Drganifatirn ist, steht gufzer Zweifel. Er stellt eigene Kandi⸗
daten auf; auch Dr. Rösicke bezeichnet sich als „Wildkonservativ
und Bund der Landwirte“. Mit der gleichen Sorglosigkeit mög
die Regierung unsere, Jugendorganisationen und die Gewerk
chaften ansehen. Wir stĩimmen den Anträgen der Frei
inunigen zu, Unser Antrag auf Verwendung der Üeber—
chiisse zu sozialpolitischen Zwecken sollte angenommen werden,
a es wichtiger ist, den notleidenden Zündholz- und Tabak—
arbeitern die Ueherschüsse zukommen zu lassen als den wirtschaft⸗
liehen Organisationen und den kapitalistischen Unternehmern.
andre Weise läßt sich dieser Schmiergelder- und Korruptions—
fonds nicht aus der Welt schaffen. Redner geht sodann ausführ⸗
tich, auf die Arbeiterverhältnisse in den Kaliwerken ein; er
schließt: Die Kalischätze gehören der Nation, und sie ihr zu er⸗
ten. ist unsere VPflicht als Polksvertreter. (Beifall bei den
Zoz.
Unterstaatssekretär Dr. Richter: Die Festsetzung der Rabatt⸗
rätze ist bisher weder für das Inland noch für das Ausland, er⸗
jolnt. Es versteht sich von selbst, daß der Bundesrat sie so fest⸗
setzen wird, daß sie allen Organisationen gleichmäßig zugute kom—
men. Was die Bemängelung der Etatsspezialisierung und die
Verweisung des Vorredners auf die Erfahrungen des Kalisyn-
dikts betrifft, so decken sich doch die Aufgaben, die hier die Re⸗—
gierung und der Reichskanzler zu erfüllen haben, mit den Auf—⸗
gaben, die das Kalisyndikat bisher gehabt hat. Hätten wir uns
an das Kalisyndikat gewandt, so wäre der erste, der das gemiß—
billint hätte, der Vorredner gewesen, der ja eben den Wunsch
aussprach, wir sollten nicht so verfahren wie das Kalisyndikat,
Die Absicht, sämtliche Gelder dem Kalifyndikat zu überweisen, hat
absolut nicht bestanden. Der Vorredner hat übersehen, daß ich in
meiner Erklärung in der Budgetkommission ausdrücklich festge—
ttellt habe, es versteht sich von selbst, daß der Reichskanzler nicht
ohne weiteres die Gelder dem Kalisyndikat zur Verfügung stellen
wird, sondern sich die Verteilung und die Kontrolle durch die Be—
hörden vorbehält. Die Reichsregierung ist sich also ihrer Ver—⸗
zntwortung bei der Verwaltung dieser Gelder voll bewußt. Was
die Behauptung anbetrifft, es bezögen setzt dieselben landwirt⸗
schaftlichen Verbände das Geld, die früher die Prwision er—
halten hätten, so hat ja die Regierung die Gelder noch gar nicht
berausgabt. Das geschieht erst, wenn die Grundsätze festgestellt
ind. Selbstverständlich, werden diese der Regierung dann auch
als Richtschnur dienen für die Verteilung der bisher eingegan—
zenen Gelder. Ich habe bereits vorhin betont, daß eine wirt⸗
same Kontrolle stattfinden soll, ob die Gelder auch wirklich für
Propagandazwecke aufgewendet werden. Jeder Verband foll
Helder zugewiesen erhalten, der wirklich Propaganda betreibt,
nicht etwa etwa nur die größeren Verbände. Was meine Be—
merkung über die Schwierigkeit, zu entscheiden, welcher Verein
oolitisch ist, angeht, so habe ich nux betont, daß heutzutage, wo die
Sozialpolitik, die Wirtschaftspolitik in alle Verhältnifse des
Lebens tief eingreift, guch rein wirtschaftliche Vereinigungen hier
und da eine politische Tendenz betätigen. Badurch, daß der Vor—
redner die Jugendorganisationen und die Gewerkschaften für nicht
politisch erklärte, hat er selbst gezeigt, wie verschieden die Mei—
nungen sind. Besm Vereinsgesetz wird unterschieden zwischen
Vereinen und politischen Vereinen. Hier allein ist festgestellt, daß
das Geld für Propagandazwecke ufgewendet werden muß
Hierauf tritt Vertagung ein.
Schluß 87 Uhr.
Nächste Sitzung Mittwoch,2 Uhr. Fortsetzung der heutigen
Bevatung, zweite Lesung des Kolonialetats
PreuBischer Landtag.
Abgeordnetenhaus.
54. Sitzung.
Berlin, den 21. März.
Am Ministertisch: Sydow.
Präsident v. Kröcher eröffnet die Sitzung um 11 Uhr 18 Min.
Zunächst wird anstelle des früheren Aöqg. Kreitling Abg. Aroen-
d de Vorchhr Vpt.) zum Miitglied der Staatsschüldenkommission
ewählt. *
Es fsolat die Fortsetzung der Beratung des
Bergetats
zeim Kapitel „Bergwerk“.
Abg. Spinzig (freikons.!; Es ist zu wünschen, daß ein Ver—
rauensverhältnis zwischen Beamten und Arbeitern herrscht. Den
gestrigen Bemerkungen des Abg. AhrensKlein⸗-Flöth über die Ab⸗
vässerfrage stimme ich zu.
Abg. Dr. Maurer (natl.) hält es nicht für richtig, daß die Steiger
eawungen werden, aus ihrer Organisation auszutreten.
Die Ausgahen für Beamtengehälter werden bewiligt.
Die Debatte über die Ausgaben flir Materialien und Geräte,
Frweiterungsbauten, Unterhaltung fürBetriebsamagen usw. wird
berbunden mit der zweiten Beratung des Gefetzeniwurfs beir. An—
eihe zur Erweiterung derAnlagen der Bergverwaltung. In diesem
Entwurf werden JMill. A als Anleihe zur Exrichtung einer Kali⸗
Doppelschachtanlage bei Klein⸗-Bodungen in Hannover? sowie zur
Einrichtung cines Tagbaues für den Vernsteinabbau zu Palmnicken
n Ostpreußen gefordert. Die Mittel zur Errichtimg einer Doppel⸗
chachtanlage bei Knuro in Oberschlesien sollen im Betrage von
»5 Millionen guf den Etat übernommen werden.
Abg. v. Pappenheim (kons.): Um die Etatsberatung nicht zu
nerschleppen, haben wir in der Generaldehalte aufs Wort verglchtet
Pir wünschen, daß der Etat ein klares Bild von der Bergverwaltung
zibt. Dem Gesetzentwurf werden wir zustimmen.
Abg. Roeren (Zentr); Durch solche verhetzende Uebertreibungen,
vie wir fle gestern vom Abg. Hoffmann gehört haben, wird nur die
Erfüllung der berechtigten Anspruͤche der Ärbeiter erschwert, Wir
reten für die berechtigten Forderungen der Arbeiter nach Lohn⸗
trhöhung, insbesondere im Sgarrevier, ein. Ddie Arbeitszei muß ab⸗
gekürzt und die Krankenversicherung für die Familienangehörigen
der Arbeiter geregelt werden. Grohe Unzufriedenheit und Verbine
sung erregt es, daß auch im Ruhrrehler, die Lönhne in den fiskali⸗
schen Vetrieben niedriger sind als in Privalbeirieben. Vor allem
aber sind die Arbeiterverhälinisse an der Saar anf das dringendste
der Verbesserung bedürftig. vse
Abq. Dr. Glattfelter (Hentr.): Den Darlegungen des Vorred
ers über die Saararbelter schließe ich mich an. Was die Förderung
der Wohlfahrtszwecke betrifft, so wäre es sehr wünschensweri, wenn
die Bergwerksverwaltung Ländereien erwerben würde zu dem Zweck
den Arbeitern ein Stück Land zur Ansledlungzů überweisen.
Abg. Dr. Maurer (natl.): Mit Bedauern haben wir die gestrige
EErklärung des Ministers gehört, dah an eine Lohnerhöhnug an der
kaar kaum zu denken sei. Wir bedauern das um so inehr weil die
2öhnme seit 1908 zurückgegangen sind.
Abg. Imbusch (Zenir) kritt ebenfalls fiir Lohnerhöhungen
m Saarrevier ein.
Abg. v. Schnbert (natlib.) hofft, daß der Minister die hier
yorgetragenen Wünsche wohlwollend prüfen werde.
Hierauf wird der Gesetzentwurf in zweiter und ohne Debatte
n dritter Lesung in der Kommisflonsfaffung angenommen. Die
Werbindemin mit dem Geset beratenen Eiatstitel werden ve—
willigt.
Das Kapitel Berawerke wird bewilligt. J —
Phue Debatte werden bewilligt die Kapitel Hütten, Sasg⸗
werle sowie eine Reihe weiterer Kapitel.
Beim Kapite! Aberbergämter klagt
Abg. Brust (Zentr.) über die Ueberlastung der Steiger. dI
Beim Kapitel Geologische Landesanftalt in Berlin weist
Abg. Weissermel (kons) auf die zunehmende Bedeutung
dieses Juftituts hin. Zur Hebung des Linsehens diefer Auftau
virde es beitragen, wenn deren Beamten in eine höhere Rang—
lasse versetzt würden. J
Beim Kapitel Verschiedene Verwaltunas- und Betriebsaus—
zaben begründet
Abg. Spinzig (reikons.) eine von der Kommission einstimmig
ngenommene Resolution, nach welcher der in diesem Kapitel zur
Interstützung für ausgeschiedene Beamte sowie für Witwen und
Waisen von Beamten II Betrog von 120000 .A vom
nächstiährigen Etat dem Bedürfnis entsprechend erhöht werden
loll, um den Iunvaliden und ihren Hinterbliebenen aus staat⸗
irhen Berg- und Hüttenbetrieben, deren Inropeuddponte vor
dem 1. Januar 1908 festgesetzt worden ist, eine Unterstützung zu
gewähreu.
Die Resolution wird angenommen. Der Rest des Bero—
Anats wird ohne Dohatite ersediat
Es folgt die zweite Beraktung des
Etals der Zentralgenoffenschaftskaffe. F
Abg. Meyenschein (tons)e Eine grotze Anzahl von Ge—
iossenfchafien steht in geschäftlicher Verbindung wit der —
enossenschaftskafse, die in erster Linie das Ziel verfolg. die
des Nittelstandes zu fördern. Auffallend ist eine
Notiz in der Berliner Korrespondenz, wonach das Verhältnis
wischen der Zentralgenossenschaftskasse und der landwirtschaft⸗
ichen hentraldelehnetasste geleft worden sei.
unterstaatsfetretar Michaelis: Es ist, richtig, daß die
Preußenkaffe ihre Geichaftsverhindung mit, der Zentraldarlehns
saffe delöft haf aus dem Grunde, weil diese in Verbindung mit
der Reichsgenossenschaftsbank geireten war. Denn es ist un⸗
denkbar, daß eine Genossenschaft mit denselben Haftverpflichtun⸗
sen miß zwei Banken in Verbindung bleibt. Inzwischen wurde
ie, Verbindung zwischen der Zentraldarlehnskasse, und der
keichsgenossenschafisbank wieder abgebrochen. Deshalb ist die
Preuͤßenkasse bereit, mit der Zentraldarlehuskasse in Verhand⸗
— D
diesem Institut wiederhergestellt wird.
Abg. Stull (Zentr.): Die Genossenschaften sollen einem wirklich
orhandenen Beduͤrfnis entsprechen; sie jollen bodenständig sein und
nichts Forciertes haben. Der Landrat kann wohl die Anregung zur
runduͤng einer Genoffenschaft geben, soll aber nicht in deren Selbst⸗
waltumg eingreifen. Poutitke soll von den Genossenschaften nicht
Feirseben werden. Das muß ich gegenüber dem Referat eines Land⸗
rats auf einer Landratskonferenz in Schlesien betonen.
Finanzminister Dr. Lentze: Derartige Landrat stonferen—
jen, die unter dem Vorsitz des Oberpräsidenten bezw. Regierungs⸗
räsidenten abgehalten werden, haben einen vollständig vertraulchen
haratter. Die Verhandlungen der vom Vorredner erwähnten Kon—
erenz sind uns an der ventralstelle nicht bekcumnt, deshalb kann ich
jeruber nichts sagen. Im übrigen kann ich es nicht für unrichtig
alten, wenn ein Landraf in seinem Kreise Mitglied einer Genossen⸗
chaft wird oder eine foiche gründet. Ich würde es aber mit dem
Vorredner mißbilligen, wenn der Landrat ,seine Stell ung
benutzen würde, Polititin der Genolsenichaft zu
treiben. F
Abg. v. Bieberstein (kons.) befürwortet eine wirksame Beteili⸗
gung der Preußenkasse an der Entschuldungsaktion des ländlichen
Grundbesitzes.
Geheimrat Busch: Die Tätigkeit der Preußenkasse ist in gewissem
Maße auch auf die Entschuldung ausgedehnt Es ist aber nicht mög—
lich. über die gesetßlichen Bestimmungen hinauszugehen. .
Abg, Gyßling (Fortschr. Vpt): Wir halten es nicht für richtig,
daß staatliche Muͤtel zur Enischuldung des landwirtschaftlichen
Brundbeslkes verwandt werden. J
Praͤfident der Zentralgenossenschaftskasse Dr. Heiligenstadt: Es
vird noch lange dauern, bis die Zentralgenossenschaftskasse durch ein
mnderes Institut erseßt wird, wie das von manchen, Selten gewünscht
vird. Ein Privatinstitut, kann nicht so gemeinwirtschaftlich witten
wie eine Stoatsanfialt, Wir können guf die Genossenschaften wicht
nach der Richtung einwirken, wie sie ihre Bilanzen ausitellen sollen;
wir sind bestrebt. die Selbstverwaltung der Genossenschaften zu
wahven. Andrerseits können die Genossenschasten aus einer gewissen
taatlichen Ueberiwachung nur Vorteil ziehen. Jedenfalls stehen fie
iich befser. wenn sie in Verbindung mit der Zentralgenossenschafts-
safse bleiben. Die Entschuldung des ländlichen Grundbesitzes kann
ehr wohl in Verbindung mit dem Genossenschaftswesen durchgeführt
véerden. Viel Erfolge haben wir in dieser Beziehung noch nicht er—
ceicht. weil die ganze Aktion sich noch in der Vorbereitung befindet.
Wir imüssen Jahre gbwarten. bis wir zu greifbaren Resultgten kom—
nen. —— Bestrebungen sollen von dem Institut der Preußen⸗
asse, die sg nur mit wirtschaftlichen Fragen beschäftigt, sern ge—
jalten werden.
Abg. Dr. Friedberg (natl.): Der Preußenkasse gebührt für ihre
Tätigkeit Dank und Anerkennumng. Wir würden uns freuen, wenn es
zu neuen Verhandlungen zwischen der Preußenkasse und der Zen⸗
raldarlehnskasse koömmen würde
Vbg. Dietrich kons.) warnt vor einem abfälligen Urteil über
ie Beteiligung der Zentralgenossenschaftskasse an der Euntschul⸗
mnsaaee bevor Resultate vorliegen.
Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. Dr. Friedberg (natlib.),
Ztulle ntry Dietrich (kons.), Gyßling (Fortschr. Vp.),
hummer (kons.) wird der Etat bewilligt.
Der Etat, des Herreen hauses wird ohne Debatte erledigt.
Zum Etat des Abgeordnetenhauses liegt, eint
Resolution der Budgetkommifsion vor auf Vorlegung eines Gesetz⸗
utwurfs, durch den das Recht der Präsidenten beider Häuser des
Landtags zur Vertretung des Fiskus und die Rechtsverhältnisse
der Beamten des Herrenhauses und des Abgeordnetenbauses neu
geregelt werden.
Abg. Graf Spee (gentr.): Dem Plan, dem Hause eine neue
ne 500 000 .M aufzusetzen, stehen wir entschleden ablehnend
gegenüber.
Der Etat wird bewilligt.
Die Resolution wird angenommen.
Beim Etat der allgemeznen Verwaltung, FJitel
Zuschuß an die Kronkasse zu den Betriebskosten für die königlichen
Theater“, bemerlt
Das Etatsgesetz wird vhne Debatte bewilligt, ebenso das
Etatsnotgeseß, wonach die bis zur — deetiune
—A——
eisteten Ausgaben nachträglich genehmigt werden.
Damit ist die zweite Beratung des Etats erledigt.
Hraͤfident v. Kroͤcher schiägt vor, die nächste Stzung morgen
9 Pe abzuhalten mit der Tagesordnung: Dritte Lesung des
ats.
Abg. Fischbeck (Fortschr. Vp.): Ich erhebe Widerspruch
gegen den Vorschlag des Präsidenten. Früher wurden vom
Seniorenkonvent die geschäftlichen Dispofigionen getroffen.
Jetzt besorgen gewisse Herren im Gegensatz zur Linken diese Dis—
vofistionen. Es ist mir zweifelhaft, ob das zum Vorteil der Ge⸗
chäfte dient. Wir haben uns bisher eine außerordentliche Be⸗
chrankung auferlegt, haben aber keine Veranlassung, in Zu—⸗
unft uns noch weiter beschränken zu lassen.
Präsident v. Krücher: Der Widerspruch ist wirksam, wenn
er von 14 Mitgliedern unterstützt wird.
Der Widerspruch wird unterstützt von einigen National⸗
iberalen, den Freisiunigen, Polen und Sozialdemokraten. Der
Ftat kommt also morgen hi zur Beratung.
Nächste Sizung Mittwoch 12 Uhr: Feuerbestattungsgesetz,
kleinere Vorlagen.
Schluß 50NVnsie
1
Untersuchung von Seeunfäãllen.
Ein ausführliches Gutachten ist, wie die Bremer Handels-—
animer schreibt, von derselben dem Senat über den Vorentwuri
ines Gesetzes betreffend die Untersuchung von Seeunfällen er⸗
tattet. Schon im letzten Bericht der Bremer Handelskammer
vurde bemerkt, daß man der Einführung einer Verwarnung für
zrobes Verschulden eines Schiffers, Steuermanns oder Maschi⸗
iisten, das nicht zur Entziehung des Befähigungszeugnisses
ührt, nicht zustimmen könne. Die Seeämter sind dazu berufen,
m Interesse der Sicherheit der Schiffahrt einerseits die Ursachen
)er Seeunfälle festzustellen und durch ihre Sprüche auf die Be—
eitigung festgestellter sachlicher Mängel hinzuwirken, anderer—
eits Personen, denen auf Grund staatlicher Prüfungen ein Be—
ähigungszeugnis für den Dienst auf deutschen Seeschiffen ver
iehen worden ist, diese Besähigung wieder abzusprechen, wenn
ie sich als unfähig erwiesen haben. In letzterer Hinsicht sind
die Secämter Verwaltungsgerichte; sie sollen nicht auch Straf⸗
der Standesgerichte sein. In einer Verwarnung liegt aber eine
Strafe für einen begangenen groben Fehler, jedenfalls wirkt fie
ails solche. Aus diesem Grunde haben, so weit bekannt, auch die
dapitäne und Schiffsoffiziere, die anfänglich im Hinblick auf
eine Erweiterung ihres Berufungsrechts der Einführung der
zerwarnung zustimmten, sich einmütig dagegen ausgespröchen.
Sie haben auf der anderen Seite jedoch befürwortet, daß nicht
nur gegen Patentenziehungen, sondrn auch gegen Vorwürfe
zines Verschuldens in den Sprüchen der Seeämter eine Be—⸗
chwerde an das Oberseeamt zugelassen werden möge. Die
Bremer Handelskammer hat diefen, schon in den Jahren 1881
uind 1884 im Deutschen Nautischen Verein erörterten Wunsch als
berechtigt auerkannt und unterstützt, und, zwar ohne Unter—
cheidung eines leichten oder groben Verschuudens, da diese in
)er Praxis kaum durchzuführen sein würde. Von
hesonderer Tragweite ist ferner die zwar nicht in den Ent—
mwurte indeisens von söeiten der RMhbeder ehenfallaz jiin
XBD
Frage, ob und in welcher Weise den Roedern die Aonelichtet
chen sel, sich gegen den Vorwurf eines Verschuldens spwohl
der ersten wie in zweiler Instanz au verteidigen. Nach Anhörrtn
er hiefaen Rheder, die über das Ziel einig sind, nicht aber üb
en Linzuschlagenden Weg hatte die Handelstammer es als cr
wünschi und moalich bezeichnet, dem Rheder das Recht zu geben.
sowohl in der Seeamtsverhandlung zu erscheinen und sich zur
VWort zu melden, als auch Berufnng einzulegen, wenn in dem
Zeeam sspruche ein Vorwurf gegen ihn erhoben wird, Von an—
erer Seile wird es für erforderlich gehalten, dem Rheder forrell
e Stellung eines „Beteiligten“, aleich den Inhabern eines Be⸗
hinungszengnifses. anzuweisen. Dies erscheint der Handels-
ammer aber als zu weitgehend, da die „Beteilioten“, wenn zwar
has seeamtliche Verfahren kein Strafverlahren sein soll, doch vor
der Heffentlichkeit als Angeschuldigte erscheinen, über die ein
ürten aesprochen wird. Aber auch im Hinblick auf die Funktion
er Seeämter als Verwaltungsgerichte scheint dieses systematisch
ein Widerfpruch zu sein, den Rheder mit den Zeugnisinhabern
inter einen Begriff zu bringen. Von den übrigen Anträgen, die
bon der Handelskammer gestellt wurden, ist hervorzuheben, daß
efelbe in Uebereinstimmung mit allen Vertretungen der See⸗—
chiffahrt entschieden Einspruch gegen die Bestimmung erhvhen
hat. daß ein von einem Unfall betroffenes Schiff an seinem Lanu—
hunasort von den Vorsißenden der Seeämter oder im Auslande
hon den deutschen Konsuln zum Zwoeck der Untersuchung des Un⸗
alles bis zum Ablauf des zweiten Tages nach der Landung zu⸗
ückgehalten werden kann. Wegen der bierbei möanlichen Mißz—
riffe und schweren Schädigungen für die beteiligte Rhederei ist
zie Streichung dieser Bestimmungen beantragt. Alle übrigen,
um Teil ebenfalls wesentlichen Fragen, wie die des ursöchlichen
Aisammenhangens zwischen Verschulden und Unfall und die
idespflicht der Beteiligten, müssen an dieser Stelle unbesprochen
leiben. Wie schwierig die ganze Materie ist, ergibt sich daraus.
oß die Reichsregierung, obwohl sie vor einem Jahre auf eine
chleunige Einbrinaung des Entwurfs an den Reichstag bedacht
var, bis heute nicht dazu gelangat ist, und daß auch die auf dem
semeinsamen Vereinstag des Deutschen Nautischen Vereins und
zer Seeschiffervereine im März 1910 vereinigten Interefsenten
mit Rucficht auf die sehr geteilten Meinungen geolaubt baben,
einem Teil der Fragen von einer Abstimmung absehen zu
uden
Die Sisverhãltnisse in den arkt'ischen
Gewãlsern im Jahre 1910.
E.w. Auf Veranlassung des 7. internationalen geographischen
Kongresses sind die Eismeldungen des Jahres 1910 aus dem
nördlichen Eismeere von Kapitaͤn C. J. Hansen bearbeitet und
von dem dänischen meteorologischen Instituüte veröffentlicht wor⸗
den. Die Grundlagen der interessanten Schrift bilden die Berichte
von Forschungsreisenden, Expeditionen, Walfischfängern und
Vergnügungsdampfern. So hätten u. a. auch in diesem Jahre
die deutschen Dampfer Oceana, Blücher, Großer Kurfürst und
Mainz sgenesert der Jetztgenannte Dampfer auf seiner
Forschungsfahrt mit dem Grafen ———— Neben dem Dank
ir treue Mitarbeiterschaft wird in der Einleitung auch dem
Bedauern Ausdruck gegeben, daß das Institut aus einigen
Gegenden, die sogar von wissenschaftlichen Expeditionen besucht
worden find, keine Eismeldungen erhalten hat. Recht knapp
paren die Meldungen aus der Beaufort-See und den Gewässern
bei Nowaja-Semlja, besonders der Kara-⸗See und der Gegend
unweit der Obmündung. In einer allgemeinen Uebersicht schil
d dn e die Eissverhältnisse in den einzelnen Gegenden
wie folgt;
Das Weiße Meer war sehr früh für die Schiffahrt offen, be⸗
reits Anfang Mai konnten Dampfer nach Arxchangel einlaufen.
An der Küste von Nowaja Semlja bis etwa 74 Gr. N., wo die
norwegische Ueberwinterungsexpedition ihr Standquartier aujf⸗
zeschlagen hatte, war die See während des ganzen Winters eis⸗
““ In der Barents-See brach das Wintereis epr früh auf
Das weiter nordwärts liegende Polareis war sehr fest und schwer
zu durchbrechen. Im Aufang des Jahres war die Eisgrenze
normal, in ins das Eis, wahrscheinlich infolge der häufigen
Nordwinde, so langsam zurück, daß während der Monate Juli
und August die Eisssgrenze immer noch sehr weit südlich stand.
Das Eas war sehr schwer und undurchdringlich. Nach einer Mel—
dung soll ein Schiff Franz Joseph-Land erreicht haben, hat jedoch
o bald wieder flüchten müssen; dem Institute ist baruüber je⸗
och nicht berichtet worden. Bei der Bären-Insel sind im Laufe
des Somimers wieder Eisberge gesehen worden. Bei Spitzbergen
waren die — sehr ungünstig, ungewöhnlich schwere
Fismasfen agen Biitte In' von der Bftküste umt das Süudkap
herum und an der Westkuüste entlang nördlich fast bis zum Prinz
harl Vorland, einen Gürtel von 100 Sm. Breite bildend. In—
solgedessen waren auch die Eisverhältnisse im weiteren Verlaufe
der Saison recht schwierige. Der Storfjord war während des
ganzen Sommers voll Eis, die Schiffahrt im Hornsund und
Bellsund war sehr beschwerlich und der Isefjord war bis An⸗
fang September mit Eis gefüllt. An der Nordküste, vom Westen
bis zur Hinlopen-Straße, war die See Ende Juli fast eisfrei.
Auch in diesem Jahre ist Spitzbergen nicht umschifft worden.
Von der Groͤnlandsee sind Berichte für die Monate Mai
bis August eingelaufen. Die Eisverhältnisse waren ziemlich nor—
mal; bereits im Mai konnten die Walfischfänger bis zu 80 G.
Hord vordringen und trafen von der Eisgrenze südwärts nur
leichtes Eis. Schiffe, die zwischen Franz Joseph-Fjord and Shan—
non Island navigierten, trafen sowohl nördlich als südlich dieser
Linie schwere Eisfelder an. Beim Franz Joseph-Fiord wor das
Wintereis im Auqust noch nicht aufgebrochen. In Angmaksalil
iag das Eis während des ganzen Sommers dicht unter Land,
im September erreichte das erste Schiff die Station. Die Küsten
von Island waren fast eisfrei, im April und Mai jedoch, den
Monagaten, in denen Eis am häufigsten bei Island beobachtet
wurde, war die Eisgrenze nicht fern von der NW-Spitze der
Insel. Nach den schlechten Verhältnissen des Vorlahres wax das
Fis während dieser Saison fast normal. Vom Februar bis April
vurde Tafeleis gemeldet, im April erschienen Eisberge, von
denen in diesem Monate 40 gemeldet wurden. Im Juni liefen
0 Berichte ein, wahrend im August nur noch wenige Eisberge
zeobachtet wurden. In der Belle⸗-Isle-Straße, die sehr früh
Vhhar wurde, wurden im Mai, und Juni viele Eisberge ge⸗—
ichtet, später nahm ihre Zahl bedeutend ab, doch wurden noch
vährend des ganzen Jahres Eisberge angetroffen.
In der Davis-Strafze waren zu Beginn des Jahres die Eis⸗
»erhältnisse fast normal. Am 30. Januar erreichte das erste
Packeis die Straße, doch die Hauptmassen stellten sich nicht vor
März ein. Während des Sommers reichte das Packeis nicht
veiter nördlich als Fiskernaes und in Folge dessen waren die
Fisverhältnisse im Norden von Fiskernges, zumal das Westeis
ich ziemlich westlich hielt, recht günstig. Von der Ostküste trieben
in Sommer große Massen Eis nach der Siidwestküste Grön⸗
sands und blockierten das Land dort aufwärts nach Frederiks—
haab bis Eude August. Im nördlichen Teile der Baffin Bay
waren die Eisverhältnisse günstig, im August war die Labrador—
tüste fast vollkommen eisfrei. Hudson-Strafze und -Bai waren
im Juli schiffbar. Das Eis, aus Wintereis beitehend, war loser
als gewöhulich. Der Dampfer „Discovery“ der Hudson Bay Co.
konnte das Eis überall bewältigen. In der Straße und dem
—
schend, während das Eis in der südlichen Bai schon dem Schmel—⸗
en nahe war. Im April und Mai lag die Eisgrenze im Bering⸗
Meer südlicher als gewöhnlich. Ende des Sommers waren die
Eisverhältnisse in der Beaufgrt-See normal, während sie an
der VO-Küste Sibiriens scheinbar ungünstig gewefen sind.
Die Aussichten für das Jahr 1911, sind, soweit die Barents⸗
See in Frage kommt, nicht gerade günstig. Die großen Eisschie—
bungen, die während des Spätsommers im nördlichen Teile der
Barents-See stattgefunden haben, machen es wahrscheinlich, dg
im Frühiahr 1911 dort auch viel Eis sein wird und voraussichtli
auch beim südlichen Teile von Spitzbergen. Diese Eismassen
verden aber kaum irgend welchen Einiluß auf das WPolareis
zistlich von Grönland haben. In der Davis-Straße sind unter
Berücksichtigung der Eisverhältnisse bei Ostarönland während
des verflossenen Jabhres nur normale Zustände zu erwarten. Do
Davis-Straße und Baffin-Bay 1910 ziemlich eisfrei gewesen sind
* ann mgn auch östlich von Nenfüundland auf ein normales
Fikiöse rochton