Deutscher Reichstag.
(1602. Sitzung.)
Berlin, den 20. Märsz.
Am Bundesratstische: Delbrück.
Spezialberatung des Etats für das
Reichssumt des Innern
Lird bei den fortdauernden Ausgaben für das Reichsver⸗
licherungsamt fortgesetzt.
Abͤg. Eickhoff (fortschr. Vp.): Die Solinger Stahlwaren⸗
Industrie beschäftigt als Schleifer und Polierer auch Haus⸗
gdewerbetreibende, die zwischen Arbeitgebern und Arbeit⸗
hehmern in der Mitte stehen. Diese gehören unzweifelhaft als
eeereerrde zu denjenigen, die nicht ohne weiteres der
zerficherungspflicht unterliegen, sondern nur durch Bundesrats⸗
beschluß ihr unterworfen werden können. Reben dieser Kate⸗
gorie gibt es eine andere, die sich von jener nur dadurch unter⸗
scheidet, daß sie ihre Betriebsstätie in den Fabrikräumen haben,
ohne daß sie — zu dem Arbeitgeber in ein Arbeiterverhält-
inls treten; auch diefe sind durchaus selbständige Gewerbe—
freibende, die wirtschaftlich und persönlich unabhängig sind,
Diefe Auffaffung wird aber vom Reichsverficherungsamt nicht
mehr geteilt, wie eine Entscheidung aus 1900 beweist. Diese Ent⸗
scheidung läuft einer anderen, die das Oberverwaltungsgericht
gefällt hat, kraß entgegen; durch die letztere Entscheidung ist ein
Hausgewerbetreibender zuxr Gewerbesteuer herangezogen
wordern. Die eine Entscheidung paßt auf die andere wie die Faust
aufs Auge. (Redner verliest den Wortlaut beider Entscheidun⸗
enc) Wir haben hier einen Beitrag zu der widerspruchsvollen
— ———— unserer Zeit vor uns. Dieselben Gründe, die
das Oberverwaltungsgerscht entwickelt, haben früher der Re⸗
zierungspraäsident von Düsseldorf und auch das Reichsversiche⸗
zungsamt als die durchschlaggebenden angesehen. Ich bitte die
Verwaltung, ein Gutachten der Gewerbeinspektion zu Solingen
santordern. Jedenfalls muß dieser Willfür ein Ende bereitet
werden.
Abg. Hanssen Dane beschwert sich über ungerechtfertigte
Ausweifunge von Kusslandern. Es würden in
Rordschleswing verhältnismäßig viele Ausländer, Arbeiter
as dem Koͤnigreich Dänemark beschäftigt, und unter ihnen sei
auch eine Anzahl von Rentenempfängern. du mehreren Fällen
seien solche Arbeiter ganz kurze Zeit nach erlittenem Unfall und
nach der Festsezung der Rente ausgewiesen und mußten sich nun
nach dem Invalidenversicherungsgesetz mit der kümmerlichen Ab⸗
odens des dreifachen Betrages der Jahresrente begnügen.
deltere Arbeiter mit Familie würden dadurch aufs schwerste be⸗
nachteiligt. Das werfe Jein qgünftiges Licht auf das Gerechtigkeits⸗
und Billigkeits Gefühl der Verwaltung. Der Staatssekretär
nioge geeignete Schritte tun, um solchen Beschwerden abzuhelfen.
die Reichsgesetzgebung habe doch gerade das Gegenteil gewollt,
i habe beabsichtigt, den Arbeiter im Lande zu behalten, darum
ei die Idn so gering bemessen. —
LAbg. Sachse eb Das von dem Herrn Ministerialdirektor
Caspar“bezůglich der Beamtenwohnungsvereine erlassene Rund—
schreiben ist in den Publikationen des Reichsversicherungsamts
rücht veröffentlicht worden. Warum soll denn nicht angegeben
werden, welche Vereine Gelder der Versicherungsanstalten zu er⸗
maßigtem Zinsfuß erhalten, und warum wird überhaupt ein Unter⸗
schied gemachtz Es ist doch sehr auffällig, daß die Beanmten-Bau⸗
genossenschaft eines Fürsten von Pleß, der alles an Grundbesitz
aufkauft, was in seinem Vereich sich befindet, auch solche billigen
Gelder erhalten hat. Ich bitte dringend, daß diese Einzelheiten
künftig in den Jahresberichten erscheinen; wir müssen wissen, wer
das Gelo bekommt und, zu welchem Zweck es ausgeliehen ist. Es
giht auch „amtliche Wohlfahrtszwecke!, durch welche die Arbeiter⸗
niteressen direkt geschädigt werden. Dasselbe Reichsversicherungs⸗
aumnt, das eine Kommifsion herunigeschickt hat um überall auf
Sparsamkeit zu drängen, ist jäa doch Instanz in Revisionssachen; da
kann man sich denn nicht wundern, daß die Ersolge der eingelegten
Revisionen so gering sind, dn die gog der Rentenbewilligungen
in den letzten Jahren vielfach bis auf die Hälfte zurückgegangen ist.
Man soll doch lieber an die Beitragserhöhung gehen, natürlich
hmanie fur Arbeiter und Arbeitgeber. dann bleiben die Ver—
icherungsanstalten guch, lebensfähig. In der Sozialgesetz-
gebunng ist tatsächlich ein Rückschrikt zu konstatiexen; ich bitte
die Reichsverwaltung, ihre Stellung so zu nehmen, daß der berech⸗
tigte Vorwurf, den der Abgeordnete —2 in dieser Richtung
erhoben hat, hinfällig wird.
Ministerisldirektor Caspar: In den beiden Entscheidungen
über die Solinger Stahlschleifer üfw. sind die Verhältnisse nach
verschiedenen Gesichtspunkten, beurteilt worden. Juwieweit ein
Ausgleich möglich ist, kann ich zurzeit nicht heurteilen. Was die
auslaͤndischen Rentenempfänger betrifft, so sollen nach der Roeichs⸗
versicherungsordnung diese Rentenempfänger künftia aünstiger
behandelt werden.
Abg. Schmidt⸗Berlin (Soz.): Der Freifinn hat hier wieder
einmal ein sonderbares, sozigles Empfinden an den Tag gelegt.
Ein Arbeiter, der bloß einen Raum von der Firmg abgemietet hat,
ꝛie ihn beschaͤftigt, ist ein Arbeiter im Sinne des Geseßzes und kein
jelbständiger Gewerbetreibender. Ich hoffe, daß die nene Ent—
— die der A Eickhoff wünscht, uscht dazu führen wird,
je Entscheidung des Reichsgerichts zu aͤndern, sondern höchstens
die des Oberverwaltungsgerichts. Einzelne Baugewerbe-Berufs⸗
genossenschaften haben über die sogenannten Handmauern beson⸗
dere Unfallverhütungsvorschriften erlassen; es ist nur zu bedauern,
daß diese richtigen Vorschriften nicht allaemein durchaefiihbrt sind.
Beitn bigardo Fortscehr. Vh.):. Die beiden E
Abg. Eickhoff (Fortschr. Vp.): Die beiden Entscheidungen sind
sowohl für die Axbeitgeber wie für die Arbeiter 3338
habe in keiner Weise gegen die Versicherung der Hausgewerbe⸗
treibenden polemisiert, sondern nur eine einheitliche Rechtsprechung
gewünscht. Die Versicherung der Heimarbeiter wird bereits in
Solingen erwogen.
Das Kapitel Reichspersicherungsamt wird genehmigt, ebenso
—D
Zu den „Ausgaben,für d,ass Kanalamt“ liegt vor die
Resolution Wommelsdorff (natlib) und Speihmanu sfortschr.
VBp.) eine Kommission von 14 Mitgliedern einzuseßzen zur Prüfung
der Frage, wie der von Petersen-Möbhlhorst projektierte Ecker n
ee Kanal im Intereste des Reicheß am besten au sör-
vern sei.
Abg. Severing (Soz.): Der Vorschrift, daß möglichst nur
deutsche Arbeiterbeim Kanalbanuderwendet werden,
wird nicht entsprochen. Agenten treiben unter dem Schutze der Be—
hörden ihr, Unwesen und führen galizische, holländische, italienische
und russische Arbeiter ein, dabei sind genügend deutsche Arbeiter
vporhanden, sie werden sogar zurückgewiesen, weil die Auslander
billiger arbeiten. Die in den Vorschriften, vorgesehenen Axbeiter-
ausschüsse sind bei keiner an dem Kanalbau beteiligten Firmen
vorhanden. Die sozialen Gesetze stehen für die Kanglarbeiter nur
auf dem Papier, Rindfleisch und, Pflaumen ist ein schön' Gericht,
der Arbeiter aher kriegt sie nicht!
Ministerialdirektor v. Jonquiéeres: Dieses Motto hinzuzu—
lügen, haben wir keine Veranlafsung. Die Bestimmungen stehen
heineswegs nur auf dem Papier. Trot der großen Schwierig-
eiten, die die Kanalarbeiten bieten, 53— wir es fertiggebracht,
70 pt. der, Stelleen mit deutschen Arbeitern zau be⸗
etzen, der Rest sind allerbings Ausländer, Italiener sowohl wie
Polen. Beide werden aus nationalpolitischen Gründen an sich
nicht gern genommen, aber es läßt sich bei der schweren Arbeit
nicht gans vermeiden. Von den Polen ist es ja belannt, daß, sie
sich zu Wasserarbeiten besonders, eignen. Bei den Italienern sind
es gewissermaßen erst Verfuche, sie werden uns aber als geeigneter
Erfatz empfohlen. Die Arbeiter, die sich gemeldet hatten, und be⸗
reit waren, besonders schwere Arbeit zu leisten, waren dem teil—
weise nicht gewachsen; es waren solche, die diese Arbeit nicht ge⸗
wohnt sind und sie nur als Notbehelf betrachten. So hat sich die
ansschließliche Beschäftigung deutscher Arbeiter nicht durchtführen
sasfen. Die angeblich kostenlose Unterbringung der Axbeiter in
Baracken durch Privatgesellschasten steht außer Beziehung zur
Kanalverwaltung. Wenn diele aber den Betrag für die Unter-
bringung, von 70 auf 83 4 erhöht, weil die Kosten nicht ein kom⸗
men, so kann man ihr darans keinen Vorwurf machen. Die sonst
porgebrachten Mißstände sind bisher nicht zu unseren. Ohren ge
kommen. Von denienigen, die den Verhältnissen nahestehen, wer—
den, diese aünstiger benrteilt. Der Abg. Dr. Leonhart hat in der
sieler Zeitung einen ausfübrlichen Artikel, erscheinen lassen, in
dem er zu dem Schluß kommt, daß die Arbeiterfürsorge beim
HDanalbau die aröste Anerkennung verdiene. Wir werden fest ·
eten inwiewelit die Nnaabhen deßs Aba. Serering der Wirklichkeit
nisprechen. Sollien sich Mißstände eingeschlichen haben. was bei
ine Arbellerschaft von 4600 Köpsen immerhin vorfkommen lann,
so werden wir nicht saänmen, Adhilfe zu schasfen.
Abgq. Dr. Hahn (dk.): Der Abg. Eevering tat so, als ob seine
Bartei ein besonderes Interesse hätte an dem Schutze der deutschen
Arbeiter. DieStimmung imHause geht, soweit ich sie kenne, dahin,
daß wir selbstverständlich, wenn wir die Produtte der deuschen Arbeil
schüten wollen, auch den deutschen Arbeiter lelbst schützen müssen.
Hei der Fülle ber Arbeitsgelegenheit, die fortwährend auf allen Ge⸗
zieten geschaffen wird, haben wir aber tatfuchlich nicht die genügende
JZahl von UArbeitern. Wir haben eine Million ausländiicher
Arbeiter im Lande. Es ist doch besser, daß man Arbeiter aus
den Nachbarlaäändern nimmt. als daß man die Betriebe überhaupir
inlegi. Ich möchte aber für diejenigen sprechen, die als Schiffer den
FTanal benützen. Wir haben eine Resolulon eingebracht, die sich
gegen die Konkurrenz der fremden Flaͤgge in un serer
innenschiffahrisrichtet In früheien Jahren sind wir mehr⸗
sach dafür eingeireten, daß man das Recht der Küstenschiffaurt der
eutschen Flagge vorbehalten, bezw. die sfremde eee nicht zulaffen
moͤge Bel der Küstenschiffahrt fahren die Schifse von einem deut⸗
chen Hafen in einen deutschen Hasen, bei der —V aber
andelt es sich um Binnenschiffahrt. deswegen find ja auch die Kanal⸗
hiffer nicht der Seeberufsgenossenschaft unterstellt Der deutsche
Schiffer muß Frau und Kinder am Lande lassen, die Kinder unter⸗
segen dem Schulzwang, er muß WMiete zahlen und führt danehen
inen Haushalt füt sich Da ifl die Konkurrenz mit dem ausländischen
Smiffer. der Frau und Kinder an Vord hat, sehr schwer, denn
siese Schifser verlehren nur zwischen deutschen Häsen und betreiben
nicht nut Küsten- sondern gauch Binnenschiffahrt. Die Makler be⸗
porzugen die holländischen Schiffer, weil sie segr dabei verdienen,
enu der Hollaäͤnder muß bei seinem langen Ausbleiben seine Vor⸗
aie bei den deutschen Geschästsleuten ergänzen. Ich habe mich vor
Jahren an GErzellenz Lucanus gewandt, um durch Allerhöchstes Eir⸗
Freifen zu erreichen, daß, wenn die deutschen Schiffer nicht von dieser
onturtenz befreit werden könnten, doch wenigstens die Frachten
der Behvdrden ausschließlich ihnen gegeben werden. Das ist mir
zugesagt, und die sämtlichen Behörden sind dem auch nachgekommen:
es ijt vei allen Verträgen eine enisprechende Klausel aufgenommen.
Rum sist mir mitgeteilt worden, daß diese Klausel umgangen wird.
Man behauptet, nicht immer deutsche Schifser hekommen azu können.
Erzellena v. Tirpitz hat mir die Auskunft gegeben, daß die Versen⸗
dung des Materials in einem Falle, den ich zur Sprache brachte,
eine Veraögerung eritagen hätte. Ich richte aber an das Reichsamt
hes Innern die Bitte, daß bei den vielen Frachten die jetzt beim
analbau zu vergeben sind, nicht allein diese Klausel beibehalten, son-
dern auch darauf geachtet wird, daß die Unternehmer ihr wirklich
gerecht werden. Wenn ihnen eine Umgehung nachgewiesen wird,
dürfen sie späterhin nicht mehr berücksichtigt werden. Die Holländer
haben auch viel billigere Schiffe. (Vizepräsident Dr. Spahn bittet
ben Redner, seine Ausführungen auf den Kanal zu beschränken. Zu⸗
uf des Abg. Fegter.) Ich untersuche nicht die Ursachen des billigeren
Schiffbaues in Holland; sedenfalls haben die holländischenBesitzer
der den Nordostseekanal besahrenden Schifse mehrere Hunderttausend
Mark weniger zu verzinsen. Dazu werden in Holland billige Schiffs—
ypotheken gegeben. Ich möchte die Aufmerksamkeit der Verbünde—
len, Regierungen darauf lenken, daß die Register über die
Schifishypothelen bei den Amtsgerichten geführt werden, da⸗
nit Doppelentragungen vermieden werden, und daß eine Versiche⸗
zung der, Schifsshypothelen eintreten kann wie in Holland. Jeden⸗
ralls muß man alles tun, um die deutschen Schiffer ebenso günstig
zu stellen wie die holländischen. (Vizepräsident Dr. Spahn bittet den
Redner erneut, sich mehr ans Thema zu halten) Die Wasserstraßen
der Unterekbe und des Nordostseekanals werden Furzeit in einer bisher
inbekannten Weise von den großen Schiffen in Anspruch genommen.
Die Unfälle, die darauf zurückzuführen sind, sind zahllos. Wenn
wir der großen Schiffahrt zuliebe die bedeutenden Aufwendungen
ür die Verbreiterung des Kanales machen, dann ist es durchaus
berechtigt, immer wieder zu betonen, man möge auch der Klein⸗
schiffahrt Fürsorge angedeihen lassen. Diese Fürsorge besteht
darin, daß ein Schutz- und,Winterhafen gebaut wird
damit bei See und Unwetter die kleinen Schiffe ich
vor Zusammenstößen mit den großen in Sicherheit bringen
können. Leider sehe ich, daß der Staatssekretär die Absicht hat,
den Bau des Hafens allein den Interessenten und den anliegen⸗
den Kommunen zu überlassen. Es lhommen auch nichtdeutsche
Kleinschiffer in Betracht. (Wiederholte Zurufe links.) Jetzt
bitteich den Präsidenten, mich gegen die Zwischenrufe schützen zu
wollen, damit ich meine Ausführungen in Ruhe machen kann.
Lachen lints.) Ich werde im Preußischen Abgeordnetenhause
den Antrag stellen, daß die Strombauverwaltung die Oste⸗
mümndung schützen möge gegen das Eindringen der Bagger⸗
massen, und ich bitte die Kanalverwaltung, eventuell zu den
nötigen Bauten einen Zuschuß zu geben, denn diese sind not⸗
wendig wesentlich durch die Baggerungen für den Ausbau des
Nordostseekanals. Es muß rechtsseitig ein Damm aun der Oste
de werden. In den Ausweichestellen im Kangl müssen
die Tleineren Schiffer oft eine ungewöhnlich lange Zeit liegen und
quf einen Schlepper warten. Anfang Dezember haben 14 Ewer
Tage lang liegen bleiben müssen. Auf eine Beschwerde hat der
Präsident des Kanalamts telephonisch mitgeteilt, sie müßten eben
warten, bis ein Schlepper käme, und hat ihnen den Rat gegeben
einen Privatschlepper zu nehmen. Das aber kostet 80 AM. Ich
vitte, darauf hinzuwirken, daß so lange Wartezeiten vermieden
verden. Der Zeitverlust bedeutet einen erbeblichen Geldverlust.
Ich habe seit Jahren nun Veranlassung gehabt, mich über das
Wohlwollen der Kanalverwaltung von dieser Stelle aus dankbar
auszusprechen. Auch meine heutigen Worte sollen keine abfällige
Kritik bedeuten, sondern nur ein verehrungsvoll zur Darstellung
zebrachter Ansporn sein. Es wird sich wohl beim Reichsschatz⸗
imt ermöglichen lassen, die zur Erfüllung der von mir zum LAus⸗
druck gebrachten kleinen Münsche nötigen Mittel au erbalten.
Beifall.)
Ministerialdirektor v. Jonquières: Die Annahme der Reso⸗
ution erscheint den Verbundeten Regierungen bedenklich. Man
ann zweifelhaft sein, ob der Verkehr in Kiel und Hamburg nicht
m Sinne des Gefetzes von 1881 als Küstenschiffahrt zu betrachten
st, die allerdings der deutschen Flagge nach diesem Gesetze vor⸗
zehalten ist. Dem aber steht das Bedenken entgegen, daß auf
Hrund des 82 des Gesetzes durch eine Kaiserliche Verordnung
von 1886 diefes Recht ausdrücklich den Niederländern ein⸗
zeräumt ist, also ohne den Erlaß eines besonderen Gesetzes wären
vir garnicht in der Lage, den Holländern oder andern Auslän-
ern den Gewerbebtrieb zu verbieten. Denn wenn wir sie bet
ins dulden, so muüssen wir ihnen nach 831 der Gewerbeordnung
uuch den Gewerbebetrieb gestatten. Eine weitere —A
nüg der Schleppdampfer würde die Finanzen der
danalverwaltung sehr belasten. Es sind im letzten Jahre rund
150 000 . dafür ausgegeben, und wir können das nicht ins Un⸗
gemessene treiben. vw übrigen haben wir kein Schleppmonopol,
und es steht jedem frei, sich privater Schlepphilfe zu bedienen.
Abg. Spethmaun (F. B.): das Prosekt, den Kaiser
Wilhelm-⸗Kanal durch einen Stichkanal mit
Dckernförde zu verbinden, hat den Reichstag schon
ruͤher beschaͤftigt. Damals handelte es sich um ein von privater
Seue geplantes Unternehmen; es wurde eine Kommission aur
prüfung der Frage eingesetzt. Es ist auf Grund der Kommissious⸗
Ferhandiungen ein Vertrag mit den Unternehmern abgeschlossen
vorden. Es ist aber noch immer keine Basis zu finden gewesen,
auf der eine Rentabilitätsrechnung hätte aufgestellt werden können
die Vorschlaäge des Unternehmers Petersen wurden vom Reichs⸗
narineamt als unannehmbar bezeichnet, ohne daß ihm Gegenvor⸗
chläge gemacht wurden. Wenn aber kein Tarif vereinbart wird,
muß die Sache natürlich quf ein totes Gleis kommen. Wir be⸗
antragen daher, eine neue Kommission einzusetzen, damit greifhare
Borschläge gemacht werden können; die Sache drängt. Ein aröße⸗
er Teil, der die Ostsee aufsuchenden Schiffe benutzt nicht mehr
den Nordostsee-Kanal, sondern fährt um Skagen herum nach dem
sFFreihafen Kopenhagen. Der Staatssekretär hat früher ausgeführt,
dafz die Voraussetzung des Unternehmens zurzeit nicht mehr azu⸗
trefiend wäre. Nach Ansicht Sachverständiger ist aber wohl anzu—⸗
nehmen, daß Handel und Wandel nicht nur der Stadt Eckernförde,
re des gesamten Hinterlandes lich dadurch bedentend heben
würden.
Abgq. Wommieldorff (natlib.): Ich habe diesen Ausführungen
nur wenig hinzuzufügen, und gehe nicht auf Details ein. Es han—
delt sich hier um ein Projelt, dem Hexr Petersen ein Menschengalter
eine ganze Arbeit geopfert hat: er hätte es länast über den Hau
en geworfen, wenn er nicht von dessen Güte überzeugt wäre.
der Handel in der Ostsee muß leiden, wenn nicht in den jeßzigen
derkehrsverhältnissen im Nordostseekanal Wandel oeschaffen, und
venn nicht das Projekt ausgefiihrt wird. Rahmen Sie den Vor⸗
lag einer Kommission an, damit dieses wirklich aroßzügige Pro⸗
jeit nochmal geprüft und eidlich verwirtlicht wird. Es wird eine
Fntlastung des Kieler Hafens bringen, in dem ia
für die Handelsschiffe kaum Raum mehr ist. Die Frequenz auf
hem Kanal wird aang bedeutend zunehmen, wenn dieser Stich-
saual gebaut wird: das muß doch für die Regierung ein weiterer
Aufrieb sein, dem Proiekt näher au treten. VRicht nur für die
Stadte, nicht nur meiner engeren Heimat. sondern dem ganzen
sroßen Vaterlande wird die Ausführung azum Segen gereichen.
Ministerialdirektor v. Jonquieres: Ich möchte doch bitten,
hon der Einsetzung einer Kommission abzusehen. Es ist das erste
r Fichis dabelr berausgekommen, und es,e wird auch jetzt nichts
herauskommen. Herr Petersen erblickt in der Durchsührung des
Prosetis seine Lebensaufgabe; aber er soll nicht von uns verlan⸗—
jen. daß wir vorher mit ihm einen Tarifvertrag vereinbaren,
ee “die Keichseinnabmen,, aus dem Kanal
r das Reich, um eine Million verringern wuß.
derr Peterfen selbst hat in Besprechungen mit uns zugegeben,
daß die ganze Angelegenheit nur mit Hilfe der Hamburger Rhe—
zerer gemacht werden lann, von yckernförde aus geht das nicht,
das sieht er selbst ein. Wir nnen den Glauben des Herrn
Vetersen nicht deilen, daß die Amerikaschiffe den Umweg über
den Umschlagshafen Eckernförde machen werden; das geht auch
mis einem Schreiben einer Hamburger Rhedereifirma hervor.
dommt es zum Klappen, so ist also event. niemand da, der hin⸗
en will, und die dafür auigewendeten Mittel sind ins Wasser
geworfen.
Abg. Dr. Leonhart (ortschr. Vpt.): Ob ein Dutzend hol⸗
ländischer Schiffer im Kaiser Wilhelm-Kanal gefahren ist, spielt
feine Rolle. Von der Regierung ist schon erklärt worden, daß
zut Aussfuhrung des Wunsches des Herrn Dr. Hahn ein eigenes
Geseh erforderlich sein würde; auch ein solches Gesetz würden wir
ablehnen. Die Arbeirerverdältnisse beim Kaiser Wil—
helm Kanal habe ich aus eigener Anschauung kennen zu lernen
derfucht, und es sind mir auch keine Potemkinschen Dörier vor⸗
geführt worden, sondern mein Besuch war teilweise ein uner⸗—
darteter. Ich habe mich wundern, můssen üher die geradezu
muüusterhaften Verhältnifse, die dort herrschen; alles,
was biligerweise von den Unternehmern verlangt werden kann,
ist für die Arbeiter auch bewilligt. Die Ausländerfrage ist ja
sehr unangenehm; es wäre sehr erwünscht, wenn nur deutsche
Avbeiter beschafligt würden. Die Zustände in den Baracken waren
atfachlich so mustergultig wie nur möglich.
Abg. Spethmann: Die Eckernfördexr Kanolfrage ist
deshalb ins Stocken geraten, weil es an dem Wohlwollen der
egierung fehlte. Die Million, von der hier die Rede ist, hat
Zerr Petersen keineswegs als eine feststehende Summe hinge⸗
et. Der Stichktanal würde den Weg zur Ostsee um 1315
Ildmelce ab irzen. Der etwaige Ausfall in den, Einnahmen
es Kaiser Wilhelm-Kanals würde durch die größere Fequenz
uͤcht nur eingeholt, sondern übertroffen werden. Der Staats-
ekretär hat sich auf das ungeeignet⸗ Gutachten aus Hamburg
erufen, die anderen Gutachten aus den Hamburger Rbederelen
auten wesentlich günstiger.
Die Resolution Wommeldorff-Spethmann wird abge—
leht, über die Resolution Hahn wird später abgestimmt wer⸗
den, weil diese nicht gedruckt vorliegt.
Zu den Ausgaben, für das Aufsichtsamt für Privatversiche⸗
rung iegt vor die Kessrution des Zentrums: Die Ver
hündeten Regierungen zu ersuchen, einen Gesetzeritwurf vorzu⸗
egen, durch welchen die sogenannte Abonnentenversiche—
üng Gede Art von Verbindung von Zeitungsabonnement und
Versicherung) verboten wird, und die Resolution Basser-
nann, die Verbündeten Regierungen zu ersuchen, eine Denk⸗
chrift darüber vorzulegen, welchen Umsang die Verbindung einer
hersicherung mit der Herausgabe von Zeitungen und Zeitjchriften
ingenommen hat und welche Mißftaͤnde dabei hervorgetreten sind.
diese Gratisversicherung kann unter Umständen ja segensreich
pirken, ihre Basis ist jedoch ungesund. Das Zeitungswesen
dlite mit dem Versicherungswesen nichts zu tun haben. Den
Lerficherten steht kein Rechtsanspruch zu und dem Aufsichtsamt
fehlt der nötige Einfbhiß auf diese Unternehmen. Die von den
Zeitungen vorgeschriebenen Bedingungen sind mehr als zweifel⸗
haft, da eine große, Zahl von Unfällen von der Entschädigung
Asgeschlossen find, sodaß kaum ein Unfall übrig bleibt, für den
Zahlung geleistet wird.
Abg. Dr. Jund —F 35 vermag nicht, die Gratis-Abon
nentenverficherung an sich als groben Unfug anzusehen. Die
Zentrumsrefolution geht uns deshalb zu weit. Wir verlangen
daher in unserer Resolution lediglich zunächst eine Denkschrift
darüber, welchen Umfang die Abonnentenversicherungen angenom⸗
men haben und ob Mißstände dabei hervorgetreten sind. Eir
grundfatzliches Verbot waͤre verfehlt, da in erster Linie Angehörige
hdes Mittelftandes in Betracht kommen. die eine auderweite VPrömie
sich nicht leisten können.
Hinisterialdirektor Caspar: Auf den Beschluß vom vorigen
Jahre hat der Reichskanzler die Meinung der Bundesregierungen
der die Absonnenlenversicherung eingeholt. Es, hat, sich dabei
herausgestellt, daß die vom Abg. Junck geäußerten Gegengründe
weitaus überwiegen, und daß nennenswerte Mißstände
sfich beider Abbnnentenversicherung überhaupt
—8* ergeben daben. Sie hat aber für Kreise der Bevölke⸗
rung rohe Bedeutung, die sonst von der een Wehen Ge⸗
brauch e,g können. Es sind ganz exhebliche eträge den
reisen des Mittelstandes zugeführt, in den Jahren 1908, 1009 und
gid rund 73 Millionen. (GHörtl Höört!) Tie vom Abg. Marcour
hervorgehobenen Mißstande sind nicht drückend und treten bei der
eeene micht schärfer hervor als bei anderen Ver⸗
icherungen auch. Die anscheinend rigorosen Bestimmungen gelten
r die Privatversicherung ebenso wis für die Abonnentenversiche⸗
rung.
Vbg. Schwartz·Lübeck (Soz.); Wir halten diee Art von Ver⸗
icherungen für ungulaͤffig, da die Versicherten nmicht einmal die
nngungen tennen. Vielsach handelt es sich dabei um oifenbarer
Schwindel.
Abg, Dr. Potthofsa(f. Vpt.): Der Standpunkt der Regie⸗
rungen daß auf diesem Gebiete keine grotzen Mißstände vorhanden
ind, ist zu optimistisch. Sie müssen uns deshaib unanfechtbares
Matexial vorlegen— egen den Schwindel sind auch wir mit aller
vntschiedenheit· Die Bekampfung der Auswüchse ist
amentlich mit Hilfe des Betrugsparagraphen und des Rechtsfatzes
von den guten Sitten in qure e Weise möglich. Die aus
sozglen Gründen heraus gese ere Werkspenfions⸗
as sen sind, mit Nebenwirkungen j Art, z. B. Beschräu⸗
ung der Freizügigkeit, verbunden. Auch der Verluͤst der Beiträge
bei borzestigem Nusscheiden ist nicht zu hilligen. Die Werks⸗
pensionetassen haben in ihren Satzungen Bestimmungen, die eine
private Versicherungsgesellschaft nicht haben darf.
Staatssekretär Dr. Delbrück: Auf die Einzelheiten der
ommenden Privatbeamtenverficherung einzugehen,
ftjeht nicht am Platze. Wir werden uns bemühen, ein Bild von
dem Umfang dieser Versicherungen, soweit sie nicht beauffichtigt
iud, zu erlangen. Wir „verden die Bundesregierungen be—
ragen über Umfang und Wirkung dieser Zeitungsabonnenten—
VBersicherungen und dem Reichstag sodann Mitleilung machen.
Nbo. Giesbert (Ztr.); Die Erklärungen der Regierungen
bedeuten eine Desavouierung der bedeutendsten Zeitungen
Deutschlands. Wieviel Millionen sind denn von diesen minder—⸗
vertigen Blättern aus den Taschen der Abonueunten herausge⸗—
wvgen worden? Die Abonenntenversicherung ist ein
Schaädling an dem Baum der deutschen Presse. Das schlechte Bei⸗
piel des Auslandes brauchen wir nicht nachzuahmen. Die kleine
Presse wird einfach ruiniert durch solche Extraverpflichtungen, sie
solite die Ausgaben für diese Konkurrenzmaßnahmen anderweit
verwenden für die geistige Hebung der Presse, deren Bedeutung
von niemand bezweifelt wird. Geifall.)
Staatssekretär Dr. Delbrück: Die Anerkenunng für die
Bedeutung der Presse aeee ich und Ministerial⸗
direktor Caspar durchaus. Andere Zeitungen gewähren Bade—⸗
eiseu. Kongzert- und Theatervillette usw. Das sind schlimmere
Auswüchse als diese. Zur Reklame sollen unsere Darlegungen
nicht mißbraucht werden. Wir köunen es indes nicht verhindern,
wenn wir objektiv unsere Feststelluungen hier vortragen. Ich
hoffe vor allen Dingen, daß Hexr Hiesberts es verhindert, daß
die Esfener Vollszeitling unfere Erklärnugen etwa, wie es früher
geschehen ist, zugunsten ihrer Abonnentenversicherung ansnust.
Große Heiterkeit.)
Abg. Stolle Soz): Bei den Perhisherungen, die dem
Ruffichtzamte unterstehen, werden die Masfen ausgevowert. Das