Deutscher Reichstag.
(154. Sitzung.) F
Verlin, den 22. März.
Am Bundesratstisch: Delbrück, Wermath.
Der Gesetzentwurf wegen weiterer Hinausschiebung der In⸗
kraftsetzung der
X Hinterbliebenen⸗Versiche rung
bis zunm 1 Jannar 1912 steht zur dritten Beratung.
Abg. Dove (Fortschr. Vp.): Die Begrundumg meines Freun⸗
des Nugdan für unsere ablehnende Haltung halte ais wefentliches
Moment die Ungewißleit, ob die Reichsversicherungsordnung zu⸗
stande kommen würde oder nicht; er erwähnte dabe das von mir
früher gebrauchte Wort von dem', Scherbenhaufen“. Der Staats
sekretär meinte darauf: Allerdings, wenn man sich freut, vor
einem Scherbenhaufen zu stehen ufww.“ Den Vorwurf, der darin
liegen kann, daß wir auf das Scheitern der Reichsversicherungs⸗
vrdnung hinarbeiten, daß wir die Erledigung der Geschäfte
hindern wollten, lehne ich ab. Ich verweise auf unsere Mitarbeit
bei der Militärvorlage, bei der Huwachssteuer; und gerade mein
Freund Mundan hat in der Koömmisfion für die Reichsversiche⸗
rungsorduung eine ganz hervorragende Mitarbettheleitet.
Wenn trotzdem Zweifel jener LArt entstehen, so beruhen sie auf der
politischen Gesamtlage und auf dem geringen Zusammenhang.
in dem der Reichskanzler mit dem Reichsstage steht. Der Staats⸗
sekretär, der den Verhandlungen über die elsaß-lothringische Ver⸗
fassung beiwohnt, wird uns bezeügen, daß wir es nicht sind, die
hier die Hindernisse bereiten, sondern daß es ebeml. sonan außer⸗
darlamentarische Hindernisse sind, die sich hier darbieten. Eine
Freude an den jetzigen parlamentarischen HZuständen im Deutschen
Reiche empfindet wohl memand das bezeugt auch dieg estrige
In biläums vede unseres Präfidenten, der der Freude in deu
ojührigen Jubiläum des Reichstages einen borviegend daute
latorischen Ausdruck gab (Heilerkeit links). Diese wenig erfreu—
liche Stimnmmng ist auch eine Folge der Reichsfinanzreform und
der dgraus entftandenen Konftellatsonen. Wir lehnen reie
jede Verantwortung dafür ab, wie nach der gegenwärtigen Kon—
stellation die Geschaäͤfte des Landes qgeführt werden.
Staatssekretär Delbrück: Die Bemerkungen des Herrn Vor⸗
ryduers knüpfen an einen Saß an., den ich im Anschluß an ein
Zitat des Abg. Dr. Nundan gesagt habe; ob die Rede des Abg.
Mundan im Auftrage seiner Varteifreunde gehalten boren ist,
vermag ich nicht zu übersehen. Ich kann aber versichern, daß ich
nicht gugenommen habe, daß ex im Auftrage feiner Pacisrehnhe
den Abg. Dove und weilerhin Emannel Geidel iner— hat, sondern
ich nehme an, daß das eine individuelle Auffassung seinerseits
war. Man kann ja dariber ftresten, welchen Eindruck Be⸗
merkungen des Abg. Mugdan gemacht haben. Ich gebe dem Abg.
Dove zu, daß ich für meine Person kenne Veranlasfung habe, zu
lagen über mangelnde Nitarbeit seinc; Partei oder des Abg.
Nugdan, ebenso wenig wie dieser sich darüber beklagen kann, daß
die Verbündeten Regierungen über die betreffenden Gefetzent⸗
würfe nicht Fühlung mit den Parleien gesucht hätten. Meine
Verhandlungen über diese Gesebentwüirfe vn hn gehen bis in
den vorigen Winter zurück; mir gegenüber ist also dieser Vorwuri
unbegründet. Im übrigen kann man ja nicht in der Seele eines
Menschen lesen aber in der etrochiung über den Scherbenberg
wur meiner Meinung nach nichts zu finden von der tragischen
Stimmung des sierbenden Kaifers Tiberius (Heiterkeit).
Abo. Mugdan fortschr Vpyj Ich bin über die gegenwärtige
Lage auberordentlich betrübt, nicht erfrent. Die Verbündeten Re—
zierungen nehmen tatsächlich nicht die Fühlung mit den Parteien,
die sie nehmen sollten. Ich habe zwar mit dem Staatssekretär
über die Reichsversicherungsorbnung gesprvchen, aber er hat nie—
mals unsere Forderung berücksichnat: wie fann man das ein
Fühlungnehmen nennen.
Der Gesetzentwurf wird, im einzelnen und da rauf im ganzen
unverändert endgülftig angenommen.
Darauf wird die Etatsberatung forigeseßt und die Debatie
iber die auf den
Absatz ber Kaliproduktion
vezüglichen Titel im Reichsamt des Innern wieder
isgenommen.
Abg. Dr. Bärwinkel (natlib): Die diesjährigen Verhandlun⸗
gen erinnern an die Beratung des Haligeletzes im dorigen Jahre.
Man konnte sich zunächst nicht Linigen und delanat— schließ lich zu
einem Kompromiß. Daß es sich damals um einen Versuch han—
delte, beweist die jetzige Erörterung. Das Kaligesetz wurde am
19. Mai v. J. verabschiedet und exrhielt schon am nächsten Tage
die Genehmigung des Bundesrats. Es sind gegen diejenigen, die
das Geseß zustande sebracht hatten, heftige Vorwürfe erhoben wör—
den. Es muß aber berüdsichtigt werden, daß die Malene e
war und wir mit manchen Beftimmungen einen Sprung ins
Dunkle machten und nicht überall die Instimmung der Verbünde—
ne Regierungen erhielten. So ist es nicht zu verwundern, daß
das Gesetz manchen Fehler aufweist. Meine politischen Freunde
meinen aber, daß wir mit einer Aenderung des Gesetzes minde—
stens solange warten müffen, bis die von uns gewünschte Denk—
chrift über die Wirkungen des Gesehes vorliegt. und bis der Bun⸗
desrat über die Einschäßzung der Kauwerke und die Beteiligungs⸗
zahlen Bestimmungen getroffen hat. Ein Mangei des Gesetzes ist
zu iuchen in den Bestimmungen über die Quotenberkäufe; die
Denkschrift sollte auf diese Frage eingehen. Jedenfalls ist noch
nicht Jo viel Zeit verflossen, daß wir jehl schon ein abschließendes
Urteil über die Wirkungen des Kaligesehes abgeben könnten. Die
Befürchtung. daß andere, Industrien einen aähnnchen Schutz for⸗
dern würden wie die Kaliinduftrie, ist unbegründet gewesen. Der
Absatz der Kaliwerke ift bedentend gestiegen, sogar nach Spanien;:
henso ist der Absah nach Enaland, un du pat. gestiegen. Die
Gründungstätigkeit der Kaliwerke hat sich vergrößert, und zwar
von bs auf ungefähr 79. In wenigen Jahren, wird fich die Zahl
vielleicht verdreifachen. Fiskus und Privale sind dabei beteiligt.
Wohin soll das noch auf die Dauer führen? Es ist kanm anzu⸗
nehmen, daß der Absatz sich im Verhälimis zu den Neugründun-
den steigern wird. Die Kuren sind zu ehnem Kurfe auf den Markt
—5 morden. der in keinem Verhältnis zu ihrem eigentlichen
Verte stehe. Die Kalikonzerne werden schließlich zu einer Art
Trust führen und damit zu einem Raubban, den der Gesetzgeber
dych vermeiden sollte, Vvas Syndikat sollie sich ietzt schon ent-
— die Wixr⸗
kungen des Gesetzes auf die Arbeiterverhäliniife brouche ich nicht
näher einzugehen, da wir das Vuähere aus der
Denkschrift wohl ersahren werden. Intereffant war mir aber—
daß der Abg. Huẽ gefiern anerkannt hat, daß die Löhne stabil
zeblieben sind, ja an einzelnen Orlen etwas gestiegen sind.
Ein Tarifvertrag ist noch nicht zum Abschluß gelangt, einen
Zwang hat das Gesetz also in dieser Richtung nicht geübt. Auch
die Bosserung der hygienischen Verhältmiffe hat der Abg. Hue
gusdrücklich auerkaunt. Der Ruin der Industrie ist jedenfalls
durch das Gesetz aufgehallen worden. Die Rentabilität der rei⸗
nen Kaliwerke betrug von 18904 1910: 7,8 H., 8,6 vH., 7,9 vH.,
5,0 vH., 3,7 vH., 4—0 vH., 1910 bei 36 Werken 7,1 vH. Den
Kohlenbergbau kaun man nicht, wie es Herr Hue getan, ohne
weiteres mit dem Kalibergbhau vergleichen, seine Schlüsse beruhen
auf falschen Voraussetzungen. Die vom —
erlegte Ausgabe soll die Kosten der Ausführung des Gesetzes und
die Aufwendungen decken, die zur Hebung des Kaliabsatzes ge⸗
macht werden. Eine Propagauda m ußeerfolgen, es bleibt also
kein anderes Mittel übrig. Die Vorschriften des Gesetzes, daß
diese Aufwendungen zu Propagandazwecken zu verwenden sind,
ist zwingend; die Abgabe und die Aufwendungen sind im Etat
nur der Kontrolle halber aufgeführt und sind ein durchlaufender
Posten, Run ist behauptet worden, daß die Einnahmen und Aus—
zaben sich nicht decken, daß man nicht wisse, ob die Ausgaben auch
wirklich zu den gesetzlich vorgeschriebenen beiden Zwecken Verwen⸗
dung gefunden haben. Aus diesem Grund hat die Kommission
eine Spezialisierung beschlossen, mit der wir insofern nicht einver⸗
sanden sind, gls darin ausdrücklich ein Reservefonds von 800 900
—F vorgesehen ist. Da es sich hier gewissermaßen um Mitglie—
derbeiträge der Kaliwerkshesitzer für ihre Zwecke handelt, so kön⸗
nen wir diesen Reservefonds nicht billigen, sondern geben, da eine
kräftige Propaganda unter allen Umständen gemacht werden
munß, dem Antrag, Ablaß den Vorzug, der diese 3800000 M „zur
Bildung eines Fonds zur weiteren Hebung des Absatzes von
Kali“ perwendet wissen will. Daß dem Staatssekretär ein ge—
wisser Appetit nach diesem Schatz kommt, kann ich ihm nach—⸗
ee es ist begréeiflich, daß er, wenn er die Milliononu in seinent
Zäckel wachsen sieht, und doch nicht so recht darankommen rann,
ie Hoffnung hegt, etwas davon für sich zu erlangen, was er für
eine Sanierungszwecke sehr gut gebrauchen kann. Eine Speziali—
erung ist ganz schön, es muß aber auch wirklich eine Spezialisie—
ung sein. Wohin man sonst kommtt, zeigen ja die Vorgänge in
er Kommission, wo man Beiträge zur Hebung von Myoor—-,
?zchãl wald⸗/ Hopfen⸗ und Weinberg⸗Kulturen gefordert hat. Eine
illzu große Spezialisierung ist nach meiner persönlichen Anschau⸗
ing auch garnicht liberal; es muß hier allen Beteiligten eine ge—
visffe Freiheit gewährt werden, damit wird auch das Verantwor—
ungsgefühl der ausführenden Behörden gestärkt. Für Propa—
jaudagwecke im Inland sollen nach dem Kommissionsantrag
100 000 .A aufgewendet, davon 600 000 A an landwirtschaftliche
tzerbaͤnde gegeben werden. Ein Teil meiner Freunde wird diese
etztere Bedingung ablehnen; man hat doch jed unterschiedliche
Zehandlung der Korporationen beseitigen wollen, deshalb sind
ie für die Streichung, um auch den Schein einer Begünstigung
u vermeiden. Beanstanden müssen wir auch die Theorie der
»öchstsätze, die der Unterstaatssekretär gestern entwickelte. Es ist
on Schmiergeldern, von einem Korruptionsfonds gesprochen
vorden. Die Absicht des Schmierens, des Korrumpierens scheint
air absolut nicht festgestellt; die Antwort auf jene Vehauplung
iberlasfe ich den angegriffenen Korporationen, insbesondere dem
Zund der Landwirte. Es ist gesagt worden, der Bund der Land⸗
hirte habe „eingestandenermaßen“ 6 Mtillionen erhalten. Man
at aber nicht gesagt, was davon Rabatte und, was Propaganda
elder gewefen sind. Zweifellos ist der größte Teil davon Rabatt.,
Lropagandagelder sollen 37 900 M. an den Bund der Landwirte
ezahlt sein, die gewiß keine so große Rolle spielen. Eine p oli
ische Betäfigung beider VPropaganda für das Kali
ard sich nie ganz verhindern lassen, es braucht jemand in seinem
gortrag kein Wort von Politik zu sprechen, kann aber hinterher
eim Glas Bier sehr wohl Politik treiben. Der Antrag, daß
olitische Vereine keine Gelder erhalten sollen, war schon in der
Budgetkommission gestellt, die Tendenz ist uns sympathisch, aber
ir iind der Meinung, daß fie sich durch ein Gesetz nicht zur Durch⸗
ůͤhrung bringen läßt. Wer soll eine Entscheidung kreffen? Sie
aun in Preußen und in Bayern hinsichtlich desselben Vereins
ang anders ausfallen, im leßten Ende würde der Rechnungshof
u entscheiden haben. Der Satz von 100 000 A für Baumwoll⸗
ulturen erscheint uns noch zu niedrig, auch diese Gelder müßten
an Deeien gegeben werden. Die sozialdemokratische Reso⸗
ulion müffen wir ablehnen. Wir wünschen eine Aenderung des
heseßes zurzeit nicht. Wir hoffen, daß die Kallindustrie sich nicht
r im Interesse der Produzenten und der Arbeiter, sondern auch
er Konfumenten weiter in gedeihlicher Weise entwickeln möge,
ind daß diese Debatte aufklaͤrend wirkt. Wir sind der Ueber⸗
eugung, daß fie gewissermaßen eine Reklame für den Kaliabsatz
t. und zwar eine billigere als die, die vom Syndikat vorgenom⸗
nen wird. Geifall.) —
Ab. Dr. Rösicke Kons. u. Bd. d. L.): Eine Spezialisierung des
ßropagandafonds halten wir für durchaus zwechmäßig und ange—
racht.“ Die Anvegung hierzu ist in der Kommission von uns aus—
eßangen. Auch wir find der Ansicht, daß bei den Propaganda—
eidern die Politik aus dem Spiele bleiben muß. Von rechtswegen
olte daruber hier garnicht gesprochen werden. Anzuerkennen ist,
aß die Reellität der Werte erheblich zugenommen hat. Das wird
adurch erleicht, daß die Kalifalze nicht in den Mühlen gemischt
ind untersucht werden, sondern aus jedem einzelnen Waggon Proben
u entnehmen sind. Neugründungen von Kaliwerken konnten nicht
ermieden werden, wenn man auch bei Schaffung des Kaligesetzes
rine Form zu finden wünschte, um Neugründungen vorzubeugen.
ünsere dahingehenden Vorschläge 3 aber keine Gegenliebe gefun⸗
den Die NAusschaltungpotitischer Organisationen
nkfpricht durchaus unseren Wünschen. Ich stelle fest, daß es leine
mpolitischere Organisation geben kann als die Verkaufsstelle des
zundes der Landwirte. Daß der Einfluß des Bunbes der Land—
hirte größer ist als der des Bauernbundes gebe ich zu, das ist Ihnen
rach ünks) unangenehm, aber das ist gut und wird auch so bleiben.
der Antrag der Freisinnigen, den höchsten Rabattfatz bei dem Be—
uge von W 000 Voppelzeütner reinen Kalis anzufetzen, ist für uns
inannehmbar. Diese Hahl ist ganz willkürlich gewählt; weshalb
ollen sich landwirtschaftliche Organisationen durch Zusammenschluß
ucht höhere Rabattsätze sichern. Von Korruption ist keine Rede;
ind so möge es bleiben.
Abg. Gothein (5. Vp.): Von verschiedenen Seiten wurde betont,
»aß das Geseß für die Kaliindustrie außerordentlich, vorteilhaft ge-
birtt habe, der Absatz und die Dividende seien gestiegen
uind alles sei in schönster Ordnung. Die Zeit ist aber noch
u kurz. um über die Wirkung des Gesetzes schon jetzt ein
irteil abzugeben. Ueber die Rentabilität däßt sich überhaupt
ioch nichts sagen. Selbstverständlich ist eine gewisse Hehung
Jes Abfsatzes. durch die Verbilligung der Kallsalze eingetreten.
lebertriebene Hoffnungen sind aber nicht angebracht. Bei der Aus—
chüttung der Dividende kommt der Absatz des vorangegangenen
dahres in Betracht, auf die künftige Rensabilität darf man keine
achlüsse ziehen. Ein erheblicher Aufschwung ist namentlich bezüalich
er Neugründungen zu verzeichnen, erhöhter Gewinn reizt natur—
emäh dazu an. Die Verstäatlichung der Kaliwerke wäre, als sie
m ersten Entwurf zum Kaligesetz geplant war, verfehlt gewesen, da
ie Salze damals außerordentlich im Jrene geftiegen waren. Daran
sigar nicht zu denken, daß die Absatzsteigerung Schritt halten kann
nit, der Vermehrung der Werke. Die in Umsaßz geseßzten Kuxe und
Ibligationen der nenen Werke sind daher großenteils wertlos. Die
Lerwendung der Propagandagelder ist in vieler Hinsicht
nehr als fragwürdig. Den Untersuchungen der anerlannten Män-
aer der eaie ist auch lein besonders hoher Wert beizumessen,
uas beweist der Fall Soxhlet-Wagner. Daß der Bund der Land—
virte eine politische Partei ist. gent aus dem Daihe Reichstags⸗
andbuch erg in dem Dr. Rösicke als „Bund der Landwirte,
dospitant der DeutscheKonserbativen“ bezeichnet wird. (Hört! —
juks.) Der Bund der Landwirie i überhaupt das Muster innerer
edahrhaien, (Hört! Hört! links) Es wäre angebracht, im
Wege des Verwaltungsstreitsverfahrens auf, grund des Gesetzes über
die Rechtssähigkeit der Berufspereine festzustellen, ob der Bund der
randwirte als pplitischer Verein anzusehen ist oder nicht. (Der
Redner wird im Verlaufe seiner Rede wiederholt ermahnt. beim
Thema zu bleiben.) Bei der Gewährung von Propagandageldern
in den VJund der Landwirte bezw. seine Verkaussstelle handelt es
ich aüsin um die Unterstützung politischer Vereine mit Reichs-
zeldern, Auch die Festsetzung einer bestimmten Rabattskala wäre
iotwendig. Lassacht sind die Propagandagelder nur —28
elder. Die Steigerung ist auch ohne diese Propaganda⸗Schmier-
gelder eingetreten, ein Beweis, daß sie überflüssig sind. Aus der
NReichskasse dürsen, wir keine Subventionen an politische Vereine
ahlen. Sorgen wir dafür, daß die hohen politischen Interessen im
deichztage wieder zu ihrem Ned kommen,. Beifall links)
Abg. Dr. Arendt (Rp.): aß die Interessenpholitik
etzt Zen Reichstag beherrscht, dafür ist Abg. Gothein ein schlagen⸗
er Beweis. —T auten alten Zeiten betrachtete der Reichstag
8 als seine Pflicht, den Etat rechtzeitig fertig zu stellen. Die
echte hat nicht mehr geredet als die Linke. (Widerspruch links.)
Nach den bisherigen Erfahrungen können wir noch nicht an eine
lbänderung des Gesetzes denken. Es handelt sich vielmehr nur
im einen Etatsposten, dex in die Reichskasse geflossen ist auf
hrund des Kaligesetzes. Das Reich spielt nur die Rolle des
dreuhänders, der Gelder von der Judustrie empfängt, um
ie wieder für sie zu verausgaben. Durch das Kaligesetz wird be—
timmt, daß die Gelder für die Fortsetzung der Kalipropagandna
erwendet werden. Wenn das festjsteht, ist nicht daran zu zweifeln,
daß es sich nicht um Zuwendungen an den Bund der Landwirte
zandelt, sondern nur um die Fortsetzung der bestehenden Propa⸗
zanda. Die Kali-Interessenten werden am besten gewußt haben,
wie sie zu ihrein Kiel kommen. Diese stehen jedenfalls dem Hansa—
urmd näher, als dem Bund der Landwirte. Durch den Antrag der
Freisinnigen würde das Gesetz eingeschränkt. Ein Vorwurf, darf
der Regierung nicht darqus gemacht werden, daß sie eine Pauschal⸗
umme in den Etat eingestellt hat. In der Kürze der Zeit war eine
Spezialisierung nicht möglich Für die Schutzgebiete sollte die
Kropagandasumme erhöht werden: 100 000 A scheinen mir nicht
rusreichend; indessen dürfte die Zeit dafür noch nicht gekommen
ein. Den dahingehenden Autrag sollten die Nationalliberalen
instweilen zurückziehen, damit aus der Ablehnung nicht ein fal⸗
ches Vild entsteht. Geifall.)
Abg. Korfanty (Pole): Wir haben Herrn Dr. Heim ge—
eten, für uns in die Kommission zu gehen, weil wir ihn als den
zesten Kenner der Kaliverhältnisse schätzen, und er überdies ein
Vertreter des bänerlichen Mittelstandes ist. Uns haben ledinlich
tein sachliche Gründe zur Ucbertraqung dieses Auftrages bewogen.
Tatfächlich Rud damit auch aroße Erfolge ertieft worden: denn
onst hatte Herr Speck diese Rede hier nicht gehalten. Srehr gitt:
echts). Auch die Kommissionsbeschlüsse sind ein Beweis dafür,
aßß wir ein gautes Werk getan haben. Diese Erklärung sind wir
inserer Partei und Herrn Dr. Heim schuldig. Mit der Etatisie—
ung diefes Postens find wir nicht einverstanden. Die Anreguug
er Sozialdemokraten, daß aus dieser Einnahmequelle sozialpoli,
ische Zwecke befriedigt werden sollen, ist uns in hohem Maße sym—
»athisch. Bezüglich der Propagandagelder bestehen wir darauf,
aß sie allen Organisationen zugute kommen, sofern sie die Gelder
achweislich auch zur Propaganda verwenden.
Abg. Hilpert (Südd. Bauernbd.); Durch das Kaligesetz sind
hie Preise wesentlich herabgejetzt. Diese noch weiter zu ermäßigen,
t Aufgabe der landwirtschaftlichen Organisationen. Politisch sind
iese gewiß nicht.
Vizepräsident Dr. Spahn teilt mit, daß über den Antrag
ver Freisinnigen, wonach Orgänisationen, die politische
zwecke verfolgen, weder inittelbar noch unmittelbar Propagandabei—⸗
ilfen erhalten dürfen, namentlich abgestimmt werden wird,
Abg. Dr. 8 hat mit Nnterünns einiger Mitglieder des
Jentrumgz und der Polen folgenden Antrag eingebracht: J
Die Verbuündeten Regierungen zu ersuchen, “e Höhe
der Abzüge die Abnahme größerer Mengen Kalisalze ge—
näß 8 21 des Kaligesetzes bäldigst zu bestimmen, die Staffelung
der Rabattsähze möglichst in gleichmäßigen Abständen azuguen
ind den höchsten Rabatt beim Bezuge von 20 000 Doppelzentnern
Reinkali zu gewähren, die Probenahmebestimmungen gemäß 8 21
»es Kaligesetßes baldigst zu veröffentlichen und den seit Jahren
eltenden Bestimmungen verwandter Industrien, zum Beisplel der
einen Thomasmehlfäbrit anzupassen, Zuwendüngen, an inländi⸗
che Korporationen usw. nur gegen Verwendungsnachweise zu ge—
vähren und sie direkt an —*— Korporationen usw. auszuzahlen
unter Unigehung übergeordneter, speziell zum Kaliabsatz gebildeter
Großeinkaufs-Vereinigungen.
Abg. Dr. Heim ee, Der 8 27 des Kaligesetzes sagt, daß
ie Mittel, die in die Reichskasse fließen, zur Bestreltung der Kosten
ind zu Propagandazwecken verwendet werden. Jetzt wollen ein⸗
elne Herren daraus einen Reservefonds bilden. Dies hgt aber gar
einen Sinn. Wenn wir überflüssige Gelder in der Gegenwart ge—
»rauchen, so sollen sie auch sofort verwendet werden
zyn der Aus lan deprghaasdandee muß intensiver ge—⸗
rbeitet werden, um den Markt von vornherein zu besetzen.
da nützt uns keine Ansammlung von Reservesonds. Es hat sich
n der Kommission Schritt für Schritt eine bedeutende Annäherung
in meine Ac eehen So wurden für die Auslands⸗
»ropaganda schließlich 2 Millionen ausgesetzt. Weite Teile des
luslandes wissen von einer Kalidüngung noch nichts. Die bis⸗
jerige Propaganda der Kaliverbände war völlig verfehlt. In
Anierika findet das Kali immer mehr Absatz. Die dortigen Bauern
erklären jetzt, daß sie von den Händlern ohne Skrupel übers Ohr
zehauen würden, indem ihnen minderwertige Kalimischungen ab⸗—
ellefert wurden. Jeder sollte Propagandagelder erhalten, der
achweislich Propaganda treibt, wissenschaftlich oder praktisch. Die
abattporitit muß dahin führen, daß kleine Verbände ge—
»gt sind, sich übergeordneten Groß-Organisationen anzu⸗
ließen. er die kleinen Verbände direkt von den Werken
Ad nehmen sie mit diesen direkt ab, so haben sie keinen Vorteil aus
en Rabattfätzen; die fließen vielnmehr in die Kasse der übergeord⸗
eten Organifation. Das kann ich,nicht wirtschaftlich nennen, Der
Kerwendungsnachweis der Propagandamittel
un strikte geführt werden, so daß ein Mißbrauch der Gelder aus
eschlossen ijst. Es ist mir ganz gleich, ob es sich dabei um einen
en Verband handelt oder nicht. Leistet er etwas für den
aliabsatz, dann muß er, sofern er Abrechnung leistet, auch das
zeld dafliir bekommen. In meiner Resolution fordere ich, daß
zuwendungen an inlandische Korporationen nur gegen Verwen⸗
ungsnachweis auszuzahlen sind unter Umgehung übhergeordneter,
peziell zum Kalibezüg gebildeter Großeinkaufs-Vereinigungen.
Veiter verlange ich, daß die Staffelung, der Rabattsätze in gleich—
näßigen Absätzen aufgebaut und der hönie Rabatt beim Bezug
on Mooo Doppelzentnern Reinkali gewährt wird. Abgeordneter
5uð hat gestern von einem mir liebevoll gewidmeten Zeitungs⸗
—A——
»8s meinem inneren Empfinden entspricht. Wenn die Sache zum
gerichtlichen Austrag kommen sollte, so wird es nur da sein, wo
jer Eid für Klarstellüung sorgt. Bei der Feststellung, wie oft ich im
Keichstag gefehlt habe, übersieht dieser gewiß sehr christliche Artikel⸗
chreiber, daß ich Jahre lang schwer krank gewesen bdin und nich
zehen konnte, ohne geführt zu werden; weiter übersieht er, daß ich
päter un den Reichstagsverhandlungen nicht teilnehmen konnte,
weil ich während und guch nach der Session des bayrischen Land⸗
tages als Referent in der Steuerkommission tätig war. überdies
zehöre ich zu den Abgeordneten, die sich nur unter den schwersten
ern freimachen. 39 würde es für ein Unglück halten, wenn sich
nicht stets Männer fänden, die bereit sind, diese Opfer zu bringen.
Von allem ane hat der Artikelschreiber mit keinem Wort Notiz
senommen. Außerdem stelle ich fest, daß der Barüberschuß meines
Bauernbundes für Winterschulen und sonstige Einxichtungen ver—
vendet wird und daß ich mit keinem roten Pfennigan
einem Kaliwerkbeéteiligt bin; außerdem beziehe ich
einen Pfennig Tantieme von Genossenschaften, wie dies bereits
reimal in Prozessen festgestellt worden ist. Das mußte der Artikel⸗
chreiber wissen. In meinem Geschäft gibt es keine Geheimnisse.
die Behauptungen des Artikelschreibers sind das Perfideste, Ge⸗—
neinste und Nedrigste, was man in einer Polemik behaupten kann.
zst der Betreffende ein Mann, der nicht bloß Hosenröcke trägt, so
veiß er, was er zu tun hat, ist er aber keiner, so ist es schade um
ziie Tinte, die er verschrieben hat.
Darauf wird ein Antrag auf Schluß der Debatte angenom-
nen. Die Beschlüsse der Kommission werden auf—
rechterhalten und die Resolution Dr. Heims, sowie die der
Freisinnigen inbezug auf Festsetzung der Bezugsmenge von 20000 dæ
teinkali für den höchsten Rabattsaß werden angenommen. Ueber
wei Resolutionen wird morgen namentlich gbgestimmt werden.
Bis auf diese Teile ist damit der Etat des Reichsamts des In⸗
iern in weiter Lesung erledigt.
Präsident Graf Schwerin gibt dann Mitteilung von zwei
Telegrammen, die aus Anlaß des 40jährigen Reichstags—
ubiläums, eingelaufen sind und zwar vom Nationalverband
es österreichischen Abgeordnetenhauses und von dem Deutschen
Seeschiffahrtstag. Beide Telegramme sind dankend beantwortet
vorden, (ebhafter allseitiger Beifall.) „Hierzu möchte ich bemer⸗
en, daß eigentliche Reichstagsjubiläen bisher nicht gefeiert wor—
en sind. Das war beim dreißigsten Jahrestage so, und ich wollte
ie Tradition nicht durchbrechen. Deshalb habe ich mich auf die
urze, wie Herr Dove sagt, „kalkulatorische“ Erwähnung beschränkt.
Im Anschluß an die beiden Telegramme möchte ich mir gestatten,
olgendes zu bemerken: Meine Herren, zweifeilos ist die gesetz—
eberische Arbeit, wesche der Deutsche Reichstag in diesen
ierzig Jahren seines Vestehens gemacht hat, eine große, und die
Entwicklung, welche das Deutsche Reich auf grund dieser Gesetz-
ebung erfahren hat, ist, wie ich zu Kaisers Geburtstag dargelegt
abe, eine gewaltige. Aber, meine Herren, nicht minder groß sind
uch die gesetzaeberischen Aufgahen, die heute dem Reichstage ob-
jegen und auf deren baldige Lösung das deutsche Vaterland hofft.
Möge es der Arbeitsfreudiakeit und der Arbeitstreue des Reichs-
ages vergönnt sein, auch in dieser Hinsicht, inbezug auf die ijest
ins zur Lösung vorliegenden Aufgaben die Hoffnungen unseres
zaterlandes zu erfüllen und so die Arbeiten des Reichstages auch
eht i minder fruchtbringend zu gestalten wie vor 40 Jahren.
Hravo!) In, dieser Hoffnung schließe ich die Sitzung. Webhafter
Heifall auf allen Seiten des Hauses.) Die Mitalieder hatten üch
bon den Plätzen erhoben.
Nächste Sitzung morgen, 1 Uhr: Kolonialetat.
Schluß gegen 8126 Uhr.
—M— oeüOQ——⏑0ê ——-———
Preupischer Landtag.
Abgeordnetenhaus.
55. Sitzung..
Berlin, den 22. März.
Am Ministertisch: v. Dallwitz.
Präsident v. Kröcher eröfinet die Sizung um 12 Uhr
Minuten.
Erster Gegenstand der Tagesordnung ist die zweite Beratung
es Gesetzeutwurfs über die Polizeiverwaltung in den
egierungsbezirken Düsseldorf, Arnsberg und
Münsteer. Der Gegenstand wird von der Tagesordnung ab—
jesetzt, weil der Berichterstatter nicht anwesend ist
8