Wenn nun schon in Verbandsangelegenheiten die Urab⸗
timmung den Kirchturmsinteressen zur Herrschaft verhilft, so
führt die direkte Volksentscheidung in Staatsangelegenheiten
erst recht zu unerträglichen Zuständen. Deshalb iist Kautskus
Auffassung, daß nicht jeder Staatsbürger die gesetzgeberischen
Anforderungen erfüllen kann, die in einem modern entwickelten
Staatswesen hervortreten, und daß die Uebertragung der gesetz⸗
jebenden Arbeit von einer Versammlung an zehntausende,
unabhängig voneinander tätige Vereinigungen das Chaos zu m
Ergebnis haben müsse, ist eben unanfechtbar. Wenn trotzdem
aber das offizielle Programm der Sozialdemokratie jene sinnlose
Forderung au'stellte, so geschah es seinerzeit deshalb, weil für
eine Urheber weniger die Abwägung wahrhafter Staatsinter—
»ssen, sondern vielmehr die Umschmeichelungder Masslen
ils Leitstern gedient hat.
Inland und Ausland. 9—
Deutsches Reich.
Zur Einweihung des Denimals Kaiser Wilhelms J. ig
ztraßburg i. E., die ant 6. Mai stattfindet, wird voraus-
ichtlich auch der Kaiser nach Straßburg kommen, der sich,
vie alljährlich, um diese Zeit in den Reichslanden aufhalten
vird. Das Denkmal wird auf dem Kaiserplatzz vor dem
Tdaiserpalast, in unmittelbarer Nähe des Landesausschusses und
der Ministerialgebäude, errichtet. Die Arbeiten sind bereits
weit vorgeschritten und der Socdel selbst ist schon aufgestellt
Die Kommissien des Reichstags sür das Kurpfuschergesetz
'am auch gestern mit der Beratung des 8 4 der Vorlagé
(Verbot des Vertriebs von Arzneien durch gewerbsmäßige
Krankenbehandler) nicht zu Ende. Von einem dem Zentrum
ingehörenden Mitglied wurde darauf hingewiesen, daß bei
Annahme des 8 4 jeder Kleinhändler, der einem Kunden
in Miitel gegen Hulten empfiehlt oder auf Anfrage abgibt,
traffällig würde. Die Kommission beschloß, die Vertreter
»er Verbündeten Regierungen zu bitten, sich heute eingehend
iber diese Frage zu äußern.
Dire Jubiläumsstistung des Reichstages. Der national—
iberale Verein München hat in seiner Generalversammlung
ine Resolution gefaßt, die ein scharfes Tadelsvotum der Partei
in den Reichstagspräsidenten in sich schließt und folgenden
Wortlaut hat: „Die Generalversammfung mißbilligt die un—
vatriotische Art, wie der Präsident des Reichssstages, Graf
»on Schwerin-Löwitz den vierzigsten Geburtstag des deutschen
neichstages, der Vertretung des geeinigten deutschen Volkes,
iur so flüchtig hin erwähnt hat. Sie bedauert insbesondere
ebhaft, daß erst Kundgebungen ausländischer Volksvertretun—
jen ihn zur Erfüllung seiner patriotischen Pflicht veranlassen
nußten.“
Die Reichssstagskommefsien süe die elsaß⸗lothrngischen Ver⸗
affungsgesetze beschloß gestern über den Paragraphen 2 des
Wahlgesetzes, die Wahlberechtigung betreffend, den Besitz der
Reichsangehörigkeit vorschreiben zu wollen, ebenso das 25.
2ebensjahr und den dreijährigen Wohnsitz, jedoch nicht im
Wahlkreis, sondern in Elsaß-Lothringen. Für diejenigen Ein—
vohner, die in Elsaß-Lothringen ein Wohnhaus besihen, ein
tehendes Gewerbe oder Landwirtschaft selbständig betreiben,
oder ein öffentliches Amt ausüben, Religionsdiener, Lehrer;
der össentlichen Schulen und Rechtsanwälte sind, soll ein ein—
ähriger Wohnsitz ausreichen. Für diele Voraussetzungen ist
der Zeitpunkt der Wahl maßgebend. Unter den Gründen für
en Ausschluß der Berechtigung zum Wählen, wurde die Bestim—
mung, daß die Wahlberechtigung bei Personen ruhen solle,
iber deren Vermögen der Konkurs eröffnet ist, während der
Dauer des Konkursverfahrens aufrechterhalten, die weitere
Bestimmung, daß sie eventuell noch fünf Jahre nach Been—⸗
digung des Verfahtens ruhen soll, wurde jedoch gestrichen,
ebenso wurde die Bestimmung gestrichen, daß Personen, die
vegen Landstrescherei und Bettelns rechtskräftig verurteilt sind,
ür die Dauer von drei Jahren von der Wahlberechtigung
ausgeschlossen sein sollen. Zum Paragraphen 3 wurden mit
aroher Mehrheit die Pluralstimmen gestrichen, so daß jeder
Wahlberechtigle unterschiedslos nur eine Stimme hat. Para⸗
zraph 4 betreffend die Bestimmungen über die Wählbarkeit
zlieb unverändert. Zum Varagraphen 7 betreffend den Wahl⸗
ag wurde ein sozialdemokratischer Antrag angenommen, die
Wahlen Sonntags vorzunehmen. Damit ist die zweite Lesung
oes Wahlagesetzes beendet. Nächste Sitzung nach den Oster—
erien. (Tel.)
Die Kanalfrage im hannoverschen Stadtverordnetenkolle⸗
zium. StadtdirektorTramm nahm in der Sitzung
»er Stadtverordneten Gelegenheit zu einer Erklä—
ung auf die Vorwürfe, die im preußischen Abgeordne—
senhause in der Hafenfrage gegen die Stadt Hannover erhoben
ind. Der Stadtdirektor betonte, man verkannte im Ab—
jeordnetenhause die gesetzliche Grundlage für den Bau von
zanalhäsen. Die Stadt habe lediglich eine Garantieverpflich-
ung, der Hasfenbau selbst sei ihrer freien Entichließung über—
lassen. Es sei unrichtig, den lokalen Regierungsbehörden vor—
zuwersen, daß sie der Stadt gegenüber nicht energisch genug
gewesen seien. Ich halte im übrigen Punkt sür Punkt das
rusrecht, was ich früher gesagat habe. Die Zentralinstanz in
Berlin hätte die Stadt vier Jahre über ihre Absichten wegen
»er Gestaltung der Kanalhäfen im Unklaren gelassen und
»ann die Tarise so gestaltet, daß der Nordhafen tot ge—
vesen sein würde. Neuerdings gestand der Minister eine
zünstigere Tarifierung unter der Bedingung zu, daß die Stadt
ich rechtsverbindlich verpflichte, den Nordhafen mit Anschluß—
geleisen zu bauen. Ob die Stadt die Verpflichtung erfüllen
önne, lasse sich heute noch nicht übersehen. Au dem Ojthafen,
ꝛer dem Umschlagsverkehr dienen solle, habe die Stadt kein
Interesse, sondern dieser Hafen könne nur gebaut werden
auf Kosten der sämtlichen Garantien und des Staates. Wenn
im Ranalgesetz eine solche Möglichkeit nicht vorgesehen äͤst,
'o müsse diese Möglichkeit geschaffen werden. Der Kanal
ei als Verbindungsglied zwischen dem Rhein und der Elbe
zedacht und aus politischen Gründen nur bis Hannover be—
chlossen. Die Stadt müsse deshalb mit der Fortsührung
des Kanals rechnen und könne nicht gezwungen werden, die
uingeheuren Kosten für die Hafenbauten allein zu übernehmen.
Die Ausführungen fanden allgemeine Zustimmung.
Die Kommission sür das Fruerbestattungsgesetz lehnte den
Entwurf auch in zweiter Lesung mit 7 gegen 7 (vier von
oen fünf Konservatimen und 3 Zentrumsstimmen )Stimmen ab.
heer und Flotte.
W. Berlin, 31. März. „Scharnhorst“ mit dem Chef des
Kreuzergeschwaders, „Gneisenau“, „Leipzig“ und das Torpedo—⸗
oot „Taku“ sind am 30. März von Tsingtau in See gegangen.
„Seeadler“ ist am 31. März in Daressalam, „Brandenburg“
am 29. März in Kiel eingetroffen. Poststation fuͤr den Verband
ver Schul- und Versuchsschiffe, bestehend aus „Friedrich Carl“,
Württemberg“, „Kaiser Wilhelm II.“, „Brandenburg“, „Prinz
dalbert“, „Augsburg“, „Danzig“ und „München“ sowie die
2. 3., 5. und 6. Torpedobootsflottille für den 8. bis 6. 11.
und 12., 18. bis 20. und 25. bis 28. April Saßnitz, für den
7. bis 10. und vom 21. bis 24. April Swinemünde (3. Flot⸗
ille für den 21. bis 24. April Saßnitz, den, 13. bis 17. und
»om 29. April ab Kiel, „Württemberg für den 13. bis 17. April
xensburg). Telegrammadresse sür den 3. bis 6., 11. bis 125
28. bis 20. und 25. bis 28. April über Arcona.
— u
Neueste Nachrichten und Telegramme.
Der Kaiser auf Korfu.
Mt. Korfu. 81. März. Der Kaiser, die Kaiserin, und
die Prinzessin begaben sich im Automobil heute nachmittag
om Achilleion zum Hafen und an Bord der „Hohenzollern“,
der Dampfer,Prinzregent Luitpold“ lief um 3 Uhr 15 Min.
in. Der Kronprinz und die Kronprinzessin standen auf
er Brücke des Dampfers. Der Kaiser befand sich auf der
dommandobrücke, die Kaiserin und die Prinzessin auf dem
ßromenadendeck der „Hohenzollern“. Während der Dampfer
in der Kaiserjacht vorbeisfuhr, waren die Mannschaften der
Hohenzollern“ auf Deck angetreten und brachten ein drei—
aches Hurra für den Kronprinzen uud die Kronprinzessin
us. Die Herrschaften winkten einander zu. Die Majestäten
mpfingen dann mit der Prinzessin die kronprinzlichen Herr⸗
haften am Fallreep mit Kuß und Umarmung. Der Kron—
rinz im Bordiackett und weißer Mütze, die Kronvprinzessin
anz in Weiß, sahen vorzüglich aus. Bald nach 4 Uhr
egaben sämtliche Herrschaften sich gemeinsam an Land, wo
e vom Publikum überaus herzlich begrüßt wurden und fuhren
mn Automobil nach dem Achilleion, wo der Tee eingenommen
vurde. Dann fand Abendtafel statt. Die kronprinzlichen Herr⸗
chaften wohnen auf der „Hohenzollern“. Graf von Platen
berreichte der Kronprinzessin einen Blumenstrauß mit einer
schleife aus Mützenbändern der Kaiserjacht.
Explosion auf dem Panzerkreuzer Vorl“.
Wt. Kiel, 31. März. Auf dem in der kaiserlichen Werft
iegenden Panzerkreuzer „Vork“ erfolgte heute nachmittag gegen
us Ahr bei der Uebernahme von Spiritus eine Explo⸗
son. Dabei wurden getötet: ein Obermaschinistenmaat und
wei Maschinistenmaate, verwundet wurden ein Maschi—
nistenmaat, zwei Heizer und ein Werftarbeiter. Die Flotte
m Bafen hat halbstock geflaggt.
Wi. Kiel, 31. März. Die bei dem Unfall auf dem
Banzerkreuzer „VYork“ Getöteten sind: Obermaschinisten⸗
naat Genske und die Maschinistenmaateir Eig und Paethe.
Zum Reichszuwachssteuergesetz.
Wt. Berlin, 31. März. Der Minister des Innern und
»er Finanzminister wiesen nach einer Mitteilung der Berliner
orrespondenz die Regierungspräsidenten an, bekanntzugeben,
ab, da es zweifelhaft ist, ob der Entwurf des preußischen
lusführungsgefetzes zum Reichszuwachssteuergesetz noch bis zum
. April 1811 verabschiedet wird, bis zum Erlasse des Gesetzes
is 88 1, 3 und 5 des Gesetzentwurses maßgebend sein
ollen.
Inter essante Aervplau⸗Fern age.
W. Nienburg a. d. Weser, 31. März. Die Militärflieger
ind gegen 11 Uhr in Langendamm bei Nienburg gelan—
et und kurz vor 12 Uhr nach Hannover weitergefahren.
W. Sannover, 21. März. Die Militärflieger Erler und
Mackenthun passterten um 10 Uhr 25 Minuten in schneller
Fahrt Nienburg.
W. Sannorer, 31. März. Die Militärflieger Erler und
Nackenthun sind 3 Kilometer von Schessinghausen abermals
elandet.
W. Schessinghausen, 31. März. Die Landung der Militär—
lieger erfolgte gegen 12 Uhr. Bei dem Fluge hat der
tarlke Wind das Flugzeug so sehr hin und her geschleudert,
»aß den Fliegern die Fortsetzung der Fahrt nicht geraten
chien. Der Apparat ist unversehrt.
Wt. Haunnover, 31. März. Die beiden Militärflieger
ind um 6 Uhr abends von Schessinghausen wieder aufgeftiegen
ind um 6 Uhr 37 Minuten in prachtvollem Gleitfluge auf
er Vahrenwalder Heide glatt gelandet. Nach der Landung
ourde der Apparat, der völlig intakt ist, in die Jathosche
rliegerhalle gebracht. Die Weiterfahrt über Braunschweig
iach Berlin wird voraussichtlich morgen nachmittag erfolgen.
W. Jjfy les Moulineaux, 31. März. Der Flieger Ver—
rine ist heute morgen um 6 Uhr 18 Minuten von Poitiers
bgefahren und in Paris um 8 Uhr 30 Min. eingetroffen.
kr ist mit einer Geschwindigkeit von 146 Kilomelern in der
Ztunde gefahren.
Der Anfang des Lorraine Sporlive⸗Prozesses.
W'. Metz, 31. März. Vor der Strafkammer begann der
Prozeß wegen der Ausschreitungen der Lorraine Sportive
»om 18. Januar. In Erwarktung eines großen Zudrangs
vurde für die Verhandlung der Schwurgerichtssaal freigemacht.
der Zudrang war nicht sehr bedeutend. Angeklagt sind neun
unge Leute, darunter der Vorsitzende der Lorraine Sportive,
zamain. Für die Verhandlung sind drei Tage in Aussicht
enommen. Samain, der französisch antwortete, wurde ersucht,
eutsch zu sprechen, da ihm dies geläufig ist.
Große Verluste an Menschen beimn Aufstand in Mexiko.
V. Nogales (Arizona), 31. März. Nach Gerüchten sind
n den Kämpfen, die seit Montag in der Nachbarschaft von
lres in Mexiko zwischen den Regierungstruppen und den Auf—
tändischen stattfinden, auf beiden Seiten etwa 1000 Mann
efallen.
W. Berlin, 31. März. Wie das Gouvernenent Kiau—
schou aus Tsingtau meldet, verläßt die zweite Staffel der
nlählich der Pestabsperrungsmaßregeln zurückbbehalienen Mann⸗
chaften in Stärke von 40 Köpfen mit dem Dampfer „Lützow“
m 1. April Schanghai, während die dritte Staffel mit
em Rest von 20 Köpfen mit dem Dampfer „Kleist“ am
2. April von Tsingtau aus die Heimreise antritt. Das
Schutzgebiet ist bisher seuchenfrei.
Wt. Berlin. 31. Märs. In der gestrigen Sitzung des
bundesrates wurde der Vorlage betreffend die Grund⸗
ätze für die Festsetzung der Beteiligungsziffern der Kaliwerks—
zesitzer die Zustimmung erteilt. 2*
Wt. Oldenburg. 31. März. Die dritte Versammlung
des 31. Landtages wurde heute durch den Minister Ruh—
trat 1 geschloften
Wit. Wien, 81. März. Kaiser Franz Josef hat bestimmt,
daß das erste im Bau befindliche Schlachtschiff zu 20 000
Tons den Namen „Viribus Unitis“ erhalte und am
24. Juni vom Siapel gelassen werde.
Wit. Kopentagen, 31. März. Endgültig nahm der Reichs⸗
tag den Gesetzentwurf über die Erneuerung des Schieds«
gerichtsvertrages mit England an.
W. Konstautinopt. 31. März. Ein Bataillon Infanterie
und eine Maschinengewehrkompagnie sind nachts nach Sku⸗—
tari abgegeben. Aus Skutari wurden Maschinengewehre und
Kanonen ins Kastratigebiet beordert.
Wit. Boston, 31. März. Der Professor der Patholog ie⸗
an der Harvard-⸗Universität Theobald Smith wurbe zum
Austauschprofsessor an der Berliner Universität er⸗
nannt.
Deutscher Reichstag
W. Berlin, 31. März.
Am Bundesratstisch: Staatsselretär von Kiderlen⸗Wächter,
Krätke, Dr. Lisco und Staatssekretär Wermuth.
Der Etat des Reichskanzlers pird weiterberaten.
Abg. Frank-Mannheim (Soz.): Die Abrüstungsfrage wird
hier zu oberflächlich behandelt. Ter Reichskanzler sagte, die
riege werden nicht mehr durch die Kabinette, sondern durch die
Volksstimmung hervorgerufen. Wenn eine solche Berufung auß
die Volksstimme erfolgte, steckt sicher eine reaktionäre Tendenz
»ahinter. Die Volksstimmung ist überall gegen den Krieg. Dem
keichskanzler bleibt der Ruhm, der Friedensliebe Deutschlands
n der Welt wieder einmal einen schlechten Namen gemacht zu
„aben. Ein schwarzblauer Block besteht auch im Bundesrat,
ꝛas zeigt sich bei der Reichsfinanzreform und jetzt wieder bei den
Schiffahrtsabgaben. Maßgebend sür die abfällige Kritik Heyde—
brands an der elsaß⸗-lothringischen Verfassung, die bald den Fall
Bethmann Hollwegs nach sich ziehen wird, war lediglich die
Wahlrechtsfrage. Die nächste Reichstagswahl wird die Volks—
abftimmung auch über das preußische Wahlrecht bedeuten.
Die Nationalliberalen bemühen sich nach allen Kräften, wieder
n den schwarzblauen Block hineinzukommen. Wir werden mit
»en Liberalen zusammen die Reakfion bekämpfen, behalten uns
iber alle Aktionsfreiheit vor. Nötigenfalls werden wir jedoch
auch die Liberalen bekämpfen. (Beif. b. d. Spz.)
Graf Westarp (kons.): Einen persönlichen Vorstoß hat
zeydebrand gegen den Reichskanzler niemals unternommen. (Sehr
ichtig! rechts. Fuür die Haltung der Liberalen ist es bezeich—
iend, daß in der gesamten liberalen Presse in der Rede des
eichskanzlers unterschlagen ist, daß gesunde Reichsfinanzen die
Folge der Reichsfinanzreform sind. Cebh. Hört! hört! rechts,
zroßer Lärm links.) Eine unwiderlegliche Tatsache ist es, daß
»ie Finanzen tatsächlich gesundet sind. Demgegenüber siellen
wir fest, daß eine steigende Konjunktur eingetreten ist. Mit
den Schlagwörtern der Liebesgabe an die Brenner und anderen
ollte ein ernster Politiker nicht mehr operieren. Eine derartige
Lgitation zur Verhehung aller Stände ist nicht sozial. (Sehr
ichtig! rechts.) Die Finanzreform war eine unbedingte Not—⸗
rendigkeit, um der Finanznot ein Ende zu machen. Steuern
ind stets unbeliebt, und es ist nicht schwer, ihre Unbeliebtheit
auszunutzen. (Der Reichskanzler betritt den Saal.) Die Na—
ionalliberale Korrespondenz spricht von der konservativen Po—
itik als von einer systematischen Unsauberkeit, einer bewußten
Unwahrheit und wahrhaft jesuitischer Hinterlistigkeit. Es ist
eine schwere Schuld der gegenwärtigen Parteileitung der Na—
ionalliberalen, daß sie solche Art des Kampfes inauguriert.
Lebhaites Bravo! rechts. Für Konservative ist die Stel—
ungnahme zur Sozialdemokratie die beherrschende Frage bei
ven nächsten Wahlen. Machen Sie (zu den Nationalliberalen)
es unseren Wählern nicht unmöglich, den Unterschied zu er—⸗
ennen, der zwischen Ihnen und der Sozialdemokratie ist. (Sehr
richtig! rechts. Wir haben den Kampf nicht gewollt, wir sind
»azu durch Reden Bassermanns und Wiemers gezwungen. Wir
verden den Wahlkampf führen in der Siegeszuversicht, die unser
autes Gewissen mit sich bringt. (Lebhaftes Bravo! rechts.
Zischen links. Erneutes Brabo! rechts.)
Abg. Fürst Hatzfeldt Reichsp.): Der Reichskanzler hat
ich gegen die Abrüstungsvorlage ausgesprochen und sich dabei
als Realpolitiker bewiesen. In dieser Sache stimmen wir ihm
voilkommen bei. Mit der auswärtigen Politik Deutschlands
sind wir zufrieden. Den Riß zwischen rechts und links bedauern
vir. Wir würden es lebhaft begrüßen, wenn sich die bürger—
ichen Parteien wieder vereinigen ünnten. Die Wirtschaftslage
Deutschlands hat sich weiter erfreulich gehoben. Wir werden
s uns stets zur Ehre anrechnen, daß wir mitgewirkt haben
»eim Zustandekommen der Finanzreform (Bravo! rechts), auch
venn wir nicht mit allen Einzelheiten zufrieden sind. Beifall
echts.)
Abg. Furrmann (natl.): Daß sich die Finanzen gebessert,
haben wir nie geleugnet. Wir leugnen nur, daß die Reform
in Erfolg war. Die Frage wird sein, ob die konservative Po—
itik ein Glück oder ein Unglück für das Vaterland war. Bei den
dachwahlen haben wir unsere Pflicht geian. Dagegen agitieren
onservative Führer offen und unter allen Umständen gegen
die Nationalliberalen. Unzuverlässiger als das Zentrum, in bezug
zuf die Haltung der Sozialdemokratie gegenüber, kann keine
Partei sein. (Lebhaftes Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.
Widerspruch.)
Nach weiteren Ausführungen wird der Rest des Etats
»hne wesentliche Debatte bvewilligt. Die Resolution auf Er—
jöhung des' Fonds für die deutschen Schulen im Auslande
vwird angenominen.
Nächste Sizung Sonnabend 11 Uhr. Etat des Reichs⸗
schatzamies, der Zölle ꝛc.
— — — — ö— —— — — eçe — —
Telegranhische Kurs- und NMarktheriehte.
WV. Rerlin, 31. Mara. Sehblusskurse.
UVltimo-Kurse. 39. 31. Dltimo-Kurse. 30. 31.
iheok-Büchena. Bis. 189.87 189.87 Abs. Am.-Packett. 144.25 144.25
ombarden 20.37 29.37 Norddentsch. Hoyd 103. 12 10325
zerlin. Handelsges. 174.75 175. — Lanrahütte 175.162 175.55
)eutsche Bank 267. - 2606.37 Bochumer 236.- 23625
)resdonor Bank 160.87 160.535 Dortmund. Union S. ——
disconto⸗Command. 193.12 193 25 Pynamit· Trost —188.50 188.75
Ddestr. Kreditbank 212. 62 212. 251 Prirat-Diskont: 34*
8chlass: Fest.
Rübeck, 31. März. Hornviehmarkt. Auftrieb am 30. März.
O Rinder, und zwar — Ochsen, — Bullen, 10 Kühe u. Jungrinder,
avon 4 Stück aus der Quaranfäneanstalt,6 hid aus denm
Inlande. Es wurden für 50 Kg. Schiachtgewicht bezahlt 1. Qua⸗
ität mit 75 bis 80 M. W, Qualifät mit 60 bis 4 M.3 Qualitat
nit, 63 bis 88 M, 4 Qualität mit 55 bis 60 M. Bullen mit 68 bis
M. 7 Schweinem arkt Auftrieb 408 Schweine aus dem Inland,
—— M, fette
hwere Ware mit 53 bis 4 M. Versandschweine —.bdie
Sauen mit 49 bis 82 M. — Ldlußerdem noch 23 fette Hteri
2 95. M. 26 Sdafe mit 80 - 95 N. Ausnahmeware wurde üben
Lotiz bezahlt. Der Markt in Schweinen war infoige der größeren
zufuhr flau, in Kälbern und Sqaten dagegen qu