Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

zerbundenen Mittelstandselementen. (Sehr richtig! b. d. Nl)] 
In dem Rundschreiben des Herrn Rogallg v. Bieberstein, das 
vährend der Wahlkampfes in Lyck verbreitet wurde, steht, daß 
ie Nationalliberalen die schlimmsten Feinde der Laudwirt— 
chaft seien. Sie seien Börseniobber, Schlotiunker und Kohlen⸗ 
varone. (eiterkeit rechts.) Das erinnert mich an die Zeiten, 
wo wir den Zolltarif geschaffen haben. In unserer Fraktion sind 
eine aroße Menge Landwirte und Mittelstand-Existenzen. Der 
Jolltarif mit seinen starken Erhöhungen der Zölle für landwirt⸗— 
chaftliche Produkte, mit seinen Mindestzöllen wurde in den 
dreisen der Landwirtschaft aufs höchste nefeiert; es hieß, daß 
adurch eine Gesundung der Landwirtschaft eingetreten sei Gegen 
ziesen Zolltarif aber haben gestimmt die Herren Dr. Hahn, Dr. 
Rösicke, v. Normann, Dr. Oertel, v. Oldenburg, Schrempf, Frhr 
. Wangenheim, — alles hervorragende Koriphäen des Bundes 
der Landwirte. Im Landtage hat Dr. Hahn späterhin ausge— 
ührt, man habe dem Zolltarif nicht zustimmen können, weil er 
zänzlich einseitig nur hohe Industriezölle empfiehlt und keine aus. 
eichenden Aararzölle. Das ist der Gipfel einer übertriebenen 
Aararpolitik. Sie sprechen ia auch so oft vomn Bauernbund, 
er, auch in den ostyreußischen Gefilden seine energische Tätigleil 
utfaltet. Dieser ist ebenfalls eine selbständige Organisation. 
Vizepräsident Dr. Spahn, den Redner unterbrechend: Der 
zerr Reichssskanzler hat mit den Bauernbund nichts zu tun. Große 
indauernde Heiterkeit; Zuruf aus dem Zentrum; Wahlreden 
draußen halten! Große anhaltende Unruhe links) Wenn Sie 
ich dagegen wehren, daß ich den Standpunkt der uationalliberalen 
Partei klarlege, so spricht das für sich selbst. Meine Ausführungen 
hiingen eng zusanmen mit der Haltung der Verbündeten Ne⸗— 
zierungen und mit der Finanzreform, an die sich sowohl die 
Bründung des Hansa-Bundes, wie des Bauernbundes anschloß. 
Ich wollte übrigens nur noch einen Satz beifügen. Die Tatsache, 
)aß ein solcher Bauernbund vorhanden ist und in gewissen 
reundschaftlichen Beziehungen zu manchen Mitagliedern meiner 
Partei steht, ist doch wiederum nur ein Beweis für unser land⸗— 
virtschaftsfreundliches Programm. Wir denken nicht daran, 
as, was wir im Laufe der Jahre mit dem Kolitarif und den 
Zzandelsverträgen erreicht haben, aufzugeben, wenn Sie auch noch 
oviel darüber streiten, ob wir heute noch eine Mittelpartei sinb, 
ind das Heidelberger BProgramm noch anerkennen. Sie 
nagen, wie kann eine solche Vartei sich verbünden mit der Volks- 
partei? (Zuruf: Und mit den Sozialdemokraten. Heiterkeit) 
Von unserni verehrten Zührer v. Bennigsen ist aufs schärsste betont, 
daß die nationalliberale Partei eine liberale Mittelpartei ist. Er— 
nnern Sie sich an die Auseinandersetzungen, die wir mit Ihnen 
hattlen über die Wahlrechtsfrage, wo wir über den nicht genügenden 
Siufluß des deutschen Bürgertums klagten und darauf hinwiesen, 
daß dieser auf die Tatsache zurückzusühren ist, daß die liberalen 
ßarteien fich in einer Benge wichtiger, auch kultureller Fragen, 
icht zu einigen vermögen. Die groͤßte Erschwerung fuͤr die 
hbandelspolitik, die wir haben wollen, liegt darin, daß die— 
enigen Elemente, die damals gegen den Zolltarif gestimmt haben, 
u stärkerer Zahl in den Reichstag zurückkehren können. Dami 
ourden wir hineinsteuern in die Zeiten des Minimal- und Marximal— 
arifs, Handelsverträge würden überhaupt nicht mehr abgeschlossen 
verden können, und der Schluß würden Zollkriege sein. Wir wollen 
ie nationale Arbeit schützen, aber das Schutzzollsystem nicht so 
ibertreiben, daß Handelsverträge überhaupt nicht mehr möglich sind. 
Daß wir uns zur Wehr setzen, wenn Sie (nach rechts) den lebten 
Nationalliberalen aus Hannover treiben wollen, darf Sie nicht 
pundern. Durch die Aufnahme der Herren Hahn und Rösicke hat 
die konservative Partei dokumentiert, daß der Bund der Land— 
virte eine konservative Organisation ist. Von diesem Moment ab 
ahen wir den Einfluß der Bundessührer und damit die Verschlechte⸗ 
ruung der Beziehungen zu uns. Das haben wir genau gespürt, vor 
Alem bei den Verhandlungen über die Finanzresorm, wo die Agi— 
ation gegen die Erbschaftssteuer in die konservative Fraktion hinein⸗ 
getragen wurde (Lachen rechts). Heute ist die politische Situation 
zecherrscht von den Haß gegen den Liberalissmus. Es 
nag Ihnen unbequem sein, daß der Liberalismus verstärkt in die 
Ditmarken eintritt, daß er versucht, dort Neuland zu gewinnen, aber 
venn wir gerufen werden zum Kampf gegen Sie, so würden wir 
msere Pflicht nicht tun, wollten wir solchem Ruf nicht Folge 
eisten. Sie reden immer von Begünstigung der Sozal— 
demokratie durch uns, von dem badischen Großblock. Num, in 
Franksfurt a. O. und in RNeustadt-Landau hat der Bund der Land— 
virte die Kreise den Sozialdemokraten ausgeliesert. Nur noch Monate 
trennen uns von den Wahlen. Der Aufmarsch der Parteien ist er— 
olgt in einer Weise, wie das früher in Deulschland nicht geschehen 
st. Wir stehen auf, dem Boden, daß ein starker Liberalis— 
nus in Deutschland eine Notwendigkeit ist. Wir 
ind überzeugt, daß wir damit dem monarchischen Gedanken am besten 
ienen. (Lachen rechts.) Wir werden den Kampf mit aller Energie 
ühren sür unsere gule liberale Sache. (Stürmischer Beifall lins 
Zurufe rechts: Und die Sozialdemohratie?) 
Abg. Dr. Wiemer F. Vp.): Auf alle von dem Vorredner be— 
rührten Fragen der auswmärtigen Politik will ich nicht eingehen; ic 
vill auch nicht aquf die Frage der Handelspolitik heute näher ein— 
jehen, wie es der Graf Kanlitz getan hat. Es hat mich nicht ge— 
vundert, daß er sich erneut zu den hochschutzzöllnerischen agrarischen 
Anschauungen bekannt hat, die wir an ihm kennen. Er hat be— 
auert, daß wir, durch die langfristigen Handels⸗- 
verträge an eine Kette gelegt sesen. Wir halten es für ein 
Blück, daß solche langfristigen Handelsverträge geschlossen 
iind. und, die Ruhe auf dem Gebiete der Wirt— 
eeneee nicht durch Zollkriege usw. gestört wird. 
Wenn auch die Industrie über die Wirkungen der leßten Handels— 
erträge klagt, so nur deshalb, weil es nicht gelungen ist, bei deren 
Abschluß die industriellen Interessen besser zu wahren. Bei der 
Erneuerung der Handelsverträge wird hierfür Sorge getragen 
verden müssen. In die Verhandlungen zwischen Kanada und der 
merikanischen Union haben wir hier nicht einzugreifen, aber das 
dorf konstatiert werden, daß das wirtschaftliche Abkommen zwi⸗ 
scchen beiden der erste Schritt zur Abwehr — RA— 
Hestrebungen ist, die hoffentlich auch bis zu uns nochwirken werden. 
Bute und freundschaftliche Bestrebungen zu Euglansd.,haben wir 
tets eifrig gewünscht und gefördert; wir agn uns, daß das poli⸗ 
ische Verhaͤltnis Deutschlands zu Enhiland sich hebeftert dat, dah 
zas Mißtrauen allmählich zu weichen beginnt und das Vertxauen 
urückkehrt. Auch die Besserung inserer Beziehungen zu Rusß⸗ 
and begrüßen wir. Wir haben uns von der Ueberschätzung der 
Lotsdamer Zusammenkuuft ferngehalten und die politischen Binge 
jach wie vor nüchtern betrachtet. Wir können es aber nicht wün⸗— 
chen, daß unsere konstitutionellen Einrichtungen auf die gleiche 
Stufe mit den russischen gestellt werden. CLebh. Zustinimung 
inks.) Den mit der Bagdadbahn erzielten Erfolg sollte mañ 
och nicht immer fort in bengalischer Beleüchtung erstrählen lassen. 
zedeutung und Wert des Dreibundes dürfen nicht unter⸗ 
hätzt werden. Italien weist mitunter Strömungen nach der 
ranzösischen Seite auf; aber die für scine Haltung verantwort— 
Wen nen haben doch niemals Entscheidungen getroffen, die 
ich mit seiner Stellung im Dreibunde nicht vereinbaren ließen 
Aie Politik der Konservativen“ in Reichstag und Landtag, ihr Ein— 
luß quf die Regierung krägt vor allem zu dem Wachstim der 
Svgigldemokratie und der Steigerung ihrer Wahlstimmen bei. Die 
ortschrittliche Volkspartei, weiß ganz genan, daß die bestehenden 
iefen Gegensätze zwischen ihrer und der sozialdemokratischen Welt— 
inschauung auch weiter bestehen werden und dielse Gegensötze 
verden auch bei den lommenden Wahlen, zum Ausdruck kommen, 
vie die jünaste Hamburger Rede des Abg. Bebel be⸗ 
»iesen hat. Wenn dem gegenüber Konserbvative von einem Raltum 
uf Leben und Tod zwischen uns und den Sozietdemokraten ge— 
orochen haben, so paßt zu dieser Behauptung schlecht die in Reso— 
ntionen festgelegke Taktik, daß bei Stichwahlen zwischen diesen 
„iden Parteien die Konservatiben und auch das Zentrum entweder 
Hewehr bei Fuß siehen oder den Sozialdemokraten wählen werden. 
olche Erklärungen bedeuten doch nur eine offene und bewußte 
»örderung der Sozialdemokratie; es ist eine Desperado-Politik. 
Zuruf rechts und im Zentrum: Wie machen Sie es dennd Ruf: 
Hießen!) In Bezug anf die Finanzreform trete ich den Aus— 
ührungen des Abag. Bafsermann bei. Wir wollen sehen, wie 
veit Sie mit dem Zentrum und den Polen bei den nächsten 
Wahlen kommen. Wir werden alles kun, um eine möglidgt ein— 
Feitliche Front des liberalen Bürgertums herbeizuführen, um die 
etzigen realtionären Zustände zu beseitigen. Ob wir dabei Er— 
olg, baben werden, darüber wird das deutsche Volk entscheiden. 
Gelächter rechts.) Sie wollen hinter Ihrem Lachen nur Ihre 
SZyrgen gegenüber den nächsten Wablen verbergen. Wir sind 
ereit und sehen den nächsten Wahlen mit Ruhe entgegen, je 
näber dieser Zeitpuntt ist. umso befser. (Debbafter Reifau urts) 
Reichskanzler v. Bethmann Hollweg: . 
Ich werde nicht über Elsaß-Lothringen sprechen, dafür wird 
ich Gelegenheit bei der zweiten Lesung der Gesetzesvorlage 
ieten. Auch auf die parteipolitischen Exörterungen des Vor⸗ 
edners werde ich nicht eingehen. Ich erkenne aber dankbar die 
Arbeitsfreudigkeit an, die er mir für seine Partei bis in den 
rüchsten Winter hinein versprochen hat. (Große Heiterkeit.) Auch 
in dem lebhaften Nachgefecht über die Reichsfinanzreform will 
sch mich nicht beteiligen. Sehr viel wird dabei nicht heraus⸗ 
pringen. Der eigentliche Kampf ist längst ausgefochten. Gesunde 
Reichsfinanzen sind seine Folge (Lebhaftes Bravo im HZentrum 
ind rechts), und dieser Tatsache wird fich auch das Volk auf die 
dauer nicht entziehen können. (Sehr richtial) Ich habe das 
Bort erbeten, um einige kurze Ausführungen zu der, Frage der 
brüstung und der Schiedsgerichte zu machen. Der sozialdemo⸗ 
ratische Antrag verlangt, ich solle Schritte tun, um eine inter⸗ 
jationale Verständigung über eine allgemeine Einschränkung der 
Rüstungen herbeizuführen. In der Tat wird der Abrüstungs⸗ 
sedanke in den Parlamenten, auf Kongressen, und von Friedens⸗ 
reunden unausgesetzt breit erörtert. Nuch die erste Haager 
riedenskonferenz hat die Frage behandelt, mußte sich aber 
hließlich mit dem Wunsche begnügen, daß sich die Regierungen 
inem fort ehieß Studium der Frage bingeben möchten. 
eutschland zel iesein Wunsche entsprochen, hat aber keine geeignete 
Formel finden können. Daß andere Regierungen glücklicher gewesen 
bären, ist mir nicht bekannt geworden. (H⸗etlerkeit dechts.) Aber auch 
iie zahlreichen sonstigen Studien haben noch zu keinem anderen Er— 
ehnis geführt. Noch nirgends bin ich irgend einem greifbaren Vor— 
Hlag, begegnet, einem Vorschlag, der auch nur einigermaßen ins 
detall ginge, über den sich praktisch diskutieren ließe, und auch aus 
er heutigen Debatte ode ich keinen praktischen Vorschlag heraus⸗ 
zehört. Die Herren haben sich eben ein, wie mir scheint, 
praktisch unlösbares Problem 
jestellt. Ich urtelle damit nicht über den Wert ab, den die Arbeit 
er Friedensfreunde und derFreunde internationaler Abrüstungen hat. 
Die Zeit, wo die Kriege durch die Kabinette gemacht wurden, ist vor⸗ 
iber. Die Stimmungen, welche bei uns in Euͤropa zum Kriege fuh— 
en können, liegen wo anders, sie wurzeln in Gegensähen, die vom 
zolksempfinden getragen sein müssen. Jedermann weih, wie leicht 
ich dieses Empfiinden beeinflussen läßt, und wie es z. B. vielfach 
eider willenlos unverantwortlichen Preßtreibereien fich hingibt. Ein 
vegengewicht gegen alle solche und ähnliche Einflüfsse kann nur er— 
vünscht sein, und ich werde der Erste sein, es zu begrüßen, wenn 
s der internationalen Arbeit gelingt, ein solches Gegengewicht zu 
chaffen. Wenn ich aber praktische Maßtegeln ergreifen foll, wenn 
h bei den anderen Mächten beantragen foll, gegenseitig abzurüsten, 
ann genügen dazu nicht allgemeine Friedengpersicherungen und 
‚riedensbetenerungen, deren ist Deutschland überhoben durch eine 
onstante 33 Politik, die zeigt, daß wir keine Haͤndel in 
er Welt suchen. (Sehr richtigs. Dann muß ich ein bestimmtes und 
estes Programm vorlegen, dann muß ich auch gang nuchtern prüfen, 
b ein solches Programm ausfgestellt und ausgeführt werden kann. 
Ver unsichere, verschwommene Vorschlaͤge macht, der kann leicht 
instatt zu beruhigen, zum Störenfried werden. RNicht ganz so 
veit wie der sozialdemokratische Antrag geht die Refolution, die 
ie Herren von der fortschrittlichen Voltspartei vorschlagen, und 
uch der Herr Abg. Dr. Spahn hat fich, glaube ich in aͤhnlichem 
dinne ausgesprochen. Es wird beantragt, wir mochien in Ver— 
andlungen eintreten, wenn uns von andern Seiten Vorschläge 
emacht werden. Ich bin den Herren dankbar, daß sie nicht mür 
ie Aufgabe zuschieben, formulierte Vorschläge zu machen daß 
ie dies bielmehr anderen Regierungen überlafsen wohen. Wounß 
en die Großmächte ein Abrüstungsabkommen treffen, so müßten 
ie sich zu allererst darüber einigen, wie mächtig die eine Nalon 
m Verhältnis zur andern sein darf. Man müßte eine Llrt Rang⸗ 
rdnung aufstellen, in die jede einzelne Macht nummernmäßig mit 
er ihr, zuzubilligenden. Einflußsphaͤre einrangiert wird. 
ztwa, wie es bei mdustriellen Syndualen geschiehte“ Ich müßle 
s ablehnen, ein solches Formular zu entwerfen und einem inter 
Ationglen Kongreß zu unterbreiten. Praktisch, lönnte man sagen, 
tein Ranganspruch allerdings schon augemeldet worden 
England 
t davon überzeugt und Hat es wiederholt erklärt, daß trotz aller 
iner Wünsche auf Beschränkung der Rüstumgsausgaben und auf 
Schlichtung etwaiger Streitfälle im schiedsrichterlichen Verfahren 
eine Flotte unter allen Umständen jeder möglichen Kombe nation 
u der Welt überlegen oder doch gewachsen sein müffe. Einenf olchen 
zustand anzustreben, ist Englaͤnds gutes Recht, und gerade wie ich 
ur Abrüstungsfrage stehe, bin ich der LTetzte, es auch nur anzus 
weifeln. Gauz etwas anderes aber ist es, einen solchen Anspruch 
ur Grundlage eines Abkommens zu machen, das von allen andern 
Wächten in friedlicher Uebereinstimmung auerkannt werden muß. 
Sehr wahr! rechts.) Wenn da Gegenansprüche erhoben werden, 
venn die andern Mächte mit den ihnen zugewiesenen Rollen nicht 
ufrieden sindd Man braucht diese Fragen nur auszusprechen, um 
u sehen, wie es auf einem Weltkongreß — ein europälfcher winde 
icht ausreichen — zugehen würde, der über solche Ansprüche zu 
utscheiden hätte. Und dann die Armeen. Wenn z3. B. Deutsch⸗ 
and zugemutet werden sollte, fein Landheer, sagen wir um 100 oo0 
Rann, zu verriugern, um wie viel Mann muß dannRußland, Frank⸗ 
eich, Oesterreich, Italien seine Armeen verkleinern? Wollen Sie 
a an Jurr Zablenproportion kommen. so müssen Sie eben u— 
zu2 Dao 
allgemeine Machtverhältnis 
xieren, in dem die Nationen zueinander stehen dürfen. Das 
äre die unentbehrliche Voraussetzung für die Feststellung des 
tärkeverhältnisses der Armeen. Run, m. H.,trotz aller 
riedensversicherungen, die Gott sei Dank überall abgegeben 
erden, bei einer vorbereitenden Enquete würde mir jede Ration 
ntworten, daß sie für sich diejenige Stellung in der Welf be— 
nsprucht, die der Gesamtsumme ihrer nationalen Kräfte en— 
pricht, und daß die Stärke ihrer Wehrmacht diesem Anspruch an⸗ 
epaßt sein muͤsse. Für Deutschland würde ich jedenfalls keine 
ndere Antwort geben. Und ich würde der Ehre und dem Natio— 
algefühl jedes anderen Volkes zu nahe treten, wenn ich von ihm 
ine andere Auskunft erwartete. Der sozialdemokratische Autrag 
111äni u 
Frankreich 
Bezug. Ja, hat nicht das neue französische Ministerium die 
rogrammatische Erklärung, mit der es sich der Kammer vor— 
jestellt hat, unter lebhaftem Beifall mit dem Bekenninis ge— 
hlossen, daß es ebenso wie die anderen Stanten in einer starken 
vehrmacht eine wesentliche Friedensbüraschaft erblicte, und 
aß es deshalb den Streitkräften zu Wasfer und zu Lande 
eine besondere Fürsorge zuwenden werde! M. H.! Sie konnen 
ch darauf isen keine Antwort wird anders lauten. 
ind aus solchen Antworten soll dann ein Abrüstungsschema zu— 
mmengestellt werden. Aber selbst angenommen, die RNativnen 
eßen sich willing von einem Kongreß die Stellung dittieren, die 
in der Welt einnehmen dürsen, wir würden dann auch noch 
nen Maßstab finden müssen, nach dem ihre Wehrkräfte ent 
rechend ihrem allgemeinen Machtverhältnis geacn einander ab— 
emessen werden können. Auch nach einer solchen Formel hat 
ian mit eifrigem Bemühen gesucht, aber aleichfalls bisher ohne 
den Erfolg. Man unterscheidet da absolute und relalive 
orꝛimeln. Ich brauche nicht im einzelnen darauf einzugehen, da 
ese Dinge bekannt sind. Daß in diesen Formeln kein brauch— 
arer Maßstab gefunden ist, wird, wie ich glaube, von den Nu— 
ängern der Abrüstungsidee mehr und mehr ancrkannt und zu— 
entben. Endlich und vor allem, m. H., würde jeder Versuch 
egenseitiger Abrüstung immer wieder an bder 
Frageder Kontrolle 
heitern Ich halte die Kontrolle für absplut undurchführbar, 
ind der Versuch einer Kontrolle würde zu nichts anderem führen, 
ls zu fortwährendem gegenseitigen Mißtrauen und allgemeiner 
rreonna. Sebr richtig!) Wer sollte sich auf die Schwächunp 
iner Verteidigungsmittel einlassen, solange er leine Garantie 
at, daß nicht irgend ein ehrgeiziger Nachbar heimlich seine 
Axeitkräfte doch stärker zu viachen sucht, als ihm in Abrüstungs⸗ 
bokommen auferlegt ist. Denken Sie an den klassischen Fall des 
on SRavolevn giedergeworfenen preußischen Staates Napoleon 
atte ihm die Beschränkung seines Herres auf 42 000 Mann aus⸗ 
rlegt, und er hatte Mittel zur Kontrolle an der Hand, wie sie 
nobl kaum iemals eine Macht einer anderen gegenüber heieisen 
jat oder besißen wird. Trotz des schonunaslosen Gebraucls, 
zen Napoleon von seinen Kontrollmitteln machte, ist es dan 
preußischen Vatriotismus, den großen und genialen Führern des 
oreußischen Volkeg gelungen, ein mehr als viermal stärkeres Herr 
wufzustellen, als ihm der Sieger zugestanden halte. (Sehr richtin! 
M. H. wer die digee der allgemeinen internationalen Abrüstuͤne 
nmal ernfthaft durchdenkt, vis in ihre Konsequenzen durchdenkt, 
oer muß, meine ich, zu der Ueberzeugung konmen, daß sie 
unlösbar 
st, solange die Menschen Menschen und die Staaten Staaten 
ind. (Lebhafte Zustimmung und Bewegung.) In der Debatte 
st nun auch auf die Aeußerungen Bezug genommien, die der 
englische Minister des Auswärtigen 
unlänugst im Unterhause über die Abrüstungsfrage gemacht hat. 
Dabei hat der englische Minister dem Gedanken Ausdruck ge— 
Jeben, daß ein gegenseitiger Nachrichtenaustausch über die Schiffa⸗ 
auten beider Länder vor Ueberraschungen sichern und damit 
deide Länder davon überzeugen werde, daß sie sich nicht gegen— 
eitig überbieten wollen. Die anderen Mächte würden daraus 
iber die Beziehungen von England und Deutschland orientiert 
verden, und so würde der Nachrichtenaustausch im ganzen der 
Förderung des Friedens dienen. Diesem Gedanken konnten wir 
imso eher beitreten, als unser Bauprogramm für die Flotte stets 
ffen dalag. Wir haben uns bereit erklärt, uns in diesem Punkt 
nit England zu verständigen, in der Hoffnung, daß dies die 
— Beruhigung herbeiführen werde. Die Frage der inter— 
iationalen Schiedsnerichte ist in der letzten Zeit lebhaft exörtert 
worden, insbesondere nach der Richtung, ob es möglich sei, 
Schiedsaerichts-Verträge unter Beseitigung der sogenannten 
Ehrenklausel 
ustande zu bringen. Bisher bildet diese Klausel bekanntlich einen 
Bestandteil aller geschlossenen Verträge. Sie schließt die Schieds- 
prechung aus, wenn die Lebensinterefssen, die Unabhängigkeit 
der die Ehre einer der streitenden VParteien betroffen sind. 
Man erörtert insonderheit den Abschluß eines allgemeinen, un⸗ 
ingeschränkten Schiedsvertrages zwischen Groß Britannien und 
en Vereinigten Staaten von Nordamerika. Dabei ist vielfach, 
esonders in Amerika, die Ansicht vertreten worden, die Wirkung 
ines solchen Vertrages auf die andern Nationen würde der 
Virkung einer Allianz gleichkommen. Es ist nicht meines Amtes, 
»eie Chancen eines derartigen Abkommens zwischen England und 
lmerika zu erörtern. Jede Nation hat es mit ihren Partnern 
illein abzumachen, ob und unter welchen Bedingungen sie mit 
inderen Nationen Schiedsgerichts-Verträge hen will. 
zuternationale, die Welt umspannende, von einem internationalen 
cropag oktroyierte Schiedsverträge halte ich füc ebenso unmög⸗ 
ich wie allgemeine internationale Abrüstungen. Deutschland steht 
er Schiedssprechung nicht ablehnend gegeniiber In allen neuen 
eutschen Handelsverträgen befinden 9 Schiedsklauseln, wonach 
lle Streitigkeiten über Tariffragen besonderen Schiedsgerichten 
mterbreitet werden sollen. Wir haben mit zwei Großmächten 
Algemeine, obligatoxische Schiedsverträge vereinbart, von denen 
der eine andauernd in Kraft steht. Wesentlich Deutschlands 
znitiative ist es zu verdauken, daß auf der zweiten Haager Frie— 
enskonferenz das Abkommen über die Errichtung eines inter⸗ 
iationalen Prisenhofs zustandegekommen ist Was aber die 
zhrenklausel anlangt, so schafft deren Streichung nicht den Frie⸗ 
en, sondern konstatiert lediglich, daß zwischen den beiden Nationen, 
ie sie streichen, ein ernsthafter Änlaß, den Frieden zu brechen, nicht 
edacht werden kann. Der unbeschränkte Schiedsvertrag besiegelt 
ur einen de facto bereits bestehenden Zustand. Aendern sich die 
Beziehungen zwischen beiden Nationen, entwickeln sich iwifchen 
hnen Gegensätze, die die Lebensbedingungen der einen oder an⸗ 
eren berühren, die, wie man im gewöhnlichen Leben zu sagen 
iflegt, an die Nieren gehen, dann möchte ich den Schiedsvertrag 
ehen, der nicht wie Zunder zerfällt. Gehr richtig! rechts) 
Man kann die ült ima ratio aus dem Leben der Nation nicht sirei⸗ 
hen, sondern nur versuchen, ihr Eintreten immer weiter hinaus⸗ 
zuschieben. Gewiß können auch Schiedsverträge in hervorragen-— 
dem Maße dazu beitragen, friedliche Beziehuiigen zu erhalten 
and zu befestigen. Um so geeigneter werden diese Verträge sein, 
se mehr nman sie auf klar zu übersehende Rechtsverhältnisse de⸗ 
chränktt. Wenn wir so praktisch handeln — und Deutschland tut 
s —, werden wir nützlichere Arbeit leisten, als mit der Vorstel— 
lung von Zuständen, welche dem Wesen der Menschen und Staa⸗ 
ten frennd sind. Eehr richtig!) 
ZRur Friedfertigkeit gehört aber Stärke. 
Es pp noch immer der Satz, daß der Schwache eine Beute 
des Starken wird. Will oder kann eine Nation nicht mehr so 
ziel für ihre Wehrmacht ausgeben, daß sie fich in der Welt durch- 
etzen kann, dann rückt sie chen in die zweite Linie, dann sink 
ie in die Rolle des Statisten zurück. Es wird immer ein ande— 
rer, ein Stärkerer da sein, der bereit ist, ihren Plat einzuneh⸗ 
nen. Gerade wir Deutsche müssen in ünserer expomerten Sage 
dieser rauhen Wirklichkeit entschlossen ins Gesicht fehen. Nuͤr 
daun erhalten wir uns den Frieden und die Existenz. (Lebhafter 
Beifall rechts, in der Mitte und bei den Wationallibergten. 
Zischen bei den Sozialdemokraten, erneuter lebhafter Beifall.) 
Staatssekretär des Auswärtigen Amts v. Kiderlen-Waechter: 
Es sind nur wenige Worte, die ich zu sagen habe. Zwei Fragen 
ind an mich gerichtet worden. Die erste Frage betraf die An— 
rtkennung der neuen Republik Portugal. Nachdem die Re⸗ 
»olution in Portugal siegreich war, hat ein Gedanken Austansch 
wischen den Mächten über die Anerkennung der Republik statt 
efunden. Das Ergebnis dieses Gedankengustausches war, daß 
ie Mächte zunächst beschlossen, pari passu in der Sache vorzu⸗— 
chen, und zweitens wurde beschlossen, daß die formelle Aner— 
nnung der Regiernug dann stattfinden solle, wenn sie von der 
dationalversammlung, die zu wählen wäre, anerkanut sei. Das 
at nicht stattgefunden und es. hat auch noch gute Wege, denn die 
degierung hat bis jetzt noch nicht einmal die Wahlen für diese 
Lersammlung ausgeschrieben. (Hört! Hört) Wir sind ailso 
ollkommen berechtigt, wenn wir die Regieruig bieher nicht au— 
rkaunt haben. Wir bewegen uns genau in derfelben Richlung, 
— 
etraf das Eigentum esnes Deutschen in Portot Wir 
jaben die Sache eingehend geprüft. Auch nach der juristischen 
Zeite hin, und es ist gauz zweifellos, daß eine Rechtsverletzung 
orliegt. (Hört! Hörth Wir haben das in freundiicher, aber 
nevgischer Weise zur Sprache gebracht, aber, umnere Vorsteflungen 
ind bisher vergebens gewesen. (Hört! Hörthh Es bleibt uns 
aher nichts übrig, als zu erwägen, welche Maäßregeln wir noch 
rareifen wollen, um unserem Untertanen zu feinem Rechte zu 
erhelfen. Zustimmung.) In diesen Erwäqungen sind wir be— 
zrifien; Sie können sich darauf verlassen, daß wir seine Ro⸗hie 
nergisch wahren werden. (Geifall.) 
Abtg. v. Morawsti. Dzierzykraj (Pose): Die Polen sind kei— 
neswegs eine natignale Gefahr. Sie haben sich steis umsturz⸗ 
eindsich gezeigt. Unsere Resolution, durch die verhindert wer 
en soll, daß Ausländer in den Bundesstaaten der poligeilichen 
willkür preisgegeben werden, insbesondere, daß aus PKreußen 
sterreichische und russische Staatsangehörige ausgewiesen wer— 
en, bitte ich anzunehmen. Ein Gesetzentwurf zur Regelung des 
Aufenthalts der Ausländer im Deutschen Reiche ist uns baldiaft 
vorzulegen. 
Abg, Eidhoff (F. Vp.) begründet die Resolution seiner 
Partei, in der gesordert wird, daß nach dem Muster des am 
2. Juli 1904 mit Großbritannien abgeschloffenen und 1000 ver 
ängerten Schiedsgerichtsvertrages auch mit anderen Mächten 
3hiedsgerichtsverträge abzuschließen. Selbstverständ⸗ 
ich sind solche Verträge nichts vollkommenes, nicht einbezogen 
verden sollen Fragen der nationalen Ehre und Lebensfragen der 
Nationen. Ein solcher Vertrag mit Frankreich würde senseits 
er Vogesen gußerordentlich güüstig wirken, zumal wenn die Au— 
egung von Deutschland ansgehen würde. Auch diese Verträge 
verden zur Förderung der internationalen Beziehungen beitra— 
jen. Geisfall links.) 
Darauf vertagt sich das Hans. Nächste Sitzung Freitag 
2 Uhr: Fortsetzung der Beratung. 
Schsuß 524 Uhr. 
B
	        
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