Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

regenhelt; von anderer Seite wurde betont, daß im Reichstags- 
ehäude noch genügend Raum sei. Andererfeits wurde erwähnt, 
atz pielleicht eines der Reichsressorts dieses Grundsftück für sich 
nit Beschlag belegen könnte, und daß dann auf Reichsfkosten dori 
in Gehäude errichtet würde. Die Kommission hat mi allen gegen 
rine Stimme den Verkauf genehmigt. *3 
Staatssekretär Wermuih: Verhandlungen über den Verkauf 
chwebten bereits seit vielen Fahren. Jetzt wurden uns 7600 000 . 
—8 und da nußten wir mit Rücksicht auf die Finanzlage zu— 
Abg. Dr. Görcke-Brandenburg (natl.); In der Nähe des 
Zlenarsitzungssgales mußte eine Reihe bon Konferenz zim 
nern eingerichtet werden. 
. Aba. Dr. Arendt Rp.); Den Bexkauf des Grund- 
rücks halte ich füür verfehlt. Wir müssen doch bald zum Bau 
on Erweiterungsraͤumen schreiten. Der Verkauf des Grundstücks 
st geradezu eine küustlerische Barbarei. da die Architektur des 
sdeichstaas dadurch verdeck“ wird. Wir dürfen uns nicht auf den 
Ztandpunkt eines Grundstücksspekulanten stellen. Wir werden ün— 
annehmlichkeiten zu erwarten haben, die durch die Höhe des 
Preises keinneswegs ausgeglichen werden. Der Kaͤufer soll gern 
auch ohne Provision, von seinem Vertrage zurücktreten wollen, zu- 
mal er sich verspekuliert hat. Für die Gemälde sollte ein allge⸗ 
meiner Wetthewerb gusgeschrieben werden. 
Stactssekretär Wermuth: Der Gründplan des verkauften 
Vrundstückes zeigt. daß es für uns überhanpt nicht ausnuhungs- 
ähig ist. Es könnten nur wenig Räume für sehr teures Geid e— 
chafft werden. Natürlich müßte man dazu auch hoch bauen. Wir 
zaben aber die Sicherheit, daß in einer der Architektur des Reichs— 
agsgebäudes gleichartigen Weise gebant wird. Trotz unverhältnis- 
näßig teuren Preises würde der Zweck einer wesentlichen Erweite- 
tung des Reichstages nicht erreicht werden. Nach meiner Ansicht, 
e durch die Ansicht Sachverständiger gestützt wird, läßt sich das 
Srundstück rationell nur in Verbindung mit den Rebengrund— 
tücken bebauen. Wir haben vorausgeseht, dah die Erwerberin — 
die übrigens eine wohlangesehene Texraingeseüschaft in — sich zu 
diesem Zwecke weiteren, Erwerb angelegen sein lassen würde. Für 
das Reich würde das Grundstück nicht wohl in Frage kommen 
können. denn es würde für sich allein nur mit ganz umverhältnis- 
näßig hohen Ausgaben zu bebauen sein. Ich weiß nicht, welche 
ßeweggründe den Käufer veranlaßt haben, an, Mitglieder des 
Peichstages mit dem, Angebot heranzutrelen, den Verkauf rück- 
zängig zu machen. Wenn ich gefagt habe,. er hätte eine Provision 
jefordert, so war, das dem damaligen Stande der Sache voll 
ommend entsprechend. Auch jetzt, verlangt er noch cine Aczahl 
»von Vorteilen, die wir nicht gewähren koönnen, außerdem würden 
uins die Stempellosten noch zur Laft fallen. So würde, kein Vor— 
teil. sondern ein Nachteil für das Reich emstehen. Ich möchte 
nicht die Zumuturng über mich ergehen lassen und die Verantwor— 
tung auf mich nehmen, daß die ganze finanzielle Transgktion auf- 
gelöst wird zu einem schweren Nachteil des Reiches. Ich glaube 
nicht, daß Sie einem Verwalter des Reichsvermögens einen der- 
artigen Schritt zumuten können. 
Abg. Ledebour (Soz.): Den Behelligungen der Abgeordne⸗ 
en durch die Eisenbahnbéamten bei Benützung der ersten Klasse 
muß mit aller Entschiedenheit entgegengetreten werden. Einer 
ernünftigen Fremdwörterübersetzung stimmen wir durchaus zu. 
zu beklagen find die übermäßige Hetzarbeit und die unfinnig 
rusgedehten Sitgzungen der letzten dzet Dies sonder⸗ 
re Verfahren ist eine Folge des unglücklichen Diätengesetzes. 
der Reichstag wird zu spät einberufen, der Etat wird zu spät 
ingebracht; die Hauptschuld an, der Hetzjagd fällt somit auf 
ie 8— Dadurch will sie die Kritik einschränken. 
Abg. Frhr. v. Gampe(Rp.): Den größten Teil der Schuld 
rägt der Reachstag Dieselben Reden werden in der Kommis⸗ 
ion und im Plenum gehalten. Die Budgetkommission 
müßte sich mehr mit ihrer eigentlichen Aufgabe beschäftigen. 
Wie das Ansehen des Reichstages zu heben ist, sollte jedes Mit⸗ 
zlied für sich erwägen. Die Rednex entnehmen ihren Stoff viel⸗ 
den Auregungen der Budgetkommission. Der Etat, muß 
is zum 1. April fertiggestellt werden. Es ist eine grobe Unge— 
hörigkeit, wenn Reichsßagsabgeordnete anderen Fahrgästen den 
Platz räumen mußten. Auch ist jede unnötige Belästigung 
eitens der Beamten ungebörig. 
Abg. Ergzberger (3tx.): Eine Instruktion an die Eisenbahn⸗ 
veamten zum Verhalten gegenüher den Reichsstagsabgeordneten 
st dringend erforderlich. Das Grundstück hätte der Reichstag 
iicht verwenden können. Anstatt daß man in den Räumen alle 
möglichen Vereine beherbergt, sollte man die Zimmer für den 
Reichstag ausbauen. Raum ist noch genug vorhanden. Er muß 
iur benutzt werden. 
Abg. Ledebonr (Soz.): Herr Erzberger hat meine Wahr⸗ 
jeitsliebe angezweifelt, indem er sagte, er glaube meinen Aus— 
uührungen nicht. Das ist einem Kollegen und 30 Jahre älteren 
Manné gegenüber eines anständigen Menschen unwurdi und 
ine Roheit. (Präsident Graf Schwerin ruft den edner 
ur Ordnung.) —— 
Staatssekretaͤr Wermuth: Der Etat ist in diesem Jahre 
vbenso rechtzeitig eingebracht worden wie früher. Hintergedau— 
en liegen der Regierung fern. Wir haben keine Verpflich— 
ung, das Gründstück zurückzunehmen. 
Abg. Dr. Görcke (Nath.): Was, wir heute an dem Grund— 
tücke verdient haben, werden wix später doppelt und dreifach 
wieder zulegen. Ein Vorwurf soll dem Reichsschatzsekretär nicht 
— eben. Es handelt sich lediglich um sachliche Bedenken 
insererseits. 
dibqg. Erzberger (Ztr.): Dem Kollegen Ledebour zu nahe zu 
reten, lag mir fern. 
Staatssekretär, Wermuth: Ich halte immer noch das Ge⸗ 
chäft für sehr gümstig Rückgängig kann es nicht gemacht werden. 
Damit schließt die Debatte. 56 
Prafident Graf Schwerin sagt möglichste Berücksichtigung 
»er vorgetragenen Wünsche zu. 
Nach mehreren perfönlichen Bemerkungen wird der Antrag 
Börcke (nI.) auf Rückgängigmachung, des Grundstücksverkaufs 
rückgezogen. Der konservative Antvag Wagner wird ange— 
nommen. 
Dhne Debatte werden die Etats des Rechnungshofes und 
des einen Penonssonde adeheien 
ächste Sitzung Donnersta A 
Reichskanzlers dn des Auswärtigen Amtes. 
Schluß nach? Uhr 
— — — 
Preubischer Landtag. 
Abgeordnetenhaus. 
Berlin, den 29. März. 
Am Ministertisch: v. Dallwitz. 
izepräsident Dr. Porsch eröffnet die Sitzung um 124 Uhr. 
Erfler Gegenstand der Tagesordnung ist die dritte Beratung des 
tese henwurss üͤber die Verlegung der Landesgrenge 
segen das Königreilch Bayern an der preußischen Ge— 
— — 
Abg. Dr. Belzer (Ztr.): Die Vorlage bietet zu Beaustandun⸗- 
en jseinen Unlaß, da Preußen durch die Regulierung der Landes— 
reng nichts perliert 
Rach kurzen Auslassungen des Abg. Dr. Arendtu((sfk.) wird 
oije Vorlage angenommen. 
Der Gesehenwurf über, die Verlegung der Landesgrenze 
fegen Bayern an der Eisenbahn von Münster am Stein nach 
Scheidt wird ohne Debatte in dritter Beratimg angenommen, des⸗ 
fleichen ohne Debatte in zweiter und dritter Beratuüng der Gesetz⸗ 
würf. betr die Erweiterung des Stadtkreises 
Stettin. 
Es folgt die zweite Beratung des Gesetzentwurfs über die 
Kolizeiverwaltung in den Regierungsbezirken Düfseldorf, Arnsberg 
und Muͤnster. 
Rach 811 der Kommissionsbeschlüsse ist der Minister des Innern 
ermächtigt, nach Anhörung des Kreisausschusses mit 
zustinmnung des Provinzialrats in den enerenen Düssel⸗ 
orf. Ärnsberg und Münster die örtliche Polizeiverwaltung hinsicht⸗ 
ich der Sicherheitspolizei besonderen staatlichen Behörden oder Bes 
amten zu überiragen. Die nähere Abgtenzung „der Zuständigkeit 
eser staatlichen Polizeiverwaltungen wird vom Minister durch Re— 
zulativ bestimnt. Die Worte: — des Kreisausschusses“ 
jind von der Kommisfion eingefügt. 
Dazu liegt vor ein Antrag Ir ann (Vpt.) u. Gen., den 
ehlen Satz des 3 1 zu streichen und als Absatz 2 hinzuzufügen: Zur 
Sicherheitspolizei gehören nicht; die Baupolizei, Gesundhe its⸗ 
volizei. Gewerbepollzei, Marktpolizel. Fremdenpolizei, Feuerpolizei 
uind Theaterzenlur 
Abg. Kirsch — begrundet seinen Antrag, 1). statt Regie 
ungsbezirk Düsseldorf zu setzen: in dem rechtsrheinischen Teil des 
Regierungsbezerks Düsseldorf; 2) für den Faäll der Ablehnung des 
ntrans Aronsohn statt des Wortes „Regulativ“ zu sagen: Erlaß, 
der in dem Amtsblatt des betrefsenden Reoierungsbezirks zu ver⸗ 
offentlichen ist. 
Abg. Gantert (Fortschr. Vpt.) begründet den Antrag Aronsohn. 
Die Abgrenzungder Zuständigkeit der staatlichen Poli- 
zei-Verwaltungen darf nicht dem Moer überlassen bleiben, fie ge— 
ört in das Gesetz. Das bisher für Bochum, Essen, Gelsenkirchen 
zeltende Regulgtiv, das auch für den Geltungshereich dieles Gesetzes 
eingeführt werden soll, geht zu weit und enthält einen tiefen Ein— 
riff in die Selbstverwaltung, da hiernach insbesondere auch in 
Wen der Fremdenpolizei, Feüerpolizei und Theaterzensur die staat- 
liche Sicherheitspolizei zuständig sein soll. 
Minister des Innern v. Dallwitz: Durch den Antrag Aronsohn 
würde die Einheitlichkeit, die durch das Regulativ in den 
taatlichen Polizeiverwaltungen in Bochum, Essen und Gelsenkirchen 
eschaffen ist, mit einmal wieder durchbrochen werden. Ich bitte 
um Ablehnung des Antrags Aronsohn ebenso wie des Antrags 
Jirsch, das Wort Regulativ durch Erlaß zu ersetzen. Ein Erlaß ist 
ine für einen speziellen Fall erlassene Verfügung, eine An—⸗ 
»rdnung für längere Zeit, Es würde auch nicht zweckmäßig sein, 
inen Teil des Regierungsbezirks Düsseldorf von dem Geseß auszu⸗ 
zehmen, da bei der rapiden Ausdehnung der Industrie eine weitere 
Ausdehnung des Gesetzes leicht wieder notwendig werden könnte. 
Nachdm die Abag. Schulze-Petkum (T., Ecker-Winsen (nl.) und 
Bruft (Itr.) für die Annahme der Konmisffionsbeschlüsse sich erklärt. 
verden die Anträge Kirsch und Aronsohn abgelehnt, 8 1 wird nach 
»en Beschlüssen der Fommission angenommen. 
32, wonagch bei Uebertragung der —A an 
taatliche Behörden oder Beamte in Landgemeinden und Gutsbezir- 
en die Zuständigkeit des Landrats in Polizeiangelegenheiten auf die 
taatliche Polizesbehörde, in der Beschwerdeinstanz auf den Regie— 
ungspräsidenten, die Zuständigkei des Kreisausschusses auf den 
zezirksgusschuß übergeht, wird ohne Debatte gnaenommen. In 88 
verden Bestimmungen über die Befugnis der staatlichen Polizeiver- 
valtung zur Vornahme von Amtshandlungenbei Feuers- 
—— Aufläufen, Tumulten oder ähnlichen Störüngen der 
ffentlichen Ruͤhe Sicherheit und Ordnung getroffen. 
Abg. Dr. Liebknecht (Soz.): Das dee hat einen politisch-provo⸗ 
atorischen Charakter gegen die Bergarbeiterbevölkerung, es ist ein 
lusvahmegeh gegen die Sozialdemokratie. 
Abg. VBruft tr.): Das Gesetz ist kein Ausnahmegesetz, es hat 
einen politischen Charakter, es ist notwendig aus allgemeinen 
Zicherheitsgründen. J 
Abg. Bartscher (Ztr.): Das Gesetz hat keinen politischen 
(harakter, sonst würden meine Freunde entschieden Stellung da⸗ 
egen nehmen. Ich will bei dieser Gelegenheit daran erinnern, 
aß das Sozialistengesetz seinerzeit durch unsere ablehnende Hal— 
ung gefallen ist. J 
w 7 Debatte wird geschlossen. Zur Geschäftsordnung 
zedauer 
Abg. Liebknecht den Schluß der Debatte und nennt ein 
olches Vorgehen standalös. 
WVizepräsident Dr. Kra use ruft den Abg. Liebknecht zur 
IArdnung.) ——— 
eht Paraaraph 3 wird angenommen. Damit ist das Gesetz er⸗ 
edigt. 
Es folat die erste Bexatung des Gesetzentwurss betr. die 
Errichtung und den Besuch von 
Pflicht⸗Fortbildungsschulen. 
Handelsminister Dr. Sydow: Die Zahl der obligatorischen 
Fortbildungsschulen hat seit 1900 außerordentlich zugenommen. 
dadurch wird erwiesen, daß diese Schulen einem inneren Bedürf⸗ 
is des Gewerbestandes entsprechen. Die Fortbildungsschule giht 
m Lehrling eine Kenntnis aller Zweige feines Berufs in prak⸗ 
scher Anuschauung. Die weiblichen Arbeiter sind nicht in das 
esetz einbezogen, weil uns noch Erfahrungen auf diesem Gebiet 
ehlen. Der sagtsbürgerliche ünterricht soll nicht im 
Zinne einer politischen Partei gehalten sein, er soll sich bewegen 
iuf dem Boden der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung uͤnd 
nußz getragen sein von Vaterlandsliebe und von der Treue zu 
daiser und Reich,. Gegenüber der aufreibenden Tätigken in Fa— 
riken und Geschäftsräitmen soll auch die Körperpflege nicht ver⸗— 
achlaffigt werden, deshalb wird beabsichligt, den Turnunter— 
icht obligagtoxrisch zu machen. In diefer Richlung muß 
ruch die Jugendpflege ergänzend eingreifen. Der Entwurf läßt 
»en Gemeinden ein großes Maß von Freiheit zur Geitend— 
nachung besonderer Wünsche. Ich hoffe, daß unter Ihrer Mit⸗ 
virkung ein Werk der, Sozialpolitik geschaffen wird, das nicht 
loß den Arbeitern, sondern auch den Lirbeitgebern zustatten 
ommen wird. Geifall.) 
Abg. Hammer (k) beantragt Ueberweisung der Vorlage an eine 
dommifsion von 21 Mitghedern. Wir haben alle Veranlassung. 
n wirtschaftlicher Beziehung uns unserer Haut zu wehren, Tas 
önnen wir nicht allein durch Panzerschiffe und Militaͤrmacht. fon— 
ern auf dem Gebiet der Veredelüng der Produktion. Der beste 
Veg. Qualitätsware zu liefern, ist der, gute Fotlbildungsschulen 
——— 
näßig interessiert. Die Erziehung an diesen Schulen muß au 
ittlichsreligißser Grundlage erfolgen“ Ein Äütheist 
zarf an den Fortbildungsschulen nicht unterrichten. 
Abg. Schmedding (Itr.): Wir begrüßen die Vorlage, nach der 
ie Fortbildungsschulen die erziehliche Arbeit der Volksschulen fort⸗ 
etzen sollen. Der Religionsunterricht muß obligalorischer 
Anterrichtsgegenstand in der Fortbildungsschule sein 
Handelsminister Dr. Sypow: Mil dem Gedanken der Ein— 
ührung des obligatorischen Religionsunterrichtzs in die Fori— 
ildungsschulen kann ich mich nicht befreunden, nicht als ob ich die 
*edeutung des Religionsunterrichts für die Erziehung des Men— 
chen irgendwie unterschätze Die Frage steht aber so: soli hier der 
gatliche Zwang angewandt werden oder soll, man diese Angelegen 
eit den Kirchengemeinschaften überlassen? Ich bin der Ansicht, die 
eligiöse Ernwäirkuüng ist Sache der Kirche und nicht 
es Staates. Die Einführung des obligatorischen Religionsuntet 
ichts würde der erste Schritt qduf dem Wege der Konfessionalisierung 
er Fortbildungsschule sein, was ein Schaden für umser ganzez 
zolitisches Leben bedeusen würde. In einem Wetistettitrlehe der 
jeute noch besteht, wird es als erwuͤnscht bezeichnet. daß Geistliche 
»en Zöglingen der Fortbildumgsschlnen durch imierweisende umd 
belehrende Vorträge die religiöse Erklenntnis vertiesen. Jedoch soll 
das gauf der Bafis der Freiwilligkeit beruhen. 
Hierauf wird die Weiterberalung auf Donnerstag 11 Uhr ver— 
tant. Außerdem kleinere Vorlagen. 
Schluß 4128 16. 
Aus Briefen Richard UWagners 
Kichard Wagners Kunst, die sich erst nach langen Kämpfen gegen 
en damals enen musikalischen Geschmack durchsetzen konnte, 
jat dem Pieister auch in materieller Hinsicht zunächst nir geringe, 
a gar leine Früchte getragen. In diese Zeit seiner Änfänge, da der 
unge Komponist nur mit großer Muͤhe einen Verleger für * 
Werke gewinnen konnte, umd in die Tage des beginnenden Ruhmis, 
n denen ihm die Unterbringung seiner Musikdramen noch inmer 
roßze Schwierigleiten bereitele, sührt uns sein Briefwechsel mit den 
zerlegern Breitfkopf K Härtel, den Prof. Wilh. Altmann soeben im 
gerlgge der berühinten Musikfirma veröffentlicht hat. 
„„Die ersten Beziehungen zu dem schon damals hoch angesehenen 
veschäftshause knüpfte Wagner als 18jähriger Student an, indem er 
ich in aller Bescheidenheit für Klavier-Arrangements von Orchester— 
verken anbot. Das war im Jahre 1831. Z3wölf Jahre 8— 
ietet er dem Verlage seinen ‚„Fliegenden Holländer“ an. Die Firma 
ehnt aber ab, da . ihm kein Honorar zahlen will, und Wagner 
niiß sih mit der traurigen Erfahrung begnügen, „daß eine unter 
och so günstigen Auspizien ins Leben getretene deutsche Original— 
per einem deutschen Verleger doch kein so siheres Geschäft er— 
heint als eine französische.“ Da ihm die ehrenwerteste und reichste 
usikhandlung, Deutschlands“ abgewiesen hat, so verzichtet er, auf 
eitere Versuche und läßt den „Fliegenden Holländer“ auf eidene 
often erscheinen. 1848tritteer wieder an Raymnnd Härtel mit 
er Anfrage heran, ob er den Verlag des „Lohengrin? übernehmen 
bolse. Er ist inn bescheiden geworden. Honorar verlangt er nicht 
nehr, sondern bittet nur, ihm als Entgelt eine Restschuld von 
00 Talern, die er noch von dem Ankauf eines Flügels her bei der 
tirma hat, zu erlassen. Nachdem die Verleger zuerst abgelehnt haben, 
hreibt er nach drei Jahren deswegen noch einnal an sie. Er weiß, 
aß „eine Verbreitung meiner Opern auf den Theatern — aus viel⸗ 
achen Gründen — gar nicht zu erwarten“ ist. Vom rein musilk 
eschaftlichen Slandpunlte aus müßlen Sie mir augenichts dicser 
Latsachen daher eine abschlägige Antwort geben, der ich im Voraus 
d gewiß zu sein hätte, daß schon meine Anfrage mir nur albern 
orkommen muͤßte, wenn ich nicht im Stande wäre. mein Anerbieten 
uf andere Motibe zu stützen.“ Aber von einem idealen Standpunkte 
ius glaubt er ihre — zu verdienen. An den gegen— 
värtigen Verfall der Oper „schließt sich bei strebenden Geistern not— 
vendig dann die —A daß dem Verfalle gegenüber eine gründ— 
iche Besserung, eine ersehnte Veredelung auch dieser Kinstgattung 
eintreten werde; diese aus allen Kräften zu sodern ist der Drang 
eines jeden, der nicht in unmännlicher Erschlaffung zu Grunde gehen 
will. In diesem Sinne darf ich mir sägen, als Künstler das 
Meinige getan zu haben; je höher die Opfer stiegen, die ich meinem 
ünstlerischen Glauben zu bringen hatte, e stärker und uner— 
nenep befestigte 6 in mir dieser Glaube. Dane Glauben 
ind diesem Streben messe ip es bei, daß ich künstlerische Arbeiten 
chuf, die Denjenigen, der sich aufmerksam init ihnen beschäftigte, 
nit der Ueberzeugung der Wahrheit und Ersprießlichkeit meines 
Strebens erfülllen ... d bin ich aber noch ein Einzelner; eine 
eidenschaftlich bestürmte Gesundheit läßt mich mit Grund an einem 
angen Leben zweifeln. Wohl möchte ich es nicht dem Zufall über⸗ 
lassen haben, ob meine reifsten —— Arbeiten, der Kenntnis 
Nächstrebender überlassen, erhalten würden.“ 
Und dann kommt er wieder auf die alte Schuld zurück und bittet 
um deren Streichung als einziges Honorar. „Es wäre schön von 
Ien meine Herren, und Ihrer höheren Widung und 3 
Tharakter würdig, wenn Sie a auf eine Unternehmung einließen, 
die Ihnen zunächst wohl nur — und erst mit der Zeit einen viel— 
eicht nur sehr allmaͤhlichen Erfolg in Aussicht stellen kann!“ 
Daraufhin ninunt die Firnia denn den Verlag des „Lohengrin“ an, 
aber zunächst nur den Klavierauszug. Als sie sich dann bereit er⸗ 
lärt, auch die Partitur des „Lohengrin“ zu drucken, kann Wagner 
,nicht anders, als in dieser Bereitwilligkeit einen Akt von Noblesse 
zu finden, der mich gast beschämt.“ Ein Honorar für den „Lohengrin 
rhaͤlt der Komponist dann 1854, und zwar 300 Taler „als Benefiz“ 
Zuͤgleich nehmen Breitkopf & Härtel eine Schrift Wagners, nämlich 
ie „Drei Operndichtungen nebst einer Mitteilung an mieine 
Freunde“, in Verlag. Sie zahlen ihm dafür 0 Lounisdor Hondrar, 
ind aber aufs peinlichste übertascht, als die letzten Bogen des Vor— 
vorts gedrucht werden, Aeußerungen über Ihre politischen Schick⸗ 
ale in Sachsen, welche die Ausgabe des Buches jedenfalls unmög— 
ich machen, und ebenso Aeußerungen über das Christentum, welche 
eicht einen gleichen Erfolg haben dürften“, darin zu finden. Wagner 
8 sich zu durchgreifenden Aenderungen verstehen, bevor die Aus— 
Jabe ihen kann. 
Unierdessen ist der Meister bereits über den „Ring des Nibe— 
ungen“ in Verhandlungen mit der Firma getreten, die er viermal 
inmer wieder angeknüpft und in ausgedehnten Besprechungen zum 
Abschluß zu bringen Dnch hat. Aber es konnte keine Einigung er— 
ielt werden. Der bedeutendste Brief Wagners in dieser langjährigen, 
esultatlos verlaufenden Angelegenheit ist der vom 10. Juli 1856. 
Er dog hier die Verleger: „Sind Sie schon in der Lage gewesen, 
ein rainalisches Musikwerk in Ihren Veriag zu nehmen, suͤr welches 
Zie im voraus eine unberechenbare Dauer anzinehmen hatten?“ 
Von seinem Werle glaubt er de Tatsache behaupten zu können, die 
in Deutschland noch nicht vorgekonmien ist, seitdem der Musithandel 
Iipen jetzigen Charakter angenommen hat. „Es ist nicht möglich, 
aß ich se wieder etwas meinem „Nibelungenwerk“ ähnliches kon— 
zipire oder gar ausführe: es ist das volle und üppige Häuptwerk 
meines Lebens, und schon in dem Gedichte glaube ich der Nation 
ein Werk — zu haben, das ichen Stolz ihr auch für die Zu— 
runft empfohlen halten darf. .. Woher soll ich nun den Maßstab 
nehmen, um ein Honorar für den Verlag dieses unleugbar außer— 
ordentlichen Werkles danach zu bestimmen, da sehr richtig selbst der 
xürfolg der ersten Aufführungen hier nichts ewen kann.“ 
Vagner fordert dann, un seinen sehnlichsten Wunsch, den Besitz 
ines kleinen Grundstuücks und Hauses bei Zürich, erfüllen zu können, 
00 Louisdor oder 10000 Taler in Gold. Aber auf ein, solches 
isiko konnte sich die Firma nicht einlassen. Die Verleger schreihben 
zelegentlich: „Die vielfachen Gerüchte — und zum Teil mehr als 
ʒerůchte — über die großen Schwierigkeiten, welche Sie selbst den 
lufsührungen Ihrer Werke entgegen siellen, die hohen schriftlichen 
ind gedruckten Anforderungen än die Darsteller und die sonstigen 
darstellungsmittel, die Bestimmtheit und Schnelligkeit, mit welcher 
Zie Ihre Partituren zurückziehen, wo nicht alles ganz nach Ihrem 
Villen beschafft wird, werden dem Verlag Ihrer Werke verhältnis— 
näßige Schwierigkeiten in den Weg legen.“ Trotzdem übernahmen 
ie gegen ein Honorar von 600 Louisdor den Verlag von „Tristan 
und Isolde⸗ 
Die geschäftlichen Beziehungen Wagners zu Breitkopf & Härtel 
finden durch einen Brief des Meisters vom 5. November 1864 ihren 
Abschluß, in dem Wagner bittet, „statt gller etwa mir noch zum Vor— 
eil gereichenden Vergünstigungen mich für alle Zeiten durch ein 
Beschenk aus Ihrem Verlage zu befriedigen.“ Dieses Geschenk, ein 
sreniplar der schönen Beethoven-Ausgabe und je ein Exemplar des 
Vohengrin“ und des „Tristan“. wurde ihm gern überlassen. S 
Das Museum des Schreckens. 
Mit großer Feierlichkeit sind nun in Paris die neuen Räume deß 
Atehrwücdigen Carnavalet-Museums eröffnet worden. In aller 
Ztille hat man die Umwandlungen in dem 1544 von Lescot erbauten 
dause vorgenommen, das heute eine Fülle historischer Reliquien birgt 
und in dem einst die Marquise de Sévigné residrerte. Durch eine 
rächtige Marmorfreitreppe kommt man in die neueingerichteten Säle, 
die jetzt die überraschende Fülle historischer Relzquien bergen, die der 
Leiter des Museums Georges Cain in seinem Sammeleifer zusammen⸗ 
ebracht hat. Aber das Hauptinteresse konzentriert sich doch auf die 
Käume, die der Schreckenszeit eingeräumt sind. Aus den zierlichen 
Rokokogemächern, in denen einem der Geist heiterer Lebenssreude 
ind sorgloser Anmut entgegenweht. tritt man plötzlich in einen gro— 
zen Saal und fühlt sich mitten in „den Schrecken“ versetzt. Alle die 
zier aufgestellten Gegenstände scheinen grauenvolle Geschichten zu 
Jzählen von der Zeit, da die aufflammende Leidenschaft der 
-Zchreckensmänner ssch zu blutiger Grausamkeit erhob. Da liegt ein 
ühles, schmales Gemach: eine Zelle aus dem Temple. Man sieht im 
Leiste die finsteren Mauern, hinter denen, von den Piken höhn'schet 
Jakobiner bewacht, Ludwig XVI. und Marie Antoinette ihres trauri— 
gen Todes harrten. Hier steht noch der Toöilettetisch der unglücklichen 
Königin, der einfache Spiegel, in dem Marie Antoinette zum letzten 
Mal ihre erblaßten, von schlaflösen Nächten und gräßlichen Träumen 
zerrütteten Züge betrachtete, ehe man sie zur Gnillotine schleppte. 
Dort in der Ecke, auf jenen ärmlichen, zerfaserten strohgeflochtenen 
Stühlen hat sie Tag um Tag gesessen, gehofft, gebangt und geweint. 
Auf weißem Fond hängt da die kleine schwarze Halskräuse, mit der die 
cräugstigte Gefangene in einer letzten schüchternen Regimg weib— 
icher Koketterie sich schmückte, als Prieur die Züge der „Witwe 
Zapet“ in dem bekannten Vorträt der Königin verewigte. Das Bild 
sjängt dicht daneben, wie auch die Zeichnung von Ducreur, der in den 
PRauern des Temple Ludwig XVIL. zeichnete, als die Guillotine schon 
zuf ihn wartete. In jenem schmalen, einfachen Bette schlief Mme.— 
slisabeth, die Schwester Ludwigs XVI. als hilflose Gefangene, bis 
undlich der Tod sie erlöste, und daneben liegt heute die Bettdecke, die 
Marie Antoinette im Gefängnis benutzte. Die koketten kleinen Blu— 
nen der Musterung sind längst verblaßt, aber im Geiste des Besuchers 
aucht die Gestalt der unglücklichen Königin von Trianon auf, wie fie 
n nächtlichen Aengsten mit schmalen, weißen, im Entseßten bebenden 
tingern diese schlichte Decke über sich zog und mit weit aufgerissenen 
lugen den Schlägen der Kirchturmuhren lauschte. die ihr verkündeten, 
aß die Stunde des letzten Martyriums immer näher rücke. Welche 
frinnerungen, welche Erlebnisse mögen an diesen toten kleinen Din— 
en haften, die dem Sturme der Zeit getrotzt baben und nun späteren 
Fenerationen von den Aengsten und Leiden längst Verblichener er— 
ihlen! Dort liegt das kleine Lottospiel, das der Dauphin mit in 
as Gefängnis genommen hatte; über welche Stunden heimlicher, 
ürchterlicher Angst sollte dies kindliche Spiel einst wohl hinweg⸗ 
ocken? Man geht einige Schritte weiter, und wie entsetzt prallt man 
zurück: da liegt, mit geschlossenen Augen, das Kinn von Blut besu— 
»elt, die Wachsbüste des Kopfes von Robespierre. Die ganze Fürch⸗ 
erlichkeit der Schreckenszeit liegt in dieser greulichen Wachsmaske; 
soch sehen wir an der Kinnlade die Spuren der Kugel, durch die 
Robespierre der Guillotine entrinnen wollte. Das also war der 
Nann, der den Triumph der Tugend verkündete, das war der Heros 
„er Unbestechlichteit, der bürgerliche Diktator, die Leuchte der Ratio— 
alversammlung!, In diesen wächsernen Zügen, die in ihrer brutalen 
Farbigkeit wie traurige Wirklichteit anmuten, liegt die ganze Ge— 
chichte der Schreckensherrschaft beschlossen, der sanatische Ehracia und, 
ie glühende Sehnsucht dieses Menschen, dessen Haupt jetzt dort zur 
z„chau gestellt ist. wo auch die Reliquien derer liegen, die er zur 
one sandte. und denen solgen zu müssen er wohl nie erträumi 
räbte N
	        
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