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Cagesbericht.
Lübecd, 10. Jan.
Ordination eines Geistlichen. Kand. theol. Arnold
Schumanun, ein Sohn des Gymnasialprofesfors a. De
ßerrn Colmar Schumann hierselbst, der rürzlich, wie be—
ichtet, in der Provinz Sachsen sein Ameltes brolagisches
eamen bestand, ist zum Silfsgeistlichen in Lübed erwählt
den. Seitens des Kirchenrates ist er mit der vor—
ufigen Verwaltung der Pfarrstelle in Genin betraut wor—
en Seine Ordination als Hilfsgeistlicher hat am Sonn⸗
ag im Anschluß an den Gottesdienst in der St. Jakobi⸗
ache stattaefunden. Die Ordinationshandlung wurde in
Gegenwart bon Mitgliedern des Kirchenrates umd der Synode
Gnie einigen Mitgliedern des geistlichen Ministeriums von
ior Lindenberg vollzogen.
— ———————— „Horn“. Abtiengefellschaft Bubed.
In der heutigen Sitzung des Aufsichtsrates und Vorstandes
wurde beschlossen, die diesiährige Generalversammlung auf
den 2. Februar, mittagss 12240 Uhr, im Saale der Scheffer—
gesellschaft, einzuberufen. Der Gewinn der Gesellschaft be⸗
rägt 346 311,68 M (1909: 362 245,04 M) und er möglicht
hrußer Verzinsung der Vorrechtsanleihe eine Rückstellung
hon 17500 Mifur die Ende 1911 fällig werdende Talonsteuer,
eine Abschreibung von 51200 auf den Buchwert der Schiffe
und die Verteilung von 390 Dividende (1909: 2 60) an die
Aktionãre.
S Deutschnationaler Sandlungsgehilfen-Verband. Die
hiesige Ortsgruvpe des D. S.⸗“V. hielt am Freitag in
Fredenhagens Resuurant ihre Hauptversammlung ab, die
sich eines guten Besuches erfreute. Der Vorsitzende, Herr
Pechascheck machte im Anschluß an den bereits im Oktober
erstsatteten Jahresbericht einige Mitteilungen über die wich—
tigsteen Geschehnisse im letzten Viertel des verflossenen Jah—
res. Die Neuwahl des Vorstandes gestaltete sich zu einer
Vertrauenskundgebung für die seitherigen Leiter der Orts-
gruppe. die unter lebhafter Anerkennung für die seither
geleistete Arbeit bis auf einen Herrn, der aus dem Vor—
sisind auszuscheiden wünschte, einstimmig wiedergewählt wur—
den. Nach Erledigung einiger interner Angelegenheiten hiell
der Gauvorsseher Woltmann-Hamburg einen inter—
essanten Vortrag Uber das Thema: „Was brachte uns
das Jahr 1910 und was erwarten wir von der Zukunft?“
3zwanzig Jahre, o führte ders Vortragende aus, waren im
Berichtsjahre verflossen seit den bekannten Febxuarerlassen
unseres Kaisers, in denen er die Fortführung der sozialen
Gesetzgebung als seinen Willen kundgab. Leider müßte man
der Sozialen Praxis zushimmen, die diese Erlasse kürzlich
als eine „hochherzige, weise und kraftvolle Kundgebung“
bezeichnete, gleichzeitig aber der bitteren Enttäuschung weiter
Kreise über die geringen praktischen Fortschritte auf sozial—
politischew, Gebiet Ausdruck gegeben habe. Nachdem Rednet
dann den gegenwärtigen Stand der Gesetzesvorlagen betr.
die staatliche Pensionsversicherung für die Privatbeamten
und die Reichsversicherungsordnung beleuchtet hatte, führte
er weiter aus, daß einen erfreulichen Lichtpunkt in der
Jahresbilanz der Standespolitik das Stellenvermitt«
rF⸗ gesetz vom 2. Juni 1910 bilde. Die Unerfahrenheit
und die Notlage stellenloser Kollegen wurden von ge—
werbsmäßigen Stellenvermittlen nur zu oft bis zum
Aeußerstsen ausgenutzt. Jetzt sei wenigstens den allerschllmim—
sten Ausbeutern das Handwerk gelegt. Die Vorschläge des
preußischen Handelsministhers zur Schaffung neuer Be—
sttäimmungen über die verderbliche Konkurrenzklausel
könnien keine Befriedigung unter den Handelsangestellten her—
vorrufen. Man müßte festhhalten an der Forderung nach
dem völligen Verbot der Sklavenketten, die schon unzählige
Existenzen vernichtet hätten. Der weitreichende Einfluß des
Deutschnationalen Verbandes sei bei der Beratung des Ar—
beitskammer gesetzes im Reichstage vor cinigen Wochen
wiederum deutlich in die Erscheinung getreten. Die Be—
deutung des Standes im Wirtschaftsleben unseres Volkes
rechtfertigt allein schon die Forderung nach besonderen
aufmännischen Arbeitskammern. Ganz außer—
ordentlich zu beklagen sei es, daß in der Frage der Ver—
besserung der Sonntagsruhe von Reichswegen trotz
aller Versprechungen auch im letzten Jahre nichts geschehen
ei. Ein Gradmesser des Vertrauens der Berufsgenossen zu
en verschiedenen Richtungen in der deutschen Handlungs⸗
gehilfenbewegung seien die Wahlen der Beisitzer zu den
Kaufmannsgerichten. Nachdem in den lekten Mougleu wmiepe
am in dem lichten Adur der Zuversicht noch mehr Innigkeit zu
derleihen. — Gewaltig setzt das Dies iras ein, alle Kraͤfte des
Drchesters sind in Anspruch genommen. Gellend erheben sich die
Stimmen des Chores, Trompeten von nah und fern schmeitern
darein und rufen die sündige Menschheit vor den Thron des
ewigen Richters. Verdi ist hier in gemilderter Weise den Inten—
lionen von Berlioz gefolgt, der in dem Tuba mirum seines Re—
zuiems vier verschiedene Posaunenchöre in den Eden des Saales
zostiert, die ihre ehernen Stimmen wechselweise erheben und lãßt
dazu acht Paar Pauken den Sekundenakkord aa. b. d. t. im
Jortissimo wirbeln. Dem Schönheitssinn des Italieners ent—
wrach es mehr, durch einen kurzen Trompetensatz im Orchester
Stimmung zu machen. Hier war ursprünglich eine größere Fuge
on Verdi eingeschoben, die später einem beruhigenden Mezzo⸗
Sorransolo bei den Worten „Quòid sum miser tunc dicturus“
Platz zu machen hatto. Ueberwältigend wirkt der Eintritt des
Rex trémendae majes ta tis“, dem das Salya mo des Solo-
uartetts gegenübergestellt ist. Das „Recordaro Jesu pie“
st zu einem ungemein wohlklingenden Zwiegesang zwischen So—
pran und Alt ausgestaltel Nach dem Baßsolo Conkuts tis
asledie tis ertönt noch einmal vollständig unvermittelt das
Hies iras in seiner schaurigen Größe, um durch einen erlösen—
den Aebergang das Largo Laerymosa die Ula- in b mol
fuͤr Soloquartett und Chor anzustiinmen und den schönen Sotz
dden verhallenden „Dona nobis requiem“ ausklingen zu
assen.
Das vierstimmig gehaltene Offertorium, Domiao Jesu“,
ungemein wohlklingend, leitet den zweiten Teil des Requiems
ein. dem sich ein etwas trockenes, der Gewohnheit entsprechen⸗
dez Fuggto aher die Worn. nneben pechn
ichließt. Bemerkenswert erscheint noch das Unisono des ganzen
Chors: Libera animas omnicum fidelium“. Wir gelangen
nun zu dem Söhepunkte des Gauzen, dem zweichörigen Sanctus
mit Doppelfuge, der Erfindung nach in dem Thema nicht
allzu bedeutend, aber von überwältigender äußecer Wirlung
durch die Schönheit in der Führung der Singstimme und des
ilnen abgewonnenen Klangreichtums. Das von Sopran und
Alt gesungene Acnus Det gewinnt einen eigenartigen Reiß
ducch das Hinzutreten des im VPianissimo verhaltenen Chors.
Kon den dreistimmigen Solosatz Tax ae lenna“ macht fich d
in mehreren hundert Stadten Kaufmannsgerichts—
wahlen stjattgefunden haben, steilen Gehilfen eisiter: Deutsch-
nationaler Verband 1031, 58er Verein 302, Leipziger Verband
570, V. d. D. K. 99, Soszialdem. Zentralverband 108. Am
zchluß seines mit großem Beifall aufgenommenen Vortrages
prach der Redner noch von den Wohlfahrts⸗- und son—
higen gemeinnützigen Einrichtungen des Verbandes
Der Moabiter Krawall⸗Prozeß.
Berlin, 9. Januar.
(Fortsetzung der Straffammerverhandlung.)
In der heutigen Sitzung wurden die Plädoyers fortgesetzt.
VLerteidiger Rechtsanwalt Th. Liebknecht führte aus: Er
jabe den Fall Pilz zu vertreten, den verwickeeltsten von allen.
Seines Erachtens liegt gegen den Angeklagten nicht der mindeste
ßeweis vor. Der Belastungszeuge Wellschmidt ist ein geistig
und sittlich minderwertiger Mensch, er kann nicht zwischen wahr
und unwahr unterscheiden, und auf die alleinige Aussage
dieses Mannes sollen Sie Pilz verurteilen, dem sonst von allen
inderen Zeugen das beste Zeugnis ausgestellt wird, und bei
dem niemals etwas vorgekommen ist. Ich kann nur aus
yollster Ueberzeugung die Freisprechung des Angeklagten Pilz
zeantragen.
Verteidiger Rechtsanwalt Bahn hat den Angeklagten Bock
zu verteidigen. Gerade ich, der ich nicht Sozialdemokrat bin,
bin der Ansicht, daß das Gericht nicht dazu da ist, politische
Fragen zu entscheiden, sondern einzig und allein Recht und
ünrecht zu prüfen und im Namen des Königs unparteiisch
Recht zu sprechen. Seines Erachtens hat der Angeklagte in
Putativnotwehr gehandelt. Er ist daher freizusprechen; zum
mindesten ist aber die beantragte Strafe von 2Z Jahren 6 Monaten
Gefängnis erheblich herabzusetzen.
Nach einigen belanglosen Ausführungen der Rechtsanwälte
Dr. Cohn und AUlrich wurde die Verhandlung vertagt.
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Daͤt Schwurgerichtsverhandlung.
Berlin, 9. Januar.
Das zweite Nachspiel der Moabiter Krawalle nahm heute
»or den Geschworenen des Landgerichts J seinen Anfang.
8 Personen, meist im jugendlichen Alter, welche sich sämtlich
eit Monaten in Haft befinden, stehen unter der Anklage des
Tufruhrs und des Landfriedensbruchs. Es sind
iejenigen, die sich in den stürmischen Septembertagen nach
»en Behauptungen der Anklagebehörde schwerer Verbrechen
huldig gemacht haben. Ursprünglich waren es 19 Ange—
lagte. Einer von ihnen, der Zimmermann Meden, hat sich
uzwischen im Untersuchungsgefängnis erhängt. Die Angellagten
ind damals festgenommen worden, weil sie nach der Be—
auptung der Anklage faustgroße Steine nach den
ßeamten geworfen haben, Laternen zer—
rümmert und andere Gewalttaten begangen haben.
kiner der Angeklagten soll sogar mehrere Revolper—
chüsse abgefeuert haben.
Gegen 10 Uhr eröffnete der Präsident, Landgerichtsdirektor
Inger, die Sitzung mit dem Aufruf der Angeklagten. Es
olgte dann die Bildung der Geschhworenenbank. Der Vorsitzende
neint, die Verhandlungen würden etwa drei Wochen in An—
pruch nehmen.
Die Personalien der Angeklagten sind nachstehende: 1)
der 30jähr. Arbeiter Max Jahnke, 2) der 41jähr. Arbeiter
Jacob Trau, ein österrcichisher Staatsangehöriger, 83) der
16 Zahre alte Arbeiter Franz Zofla, 4) der 23jähr. Maschinist
ßeorg Fitzner, 5) der 42jähr. Arbeiter JIgnatz Orlowski,
3)) der 28jähr. Stanislaus Borowial, 7) der 18iähr. Ar
peiter Michael Luksch, 8) der 21jähr. Arbeiter Karl Bruhn,
) der 20jähr. Arbeiter Hans Rode, 10) der 20jähr. Arbeiter
kichard AlIbrecht, 11) der 18jähr. Arbeiter Otto Mar—
ruardt, 12) der 28jähr. Arbeiter Richard Minor, 18) der
2jähr. Anstreicher Alfred Scharfenburg, 14) der 26iähr.
Arbeiter Kasimir Adamski, 15) dessen Bruder, der 22iähr.
Jakob Adamski, 16) der 40jähr. Arbeiter Friedric Bonnet,
17) der 571jähr. Arbeiter Johann Schadowski und 18)
der 19jähr. Arbeiter Nepomuk Zieslik. Ungefähr die Hälfte
aller Angeklagten ist wegen Eigentumsvergehen, Betteln
Vagabondage und Körperverletzung vorbestraft.
Als erster wird der Arbeer Jacob Drau vernommen,
der sich schuldig bekennt. Während der Angeklagte vernommer
vird, dreht er sich östers um zu einem anderen Angeklagten
der ihm Zeichen macht. Der Vorsitzende rügt dieses mit scharfen
Worten. Nach dem Ausbruch des Streiks ist der Angeklagte
zum Streikpostenstehen kommandiert worden und
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schöne Orchesterbegleitung bemerkbar, die einzige, aber un—
herkennbare Reminiszenz an Wagner. Im „Libera me'“ ist
»as im latholischen Kirchengesange gebräuchliche Psalmodieren
virlungsvoll verwendet. Zum dritten Male, ganz unver—
nittelt, unterbricht das Dies irae die weihevolle Stimmung,
im es, vielleicht nicht ganz auf der Höhe stehend, dem So—
pransolo mit dem Chor zu überlassen in dem „ibara me“
die letzte Versöhnung zu finden. Weihevoll. wie es ange⸗
angden. schlieht das Werk ab—
Der Ausführung haben wir schon oben das verdiente Lob
zespendet. In Anbetracht der obwaltenden Umstände war in
»en Chorsätzen in erster Reihe auf größte Exaktheit und sichert
Bewältigung des rhythmischen Elementes hineingearbeitet wor—
den. Der Erfolg lag in dieser Hinsicht unverkennbar vor. E⸗
vurde mit viel äußerlicher Hingebung und auch freudiger An—
eilnahme gesungen. Die Zvashenstufen innerhalb eines in
»en Männerstimmen fast überkräftigen Fortissimo und einem
'aum noch vernehmbaren Pianissimo fehlten mehrfach oder
lieben den Solisten vorbehalten. Ein Gleiches kann auch dem
Irchester nicht erspart bleiben; darum es zu größter Tonkraft
ingefeuert wurde, im Klang robust und hart war, mit Ausnahme
»er Holabläser, die sich solistisch recht diskret verhielten. Die
Figurgtionen in dem stark besetzten Geigenchor konnten zeitweise
aum noch erkannt werden, so sehr waren sie im Tone zurud⸗
jedrängt. Das spezifisch Gesangliche betreffend, so haben wir
»en Chor schon schöner und verinnerlichter in den einzelnen Stim⸗
nen singen hören, was aber nicht ausschließen soll, daß man⸗
hes trotzdem, namentlich in den Frauenstimmen, des Wohl⸗
langs und der Klangschönheit nicht entbehrte und die Absichten
»es Komponisten voll erfüllte. Ergreisend wirlte die Voll-⸗
raft des Chors nazentlich in dem Sanctus und in der Schluß⸗
uage, damit den Beweis ablegend, daß es ihm an wipklich
ittarnden Mäfasiedern nicht fökstt
Wie schon oben bemerit, erhebt das außerordentliche Werk
auch außerordentliche Ansprüuche an die Solisten. In Frau
Lauprecht-van Lammen war eine Sopranistin zur Stelle,
die mühelos, wenn auch etwas kühl im Ausdrudk, der hoch—
iegenden Partie gerecht zu werden wußte. Anfänglich be—
onders fessielnd durch das leichte Ansvprechen bes Orqans. schien
zwar vom Vertrauensmann. Er sohlte auspassen, ob Streil—
hrechet die Wagen sichrten. Vors.: Was sollten Sie mi
shnen machen? — Angekl. (in seinem polnischen Dialekt):
Har nix, Herr Staatsanwalt, brot, aufpassen. — Vors.: Sie
haben aber etwas gemacht? — Angekl.: O, bitt' schön, Hert
Staatsanwalt, man hat lich bloß bei mir zwei Steine ge—
funden, weiter nix. In meiner Dummheit wollte ich mit
einem Stein den VBorstecher osschlagen, damit der Wagen
aicht weiterfahren konnte. Nur aus Dummheit habe ich den
Stein in die Tasche gestecht und mit auf das Revier 9
nommen.
Danach äußert sich der Angetlagte Janke zu der ihm
zur Aast gelegten Tat. Er habe mehrmals Streilposten ge—
tanden. Er bestreitet entschieden, daß er in der Hand einen
Stein gehalten hätte und sich auch sonst irgendwie an den
Ausschreitungen beteiligt habe. — Der Angeklagte Borowia!
hat Angst gehabt, allein weiterzuarbeiten. Als er an einem
Tage fortging, bemerkte er einen Kohlenwagen, der von Schutz—
euten begleitet wurde. Aus der Menge sei mit Steinen nach
dem Kohlenwagen geworfen worden. Er bestreitet entschieden,
daß er sich an dem Werfen beteiligt habe. — Der Ange—
tlagte Bruhn hat mehrfach Streikposten gestanden. Am
Freitag, dem 23. Sept., versah er diesen Dienst zwischen
12 und 2 Uhr vor der Löweschen Fabrik. Er hatte die
Hände hinten auf den Rücen gelegt. Bei dieser Gelegenheit
ei ihm ein Stein in die Hand gelegt worden,
zon went, weiß er nicht. Er hat den Stein sofort fortgeworfen,
vamit aber niemand getroffen, trotzdem wurde er verhaftet.
— Sierauf tritt die Mittagspause ein.
Die Angellagten Schadowski und Bonnet beitreiten
zede Schuld. Der Angeklagte Fitzner soll gerusen haben:
„Haut die Blauen!“ Er bestreitet das und gibt an, daß
er wie ein Stück Vieh von der Polizei geschlagen worden sei.
— Der Angeklagte Zofar soll in der Sickingensteaße auf
die Schutzleute aus einer gewalttätigen Menge heraus geworsen
haben. Er bestreitet das, obgleich ihm der Vorsitzende vor—
hält, daß dort ein wahrer Steinhagel auf die Schutzleute
heruntergeprasselt sei. Er behauptet auch, von Steinwürfen
nichts gesehen zu haben. — Dem Angeklagten Arbeiter Or—
bowski hält der Vorsitzende vor, daß er schon 1828 wegen
Bettelns vorbestraft si. Gben Si⸗zu, schein Meabit itrafbar
jemacht zu haben? — Angekl.: Ich habe einen Stein ausfge—
joben, aber ich habe mich bemeistert und niiht geworsen. —
Vert. R.A. Dr. Heinemann: Wir werden den Beweis
ühren, daß gerade an dieser Stelle die gröbsten Mißhand—
lungen harmloser Passanten vorgekommen sind, die den Ange—
klagten gereizt haben. Der Angeklagte Arbeiter Luksch ist
derjenige Angeklagte, der nach dem eingeholten Tausschein da—
mals 18 Jahre alt geworden war. — Vors.: Wann sind Sie
zeboren? — Angekl.: Am 27. Sept. — Vors.: Der Tau'schein
spricht aber vom 26. Sept. Wenn Sie recht hätten, wären Sie
damals nicht 18 Jahre alt gewesen und hätten nicht vor das
Schwurgericht gestellt werden fönnen. Der Angeklagte Luksch
gibt zu, daß er mit einem Stein, der so groß war wieein
Hühnerei geworfen hat. Er sei aber gereizt worden durz?
die Mißhandlung eines alten Mannes. — Der Angeklagte
Ciesliéd stellt auch seinerseits in Abrede, mit Steinen au
die Schutzleute geworsfen zu haben. Er gibt an, daß er bei
seiner Verhaftung einen Stich in den Bauch bekonmen habe,
Widerstand aber habe er nicht geleistet. — Zum Schluß detr
heutigen Xtitzung werden die Brüder Kasimir und Jakob
Adamski vernommen, die beschuldigt sind, vor dem Hause
hrer Wohnung aus einer gewalitätigen Menge heraus auf
die Schutzleute geworfen zu haben. Sie bestreiten das beide.
Hierauf wird die Weiterverhandlung auf morgen (Diens—
taa) verfao“*
Neueste Nachrichten und Telegramme.
W. Berlin, 10. Jan. In der Frauenmordsache in
der Blumenthalstraße wurde der Gastwirt in der Möcern—
siraße, von dessen Lokal aus der Mörder der Witwe Hoff—
mann an den Portier im Mordhause seine falsche Auskunft
über den Verbleib der Witwe telephonierte, dem in der
Untersuchungshaft sitzenden Sattler Mielke gegenübergestellt.
Der Gastwirt erklärte, Mielke sei vicht der Mann. der bei
ihm telephonierte.
W. Chemnmitz, 10. Jan. Der Begründer der sächsischen Web—
stuhlfabrik Louis Schönherr, ein hervorragender Erfinder
von Webereimaschinen, ist, 93 Zahre alt, gestorben.
W. Ruppersdorf bei Zittau, 10. Jan. Am 8. Dez. 1910
wurde eine Mitwe nebst Tochter ermordet. Der
— D
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Eindruck etwas abzuschwächen. Frau Else Schünemann
war unter den Solisten diejenige, der stimmlich die klang—
»ollen Mittel und die geistige Durchdringung der Partie von
ieuem die Gunst des Publifums in erster Reihe zufiel. Der
Tenorist, Herr Römer, hatte teilweise mit der überaus
hohen Lage zu kämpfen, zeigte sich aber im übrigen als
ein denkender Sänger von musikalischer Tüchtigkeit. Die etwas
auhe Stimme des Bassisten Herrn von Raatz-Brockmann
erschwerte dem Sänger, trotz anerdennenswerter Mühwaltung,
die Verwertung derselben in den Pianostellen, während das
kräftige Material den übrigen Stimmen in den Ensemblesätzen
zu bester Unterstützung diente.
Herr Kapellmeister Abendroth, genau mit dem Werke
Verdis vertraut, leitete, getreu der Münchener Ueberlieferung,
den umfangreichen Apparat mit fester Hand. Auf ihn häuften
sich zum Schlusse alle die wohlverbienten Huldigungen, die
seiner Mühwaltung lohnen wollten, freilich ohne zu bedenken,
dah der Inhalt und namentlich der Ausgang einer Toten—
messe, dieselbe lediglich als Kunstwerk angesehen, wohl
kaum Gelegenheit bieten sollte, um an Stelle seelischer Ergriffen—
heit in persönlich gearteten Beifallsrufen seinen Gefühlen Aus—
druck zu geben.
Recht zu bedauern blieb es, daß das Publikum sein so
oft betontes Musikverständnis nicht durch zahlreicheren Besuch
zu erkennen gegeben hatte. Prof. C. Stiebl
— —
d. Strauß' „Rosenkar alier“ in München. Unser Korrespon⸗
dent telegraphiert uns aus München solgendes: Welchen
arohen Wert Strauß und Hugo von Hosfmannsthal auf die
Münchener Premieredes „KRosenkavaliers“ legen,
jeht daraus hervor, dan der Dichter Hugo von Hofmanns—
thal im Auftrage des Komponisten in München einge—
troffen und besondere Proben unter Anwesenheit des Dich—
ters entgegen den Gepflogenheiten des Mäündeener Hoftheaters
Sonntag nachmittag fstattfinden, weil der Dichter schon Montan
vieder München verlassen wird. um nach Dresden in aleicher
Absicht zu ahron