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Beilagen: Vaterstädtische Blätter. — Der Familienfreund.
Amtsblatt der freien und Hansestadt Lübed 161. Jahrgang Nagdhrichten sur das herzogtum Lanenburg, die
Beiblatt: Gefetz⸗ und Verordnungsblatt 3ꝝ— d fürstentiümer Ratzeburg, Lübed und das angren
EXEEEEESS—— jende mecklenburgische und holsteinische Gebiet.
Drud und Verlas-Sebta der Borwers S. m. b. S. in Lübes. — Seichäntsstelle Adreß baus GKoniakr. 46 Fernidrecher sad v. so
(Große Ausgabe) Sonnabend, den 25. März 1911.
Ausc
mn
Erhebungskosten der Wertzuwachssteuer.
Von einem Reichsstagsabgeordneten wird uns geschrieben:
Aus der Erfahrung eines preußischen Stadtoberhauptes heraus
jatten die Linksliberalen im Reichsstage beantragt, in das Gesetz
iber eine Reichswertzuwachssteuer die ausdrückliche Bestimmung
rufzunehmen, daß die Erhebungskosten von den Bundesstaaten
rus den ihnen bewilligten 10 60 Steueranteilen bestritten
ind nicht auf andere Körperschaften gewälzt werden dürften.
Der Antrag hat nicht die Zustimmung des Reichstages ge⸗
unden. Aber nicht etwa, weil die Mehrheit den Gedanken
blehnte, sondern nur, weil sie eine ausdrückliche Fixierung
ür überflüssig hielt. Man war nämlich der Ansicht, daß die
zestimmung, wonach die Bundesstaaten 10 60 für die Erhebung
er Steuer erhalten, genügte, um die Pflicht zur Deckung der
krhebungskosten aus diesen 10 60 festzulegen.
Die preußische Regierung ist nun anderer Ansicht und hat—
n dem Entwurf eines Ausführungsgesetzes vorgeschlagen, die
frhebungskosten auf die Gemeinden abzu—
wälzen. Trotzdem der deutsche Städtetag sich sofort dagegen
zewandt hat, ist doch nicht unwahrscheinlich, daß der preußische
dandtas das Gesetz so annehmen wird. Das Mißtrauen der
riberalen im Reichstage war also durchaus gerechtfertigt und
s ist schade, daß ihr Antrag nicht Annahme gefunden hat.
krotzdem aber kann über die Absicht des Reichstages kein
zweisel sein und Landgesetz kann natürlich nicht Reichsrech
iußer Kraft setzen. Vielleicht kommt es jetzt zu interessanten
Kechtsstreitigkeiten, in denen dann das Gericht zu entscheiden
at, ob Preußen entgegen den Reichsgesetzgebern die Erhebungs⸗
tosten seinen Städten zuwälzen darf. id))
Abend⸗Blatt Kr. 155.
Erstes Blatt. hierꝛ
e ven
Rlatt.
zwanzen Tagung war sodann, daß Dr. Oertel vor dem Libe-
alismus mancher Reichssämter warnte. Er kann
cheinbar die Aeußerungen Sydows über den Hansabund noch
icht verschmerzen.
Im Hinblick auf diese Sachlage können wir uns des
zßedankens nicht erwehren, daß bei der völligen Uebereinstim—
nung in den taktischen Maßnahmen eine Verständigung zwi⸗
hen dem Zentrum und den Konservaliven in irgend einer
orm stattgefunden haben muß. Daraus yiuß aber für
en Liberalismus der Schluß gezogen werden. Auch hier
iuß durch ein ganz plan⸗— und zielvolles Verhalten bei
er Aufstellung von Kandidaten dahin gewirkt werden, daß
alsche Stichwahlen unter allen Umständen vermieden wer—
en. Erst gesterr, nahmen wir wieder Gelegenheit, ein
Vusterbeispiel falscher Wahltaktik des Liberalismus scharf
u verurteilen.
das Neuefte ũber die künftige Wahltaktik
der Konservativen.
O Lübeck, 25. März.
Das Beispiel des Zentrums scheint bei den Konservativen
eine strenge Nachahmung bewirkt zu haben. Auch sie haben
etzt neue Richtlinien gefunden und ganz ähnliche Grundsätze
vie die konsessionelle Fraktion proklamiert, um ,falsche
Stichwahlen“ zu vermeiden und um den Kampf gegen den
Freisinn und die Sozialdemokratie erfolgreich durchzuführen.
Das geht wenigstens aus einem soeben erschienenen Artikel
der Kreuzzeitung herpnor, in welchem es folgendermaßen
neißt:
Nichtamtlicher Teil.
— 2 2reewx䜗 —
Eine Aufgabe sür den neuen Reichttag.
Schon längst ist man in Abgeordnetenkreisen der Ansicht,
daß die Geschäftsordnung in den Kommissionen nicht in
er bisherigen Weise weiter gehandhabt werden darf. Ins—
esondere hat sich de Budgetkommisfion zu einem
ßarlament im Parlamente ausgewachsen. Daran
st nicht zum wenigsten der Vorsitzende der Kommission, Herr
Gamp, mit schuld. Er hat es verstanden, die Bedeutung
er Budgetkommission erheblich zu fördern und alles und
edes in den Bereich ihrer Beratung zu ziehen.
Der Reichsstag hat vielfach diese Bestrebungen aus
einen Bequemlichkeitsrücksichten unterstützt, une im Plenum
hneller vorwärts zu kommen. In letzter Zeit haben aber
ie Budgetberatungen entschieden einen zu großen Umfang
ngenommen. Deshalb hat der Seniorenkonvent des Reichs-
ages der Kommission den Wunsch unterbreiten lassen, all—
‚emeine Erörterungen auszuschalten und sich streng an den
5tat zu halten. Selbst der sozialdemokratische Vertreter
m. Seniorenkonvent, Herr Bebel, hat sich diesem Wunsche
ngeschlossen. Seltlsamerweise wollten lich aber die sozial—⸗
emokratischen Vertreter in der Budgetkommission nicht ver—
flichtet fühlen, der Anregung des Seniorenkonvents ganz
hne weiteres Folge zu geben. Für den ijetzigen Reichstag
sird es kaum noch Bedeutung haben, in eine offizielle
zehandlung der Frage einzutreten. Aber der kommende
deichstag wird sich mit einer Abänderung der Geschäfts—
rdnung sür die Kommissionen ernstlich befassen müssen.
Jie Beraiungen in den Kommissionen sollen nun zwar auch
ernerhin ihre Bedeutung behalten. Jedoch darf diese Be—
eutung keineswegs auf Kosten des Plenums übertrieben
gerden. 1
„Die konservative Partei besindet sich in einer dem
Zentrum ähnlichen Lage. Auch sie kann dem
'onzentrischen Ansturm der vereinigten Linken gegenüber
ich auf Bundesgenossen nicht stützen, abgesehen davon,
dah die „Not der Zeit“ wohl die rechtsstehenden Parteien
n enge Kampfgemeinschaft bringen wird. Die Taktik
der Konservativen wird im groben und
raänzen die der Zentrumspartei sein mäüssen.
Jedenfalls muß, ebenso wie das Zentrum es tut, auch
non Tonservativer Seite der veränderten Parteikonstellation
Nechnung getragen, aber das Schwergewicht auf den
Kampf gegen die Sozialdemokratie und ihre linksliberalen
zelsershelfer gelegt werden.“
Einen weiteren Kommentar zur neuen Wahltaktik hat dann
gestern Dr. Oertel auf der sächsischen Landesversammlung des
Bundes der Landwirte in Dresden gegeben. Er führte etwa
aus, daß der Bund gegen die Nationalliberalen die
chärfste Vorsicht üben und sich von ihnen alles schriftlich
zeben lassen müsse, und auch selbst dann noch mißtrauisch
ein solle, da sie in Sachsen die Sozialdemokraten bei den
etzten Landtagswahlen unterstützt hätten. Daß kein Land—
»ündler bei den Hauptwahlen für einen Freisinni—
gen eintreten dürfe, war für Herrn Oertel selbftver—
tändlich. Auch bei den Stichwahlen sollten sie den
Freisinn nicht gegen die Sozialdemokratie her—
aushauen, sondern dann Gewehr bei Fuß stehen.
Ddas war im Grunde genommen die gleiche Pa—
ole, die vor einiger Zeit bereits der Reichstags—
bgeordnete Lattmann in Sachsen ausgab, die aber dann
»on konservativer Seite bestritten wurde. Originell an der
Ein nationalliberaler Antrag zur Förderung der
Jugendpflege.
Im preußischen Abgeordnetenhause haben die national—
liberalen Abgeordneten Dr. Frie dberg und Genossen zur
Ritten Beratung des Kultusministeriums mit Unterstützung der
nationalliberalen Fraktion einen Antrag eingebracht, welcher
1. a. die Vorlage einer Denkschrift über Entstehung
uind Ziele der Jugendpflege fsordert. Der Antrag
autet: „Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: die
Zönigliche Staatsregierung behufs nachhaltiger Förderung der
zugendpflegebestrebungen, besonders auch, um die weoitester.
„chichten des Volkes über den Zweck derselben allgemeiner
ruszuklären, zu ersuchen, dem Hause der Abgeordneten
1. noch vor der nächstjiährigen Beratung des Kap. 121
dit. 49 eine Denkschrift vorzulegen, die über Entstehung, Ent⸗
bidlung und Ziel der Jugendpflege wie über ihre- grund⸗
ätzliche Behandlung durch den Staat eine zusammenfassende
darstellung gibt;
2. nach Ablauf der nächsten Etatsperiode 1911 Mittei—
— 7—
noch durch den Flor an seinem taellos sitzenden Rock. Desto
ebhafter war das Interesse und die Teilnahme der sich im
gäterlichen Hause unverstanden sühlenden und sich langweilen—
den Adelina Allmers, deren leidenschaftliches Temperament sich
ach außergewöhnlichen Erlebnissen jehnte und in dem schönen,
rebsamen und, wie sie wähnte, unverstandenen und unglüdlichen
ungen Mann zunächst einen Gegenstand tiefen Mitleides und
nitfühlender Verehrung erblickte.
Leopold war ein geschidter Frauenkundiger und verstand
»s, die ihm dargebrachten Gefühle zu schüren, einmal durch
ine scheinbare, zartfühlende Zurüdhaltung der Gefühle, ein
indermal durch plötzlich auflodernde Glut. Er hatte sich
zutritt zu dem Miehlerschen Kreise zu verschaffen gewußt
ind traf dort häufig mit Adelina zusammen. Die verwandt—
haftlichen Beziehungen zwischen ihnen, die er geflissentlich
etonte, machten sie zutraulicher, als es sonst ihre Art war
Ddoch bewahrte Leopold bei all seinem heimlichen, glühenden
PVerben innerlich die kühle Beherrschtheit und Berechnung
iner selbstsüchtigen und in der. Liebe verbrauchten Natur.
5o0 blieben die Beziehungen der beiden der Welt volljtändig
erbotgen; und da Gerhard ein guter Freund Fräulein Ade—
inas war und bald auch von dem leidenschaftlich hinge—
sommenen, warmherzigen Mädchen, das zu Hause keine Seele
atte, der sie sich amvertrauen konnte, in ihr heimliches Glüch
ingeweiht worden war, wem Hallberg ihm vorsichtshalber
ibends gelegentlich die Begleitung des jungen Mädchens über—
ieß, begann man an ein Einvernehmen zwischen Gerhard und
Adelina zu glauben. Und damit hatte „die Welt“ auch den
Hrund für die Bevorzugung Gerhards seitens des Prinzipals
ind für die Verzögerung der Abreise des iungen Frielfing
ns Ausland gefunden.
Die verrögerte Abreise aber hatte einen ganz anderen
Hrund. Gerhard, der sich bis dahin frisch und gesund gefühli
atte, fing an zu kränkeln. Er titt an Schlaflosigkeit, hatte
venig Appetit und wurde oft von heftigem Herztlopfen und
Ingsigefühlen geplagt. Im Geschäft arbeitete er zwar mit
roßer Gewissenhaftigkeit und mit Anspannung aller Kräfte
veiter; wenn er abends allein war, war die Abspannung
im so größer. Früher hatte er immer neue Frische von
einen Besuchen zu Hause mit zurückgebracht. Jekt nlimmt,
Ob sie wohl kommen wird?
Roman von Rengata Greverus.
14. Fortsetzung.) Machdruck verboten.)
Die Heirat des jungen Allmers war nicht nach des Vaters
Plänen und Wünschen gewesen. Die Schwiegertochter ent—
tammte einer Familie, in welcher nicht allein der frühere,
solide Wohlfstand, sondern auch das laufmännische Ansehen
des Oberhauptes erschüttert war. Nach dessen plötzlichem Tode
——
Verhältnissen. Sie lebte sogar extravagant und pflegte künstle—
tische Neigungen; ein Schwarm von jungen und alten Lebe—
nännern bevölkerte ihren Salon und das Treiben dort ent—
prach nicht immer den strengen Solidaritätsbegriffen der
ehrbaren alten Kaufmannsfamilien. Neben der Mutter spielte
ihr schöner Sohn Leopold eine große Rolle in dem Gesell—
schaftskreise. Als die junge Tochter dann in den Kreis der
Erwachsenen trat, gab es einen neuen Anziehungspunkt; doch
das slille, etwas schene Mädchen fühlte sich fremd und ver—
einsamt dort. Ihre zarte Schönheit aber rührte und ent—
flammte das Herz des jungen Allmers, und ihr stilles, an—
pruchsloses Wesen versöhnte allmählich den Vater mit der
Wahl seines Sohnes, wenngleich er den Verkehr mit der Fa—
nilie der Schwiegertochter aus guten Gründen geflissentlich
nied, — sehr zum Mißvergnügen der lebenslustigen Frau
dallberg, die von den Beziehungen zu dem angesehenen All—
nersschen Hause für sich viel Angenehmes und für ihr Sorgen—
ind, ihren glänzenden, schönen Sohn Leo, eine sogenannte Zu—
'unft erhofft hatte.
Leopold Hallberg hatte das Gymnasium mit Glanz durch⸗
zemacht, wenngleich seine näheren Bekamnten von seinem Fleiße
und seiner inneren Tüchtigkeit niemals viel gehalten haätten.
Lin brillantes Gedächtnis, rasche Anffassimgsgabe, ein ge⸗
vandtes Anpassungsvermögen und die strupellose Ausnutzung
zilerlei zweifelhafter Aushilfsmittel hatten die Lehrer ge—
zlendet. Er ging danmn zur Universität, um Jura zu studieren,
drauchte viel Geld, lebte sehr loder und siel dann zur größten
Beslürzung der Mutter durch das erste, mit groher Zuversicht
seinerseits unternommene Examen. Ta die Geldmitteldei Munc
uu versiegen schienen, mußte Leopold das Weiterstudieren auf—
seben. Er verstand es, besonders den jüngeren und älteren
Damen seines Kreises gegenüber, die alle für ihn schwärmten
nd glühten, sich die Märtyrerkrone des Entsagenden aufzu—
etzen, der der Mutter bald eine Stütze werden müsse Seine
zemühungen, sich als Volontär in einem vornehmen, reichen
daufmannshause unterzubringen, scheiterten. Seine Versuche,
ls Journalist sich eine Stellung zu schafsen, waren nur in—
»fern geglückt, als ein paar ssott geschriebene Artikel über
en Bureaukratismus und über die Beschränktheit und Un—
ildung der Geldaristokratie in einem Radaublatt zweiten
langes abgedruckt waren und in dessen Leserkreis gezündet hatten.
suicht hatten ein paar glatte Verje voll Heineschem Welt—
hmerz und Heinescher Ironie in einer neubegründeten Moden—
itung gestanden. Er las dieselben seinen Verehrerinnen mit
efer Cpfindung und hohem Vathos vor und wußte sie alle
ald für sein sogenanntes tragisches Schicssal zu interessieren.
ndlich hatten seine einnehmenden Formen und seine Rede—
ewandtheit einen Versicherungsdirektor bestochen, der einen
harfsichtigen, gewandten Agenten mit juristischen Kenntnissen
rauchte, und es war Leopolds Klugheit und seiner unbedenk—
chen „Kniffigkeit“ gelungen, sür die Gesellschaft ein paar
hr vorteilhafte Geschäfte abzuschließen, die auch für ihn
elbst einen ansehnlichen Gewinn abgeworfen hatten.
Leo Hallberg hielt sein Glük für gemacht, wenn es
zm jetzt auch gelingen würde, eine gute und vorteilhafte
eirat zu schließen, die ihm gesellschaftlich eine Stellung gab.
zeine interessante, wenn auch etwas verlebte Schönheit und
ꝛie künstlerische Pose, die er sich zu geben verstand, öffnete
hm manches schwärmerische junge Madchenherz, das jedoch
rch verltändige Väter rechtzeitig wieder hinter Schloß und
Riegel des kindlichen Gehorsams und traditioneller Solidität
ebracht wurde.
Jetzt war die Mutter Leopold Hallbergs gestorben, und der
inge, „vereinsamte“ Sohn, der eine pietätvolle Trauer zur
zchau trug, von der der Schwiegervater seiner Schwester
mmerhin Notiz hatte nehmen müssen, hatte einen neuen
Ansturm auf das Haus Allmers unternommen. Die kühle
zurüclhaltung des älteren Herrn war nicht zu besiegen, weder
urch den diskreten Hinweis auf Leos geschäftliche Erfolage.