Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

SUeber die Verleitung zum Schnapstrinlen durch Mit⸗ 
irbeiter hat das Gewerbegericht Berlin ein beachtenswertes 
ürteil gefällt. Ein früher sehr tüchtiger Fabrikarbeiter war 
dem Schnapsgenuß verfallen, weshalb ihn der Fabrikant ernst— 
ich verwarnte und einen Verbleib in der Fabrik davon ab—⸗ 
ängig machte, daß er sich während der Arbeitszeit des 
Schnapstrinkens völlig enthalte. Der Arbeiter tat dies monate— 
ang, obwohl er von seinen Mitarbeitern arg gehänselt wurde. 
Schließlich ließ er sich von einem Vorarbeiter, trotzdem dieser 
das Verbot kannte, doch verführen und trank von da an 
regelmähig mit ihm. Der Fabrikinhaber erhielt davon Kennt⸗ 
nis und entließ den Verführer auf der Stelle ohne Kündi— 
zung. Der Vorarbeiter klagte nun auf Lohnentschädigung, 
vurde jedoch vom Gewerbegericht abgewiesen. Die Ver— 
eitung des Mitarbeiters zum Schnapstrinken sei eine Hand⸗ 
ung, die gegen die guten Sitten verstoße, um so mehr, als 
»er Vorarbeiter wußte, daß sein Mitarbeiter als Trinker leicht 
nusein altes Uebel zurückfallen könne. Das Verhalten des 
Bacarbeiters berechtige also den Fabrikinhaber gemäß 8 123 
ar. 7 der Reichsgewerbeordnung zur Entlassung, ohne Auf— 
ündigung. 
o. Stabttheater. Aus der Theaterlanzlei schreibt man 
uns: Heute (824 Uhr): Gastspiel des Fritz-Steidl-Ensembles: 
„Halloh! Die große Revue!“ — Domerstag: Letztes Gait— 
spiel des Kgl. Preuß. Kammersängers Paul Knäpfer. Dritte 
Vorllellung im Mozart-Zyklus: „Die Entführung aus dem 
Sergil“. — Freitag: Uraufführung „Hans“ von Dr. Benno 
Diederich. Dazu „Thalea Brontema“. — Sonnabend wird Frau 
Franziska Ellmenrcich vom Teutschen Schauspielhaus in Ham— 
zurg ein einmaliges Gastspiel als Königin Elisabeth in Schillers 
„Maria Stuart“ bei gewöhnlichen Schauspielpreisen absolvieren. 
— Sonntag abend: „Die lustige Witwe“. 
b. Stadithallentheater. Aus der Theaterkanzlei schreibt 
nau uns: Das hochinteressante Gast'spiel des Fritz-Steidl⸗ 
cznsembles mit Paul Linckes Ausstattungsrevue „Halloh! Die 
ireße Revue!“ ist mit Freitag, den 31. d. M. beendet. Viel— 
achen Wunschen entsprechend werden am vorletzten wie auch 
am Abschiedsabend zwei populäre Vorstellungen veranstaltet. An 
beiden Abenden sind die Eintrittspreise auf allen Plätzen um die 
hälfte ermäßigt! Dieses Entgegenkommen der Direktion, die 
don dem Gedanken geleitet, auch dem Familienpublikum gegen 
geringe Unkosten Gelegenheit zu geben, einer Aufführung des 
ensationellen Werkes beizuwohnen, dürfte allseitiger Anerken— 
iung begegnen. Die Vorstellungen, welche in unveränderter 
Weise in Darstellung und Ausstattung von statten gehen, be— 
zinnen 8* Uhr und enden 11 Uhr. Der Vorverkauf ist in den 
zekanuten Vorverkaufsstellen bereits eröffnet. 
bh. Im 83. (letzten) Sinsonietbonzert des Vereins der Musik⸗ 
freunde am 1. April, abends 750 Uhr, werden wir Artur 
Schnabel als Solisten begrühßen können. Er wird neben 
rinigen kleineren Stücken von Chopin für Klavier allein 
Nocturne in C-moll, 3 Etüden op. 25) das 1. Klavierkonzert 
n D-moll von Johannes Brahms spielen. Schnabel gilt in 
naßgebenden Kreisen als einer der bedeutendsten Brahms— 
pieler der Gegenwart. Kapellmeister Hermann Abendroth 
eilet den Abend ein mit Webers ewig junger Oberonouvertüre, 
ind mit der Aufführung von Beethovens lieblicher B-dur- 
Sinfonie (Nr. 4) wird die Reihe der diesjährigen Abonnements— 
onzerte beschlossen werden. 
h. Ein Komzert Ellinor Walden findet Donnerstag, abends 
3 Uhr, im Kolosseunt statt. Der Sängerin, welche seit einigen 
Jahren erblindet ist, geht ein sehr guter Ruf vorauf; selbige 
hat eine große zweijährige Konzertreise durch Nordamerika 
zemacht und reiches Lob geerntet, auch hat Frl. Walden vor 
zem König von Sachsen, Prinz Max von Baden und dem 
Fürsten von Lippe gesungen. Das Musikkorps des Inf.Regts. 
‚Lübeck“ unter Leitung des Kal. Obermusikmeisters Herrn 
Fl. Clausnitzer. wirkt ebenfalls gütigst mit. 
b. Die Lübeder Liedertafel wird in ihrem nächsten Kon⸗ 
erte am 2. April im Marmorsaal ein geschlossenes größeres 
Werk mit verstärktem Chor unter Leitung des Obermusik⸗ 
neisters Herrn Clausnitzer zur Aufführung bringen und zwar 
die von Adalbert Ueberlée in Musik gesetzte Dichtung 
„Rübezahl“. Das hier nur selten gehörte Werk bietet in 
ibwechselungsreicher Folge gemischte Chöre, Frauen⸗ und 
Männerchöre und Soli, durch Deklamation und Melodramen 
niteinauder verbunden. Die Hauptsolopartien, „Rübezahl“ und 
„Veronica“ haben Herr Vollmer vom Stadttheater sowie dessen 
Hattin übernommen, während die Ausführung der übrigen 
Soli Frau Hedwig Clausnitzer und Herr H. Pagels freundlichst 
zugesagt haben. Man darf daher mit Sicherheit erwarten, 
daß das im Marmorsaale des Theaterbaues stattfindende 
Konzert ein besonderes Juteresse finden wird. 
b. Im Salon Nöhrinq findet morgen die diesjährige große 
Kunstaufktion statt 
s— 
Ganfestadie. I 
Samburg, 29. März. 
(GKleine Nachrichten) Derfortgesetzten Unter— 
schlagung hat sich ein 28jähriger Kontorist einer Firma am 
Steindamm schuldig gemacht. Er veruntreute in den letzten 
süns Jahren insgesamt 1660 M. die er in Rennwetten au— 
legte. Der Defraudant wurde nach der Revision der Bücher 
ofort festgenomnien. — Selbstmordversuch. Auf dem 
vßänsemarkt wurde ein Wärter des Wandsbeler Krankenhauses 
»humächtig aufgefunden und nach der Wache geschafft, wo er 
wäter angab, in selbstmörderischer Absicht Morphium zit sich 
zenommen zu haben. Der Lebensmüde fand Aufnahme im 
hasenlrankenhause. 
Bremen, 29. März. Die Deutsche Gesellschaft 
zur Rettung Schiffbrüchiger hat dem ersten Offizier 
õ. Hanken von Dampfer „Kohsichang“ des Norddeutschen Lsoyd 
ie kleine silberne Medaille nebst Diplom und den vier Leuten 
des Rettungsbootes eine Belohnung von je 30 Meaus der 
Laeiszstiftung für die im Januar d. J. ausgeführte Rettung 
von drei Chinesen verliehen. 
Schles wig⸗Holstein. 
Altona, 29. März. Eine kostbare Cremonenser 
Seige, die einen Wert von mehr als 3000 Mehat und von 
inem bei einem Musikalienhändler in Hannover verübten Ein⸗ 
bruch herrührt, wurde hier angehalten, als ein junger Bursche 
ie bei einem Musikalienhändler zu verlaufen versuchte. Der 
Arrestant entpuppte sich als ein vom Infanterie-Regiment Nr.74 
in Hannover entwichener Deserteur, der der Militärbehörde zu⸗ 
refühtt wurde. 
Käel, 29. März. Die Maul- und Klauenseuche 
sü jetzt in den Kreisen Lauenburg, Pinneberg, Steinburg, 
Norderdithmarschen, Eiderstedt, Süderdithmarschen und Rends⸗ 
arg aufgetreten. 
Neumüunster, 28. März. Die stäbtischen Kolle⸗ 
HRen beschlossen. auch in Zukunft für jede auf der Feldmark 
eumünster getötete und eingelieferte Kreuzotter eine Prämie 
on 25 Pf. zu zahlen. Es wurden eingeliefert 1908 125, 
909 43 und 1910 69 Ottern. Die an den Mittelschulen be— 
häftigten Lehrpersonen wandten sich an die Kgl. Regie— 
ung in Schleswig mit dem Ersuchen, die neue Besoldungs⸗ 
rdnung nicht genehmigen zu wollen. Diesem Antrage wurde 
sie Zustimmung aber versagt. Die Regierung ist der Mei— 
iung, daß eine Spannung von 400 Mizwischen den Gehältern 
er Lehrpersonen an Mittel- und Volksschulen, wie sie ge— 
oünscht wird, zu weit geht und eine solche von 3860 M, wie 
»on den städtischen Kollegien beschlossen, gendge. Der Mi— 
tister erteilte der höheren Mädchenschule die Erlaubnis, Hand⸗ 
irbeitslehrerinnen auszubilden. Abgelehnt wurde der An—⸗ 
rag, den städtischen Vertretern bei Dienstreisen höhere Diäten 
u gewähren. 
Apenrade, 29. März. Vollständig nieder«- 
sebrannt ist die Landstelle des Kütners N. Chr. Nielsen, 
irnum. Die Bewohner retteten nur das nackte Leben. Zwei 
zferde, sieben Stück Hornvieh, ein Schaf und zwei Schweine 
amen in den Flammen um. 
Flensburg, 29. März. Ein „Blumentag“ wird 
jier am 6. Mai veranstaltet. Der Reingewinn ist bestimmt 
ür die Bestrebungen des Vatarländischen Frauenvereins und 
er Ferienkolonien. — Die Tischler, die Montag in 
en Ausstand einzutreten beabsichtigten, schlossen in letzter 
tunde mit den Arbeitgebern einen Tarifvertrag, der den 
rieden im Tischlergewerbe bis zum 15. Febr. 1915 sichert. 
zs ist ihnen eine Stundenlohnerhöhung von 6 Pf. und eine 
zerkürzung der Arbeitszeit von wöchentlich zwei Stunden 
ugesichert worden. 
Rendsburg, 29. März. Der Bau einer neuen 
atholischen Kirche auf der Königskoppel wird hier 
seplant. — Festgenommen wurde in Geestemünde 
Musketier Prange der 3. Komp. des Inf.Regts. Nr. 85, der 
m Spätsommer v. J. von hier desertierte. 
Großherzosgtum Odenburg, Fürstentum Läbed. 
K. Ahrensbök, 29. März. Die gewerbliche 
Fortbildungsschule, die im Winterhalbiahr von 
31 Lehrlingen besucht war, wurde Montag geschlossen. — 
Ddie goldene Hochzeit feierten Sonntag Hofbesitzer Drück⸗ 
jammer und Frau hier. Der Jubilar ist 72 Jahre und seine 
Frau 78 Jahre alt 
Großherzogtümer VMedlenburg. 
⸗Rehna, 28. März. Der Gesangverein BSar— 
nonia veranstaltete Sonntag einen Familienabend. Bei Ge— 
ang und Vorträgen verlief er in schönster Weise. — Elek⸗ 
rizitätswerk. Demern hat sich nunmehr ebenfalls an 
ie Ueberlandzentrale-Lübeh angeschlossen, indem sich 
vort eine Genossenschaft gebildet hat, die Licht und Kraft 
on der Hauptgenossenschaft in Grevesmühlen beziehen will. 
der Vorstand besteht aus: Hans Rieckhoff, Hauswirt Wilhelm 
dobrahn und Schmiedemeister Friedrich Lebahn in Demern. — 
zekauft hat Fischereipächter Mayer die Isernhagensche Voll— 
pufe in Dechow. 
Versammlung der Bürgerschaft 
am Dienstag, dem 28. März 1011. 
Die heutige Sitzung eröffnete der Wortführer Konsul Dimpker 
im 6 Uhr 40 Minuten mit dem Ersuchen an die Mitglieder der 
ßürgerschaft, doch möglichst rechtzeitig zu kommen, denn es sei 
ine Unhöflichkeit gegen diejenigen Mitglieder, die rechtzeitig 
zekommen seien, und nun so lange warten müßten. Er habe 
zie Sitzung nicht aufgelöst, damit letztere Herren den Weg zum 
kathaus nicht umsonst gemacht hätten. 
B.⸗M. Rosenquist (u einer persönlichen Bemerkung): 
In der gestrigen Beratung habe Herr Stelling ihm hinsichtlich 
er fteien Jugendorganisation der ieichtfertigen Behauptungen 
eziehen. Daß der freiwillig aus dem Leben geschiedene junge 
hann dieser sozialdemokratischen Organisation angehört habe, 
rgebe sich aus dem Volksboten vom 21. März, in welchem 
ie Jugendgenossen ausgefordert wurden, an der Beerdigung de— 
Zerstorbenen teilzunehmen. Es seien inzwischen auch eine Anzahl 
dehrlinge als Mitglieder dieses dozialdemokratischen Vereins er— 
nittelt worden, und es würden die Nachforschungen noch meiter 
ortgesetzt werden. 
siernach wurde in der Beratung des 
Staatsbudgets für 1911 
rortgefahren, und zwar bei den Ausgaben. 
B.⸗“M. Löwigt (u Art. 7: Bürgerschaft) gab dem— 
Punsche Ausdruck, daß den Bürgerschaftsmitgliedern am Schlusse 
jes Jahres die Senatsdruchsachen gebunden zugestellt werden 
aöchten (Widerspruch), sowie daß den Bürgerschaftsmitaliedern 
degitimationskarten ausgestellt würden. 
Senator Dr. Fehling: Letzterer Wunsch richte sich an das 
kureau der Bürgerschaft. Der ette Wunsch gehe seines Er— 
chtens weit über das hinaus, was billigerweise erwartet 
rerden könne. Die Kosten würden nicht unerhebliche sein. 
B.⸗MPi. Löwigt: Wem sein Wunsch als zu weitgehend 
rachtet werde, bitte er um gebundene Sanimfungen dar steno⸗ 
raphischen Berichte. 
B.⸗Pd. H. Thiele: Diesem Wunsche könne er nur zu— 
immen. Auch für die Ausstellung von Legitimationskarten 
eien er und seine Freunde schon vor Jahren eingetreten 
B.M. Schorer: Er sehe nicht ein, weswegen die ge⸗ 
uimten Drudsachen und stenographischen Berichte am Jahres⸗ 
hlusse den Bürgerschaftsmitgliedern nochmals gebunden zu⸗ 
‚estellt werden sollten. Die Kosten hierfür könnten sehr gern 
jespart werden. Wer nicht an Ordnung gewöhnt seĩ, werde 
nuch diese umfangreichen Bücher verlieren. 
B.⸗M. Jenne: Nachdem die Bürgerschaft ein Bureau 
ingerichtet habe, könne dort alles eingesehen werden, über 
as man sich zu unterrichten wünsche. 
Senator Dr. Fehling: Der Begriff Bürgerschaftsdruck⸗ 
achen sei sehr unbestimmt. Sie vollständig zu sammeln, sei 
ngemein schwierig. Es sei wohl kaum eine vollständige Samm⸗ 
ung in Lübeck vorhanden. 
B.“M. A. Pape spricht sich für die Ausgabe von Legi⸗ 
imationskarten aus und gab der Bürgerschaft erneut zur 
krwägung anheim, ob nicht auch die Bürgerausschußverhand⸗ 
ungen öffentlich zu machen seien. 
Wortführer Konsul Dimpker: Da ein Widerspruch 
segen die Ausstellung von Legitimationskarten nicht erhoben 
porden sei, werde er solche herstellen lassen. Da hinsichtlich 
»er Drucksachen ein Antrag nicht gestellt sei, betrachte er diese 
Angelegenheit als erledigt. 
Zu Art. XIII (Amtsgericht) lag ein Antrag des Bürger⸗ 
musschusses vor, die sonstigen Kosten des Bureaus von 35 000 M 
uuf 32 000 Meäherabzusetzen. 
Senator Dr. Fehlina bat diesen Antrag nicht anzu—⸗ 
wemen. da déie Nosten nicht zu boch peranschlagt seien. 
B.⸗M. Dr. Ihh de wies darauf hin, daß durch die Vatan, 
einer Amtsrichterstelle und zahlreiche Erkrankungen von Rich⸗ 
ern beim Amtsgericht sich Zustände herausgebildet hätten, 
die als unhaltbare bezeichnet werden müßten. Die Verwendung 
von Assessoren als Hilfsrichter gehe erheblich üuher das zu— 
lässige Maß hinaus. Er bitte daher den Senat, der —7— 
schaft baldmöglichst eine Vorlage betr. weitere Anstellung eines 
Richters zugehen zu lassen. 
Senator Dr. Fehling: Die Ausführungen müsse er 
als zutreffend anerkennen. Auch die Justizkommission des Se— 
aates sei der Ansicht, daß es so nicht weitergehen dürfe/ 
Die gewünschte Vorlage werde voraussichtlich in Bälde der 
Bürgerschaft zugehen. 
B.eM. Landgerichtsdirektok Dr. Meyer bestätigt gleich— 
falls, daß das Hilfsrichtertum einen Umfang angenommen habe, 
der nicht fortbestehen dürfe. Die Herabsetzung der Kosten 
önne er nicht empfehlen, da die schriftlichen Arbeiten durch Ein— 
ührung des Offizialverfahrens erheblich zugenommen hätten. 
B.M. Jenne: Die Herabsetzung der Kosten sei erfolgt 
auf Antrag eines Mitgliedes des Bürgerausschusses, das die 
Berhältnisse im Gerichtshause auch genau kenne. 
Hiernach wurde der Senatsantrag angenommen. 
BeM. Grünau (zu Art. XVI, Verwaltung des Ge— 
richts hauses) bittet in Erwägung zu ziehen, ob nicht eine bessere 
Ventilation im Gerichtshause geschaffen werden könne. 
B.—M. Landgerichts direktor Dr. Mey er unterstützt diese An—⸗ 
egung, erkannte andererseits aber an, daß die Verbesserung 
recht schwer durchführbar sein werde. 
B.M. Meincde⸗-Travemünde wünscht erneut die Prüfung 
der Frage, ob im Treppenhause des Gerichtshauses nicht ein 
Fahrstuhl eingebaut werden könne. 
B.eM Stelling (zu Art. XXI, Polizeiamt) wünscht, 
daß lange Jahre als Silfsschutzleute tätig gewesene Straben⸗ 
reiniger als Schutzleute fest angestellt würden. Weiter be— 
nängelte Redner, daß die Verordnung von 1002, nach welcher 
den Schutzleuten wöchentlich ein freier Tag zustehe, nicht inne 
zehalten werde, die durch die Wachtmeister erteilten Instruk— 
ionsstunden, über deren Zweckmäßigkeit man geteilter Ansicht 
ein könne, nicht im Anschluß an die Dienstzeit stattsänden, und 
»aß auf den einzelnen Wachen die Mittagszeiten der Schutzleute 
unregelmäßige und verschieden lange seien. 
Senator Dr. Neumann: Die Frage der festen An—⸗ 
tellung der Hilfsschutzleute könne er aus verschiedenen Gründen 
richt in Aussicht stellen. Hinsichtlich der anderen Bemängelungen 
nüsse er erklären, daß es sich nicht um Verordnungen des Se— 
iates, sondern des Polizeiamtes handle. Ausnahmen würden 
mmer vorkommen müssen, wonn man nicht das Schutzmanns⸗ 
orps erheblich vermehren wolle. Unzufriedenheiten aus den 
dreisen der Schutzleute seien ihm nicht bekannt geworden, im 
hegenteil, gerade diese Beamten seien durch die erhebliche Auf— 
zesserung ihres Gehaltes sehr zufriedengestellt worden. Sie 
vürden daher auch wohl wenig davon erfreut sein, ihre Ge— 
schäfte von einer Gruppe in der Bürgerschaft geführt zu sehen, 
die am wenigsten dazu berufen sei. 
B.⸗Mi. Hoff fragt an, wie das Polizeiamt dazu komme, 
dion einer Witwe, die fünf Kinder und einen 70jährigen fast er⸗ 
zlindeten Vater zu ernähren hätte, zu verlangen, daß sie auch 
roch für ihren gesunden, kräftigen 24jährigen unehelichen Sohn 
orgen solle. 
Senator Dr Meumann:? Die Bürgerschaft wolle nicht 
zuf eine solche einseitige Darftellung hören. Das Polizeiaml 
ersahre bei der Finziehung von Kosten usw. sehr sorgfältig. 
zier in diesem Falle sei festgestellt worden, daß die betreffends 
Witwe eine Hypothek von nicht ganz geringem Betrage besessen 
ind darum sehr wohl zahlungsfähig gewesen sei. 
B.«M. Stender wünscht, daß das Polizeiamt oder die 
ztraßenbahnverwaltung an den Endpunkten der Straßenbahn 
Barierkörbe aufstelle, in welche die unbrauchbar gewordenen 
Fahrscheine zu werfen seien. 
B.⸗M. Rechtsanw. Fehling: Da die Sozialdemokraten bereits 
»en Schutz der Schutzleute übernommen hätten, wolle er hierauf 
nicht weiter eingehen. Die Ansicht des Herrn A. Pape, daß es bei 
»er Wahl der Budgetkommission im Bürgerausschuß nicht ord— 
rungsmäßig zugegangen sei, müsse er als unrichtig bezeichnen, 
Aus seinen Ausführungen sei jolches jedenfalls nicht zu ent⸗ 
nehmen gewesen. 
B.M. A. Pape: Solches habe er auch nicht behaupten 
rollen. Daß die Schutzleute jetzt zufrieden seien, freue ihn, doch 
sei auch er dafür, daß Hilfsschutzleute, die sich für den Dienst 
rewährt hätten, auch festz angestellt würden. 
B.M. Lzäwigt: Herr Rechtsanwalt Fehling und Herr 
Senator DTr. Neumann würden es sich schon gefaäallen lassen 
nüssen, wenn die Sozialdemokraten für die Schutzleute ein- 
reten, was ihnen diese auch wohl nicht verübeln werden. Wenn 
x auch keine Veranlassung habe, die Interessen der Kinemato⸗ 
rraphenbesitzer zu vertreten, so halte er es doch für wünschens⸗ 
vert, daß die Polizeiverordnung betr. die Kinematographen⸗ 
heater einmal in der Bürgerschaft besprochen werde. Er sehe 
lämlich nicht ein, weswegen Kinder beim Besuch von Jugendvor. 
tellungen von Erwachsenen begleitet sein müßten, wenn das Po⸗ 
izeiamt die zur Vorführung gelangenden Bilder vorher geprüft 
abe. Die Besitzer von Kinematographentheatern umgingen diese 
zeftimmung dadurch, daß sie sich Crwachsene engagierten, welche 
iie Kinder in die Vorstellung geleiteten, dann wieder hinaus⸗ 
ingen und andere Kinder hineinführten. Er halte eine solche 
chatte Aufsicht nicht für nötig, gingen doch auch Kinder allein 
n die Operettenvorstellungen des Stadttheaters. Ferner hätte 
r gern erfahren, wer die Zensur der Bilder ausübe, und nach 
relchen Grundsätzen sie gehandhabt werde. Seines Erachtens 
ei das Polizeiamt nicht die richtige Stelle für die Zensur. Er 
jalte die Oberschulbehörde hierfür weit geeigneter. Es komme 
hm so vor, als wenn kvbirch diese schikanöse Verordnung den 
zinos das Genick umgedreht werden sollte. 
Wortführer Konsul Dimpker: Er müsse es als ungehörig 
ezeichnen, wenn dem Polizeiamt der Crlaß schikanöser Verord⸗ 
rungen zum Vorwurf gemacht werde. 
Senator Dr. Neumann: Die Verfügung schließe sich 
en in anderen Bundesstaaten bestehenden Verfügungen an. 
hdurch die jetzigen Verfügungen seien die früher herrschenden 
Hißstände bedeutend gemildert worden. Da es bei der Zensur 
zedenken hatte, diese lediglich durch einen Polizeibeamten 
iusüben zu lassen, so hätten sich viele freiwillige Sachver— 
tändige bereit erklärt, mitzuhelsen, darunter auch viele Lehrer. 
Tlagen über die Zensur seien ihm bisher nicht zu Ohren ge⸗— 
ommen. Er stehe auf dem Standpunkt, daß wirklich gute und 
ediegene Vorführungen im Kinematographentheater sehr wohl 
mstande seien, in gewisser Beziehung den Schulunterricht zu 
rgänzen und zu erläutern. 
B.M. T hiele bittet die Beaufsichtigung der Wälle wieder 
urch Parkwächter vornehmen zu lassen. 
B./M. Stelling: Er sei der Mielnung, daß die län— 
wre Zeit tätig gewesenen Hilfsschußzleute auch angestelst
	        
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