Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

eträgk, dann wird man zu der Ueberzeugung kommen, daß 
zes Guten entschieden zu viel geschieht. Besonders be— 
»enklich erscheint die hohe Zahl der Studierenden 
»er klassischen Philologie écim ganzen 915). Die 
Hochflut der Neuphilologen und Mathematiker, die 
Awas nachzulassen scheint, war einigermaßen gerechtfertigt durch 
die Entwickelung unserer höheren Schulen im letzten Jahrzehnt, 
die in erster Linie eine Vermehrung der realen Bildungsanstalten, 
also Bedarf an Studierenden jener Fächer mit sich brachte. 
Eine gleiche Entwickelung steht aber für das nächste Jahr⸗ 
zxehnt bezüglich der gymnasialen Anstalten nicht bevor. Es 
tteht also zu erwarten, dah die ietzt eintretenden 
Studierenden der klassischen Philologie eine 
besonders lange Wartezeit durchmachen müssen, 
und dies un so mehr, als wohl bei allen anstellungsfähigen 
Kandidaten künftig die Wartezeit sich infolge des übermäßigen 
Andranges zum höheren Lehrberuf verlängern wird. Der 
orenßische Kultusminister glaubte, eine amtliche Warnung vor 
dem Studium der Philoslogie nicht verantworten zu dürfen. 
unm so mehr ist es Pflicht der Oeffentlichkeit, denen, 
die vor die schwere Frage der Berufswahl ge— 
ihellt sind, die nötigen Unterlagen für eine 
achhbiche Beurteilung der Aussichten der 
rwkademischen Berufe zugänglich zu machen. 
Ferner ist unserer Redaktion ein Schreiben der Deutschen 
Mathematiker⸗Vereinigung zugegangen, in welchem es über 
vie schlechten Aussichten für Kandidaten 
der Mathematik 
eißt: Der Austurm der Studierenden zu den mathematischen 
Fächern ist in den letzten Jahren ganz unverhältnismäkßig ge—⸗ 
machsen. Und dies trotz wiederholter Abmahnung. Jetzt ist 
die Gesamtzahl der Studierenden der Mathematik an den 
orcußischen Universitäten auf die nie dagewesene Höhe von 
über 2000 gestiegen. Das sind mindestens 600 zu viel. Der 
normaie Bedarf verlaugt vielleicht 250 neue mathematische 
Studierende jährlich. Statt dessen waren es aber in den 
leßten fünf Jahren gegen 400! In den nächsten Jahren sollte 
daher niemand das Studium der Mathematik beginnen, den 
nicht ganz besondere Neigung und Anlage dazu treiben. 
Inland und Ausland. 
Deuifches Resch. 
Der I. Delegiertentag der liberalen Arbeitsgemeinschaft 
Banerus. Eine stark besuchte öffentliche Versammlung in 
Schwabach, auf der das Thema: „Der bayerische Libe— 
ralismus und die Reichstagswahlen“ Gegenstand eines Refe— 
ates war und zur späteren Diskussion stand, wurde schließ⸗ 
ich folgende beachtenswerte Resolution gefaßt: 
„Wenn wir auch den Kampf gegen die Sozialdemokratie 
führen werden, wie es sich für uns gebührt, können wir 
die Sammlungspolitik, die uns von anderer Seite 
ugeniutet wird, nicht mit machen, denn die konservativ— 
lerikale Reaktion lastet wie ein Alp auf der freiheit⸗ 
ichen Entwickelung unseres Volkslebens. Eine andere 
Sammlungspolititksist es, die uns nottut. Es 
wird die Aufgabe der Parteileitungen der Fortschrittlichen 
Volkspartei und der nationalliberalen Partei im Reiche 
sein. dafür zu sorgen. daß jeder häßliche Kampf 
zwischen den beiden großen Parteien aufhört. 
Daß dieses Ziel in Bayern schon erreicht werden dürfte, 
st die große Tat der liberalen Arbeitsgemeinschaft.“ 
Die Fortschrittliche Volkspartei und die Ersatzwahl im 
j. Berliner Wahltkreis. Der Wahlverein der Fortschrittlichen 
Volispartei im vierten Berliner Reichstagswahlkreise hat be— 
chlossen, für die durch den Tod des sozialdemokratischen 
bgeordneten Singer notwendig gewordene Reichstags⸗- 
rsatzwahl von der Aufstellung eines fort— 
chrittlichen Kandidaten abzusehen. Die fort⸗ 
chrittlichen Wähler werden ersucht, der Wahl fern zu bleiben. 
Begründet wird dieser Beschluß folgendermaßen: 
„Erstens ist der vierte Berliner Reichstagswahlkreis einer 
der wenigen Wahlkreise, in denen nicht nur bei den Wahlen 
non 1907, sondern auch schon im Jahre 1903 die Zahlder 
ozialdemokratischen Stimmen weit über die 
ßälfte aller überhaupt Wahlberechtigten aus— 
wacht. Die politische Situation ist eine derartige, daß, 
venn auch ein Zunehmen der fortschrittlichen Stimmen er— 
sofft werden darf, jedenfalls ein erheblicher Rückgang der 
ozialdemokratischen Stimmen kaum in Ausjficht steht. so dak 
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„Weil ich Ihren Vater kenne und verehre, und weil ich 
— Ballberg kenne!“ Sie wollte auffahren. Aber Gerhard 
fuhr fort: „Ja, ich kenne ihn besser — genauer, als Sie ihn 
kennen. Er wäre schon unter normalen Umständen nicht der 
Mann, dem eine Frtau in sicherer Zuversicht ihr Schicksal 
uvertrauen könnte, da er in leinen festen Schuhen steht. 
Zalten Sie es zunächst meiner aufrichtigen Ergebenheit für 
zhren Herrn Vater zugute, wenn ich ganz offen zu Ihnen 
preche: daß Leopold Hallberg einer Frau nicht das bieten 
'ann, was man eine gesicherke Existenz nennt, halte ich noch 
nicht für entscheidend. Ich halte es auch für kein Unglüch 
venn der Mann durch eine vermögende Frau, wie Sie es 
ein werden, die Gelegenheit zum Hortkommen gewinnt. Wenn 
wei sich wahrhaft lieb haben, fragt wohl keiner: Was ist 
nein. und was ist dein? Alles, was sie sind und haben, 
suihnen dann gemeinsames Gut, und so soll es auch sein. 
Aber der Mann, der sich durch das Geld seiner Frau eine 
Jeachtete Stellung erringen will, muß ein tüchtiger, ehrenfester 
Charalter seiin. Aber — Leo Failberg — ißt kein Ehren⸗ 
mann, Fräulein Allmers! Es muß gesagt werden. Und lieben 
rann er wohl auch nur sich selbst; günstigenfalls sollen Sie 
nit Ihrer Person wie mit Ihrem Gelde seinem eitlen, ge⸗ 
uußsüchtigen „Ich“ in seiner Vaterstadt die ersehnte Stellung 
neben und ihm alle Genußquellen eröffnen.“ 
„Schämen Sie sich, Herr Friesing! Wie können Ssie 
einen Unglücklichen, einen Abwesenden so — so gemein ver⸗ 
dächtigen! Das habe ich von Ihnen am letzten erwärtet!“ 
Ihre Augen sprühten ihn durch den Schleier an und ihre 
Stimme bebte vor Zorn. 
„Schämen würde ich mich, wenn ich alles dieses nicht 
jesagt hätte!“ sagte Gerhard ruhig. „Sie sind blind und 
gehen in Ihr Unglüch, wenn Sie sich nicht warnen lassen.“ 
Sie schluchzte immerfort, bis sie endlich unvermittelt sagte: 
„Serr Friesing, helfen Sie mir, helfen Sie uns beiden!“ 
„Das eben will ich ja,“ sagte er ernst und herzlich. 
„Dann schaffen Sie uns Geid!“ sagte sie in höchster 
Srregung. „Er, Leo, muß Geld haben, ganz notwendig! Er 
uuch bei der bevorstehenden Ersatzwahl von vornherein der 
ozialdemokratische Kandidat wiederum die absolute Mehr⸗ 
zeit aller Wahlberechtigten erhält. — Zweitens geht die 
jegenwärtige Legislaturperiode des Reichstages rasch ihrem 
znde entgegen und die allgemeinen Neuwahlen finden unter 
Imständen bereits im Spätherbst statt. In Anbetracht dessen 
väre der Verbrauch an Kraft und Geld, den die Beteiligung 
in der Wahl erheischt, kaum zu rechtfertigen. — Drittens 
ällt für diese vereinzelte Nachwahl auch das Motiv weg, 
ꝛas die Parteien bei allgemeinen Wahlen veranlaßt, auch 
n Wahlkreisen, in denen eine Aussicht auf Erfolg nicht be— 
teht, Kandidaten aufzustellen: die Zählung der Wäh— 
erstimmen. Eine einzelne Nachwahl läht auf die gesamte 
PBählerschaft im Lande keinen Rückschluß zu und darum er⸗ 
cheint im allgemeinen Parteiinteresse bei der Ersatzwahl in 
ßerlin IV die Heranführung aller fortschrittlichen Wähler 
in die Urne nicht als unbedingte Notwendigkeit.“ 
Da auch die Konservativen beschlossen haben, sich 
der Stimme zu enthalten, so steht dem sozialdemo— 
ratischen Kandidaten Otto Büchner nur der Zählkandidat des 
zentrums Graf v. Oppersdorff gegenüher 
Das Schiffahrtsabgabengesetz kann auf lange Zeit als ge— 
cheitert gelten, wenn es nicht in dieser Session zustande 
ommt. Der nächste Reichstag wird sicherlich den agrarischen 
Vünschen noch bedenklicher gegenüberstehen als der gegen— 
därtige. Darum ist es begreiflich, daß die Nordd. Allg. 
ztg. versichert: „Gegenüber mannigfach verbreiteten irrigen 
Innahmen möchten wir bemerken, daß die verbündeten Re— 
ierungen?grohen Wert darauf legen, diesen Gesetzentwurf 
soch in der jetzigen Tagung des Reichstags er— 
edigt zu sehen.“ 
Vorgehen der Berliner Polizei gegen die Jugendheim— 
ereine. Wie der Vorwärts mitteilt, geht die Berliner 
dolizeibehörde jetzt gegen die Jugendheimvereineée 
»or. Der Polizeipräsident hat den Vorstand des Vereins 
lrbeiteriugendheim aufgefordert, die Vereinssatzungen sowie 
as Verzeichnis der Mitglieder des Vorstandes einzureichen. 
das gleiche Verlangen ist bereiis vor einiger Zeit gegen⸗ 
ber dem Verein Jugendheim in Lichtenberg gestellt worden 
ind auf eine Beschwerde hin dargelegt worden, daß die 
Jugendheimvereine politischen Anstrich hätten und mit der 
Sozialdemokratie in engster Berührung stehen. 
Eine Sühnewalljahrt inn Reschstagswahlkreis Kempten⸗ 
zumenstadt. Als Sühne sür das kürzlich verkborene 
deichstagsmandat in Immenstadt werden, wie das 
Berl. Tagebl. meldet, die katholischen Vereine des 
AlIlgäu am 15. Mai von Immenstadt aus einen Pilger— 
ug nach dem bekannten Wallfahrtsorte Altötting ver— 
unstalten. 
Der diesfährige Anarchistenksugre findet am 4. und 5. 
Juni in Dülsseldor“ statt. Es sind bei den Anarchisten große 
Igitationen im Gange, um eine Massenbeteiligung in Düssel— 
vorf zu erzielen. In der rheinischen Kunstmetropole wollen 
zie Anarchisten sich eine umfassende Organisation schaffen. 
Berechmung von Aenderungen an sertig gekanufter Kon—⸗ 
ettion. Von befreundeter Seite geht uns folgende Zuschrift 
u: Auf Veranlassung des Detaillisten-Verbandes von 
zeinland und Westfalen sowie des Verbaundes daut- 
chher Detailgeschäfte der Textilbranche tagte in 
issen Tagen in Köln eine von den verschiedenen Orts— 
ruppen des rheinisch-westfälischen Bezirks gut besuchte Ver— 
ammlung, die su der Frage Stellung nahm, ob die 
herechnung von Aenderungen an fertig ge— 
aufter Konfektion allgemein eingeführt 
verden soll. Es wurde belchlossen, für den Bezirk 
»on Rkeinland und Westfalen die Neuerung einzuführen 
ind zunächst eine Einigung sämtlicher in Frage stehenden 
ßeschäfte herbeizuführen. Ein Ausschuß, der zu diesem Zweck 
ingesetzt wurde, soll die Angelegenheit verfolgen und mit 
töglichster Beschleunigung für die allgemeine Durchführung 
Sorge tragen. 
Reichstagskandidaiuren. Die nationalliberale Düssel— 
orfer Zeitung schreibt: „Wie wir hören, soll pon ein— 
lußreichen Mitgliedern der beiden liberalen Par— 
eien in der Rheinprovinz der Versuch nochmals aufgenom— 
nen werden, eine allgemeine Einigung für die Reichstags— 
vahlen innerhalb der Provinz herbeizuführen, da die Vor— 
ussetzungen des inzwischen zu der Angelegenheit veröffent— 
iichten Schreibens der nationalliberolen Parteileitung von der 
hat unerwartete Verluste gehabt; ich konnte ihm nicht helfen 
heute — mein bißchen Kleingeld ist nichts für ihn — — —“, 
„Fräulein Allmers!“ rief Gerhard entsetzt, „ist es schon so 
weit gekommen! Sie dürfen den Mann nicht wiedersehen!“ 
(GSFortsetzung folgt.) 
Theater. Kunst und Wissenschaft. 
Lübeck, 27. März. 
Literarische Gesellschaft. 
Mittagsvorstellung im Stadttheater. 
„Anferstehnug“, 
Komsödie von Felix Salten. 
Ein feines, gewandt aufgebautes und konsequent zu einem 
rirllichen Schluß durchgeführtes Stück ist es, dieses beste von 
rei einaktigen wesensverwandten Geschwistern. Ein bitterlich 
rnstses Problem wird von tiefem Humor durchsonnt. Nur 
iebenbei sei bemerkt, dah auch ihm, wie falt allen Dramen 
er Jungwiener, ein paar feuilletonistische Eierschalen ankleben. 
kobert Scholz spielte den „auferstandenen“ Konstantin 
krübner. Leider schöpfte er die Roile nicht völlig aus. Kon— 
antin Trübner hat bestimmt geglaubt, sterben zu müssen 
ind hat aus dieser Idee heraus energisch in das Geschick einer 
Inzahk Menschen eingegriffen. Aber er wird wieder gesund 
ind muß nun erkennen, daß die für den Fall seines Abschei⸗ 
ens gemeinten Wohltaten jetzt, da er weiterlebt, allen zum 
lergernis, ja geradezu unsinnig werden. Und da sieht er weiter, 
ahß seine nähere Umgebung und auch die Menschen, denen er 
rohltun wollte, ganz bestimmt mit seinem Tode gerechnet 
aben, daß er keinen Platz mehr unter ihnen hat, ihnen 
m Wege ist, ja, dah sein bester Freund seinen Platz bei der 
zeliebten bereits ausgefüllt hat, mit einem Worte: daß er 
igentlich tot ist. Und aus dem schneidenden Schmerz dieser 
rkenntnis gewinnt Trübner den weisen Humor, der ihn die 
konsequenzen ziehen, sein bisheriges Leben als abgeschlossen 
elten und anderswo ein neues beginnen läßt. Und diese grell 
eleuchtete Einsicht, frei von allen sentimentalen Schleiern, gibt 
zm die Ueberlegenheit gegenüber den anderen, die ihn nicht 
tehr verftehen und ihm veraeblich mit Phrasen beizukommen 
— 
anderen Seite als nicht ganz zutreffend angesehen 
werden.“ 
Für den Reichstagßswahlkreis Frankfurt 
1. O.Lebus haben die liberalen Parteien gemeinsam den 
iationalliberalen Vatentanwalt Wangemann in Berlin, 
einen Sohn des früheren Senatspräsidenten beim Kammer— 
zericht, aufgestellt. In seiner Kandidatenrede rief er der 
Frank. Oderztg. zufolge den Wählern zu: „Mögen auch Steine 
bom Himmel fallen, was wir wollen, das setzen wir durch, 
wenn wir nur einig sind, treu, fest und zuversichtlich zusammen⸗ 
arbeiten!“ 
In Emden-Norden ist nach der Deutschen Tagesztg 
bon den rechtsstehenden Parteien der Lehrer Engelke in 
NRorden, der Vorsitzende des Provinzialverbandes der han— 
roverschen Arbeitervereine, als Reichstagskandidat aufgestellt 
vorden. Für die Nationalliberalen soll nach der— 
selben Quelle gegen den fortschrittlichen Abg. 
Fegter Gymnasialdirektor Dr. Prasse in Wilhelmshaven 
kandidieren. 
Zuden Vorbereitungen eines deutschen Wahl— 
kompromifses in der Provinz Vosen meldet der 
DOsten, daß die in der Kreuzzeitung erschienene Mitteilung aus 
zosen, nach der die Verhandlungen wegen der zu hohen An⸗ 
prüche der Nationalliberalen gescheitert seien und die rechts⸗ 
tehenden Parteien den Kampf auf der ganzen Linie gegen 
die Liberalen aufnehmen würden, unzutreffend und über— 
rieben ist. Die Verhandlungen seien nur vorläufig 
ibgebrochen worden und follen wieder aufgenommen 
werden. Es sei zu hoffen, daß diese notwendige Eini— 
gung trotz den zweifellos vorhandenen Varteischwierigkeiten 
doch gelinge. 
Im RSnigreich Sachsen ist trotz des selbständigen 
Vorgehens einzelner Wahlkreise sowohl bei der Leitung der 
Nationalliberalen Partei wie der Fortschritt- 
lichen Volkspartei noch immer der beste Wille vorhanden, 
einne Verständigung der beiden Parteien zum Zweck eines 
emeinsamen Vorgehens zu erzielen. Unter diesem Ge— 
ichtspunkt ist die Zurückziehung der nationallibe— 
ralen Kandidaturin Plauennicht ausgeschlossen. 
Beide Parteileitungen wollen auf die Wahlkreise, die ein 
elbständiges Vorgehen planen. im Sinne der gemeinsamen 
Verständigung einwirken. 
Aus Baden vird geschrieben: Nachdem Gouverneur 
Zdeutwein abgelehnt hat, sich vom schwarz-blauen Bloch im 
Reichstagswahlkreis Karlsruhe-Bruchsal aufstellen zu 
lalsen, hat sich Kreisdirektor Frhr. v. Gemmingen-Straß— 
hurg bereitgefunden, die Kandidatur zu übernehmen. Das 
Zentrum und der Bund der Landwirte unterstützen seine 
Kandidatur schon im ersten Wahlgang. Der konservative 
Kandidat entstammt einer altbadischen Familie und gehört 
politischh der Reichspartei an. Für die Sozialdemokrati« 
kandidiert wiederum der sogenannte rote Geck— 
* 
Tagesbericht. 
berband der lübeckischen freiwilligen Feuerwehren. 
JLäbeck, 27. März. 
In der am Sonntag hier in Fredenhagens Restaurant abge— 
haltenen Winter-DelegiertenVersammlung waren die freiwilligen 
Feuerwehren von Behlendorf, Dissau, Genin, Isra— 
»18dorf, Krempelsdorf, Krummesse, Kurau, 
Moisling, Niendorf i. Läüb, Schlutup, Schön— 
zöken, Travemünde und Vorwert vertreten. Als Ver—⸗ 
reter der Feuerlöschbehörde nahm Herr Baurat Branddireitor 
Deditius an der Versammlung teil. 
Nach Erledigung einiger geschäftlicher Mitteilungen erstattete 
zderr Howoldit-Krempelsdorf den Kassenbericht für 1910, 
der recht günstig lautete. Der Verband hatte zu Beginn des 
Rechnungsjahres ein Vermögen von 2839,03 Mi, die Ein— 
iahmen betrugen 612,66 M, die Ausgaben 428,40 M. so daß 
in Ueberschuß von 184,28 Mävorhanden war, wodurch sich 
das Vermögen des Verbandes auf 3023,31 Miüsteigerte. 
Das satzungsgemäß aus dem Vorstande ausscheidende Miit-— 
zlied Herr Banno w-Travemünde wurde nahezu einstimmig 
und die beiden Rechnungsprüfer, die Herren Langloh— 
Schlutup und Gühlke-Niendorf i. Lüb. durch Zuruf ein— 
timmig wiedergewählt. 
Hiernach erstattete Herr Hotelier Gol dschmitt-Träve— 
münde den Jahresbericht, demzufolge der Verband gegenwärtig 
15 freiwillige Feuerwehren umfaßt. Der Bericht weist sodann 
A ee 
suchen. Scholz faßte den Trübner nicht innerlich genug, 
eine Ueberlegenheit blieb darum äußerlich weltmännisch. Auch 
cerlockten ihn die komischen Pointen zuweilen, sie zu stark 
herauszuheben. 
Der einzige, welcher ebenfalls die Konsequenzen der Sach— 
lage zieht, ist der Klavierlehrer Schenk, welcher seine Geliebte 
dem Sterbenden antrauen lähßt, um ihr eine Versorgung zu 
zerschaffen, und zur Beruhigung jseines spießbürgerlichen Her— 
ens, und der sich nun durch den Lebenden um Frau und 
dind betrogen sieht. Diesen Leopold Schenk verkörperte Ju⸗ 
ius Heydecker ganz vortrefflich. Mit äußerster Dezenz 
ermied er jedes zu starke Auftragen bei dieser so leicht ins 
dossenhafte umschlagenden Figur. Er schleuderte dem anderen 
ie Vorwürfe über sein Lebenbleiben so troden, so nüchtern 
berzeugend ins Gesicht, daß es dagegen kaum noch eine Ein— 
oendung gab. Wenn Trübner sagte: „Entschuldigen Sie nur, 
»aß ich noch lebe“, so erwiderte er: „Das ist gar nicht zu 
ntschuldigen!“ Heydecder macdte die ganze geistreiche Komik 
ieser Rolle lebendig und gab ihr dadurch absolut ernst zu 
ehmende Existenzberechtigung. Den echten Wiener Eduard Ko— 
erwein spielte Stahl-Nachbaur liebenswürdig und in 
einer vermeintlichen Ueberlegenheit nicht zu erschüttern. Als 
er aus seinem Kreise herausgedrängelte Trübner das Zimmer 
„erläßt, tröstet Koberwein sich und die Geliebte des anderen 
nit den Worten: „Er wär'“ uns ja doch bald 
rauf gekommen.“ Das ist echt wienerisch. Das Wiener 
leinbürgermädel, das plötzlich zur gnädigen Frau wird, gab 
della Thornegg sehr lieb und überzeugend in seiner völli— 
en Verwirrung. Nur die ungeschickten Bewegungen dürfte sie 
och etwas abdämpfen, Wiener Mädel finden sich überraschend 
chnell in solche Situationen — wenigstens äußerlich. örl. 
Bilger spielte die kleine Rolle der Daisy charmant und mit 
»em Theaterton, der diese Persönlichkeit charakterisiert. Frl— 
Dscherning gab in Erscheinung und Gebaren ein echtes Kind, 
uuch im Ton frei von Naivenmätchen. Das Tempo der 
Ensembleszenen wird bei den Wiederholungen wohl noch schnei⸗ 
iger werden. 
Des Publikums Veifall klammerte sich meist an die lustigen 
Pointen. 8. 0. 0 
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