Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

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Wöchenillch 18mal (Wochentags morgens und 
abends, Sonntags morgens) erscheinend. Bezugs⸗ 
preis lür das Vierteljohr 3,20 Marl einschließlich 
Bringgeld in Lübeck. Ounrch die Rost bezogen ohne⸗ 
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Anzelgenpreis Aussgabe A und B) sũr die 8geyp. 
Zeile 20 Vlg. Aleine Anzeigen (Arbdeitsmarkt ulw.) 
B Pig., tue VBuswartige 20 Pig., j. Geschäitl. Mi- 
ieilungen 1Mt. d. Zeile. Tabellen⸗ m. schwieriger 
Satz den Anfordemmugen enutsprechend böher. o o 
Beilagen: Vaterstädtische Blaäͤtter. — Der Familienfreund. 
Amtsblatt der freien und Hansestadt Lubed 16l1. Jahrgang Nachrichten für das Herzogtum Lauenburg, die 
beiblatt: Gesetze und Verordnungsblatt ttt 8 zürstentümer Katzeburg, Lubed und das angren 
IEEEEEEIEIEEEEEDDDV αν jende medlenburgische und holsteinische Gebiet. 
Drud und Verlag: Gebrüder Borchers G. m. b. BS. in Lübed. — Selbansllelle Adrek bcrucs (Khniafte. *. Fernivrecher 000 u. I. 
Ausgabe . (Grosße Ausgabe) Dienstag, den 21. März 1911. Abend⸗Blatt NUr. 147. 
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lbicher und geschlossener als je. Aber von der Höhe 
seiner Macht ist er inzwischen, nicht ohne eigenes Verschulden, 
herabgeglitten. Heute verfügt er nur noch über 99 Mandate 
im Reichstag. Zwar bleibt er den herrschenden Parteien der 
Realtion immer noch ein erwünschter Bundesgenosse, 
aber nur darum, weil er, wie in den liebziger Jahren, 
die allgeneine Volksstimmung für sich hat, 
nicht wegen seiner realen Macht. Dagegen gebietet das 
infolge des Kulturkampfes mächtige Zentrum mit seinen konser— 
dativen Hilfstruppen heute über die politischen Geschicke unseres 
deutschen Vaterlandes. 
Daß es so kam, das haben nicht nur die Versäumnisse 
»es Liberalismus und die politischen Fehler Bismards in 
»er Kulturkampfzeit verursacht., sondern vor allem auch 
die wirtschaftspolitische Entwickelung Deutschlands. Der 
Uebergang vom Freihandel zum Schutzzoll, das ungeahnt 
Wachstum des Industrialismus, das Anschwellen der Sozial 
emokratie, das Aufkommen des Bundes der Landwirte, 
»ie Auflösung aller politischen Fragen in wirtschaftliche 
Interessenfragen: das alles zusanmen hat den Umschwung 
der politischen Machtverhältnuisse gebracht, den wir heute 
beklagen. Aber auch die Reichsregierung hat ihr gut Teil 
nit Schuld. Sie, die unter Bisnarck die Führung der 
Parteien und der deutschen Geschicke fest in der Hand hielt, 
teht längst nicht mehr auf Bismarckscher Höhe. Ja man 
ann sagen, daß sie nach Bismarcks Ausscheiden fast mit 
eder Legislaturperiode ihren hohen Aufgaben weniger ge— 
recht geworden ist. Von Bismarck bis Bethmann-Hollweg 
sührt ebenso der Weg zu Tale, wie von Simson zum 
Hrasen Schwerin-Löwitz. 
So ist aus jenem ersten hoffnungsvollen deuischen 
keichstag, der vor 450 Sahren unter vem Zubel ves 
deutschen Volkes zusammentraf, der Reichslag von heute ge— 
vorden, den man mit Seuszen bei seiner mühlseligen Arbeit 
zeht. Hoffen wir, daß die nächsteu 40 Jahre wieder 
inen Asschwung in der Geschichte der deutschen Volks— 
bertretung bedeuten. Er kann aber nur kommen, das 
ehrt uns diese Jubiläumsbetrachtung, wenn wieder freiheit— 
icher nationaler Geist die Ueberhand über Interessenpolitik 
uind Gewinnsucht gewinnt. Der Liberalismus in der 
rlanzvéllen Gestalt der siebziger Jahre muß 
vieder lebendig im deutschen Volke werden. 
Dann werden auch wieder die Tage kommen, an denen 
die Wähler mit Stolz und Besfriedigung die Verhand— 
sungen des Deutschen Reichstags verfolgen. 
Liberale hoffnungen. 
Betrachtungen über die Ergehnisse der Zentralvorstandssitzungen 
der nationalliberalen und der fortschrittlichen Partei.) 
Der Verlauf der Beratungen und die Beschlüsse der beiden 
Zentralausschüsse der nationalliberalen und der fortschriitlichen 
Partei von vorgestern berechtigen zu neuen Hoffnungen 
ür einen Aufschwung des deutschen Gesamt— 
iberalismus. Zunächst ist es überaus erfreulich, daß 
m beiden liberalen Parteien einheitliche Stimmung zu ver— 
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3 7 Koffer voll Leinenzeug standen, und die. wenn es not tat, 
Ob fie wohl kommen wird? wohnlich hergerichtet werden konnten. 
4* Gerhard hatte sich längst eines derselben für seinen per— 
Von Renata Vreverus önlichen Gebrauch hergerichtet. Hier hatte er auch als Schüler 
00. Fortsetzung.) ä Machdruck verboten.) eine Bücher aufgestapelt. Es lag gleich an der Ecke; von 
Die Mamsell hielt das Haus in guter Ordnung. Die acht den vorderen Fenstern sah man den Deich und den breiten 
Iroßen Fenster mit den kleinen grünumrahmten Scheiben an Weserstrom dahinter, und ein Seitenfenster, das aus dem 
»er Vorderseite des Bauernhauses waren stets spiegelblank. Strohdache vorsprang, gewährte einen Ausblich auf den Gar— 
Die blütenweißen Gardinen und die reich blühenden Geranien en zur Seite des Hauses mit seinen wenigen Bäunten und 
und Fuchsien vor den Fenstern nickten freundlich und ein— büschen und den steifen, mit Buchsbaum eingesaßten Beeten, 
adend. ruf denen je nach der Jahreszeit Oserblumen, Psfingstrosen, 
Frau Friesing bewohnte die sogenannde beste Wohnstube Fingerhut, Atelei. Stogrosen und. Georginen blühten. Von 
inks von dem zur Seite gelegenen Eingaug zum Wohnhaunse. vort aus sah er auch auf die große dichte Lindenlaube, 
Jhr Nähtisch und kleine von ihr persönlich gebrauchte Geräte nach der er zur Zeit von Karls Ferienbesuch so gespannt 
ind andere Stücke gaben dem sonst etwas kahlen Zimmer, hinausgespäht hatte. J . 
n dem nun auch stalt des prunkenden kleinen Sofateppichs ein Christianens Verlobter hatte eine vorteilhafte Anstellung 
einfacher, fast den ganzen Fußboden bededender heller Woll— als Verwalter auf einem Gute erhalten, das der Domäne, 
eppich lag, ein behagliches, wohnliches Gopräge. Gleich rechts auf der Christiane mit Umsicht und Tüchtigkeit waltete, nicht 
,om Hauseingang war die kleinere, allgemeine Wohnslube, in alzu fern lag. so daß die Verlobten sich ab und zu sehen und 
ver auch die Mahlzeiten abgehaiten wurden. Hier hatte Hin— Prechen konnten. Beide sparten und vranten und behielten ihr 
rich sich mit des verstorbenen Vaters Schreibselretär und rich gestedies Ziel unentwegt im Auge. 
cinen Jagde und Angelgeräten eingerichtet. Zwischen den 5. Kapitel. 
vorn nach dein Garten gehenden Fenstern stand seine Kom— Das Leben in der freien Hansestadt Bremen und 
node, gegenüber das solide, a.te, mit blanken Nägeln be— nuf dem Kontorstuhl war für Eerhard im allgemeinen nicht 
chlagene Roßhaarsosa. Nebenan war Hinrichs Schlafkammer hiel anders ausgefallen, als er es erwartet hatte. Der Name 
nit Kleiderschrank und Geldschrank. Hier hatten früher die )es angesehenen, wohlshabenden Marschbauerngeschlechts und 
ẽltern geschlafen; später hatten sie sich in der ersten der hr Geld hatte bei den umsichtigen Bremern einen guten 
zeiden Kammern neben dem jetzigen Zimmer der Mutter Flang, und wenn ihre Träger in geschäftlicher Hinsicht sonst 
ingerichtet und dort stand guich noch das groke gemeinsame ruch nicht für vollberechtigt galten in den Kreisen der vor— 
himmelbett. Die sogenannte Kelleritube neben der Küche ehmeren Kaufherren, so verschaffte sich doch Gerhards Per—⸗ 
Jatte man der Mamsell überwiesen. Das Gesinde hatte seine önlichkeit, ohne daß er sich dieserhalb im eigentlichen Sinne 
Schlafslätten an der Scheunendiele direlt hinter der breiten emüht hätte, ebenso rasch geseilige Beachtung und Beliebt— 
Slastür, die das Wohnhaus von der dahinter liegenden Scheune zeit, wie seine zuverlässige und tüchtige Arbeit im Geschäfts 
abschloß. Oben auf dem weiten Hausboden waren nach hinten eben ihm die Zufriedenheit des Prinzipals und das Ver— 
zu die Vorrats⸗ und Futterkammern und nach vorn hinaus Tauen des Personals einbrachte. Tabei vernachlässigte er nich 
soch einige größere und kleinere weitz getünchte JZimmer mit die alten Bekannten, wie seinen ehemaligen Schulkamerader 
Kalsendeden, in denen hochaufnetürmte Fremdenbetten und zritze, der ijetnt für ein wohlberufenes Zigarrengeschäft reste 
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Erstes Blatt. hierzud Rlau 
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Umsfang der heuti⸗n * 
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nichtamtlicher Teil. 
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Bierzig Jahre deutscher Reichstag. 
D. Lübeck, 21. März. 
Am 21. März 1871 trat zum ersten Male der deutsche 
Rekchsstag in seinem alten unscheinbaren Heim in der 
Leipzigerstraße in Berlin zusanmen. Unter dem Eindrudk 
des großen Krieges mit Frankreich und der glorreichen 
Siege der deutschen Armeen am 3. März 1871 gewäblt, 
war er von jenem nationalen freiheitlichen Geiste erfüllt, 
der die große Zeit beseelte. Großzügig, wie die Thronrede, 
mit der der Heldenkaiser, umgeben von seinen Paladinen, 
im weißen Saal des Berliner Schlosses den ersten deutschen 
Reichstag eröffnete, waren auch die Pläne und Wünsche 
der Parteivertreter. 
„Wir haben erreicht, was seit der Zeit unserer 
Väter für Deutschland erstrebt wurde, die Einheit und 
deren organische Entfaltung, die Sicherung unserer Grenzen, 
die Unabhängigkeit unserer nationalen Rechtsentwickelung; 
möge die Wiederherstellung des Deutschen Reiches für 
die deutsche Nation auch nach innen das Wahrzeichen 
néeuer Größe sein“. 
Mit diesen fseierlichen Worten der Thronrede im Ohr 
und im Herzen trat am 21. März, nachmittags 8 Uhr, 
der deuische Reichstag zu fseiner ersten Sitzung unter dem 
Alterspräsidium des Abgeordneten v. Frankenberg-Ludwigs— 
dorß zusammen. Wer die Zahl der geistig bedeutenden 
bekannten Abgeordneten überschaute, Rudolf v. Bennigfen, 
Simson, den ersten Präsidenten, Savichny, Windthorst, 
Treitschke, Miquel, Lasker, Planck, v. Hoferbeck, v. Unruh⸗ 
Bomst u. a., der mußte diesem Reichsparlament eine 
olänzende Zukunft prophezeien. 
Unter den Parteien waren damals die liberalen am 
staͤrksten vertreten: 116 Nationalliberale, 30 liberale Reichs— 
parteiler, 44 Fortschrittsparteiler, dazu noch etliche Fraktions— 
lose, also mehr als 190 Liberale. Dieses Uebergewicht des 
Liberalismus im ersten deutschen Reichstage entsprach durchaus 
dem Anteil, den er an dem geschichtlichen Werdeprozeß des 
Deutschen Reiches hatte. Es entsprach aber auch durchaus 
jener gehobenen freiheitlichen Stimmung, die damals das 
deutsche Bürgertum in allen seinen Schichten beherrschte. Dem— 
gegenüber konnten die konservativen Parteien nur 88 und das 
Zentrum mit den Polen zusammen nur 73 Abgeordnete im 
ersten deutschen Reichstag aufweisen. In allen wichtigen 
gesetzgeberischen Fragen lag also das Schwergewicht beim 
VLiberalismus. 
Heute ist der Gesamtliberalismus zwar nicht mehr in drei 
Parteien und zahlreiche „Wildliberale“ geschieden, sondern, wie 
ich gerade Sonntag bei den Beratungen der 
Zentralvorstände der Nationalliberalen und 
Volksparteiler gezeigt hat, äußerlich einbe 
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zeichnen war. Die Pessimisten in beiden Lagern hatten das 
reineswegs für selbstverständlich vorausgesehen. In der national⸗ 
iberalen Partei haben wirtschaftspolitische und parteitaktische 
Fragen in letzter Zeit so stark im Vordergrund gestanden, daß 
tine gewisse Besorgnis nicht unberechtigt schien, ob es ge— 
ingen werde, den notwendigen Ausgleich zu schaffen. Und in 
der fortschrittlichen Volkspartei sind erst seit einem Jahre 
xieder, seit der Fusion vom 6. März 1910, die verschiebenen 
inlsliberalen Richtungen und Strömungen in einem Partei— 
zebilde vereint, so daß die Prophezeiungen der Gegner nicht 
zanz unberechtigt schienen, die eine Trennung der Geister 
orhersagten; aber gerade im fortschrittlichen Zentralausschuß 
var die Einheitlichkeit so stark, daß das Arbeitspensum schon 
riach wenigen Stunden durch einstimmige Beschlüsse erledigt 
var. Wer nun aus praktischer Wahlerfahrung weiß, wieviel 
»on einem einheitlichen und geschlossenen Auftreten der Parteien 
ibhängt, der wird mit Befriedigung die Berichte über beide 
Berliner Sitzungen gelesen haben. 
— Wichtiger noch scheint uns für die geschichtliche Weiter— 
entwickelung des Liberalismus die taktische Annäherung zwi— 
chen den beiden liberalen Parteien in bezug auf die nächsten 
Reichstagswahlen zu sein. Gewiß, es konnte nicht in allen 
eutschen Wahlkreisen einheitliches libsrales Vorgehen erziel 
werden. In manchen ist es sogar nicht einmal erwünscht. 
Aber für die Foße Mehrheit der für beide Parteien 
in Betracht kommenden Kreifse wurde doch ge— 
meinschaftlhiches freundnachbarliches Vorgehen 
beschlossen. Das mag nun für manche bereits pro— 
klamierten Sonderkandidaturen einen schmerzlichen Verzicht zur 
Folge haben. Im ganzen wird es zweifellos die Opfer— 
willigkeit und Kampffreudigkeit der liberalen Wähler stei— 
jern. Die ewigen Bruderkämpfe, die bisher im Liberalismus 
eit seinem Bestehen gewület haben, sollen jetzt so weit prin— 
ipiell ausgeschaltet werden, als die Parteileitungen ihren 
Pillen durchsetzen können. Das ist ein Gewinn für den 
besamtliberalismus, wie er seit Jahren nicht größer ge— 
zucht worden ist. Hoffen wir, daß er schon bei den kommen— 
den Wahlen greifbare Früchte zeiligt. 
Schließlich muß auch noch mit Besriedigung festgestellt 
verden, daß die beiderseitigen Verhandlungen zum 
erstenmal seit langer Zeit ein gegenseitiges Ver— 
tehenwollen der beiden liberalen Bruderpar-— 
eien erkennen ließen. Von da ab bis zu darernder 
Zusammenarbeit in den Parlamenten und in der Agitation 
draußen im Lande ist natürlich noch ein sehr weiter Wea. 
Und gar an eine Fusion der beiden Parteien wird heute noch 
kein Realpolitiker auch nur entfernt deuken. Aber es genügt 
auch für die Gegenwart und die nächste Zukunft durchaus, 
daß die, welche im Wettbewerb der Parteien und unter dem 
Druck der Gegner so stark aufeinander angewiesen sind, 
wie die Nationalliberalen und Fortschrittler, 
nun endlich wenigstens einmal die Streitaxt zwi— 
chen sich begraben. Ist der übermächtige Feind zurückge— 
zrängt und hat der deuische Gesanitliberalisnius jene macht— 
oolle Stellung wiedererlangt, die er vor 40 Jahren bei 
Fröffnung des ersten deutschen Reichstags (21. März 1371) 
Terselbe trug nach wie vor die leuchtendsten, modernsten 
Krawatten, und sein ominöser, ihm einmal bei einer sröhlichen 
zecherei gegebener Name, der Krawattenfritze, gerlet dadurch 
zicht in Vergessenheit. Er selbst nabemm es auch gar nicht übel, 
venn man ihn einmal so anredete; seine derbe gute Lauune 
gekannte sich zu seiner „Schwäche“ und er gab die Negereien 
schlagfertig, wenn auch oft etwas plump, zurück. 
Er hatte Gerhard in seinem aroßen Bekanntenkreise als 
den neuen Arion, den göttlichen Sänger, eingeführt, und 
sich selbsit dabei den Delphin genannt, welcher „der Töne 
Peister“ durch das Meer seiner Wewunderer hindurchsteuerte 
zum sicheren Port der Stammkneipe. Daß seine Krawatten nmun 
alsbald die „Floßsedern“ hießen, machte ihm „diebischen“ Spaß. 
Gerhard ließ sich seine Art in Crinnerung an die gemeinsam 
veriebten Schülerjahre gutmütig gefallen. 
Mit seinem einzigen wirklichen Freunde Karl Rüder unter— 
hzielt Gerhard einen ziemlich lebhatten Briefwechsel, den ein— 
zigen, den er pflegte. Fritze ließ gelegentlich eifersüchtige An— 
wielungen auf ihn fallen und nannte ihn einen DTucmäuser 
und Philister, wenn er auf seinen Turchreisen durch Bremen 
nicht mit einstimmte in den etwas därmenden Ton des Fritze 
schen Kreises, den Gerhard ihm nicht immer ganz ersparer 
konnte. 
Karl pflegte in den Universitätöferien ein paar Tage bei 
Herhard zu verleben. Der hatte in seiner Bremer Wohnung 
tets Platz für einen Gast; und es hatte ihm auch verschiedene 
Male selbst hinübergezogen in die freundliche Residenz am 
Huntestrande und in das Haus der Rätin, wo ein blondes, 
iebliches Kind den Gaft jedesmal mit holdem äErröten will— 
kommen hieß. 
Mit den Seinen unterhielt Gerhard keinen eigentlichen 
Briefwechsel. Er besuchte die Heimat häusig Sonntags, wenn 
er sich im Geschäft frei machen konnte, und diese Besuche 
waren der Mutter große Freude, wenngleich sie weiter nicht 
viele Worte darüber verlor. Die Wirtschaft im Hause schien 
ꝛeinen geordneten, ruhigen Gang zu gehen. Wie es draußer 
wand, entzog sich der Beobachtung,. doch milchte sich Onkel 
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