem, etwas derbem
Zumor der Haustochter geflissentlich den Hof, ohne daß sie
onderlich darauf achtgab. Ihre Blicke wanderten oft zu Ger—
sard hinüber, der heute in seiner fröhlichen, angeregten Leb—
aftigkeit viel frischer und gesüunder aussah, als während der
ersten Tage seiner Anwesenheit. Eine Freundin, die ihn be—
»bachtet hatte, flüsterte ihr leise zu: „Es it wirklich ein
zeizender Mensch, Liesbeth.“.
Diese zuchte ungeduldig die Achseln: „Natürlich ist er
das,“ sagte sie, „sonst würden wir ihn auch nicht einge—
laden haben.“
Liesbeth hatte den Freundinnen von dem bevorstehenden
Besuch erzählt und hinzugesügt: „Ich schwärmte für diesen
Jüngling; er ist sehr hübsch und Jlatte von jeher so etwas
merkwürdig Anziehendes in seinem ganzen Wesen, obgleich er
nur ein Landmannssohn, ist. Klug ist er auch und sehr
musikalisch! Schade, daß er nicht ludiert hat.“
„Warum?“ fragte eine der Freundinnen unbefangen.
„Nun, dann hätte er doch eine ganz andere Stellung
in der Gesellschaft.“
„Was ist er denn eigentlich?“
„Kaufmann ist er — in Bremen! Natürlich kein Laden⸗
jüngling,“ fügte sie mit der ganzen Verachtung einer höheren
Beamtentochter für diesen Stand hinzu, „sondern ein angebender
Großkaufmann.“
„Reich?“ forschte wieder eine.
„Ja,“ sagte Liesbeth mit angenommener Gleichgültigkeit, „ich
glaube sogar sehr reich. Er soll auch eine sogenannte Zu—
iunft haben.“ „Ah!“ machte die eine. „o die andere. Lies—
beth fuhr fort: J
„Aber er ist plötzlich kränklich eworden; darum geht er
nicht in die Tropen, wie er es vorhatte.“
„Darum nicht?“ neckte die erste. „Oder will er warten,
bis, bis etwa jemand mit ihm geht, um ihn zu pflegen?“
„Möglich,“ sagte Liesbeth, „wenn's mit der Kränklichkeit
nicht so schlimm ist. Wir werden ja sehen. Wenn er ersl
hier il. sade ich euch alle zum Tee ein; dann könnt ihn
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