Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

kn Bamburg und der Handelskammer in Chem— 
nitz, hat nunmehr auch die Handelskammer Sildes- 
heim in ihrer letzten Vollversammlung folgende Erklärung 
in der Sache abgegeben: 
„Die Handelskammer erblickt in der Rabattgewährung die 
zon Handel- und Gewerbetreibenden einzelnen bestimmten 
Sruppen von Käufern oder Berufoständen gewohnheitsgemäß 
oder vertragsmähßig eingeräumt wird, einen Verstoß gegen 
den Grundsatz von Dreu und Glauben, welcher 
mit der kaufmännischen Reellität nicht in Ein— 
klang zu bringen ist. 
„Die Handelskammer erblickt in der Rebattgewährung, die 
tretenen kaufmännischen und gewerblichen Kreise die Bitte, 
Anträge zum Abschluß von Verträgen, die auf Gewähruug 
von Sonderrabatten hinzielen, als gegen die kaufmännische gute 
Sitte verstoßend zur üczuweisen und, falls solche Ver⸗— 
träge abgeschlossen sind, diese lo bald wie möglich zu 
ktündigen“ 
— 324 
S Sunode. Zu Beginn der gestrigen Sitzung begrüßte 
der stellbertretende Vorsitzende Pastor Evers zwei neue Mit— 
zAlieder der Synode, die Herren Kaufmann B. Behrens und 
Konsul R. Piehl. Nach einigen geschäftlichen Mitteilungen wur— 
den auf Antrag des Kirchenrates der Jakobi-Kirchengemeinde 
2800 Mizur Herstellung eines elektrisch betriebenen Gebläses 
für die große Orgel der Kirche bewilligt, desgleichen 13850 M 
der Matthäi⸗Kirchengemeinde zur Beschaffung eines Elektro— 
motors für das Gebläse der Orgel sowie zur Herstellung 
einer elektrischen Lichtanslage am Spieltisch der Orgel. Nach 
urzer Beratung fand alsdann der Antrag des Kirchen— 
rates auf Bewilligung von 82000 Mäzur Erbauung einer 
Anttswohnung für den zweiten Geistlichen der Gertrud-Ge— 
meinde (nebst Konfirmandensaal) Annahme. Die Pfarrwoh— 
iung wird auf dem Grundstück Marlistrahe 50 errichtet 
verden. — Eine längere Beratung erforderte der vom Kirchen— 
rat vorgelegte Entwurf einer neuen Gehaltsordunung für die 
Heistlichen der städtischen und vorstädtischen Gemeinden. Der 
Entwurf bestimmt, daß Nebeneinnahmen aus der Seelsorge 
m Heiligen Geist-Hospital, Siechenhaus, Krankenhaus, Armen— 
instalt und Irrenanstalt nicht dem betreffenden Geistlichen, 
ondern den Kassen der Kirchen zufließen sollen und alle 
zdonorare von privater Seite, wie Gebühren für bestimnite 
Amtshandlungen in Wegfall kommen. Nur für den Kon— 
irmandenunterricht soll eine in die Kirchenkasse fließende, 
iach dem Einkommen abgestufte Gebühr erhoben werden. 
Alle Einkommen unter 2000 Meubleiben auch von dieser Ge— 
hühr frei. Die Mehrkosten, welche die im Entwurf normierten 
SGehälter der Geistlichen den Kirchengemeinden resp. der allge— 
meinen Kirchenkasse verursachen, sollen dadurch beschafft wer— 
sen, daß in Zukunft nicht wie bisher ein Drittel, sondern 
iur ein Achtel des Ertrages der Kirchensteuer dem Bau— 
fonds zufließt, und ferner durch eine geringe Erhöhung der 
Kirchensteuer, über die vor Inkrafttreten der neuen Ordnung 
noch ein Rat⸗- und Bürgerschluß herbeizuführen ist. Die 
Synode trat dem Entwurf des Kirchenrates mit ganz ge— 
ringfügigen Aenderungen bei, auch dem Vorschlage, bei diesem 
Anlaß den „Ersten Pastoren“ (an St. Lorenz, St. Matthäi 
und St. Gertrud) den Titel Hauptpastor beizulegen. — Der 
Voranschlag der allgemeinen Kirchenkasse für 1911 sieht — 
unter der eben angegebenen Voraussetzung — eine Kirchensteuer 
von 7060 der Staatseinkommensteuer vor, unter Freilassung 
aller Einkommen unter 1500 M, und wurde in Einnahme und 
Ausgabe auf 175 075 M äfestgesetzt. — Da die Sitzung schon 
3 Stunden in Anspruch genommen hatte, wurde die auf der 
Tagesordnung stehende Besprechung des Jahresberichts des 
Kirchenrates für 1909 vertagt. 
Militärpersonalien. v. Schütz, überz. Hauptm. im 
großen Generalstabe ist zum Generalstabe des 9. Armeekorps 
kommandiert. Frher. v. Hintze-Weißenrode, Rittm. d. 
Landw. a. D. (CLübech, zuletzt von der Garde-Landw.⸗ 
Kav. 1. Aufg. erhielt die Erlaubnis zum Tragen der 
Landwehr-Armee-Uniform. 
Spar⸗ und Darlehnskaffe der Laudbewohner e. G. m. b. H. 
Das Geschäftsjahr 1910 läßt wiederum einen stetigen Fort— 
ichritt des Unternehmens erkennen. Nachdem die Kasse bis 
um 31. Dez. 19009 nur an 4 Wochentagen vormittags 
»on 10-1 Uhr Geschäftsstunden hatte, wurde mit Beginn 
des Jahres 1910 die Kasse an allen Werktagen vorm. von 
21 Uhr und nachm. von 44-6 Uhr offengehalten, die Kassen 
zugeben imstande war; weit besser gelang die Canzonetta von 
Szarlatti. Sehr verdienstlich war es von der Sängerin, 
den Fürsten im formvollendeten Liede, Franz Schubert, mit 
oier Gesängen zu Worte kommen zu lassen, von denen jedoch 
nur zwei: „Wanderers Nachtlied“ und „Der Kreuzzug“, den 
echten, großen Schubert widerspiegeln; „Der Fischer“ und 
„Das Rosenband“, welche Lieder weniger bekannt sind, stehen 
auch nicht auf der Höhe der erstgenannten. Hier ist Volkes⸗ 
timme Gottesstimme. Irl. Bugge entledigte sich dieser Lieder 
nit vielem Geschick, wenn auch „Der Kreuzzug“ viel bedeuten⸗ 
dere Stimmittel und tieferes Erfassen fordert. Frl. Warburg, 
welche die Gesänge am Klavier begleitete, hätte sich eines 
etwas weniger robusten Anschlages befleißigen müssen, was 
den beiden Sängerinnen sehr hätte nutzen können. 
M —fi⸗his 
Die Behandlung der Sttlafstrankheit und ihre Erjolge. 
Die syftematische Bekämpfung der Schlafkrankheit, die schon ganze 
Landstriche von Deutsch- und Englisch-Ostafrika zu entvölkern 
drohte, macht erfreuliche Fortschritte. Alle Kranken Ugandas 
werden in zwei Lagern gesammelt und dort behandelt. Die 
Schlaffrankheit ist eine Infektionskrankheit, die durch den Stich 
son Insekten oder durch Uebertragung von Mensch zu Miensch 
jerbeigeführt wird, die ihrerseits in ihrem Blute kleinste tierische 
Lebewesen (Irypanosomen) enthalten. In den menschlichen 
Körper gelangt, rufen sie eine der Syphilis ähnliche, tödlich ver— 
aufende Krankheit hervor, die von ihrem hervorstechendsten 
Symptom, der Benommenheit des CErkrankten, den Namen der 
Schlaftrankheit erhalten hat. Es ish eines der letzten Verdienste 
Robert Kochs, den Kampf gegen diese Völkergeißel in die Wege 
geleitet zu haben, indem er die Vetwendung eines organischen 
Arsenpräparates, des Atoxyls, empfahl. Dies wird jetzt in 
den Schlafkrankenlagern fast ausschließlich benutzßt. Wie Stabs— 
arzt Allrich mitteilt, werden durch die jortgesetzte Atoxylbehand— 
bung sehr viele Kranke trypanosomenfrei. Hält diese Sterili— 
sierung des Blutes etwa zwei Jahre an, so kann man die Indi— 
viduen jür gesund erklären. Dr. Ullrich hofft, daß dies in etwa 
25 40 der Fälle eintreten wird, was immerhin schon einen er—⸗ 
— 
unserer Erkenntnis vom Wesen dieser Insektion sich noch be— 
deutend steigern wird 
äume umgebaut und erweitert, sowie ein diebes- und feuer— 
scherer Raum mit gepanzertem größerem Geldschrank einge— 
aut. Trotzdem nun der Umbau und die Beschaffung einer 
teuen Bureaueinrichtung sowie die dadurch bedungenen größ 
zeren Abschreibungen die Kasse nicht unbedeutend belasteten, 
nich infolge der verdreifachten Geschäftsstunden die Unkosten 
ur Gehälter, Feuerung, Beleuchtung usw. zunehmen mußten 
ind die Kundschaft erst nach und nach Kenntnis von der Er— 
veiterung der Geschäftsstunden erhielt, gelang es doch, einen 
ntsprechenden Reingewinn herauszuwirtschaften. Der Gesamt— 
imsatz stieg von 7317 900 Mäin 1909 auf 7931127 Miin 
1910; noch mehr wuchs die Bilanzsumme, näinlich von 5868 084 
Mark Ende 1909 auf 755 890 MäEnde 1910. Die von der 
kasse zinstragend angelegten Gelder stiegen von 570526 
Mark am Schlusse des Jahres 1909 auf 7420606 Mam 
31. Dez. 1910. Verluste hat die Kasse nicht erlitten. Die Mit— 
liederzahl stieg von 104 auf 111 am 31. Dez. 18910. Auf die 
»olleingezahlten Geschäftsanteile fällt nach angemessener Ab⸗ 
chreibung auf Gebäude und Ultensilien eine Dividende 
on 560. Der Hansa⸗-Meierei hierselbst wurden aus dem 
zewinn 50 Mefür die Wohlfahrtskasse der Angestellten 
erjelben überwiesen. Der hiernach verbleibende Rest des 
zewinnes von 1614,834 Muwurde dem Reservefonds zuge— 
ührt. Der Rückblick auf die bisherige Entwickelung der 
Tasse sowie das Ergebnis der beiden verflossenen Monate 
zanuar und Februar dieses Jahres berechtigen zu der Hoff— 
ung, daß auch das Jahr 1911 für die Kasse einen weiteren 
rfreulichen Schritt vorwärts bedeuten wird. 
o- Fesigtnommen wurde ein Matrose aus Tworkau, der 
xingend verdächtig ist, aus dem Mannschaftslogis des im 
esigen Hasfen liegenden Dampfers „Rhea“ eine Taäschen⸗ 
ihr gestohlen zu haben. 
0- Wieder ein Fahrradd elstaßhl. Am 22. März zwischen 
; und 6 Ulr abends ist aus dem Keller des Haupt— 
Vostamtes ein Fahrrad Marke: „Deutschland Teutonia“ 
rit schwarzem Gestell, ebensolchen Felgen, Freilauf, mit 
hücktrittbremse, nach oben gebogener Lenkstange, schwarzen 
Schlutzblechen und der vom Polizeiamt gelieserten Er— 
ennungsnummer 1102 abhanden gekommen und vermuilich 
gestoklen worden. Die Vordergabel ist eingeknickt. Am 
Rade und am hinteren Schutzbleche steht der Name des 
Fohrikanten: „August Stuckenbrod-Einbeck“ 
Kp. Nusse, 23. März. Das Konzert des Gesang— 
»ereins war Sonntag sehr zahlreich besucht. Der Reinertrag 
ergab 46 M, eine Sammlung im Saale erbrachte 24 M, so 
zat dem Verein für Krankenpflege 70 Müüberwiesen werden 
onnten. Dienstag wurde u. a. beschlossen, mit Nachbarver— 
inen zur Veranstaltung gemeinsamer Konzerte in Verhandlung 
zu treten und im Sommer einen Ausflug in die Umgegend 
Mölln, Ratzeburg) zu machen 
Vermischtes. 
20 Millionen WMart für ein Salzpatent. Unter diesem 
Titel brachten kürzlich einige Tagesblätter die Mitteilung, 
»aß ein Engländer namens James Hodgkinson ein neu— 
irtiges Verfahren der Salzgewinnung erfunden hat, welches 
n der Hauptsache darauf beruht, daß mit einem einzigen 
Feuer sieben verschiedene Kessel geheizt werden, während bri 
»em bisher üblichen Pfannenversiedungssystem für jeden Kessel 
ine besondere Heizung notwendig ist. Nach dem Hodgkinson⸗ 
chen Verfahren sollen 75 0 an Heizmaterial gespart werden; 
»urch Regulierung der Kessel können Salze von jedem be— 
iebigen Korn hergestellt werden. Der glückliche Erfinder soll 
zas Recht seiner Erfindung für die enorme Summe von 
1000 000 Lstl. und Tantiemen nach Kanada verkauft haben. 
gorstehende Notiz ist natürlich bei dem außerordentlich großen 
Zalzverbrauch der ganzen Welt und bei der Wichtigkeit dieses 
mentbehrlichen Konsumartikels überall mit großem Inter— 
sse gelesen worden. Nur wollen Fachleute gewisse Zweifel 
m die absolute Richtigkeit jener Nachrichten setzen und des— 
halb schien ein näheres Eingehen datauf im allgemeinen 
Interesse doch wohl angebracht. Nach an Ort und Stelle 
ingezogenen Erkundigungen sind, die Tatsachen folgende: Mr. 
zodgkinson, ein Mann von ca. 70 Jahren, ist Besitzer einer 
Fabrik in Salford, welche sich mit der Herstellung von ge— 
vissen maschinellen Einrichtungen an Kesselheizungen befaßt. 
Durch öftere Lieferungen seiner Einrichtungen an Salzsiedereien 
n der Nähe von Salford auf die Mängel des Pfannen— 
ystems aufmerksam gemacht, kam er auf den Gedanken, Ver— 
esserungen cinzuführen, und ist auf diesem Wege vor kurzem, 
tach jahrelangem Studium, zu seinem jetzigen Verfahren ge—⸗ 
ommen. Dieses Verfahren ist, kurz zusammengefaßt, folgen⸗ 
es: es arbeitet mit nur einem Kessel und heizt so 3 gedeckte 
ind 4 offene Pfannen. Das Feuer wird re—tliert durch den 
Hodgkinson-Patent-Schürer“. Mit Hilfe dieses Schürers will 
»odgkinson in der Lagst, sein, jeden beliebigen Hitzegrad, und 
amit jedes beliebige Korn des Salzes zu erzeugen. 
Mr. Hodgtinson hat sich wegen Ausbeutung seiner Er—⸗ 
indung mit einer englischen Firma in Verbindung gesetzt und 
diese hat ihre Agenten nach den Vereinigten Staaten Nord— 
Tmerifas geschickt, welche mit der Canadian Pacific Railwany 
in deren Linie große Salzlager entdeckt worden sind, zwecks 
Ibgabe der Erfinderrechte in Verbindung getreten sind. Nach 
iner Depesche des Agenten soll sich ein amerikanisches Syndikatf 
ereit erklärt haben, für diese Rechte 5 000 000 Doll. zu zahlen 
renn Mir. Hodgkinson bereit ist, in Nord-Amerika ein Probewerl 
u errichten, um den Nachweis zu liefern, daß sein Verfahren 
uch in Wirklichkeit das hält, was er von ihm verspricht. Wir 
aben es also hier nicht mit einer bereits abgeschlossenen, 
ondern im Entstehen begriffenen Sache zu tun, welche den 
dachweis der Tauglichkeit noch zu erbringen hat, um so mehr, 
ils dieses System nur eine Verbilligung der Heizkraft in sich 
inschließt, aber keine Vorteile in bezug auf Arbeitslohn bietet. 
zn einem Lande wie England, wo die Kohle schon an und für 
ich billig ist, würde eine Ersparnis an Arbeitslohn jedenfalls 
eitens der Salzindustriellen noch angenehmer empfunden wor—⸗ 
den sein. 
AUnsere deutschen Leser dürfte es interessieren, zu erfahren, 
aß ein süddeutscher Ingenieur bereits vor vier Jahren ein 
ihnliches System erfunden und in Deutschland zum Patent an—⸗ 
jemeldet hat. Dieses System erspart tatsächlich zwei Drittel 
in Kohlen und 70 bis 80 ⸗0. an Arbeitslöhnen gegenüber 
»em heute überall gebräuchlichen Pfannensystem. Die Erfindung 
st vom deutschen Patentamt nach beendeter Vorptüfung als 
zatentfähig erklärt worden; sie wird demnächst zur Aus—⸗ 
egung kommen. Ein ähnliches englisches Verfahren konnte 
m Vorprüfungsverfahren nicht entgegengehalten werden. Letztere 
Möglichkeit ist übrigens auch ganz ausgeschlossen, weil die 
Art der Hitzeerzeugung und Slkßezuführung der deutschen Er— 
mdung eine andere, erheblsch bessere und vorteilhaftere, Fas 
Zerfahren ein billigeres ist. Die deutsche Erfindung arkeitet 
zereits seit einigen Monaten probeweise in einer deutschen 
Saline mit ausgezeichnetem Erfolg. Augenblicklich ist eine 
hesellschaft in Bildung begriffen, welche gewisse Rechte von 
»em Erfinder erworben hat und binnen kurzem in eined 
iorddeutschen Hafenstadt ihr erstes Werk errichten wird. Das 
Rapital ist annähernd zusammengebracht, das Terrain er— 
vorben, der Bau begonnen und die Maschinen bestellt. Auch 
hier wieder das bekannte Wort: „Deutschland voran!“ 
Reueste Nachrichten und Telegramme. 
—1. 
Kaiferbefuch in Kiel. 
W. Kiel, 23. März. Der Kaiser und die Kaiserin sind 
heute vormittag 3,650 Uhr mit Sonderzug nach Berlin ab-— 
zereist. 
W. Kiel, 23. März. Als der Kaiser von Bord der 
Deutschland“ ging, seuerte die Flotte einen Salut von 33 
—chuh. Die Kaiserin war mit der Prinzessin Heinrich im 
luiomobil vom königlichen Schloß zum Bahnhof gefahren. 
Im Bahnhofse hatten sich zur Verabschiedung vom Kaiser—⸗ 
aare eingesunden: Prinz Heinrich, Staatssekretär des Reichs— 
narineamts Großadmiral von Tirpitz, der Chef der Hochsee⸗ 
lotte Admiral von Holtzendorff, der Stationskommandant 
Admiral Schröder und Polizeipräsident Schrötter. 
Streit auf der Dorimunder Union. 
W. Dorimund, 23. Mlärz. Seit gestern früh streiken 
auf dem Eisen- und Stahlwerk Union die Kesselwärter und 
das Maschinenpersonal sowie die dazu gehörigen Arbeiter, 
oweit sie gewerkschaftlich organisiert sind, im ganzen 250 
Mann. Ein bedauerlicher Unfall, der sich im Gießereibetrieb 
ereignete, wird mit der Arbeitseinstellung in Verbindung ge— 
zracht. Beim Umkippen eines mit flüssigem Eisen gefüllten 
Schmelzkessels wurde ein 37jähriger Arbeiter derartig ver—⸗ 
zrannt, daß er am gleichen Abend im Krankenhause seinen 
Verletzungen erlag. Zwei andere Arbeiter kamen mit leichten 
Verletzungen davon. Wegen dieses Unfalls hat die Polizei 
sieben Streikende in Haft genommen. 
Die Kabenetisbdung in Ita ien. 
W. Wien, 23. März. Nach zuverlässigen römischen Mel— 
dungen hat der König Giolitti mit der Kabine!tisbildung 
betraut. Giolitti wird versuchen, untser der Mitwir— 
kung der Ssozialisten ein Kabinett zu bilden. Gelingt 
hm dies nicht, wird man wahrscheinlich eine Rekonstruf— 
tion des Kabinetts Luzzatti versuchen. 
AUeberraschend sind weitere Meldungen aus Rom, die be— 
zaupten, daß der Markgraf vvon San Giuliano auf 
einen Fall mehr Minister des Aeußern werden 
vürde. Die Kammer sei mit seiner Politik in Tripolis 
aAnzufrieden. Bestätigt sich diese Meldung, so kommen zunächst 
Graf Guiccardini oder Admiral Bettolo als Minister 
des Aeußern in Beiracht. 
Die gesamten Opfer der Pest. 
Charbin, 23. März. Aus Mukden wird gemeldet: Die 
hinesischen Krankheitsberichte beziffern die Gesamtzahl der 
Todesfälle an der Pest in Mukden auf 1600, in Kwang— 
schongtse auf 10000 und in der ganzen Mandschurei auf 
0 000. Montag ist in Charbin kein Todesfall an der Pest 
vorgekommen, Dienstag ist ein Chinese gestorben. Die Aerzte 
veschlossen, die Abschaffung des Sanitätskordons um Charbin 
vorzuschlagen. 
Bleibt Stolypin? 
W. Betlin, 28. März. Aus Petersburg wird gemeldet, 
»aß Stolypin Ministerpräsident bleibe. Der 
Bossischen Zeitung zufolge fand gestern im Anitschlow-Palais 
in Familienrat statt, an weischem außer dem Zaren die 
Kaiserin-Witwe und mehrere Großfürsten teilnahmen. Gegen 
Abend verbreitete sich das Gerücht, Stolypin verbleibe auf 
seinem Posten. Später wurde das Gerücht wieder bestritten. 
W. Berlin, 23. März. Der Lokalanzeiger meldet aus 
Petersburg, Stolypin habe seine Demission zurückgezogen. 
Die beiden Reichsratsmitglieder Trebow und Durnowo, deren 
Intrigen Stolypins Niederlage im Reichsrate bewirkten, seien 
tünftighin von den Reichsratssitzungen ausgeschlossen. 
W. Beriin, 23. März. Laut dem Tageblatt trat ganz 
inerwartet ein völliger Umschwung in der Ministerkrisis ein. 
Der Zar sandte gestern seinen Adjiutanten Dediin zu 
Stolypin, um ihn zu überreden, Premierminister zu bleiben. 
Bei Stolypin sand gestern ein glänzender Empfang staätt; 
er nahm die Glückwünsche zahlreicher Würdenträger entgegen. 
Die Lage der Rechten ist angeblich äußerst peinlich. 
Abrüstunasdebatte in der Schwedischen Kammer. 
W. Stockhosm, 22. März. In der heutigen Sitzung der 
Zweiten Kammer beantwortete der Minister des Aeußern Graf 
Taube die Interpellationen, die von Baron Valmsitierns (Soz.) 
aund Baron Vonde (liberal) eingebracht wurde über die Stel— 
lung Schwedens zu der von den Vereinigten Staaten ergriffe— 
nen Initiative in der Frage über die Einschränkung der Rüstun⸗ 
gen durch ein internationales Uebereinkommen und über die 
Stellung Schwedens zu den Vorschlägen der interparlamentari— 
schen Union wegen der Einsetzung einer Kommission zur Vor— 
ereilung dieser Fragen für die nächste Haager Konferenz. Der 
Minister sagte, daß von den Vereinigten Staaten keine Vor— 
chläge dieser Art an die schwedische Regierung gerichtet wor— 
oen seien und daß die Regierung deshalb keinen Anlaß gehabt 
habe, zu dem amerikanischen Vorschlage Stellung zu nehmen. 
Er erklärte sich entschieden gegen den Vorschlag des schwe— 
dischen Friedensverbandes, daß nämlich Schweden die Initiative 
zu einem Zusammengehen der kleineren Nationen zwecks Be— 
schränkung der Rüstungen nehmen solle, da ein solcher Schritt 
nach seinen Anschauungen nicht zu dem gewünschten Ergebnis 
*xühren würde. Zu der Ratifikation der Prisengerichtskom— 
nission und der Londoner Deklaration erklärte der Minister, die 
chwedische Regierung verfolge die Frage mit Interesse, könne 
iber keinen entscheidenden Schritt tun, ehe in der Stellung 
»er großen seefahrenden Nationen Klarheit gewonnen sei. Ueber 
die von der Brüsseler Seerechtskonserenz angenommenen Artikel 
eilte der Minister mit, daß Vorarbeiten zur nötigen Aenderung 
n der schwedischen Gesetgebung vorbereitet würden und daß, 
falls nicht Unvorhergesehenes eisitrete, die Ratifikation inner« 
halb des vorgeschriebenen Zeitraumes geschehen würde. Die 
heiden Interpellanten ertliärten ich von der Untwort des 
Ministers befriedigt, bedauerken aber, daßz Taube die Frie— 
yensbewegung mit so arobrm Pessimismus belrachte.
	        
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