Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

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Rusgabhe A. 
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Aus den Nachbargebieten. 
Hanjestãdte. 
— Bamburg, 18. März. Zu der Lohnbewegung 
ber Maler. Die Malerinnung hat bekanntlich von den 
Gehilfen die Anerkennung der Innungskrankenkasse verlangt. 
Eine von etwa 2000 Gehilfen besuchte Versammlung am Freitag 
nahm eine Entschliezung an, in der den ledigen Gehilfen von 
Hamburg, Altona, Wandsbek und den Elbdörfern die Ver—⸗ 
pflichtung auferlegt wird, das Tarifgebiet Hamburg sofort 
zu verlassen. 
(GGleine Nachrichten) Zahlreiche Schwinde— 
leien hat seit 1907 eine 46jährige Frauensperson begangen, 
indem sie als angebliche Schwester Helene oder Magdalene für 
das Kinderheim Bethanien Gelder einkassierte. Auf diese Weise 
hat sie an mehreren Tagen Beträge bis zu 20 Mueinge- 
nommen. 1908 wurde ihr ein Sammelbuch für das Heim 
abgenommen, doch wußte sie sich bald ein neues zu ver—⸗ 
schaffen, mit dem sie ihre Sammlungen fortsetzte. Die Schwind⸗ 
lerin ist jetzt verhaftet worden. 
Schles wig⸗ Holstein. 
Altona, 18. März Die Altonger Bäckerinnung 
hat beschlossen, im Jahre 1912 anläßlich ihres Z00j ährigen 
Bestehenus in Verbindung mit dem in Altona abzuhaltenden 
Verbandstage des Bäcker-Anterverbandes Norden 
eine Bäckerei⸗, Konditorei- und Maschinenausstellung in größerem 
Umsange zu veranstalten. Oberpräsident v. Bülow soll gebeten 
werden, das Protektorat über die Ausstellung zu übernehmen. 
—. Das Altonaer Stadtgebiet umfaßt 21804 283 qm, 
davon sind bebaute Fläche (einschließlich Hofräume) 5 309 219 qm 
Straßen, Wege, Eisenbahnen 3067120 qm, Wasserfläche 
1331025 qam. Die Größe der grundsteuerpflichtigen Liegen⸗ 
schaäften beträgt 12070 877 qm, die der ‚steuerfreien Liegen— 
schhaften 26 042 qm. Das Sielnes hat eine Länge von 135 675 m, 
die freie Kaifläche umfaßt 67 235 qm, die bebaute 19 151 qm. 
— Die Vollversammlung der Fandwerkskammer 
beschloß u. a. die Errichtung zweier Gesellenprüfungsausschüsse 
für Eleltrotechniker mit dem Sitze in Altona und Kiel, sowie 
die Errichtung einer Meisterprüfungskommission für Elektro⸗ 
tlechniker mit dem Sitze in Altona. Die Vollversammlung be⸗ 
willigte für 1811/12 u. a. folgende Ausgaben: für Gesellen⸗ 
prüfungen 8000 M. für Meistervrüfungen 8200 M, zur Unter⸗ 
tützung von Meisterkursen und Fachschulen 8000 M, Stipendien 
für den Besuch von Fach⸗ und Kunstschulen 200 M, Beihilfen 
jür Gesellen- und Lehrlingsarbeiten-⸗Ausstellungen 500 M, 
Beihilfen zur Veranstaltung von gewerblichen Ausstellungen im 
Bezirk 500 M, Stipendien zum Besuch von Gewerbe⸗ und 
sonstigen Ausstellungen 400 M, Beihilfen zur Errichtung von 
Lehrlingsheimen 400 M. 
Kiel, 18. Mära Der Bosenrocdk ist duch hier ein— 
gezogen. Mittwoch nachmittag ging eine Dame in dem neuen 
Kleidungsstück durch die Holstenstraße. Dazu bemerkt die Kieler 
Zeitung: Ob die Dame Mitleid oder Neid erregte, haben wir 
nicht feststellen können. Jedenfalls wurde die Dame viel 
angessaunt. — Den Tod im Dienst fand der Torpedo— 
matrose Franz Griesert vom Torpedoboot „S. 1310. Er fiel 
in der Morgendämmerung beim AWlösen der Wache auf dem 
ESchwimmdock 4 der Kaiserl. Werft ins Wasser und ertrank. 
Oldenburg, 18. März. Die zwei Polizeihunde, 
die der Kreistag anzuschaffen beschlossen hat, sollen in Schön⸗ 
walde und Petersdorf a. F. stationiert werden. 
Oldenburg, 18. März. Der Haushaltsooran-— 
schlag für den Kreis Oldenburg für 1011 schließt in Ein— 
nahme und Ausgabe mit 819 179 Meab. Als einmalige Aus—⸗ 
nabe sind 468 000 Meäeingestellt, und zwar zur Auffüllung 
des wirtschaftlichen Fonds 100 000 M. zur Uebernahme der 
Aktien der deutschen Kommunalbank 33 000 M, zum Ausbau 
von Nebenwegen erster Klasse 30 000 M, Far Erbauung einer 
Arbeiteransiedlung 65000 Miund zur Uebernahme von 300 Aktien 
des Neustadt-Lübeckischen Eisenbahn-Unter⸗ 
nehmens 300000 M. 
Idstedt, 18. März. Gin seltener Starkasten be— 
kindet sich im Garten der Waffenkammer, eine große leere 
Bombe, die aus den Kriegsjahren von 1848 -1850 stammt. 
und damals wohl mit Sprengstoff gefüllt war. Sie liegt 
auf der Erde und wird schon seit Jahren im Sommer von 
einem Starenpaar als Wohnung benutzt. Wenn im Frühling 
die Stare ihre alte Behausung aufsuchen, sind auch die 
kleinen Bombenbewohner da, um zuerst ihre Wohnung zu rei⸗ 
nigen. Im vorigen Jahre gab es in der Bombe vier Junge, 
die getreulich von den Alten gesüttert wurden, auch wenn die 
Besucher der Waffentammer in nächster Nähe herumsaßen. 
Die Tierchen werden sehr zutrauiich. 
Neumünster, 18. März. An der Beisetzung des 
rerslorbenen Lederfabrikanten Sager nahmen etwa 2000 Per⸗ 
onen teil. — Für die Errichtung eines Bürger⸗ 
tifts wurden durch freiwillige Gaben nahezu 64 000 Mauf- 
gebracht. 
Schles wig, 18. März. Ein Manstein⸗-Festspiel. 
dessen Verfasser Gymnasiallehrer Emil Terno ist, wird hier 
rufgeführt. Der Ertrag soll den Grundstok fur ein Denkmal 
ũr General v. Manstein bilden. 
Burgei. D., 18. März. Die Kriegasteilnehmer von 
1870/ 71 sollen nach einem Beichluß der Ortsvertretung bei 
inem Einkommen von unter 900 Miäzahrlich von der Gemeinde⸗ 
cbeuer befreit werden. 
Großherzogtümer Wecklenburg. 
Schwerin, 18. März. Die Repräsentierendbe 
Bürgerschaft bewilligte dem geschäftsführenden Ausschuß 
zer Landes⸗Gewerbe-⸗und Industrie-⸗-Ausstellung 
in Darlehen von 100 000 M, 50 000 Muu sofort, 50 000 M 
—W'VOOO2 — 
ausschusses derart gewachsen sind, daß der Ausstellungsausschaß 
zie Forderungen der Bauhandwerker nicht befriedigen kann. 
Rostock, 185. März. Die Kosten für die neuen 
zafen⸗Anlagen sind auf 3210000 W, der jährliche Pacht⸗ 
vert aus den Lagerplätzen und sonstigen Einrichtungen auf 
0500 Mveranschlagt. 
Wismar, 18. März. Von den Schneidergehilfen 
var, wie schon berichtet, der Lohntarif zum 165. März gekündigt 
ind eine Aufbesserung von 15 04 gefordert. Es ist nun eine 
kinigung erzielt worden, daß die Arbeitgeber im allgemeinen 
O ⸗ bewilligen. — Großfeuer. Auf dem Gute Maßlow 
zei Lübow, das dem Baron v. Langermann und Erlenkamp 
jehört, wurden, vermutlich infolge böswilliger Brandstiftung, 
n der Nacht zum Donnerstag das Viehhaus sowie die Scheune 
botal eingeäschert. Hierbei kamen 54 Milchkühe, 2 JZuchtstiere, 
9 Starken, 16 Kälber sowie sämtliches Federvieh in den 
r5lammen um. Ferner ist Korn, Klee und Heu mitverbrannt. 
Malchin, 18. März. Landtag. Es wurde der 
dommittenbericht erstattet betr. des Rentereiaversums. Die 
dandschaft lehnte wiederum jeden Zuschuß ab. Die Ritterschaft 
zewilligte 1200 000 M. Für die Nebenchaussee Fürstenberg⸗ 
Blumenow wurde die Gemeinnützigkeit anerkannt, die definitive 
Bewilligung der Landeshilfe den Ständen Stargardschen Kreises 
aAberlassen. Zu heute wird ein neues Restript betr. Pfarr⸗ 
aufbesserung erwartet. Die kommissarisch-deputatischen Ver⸗ 
handlungen in der Verfassungsfrage werden fortgesezt. — Au s 
dem Amtsgerichtsgefängnis entsprang Donnerstag 
ibend der wegen Diebstahls in Untersuchungshaft befindliche 
l5iährige Hausdiener Honzin aus Linschnik. Die Flucht hat er 
dadurch bewerkstelligt, daß er einen vor dem Fenster befind⸗ 
lichen Eisenstab durch Gegenstemmen seines Körpers entfernt 
und sich am Blitzableiter auf die Erde gelassen hat. 
Güstrow, 18. März. Schwurgericht. (. Tag.) 
Von der Anklage der Brandstiftung wurde der Gastwirt Carl 
hreve zu Malchow freigesprochen. Auch wurde ihm der Ersatz 
der notwendigen Auslagen aus der Staatskasse zugebilligt. 
Schönberg, 18. März. Von dem Komitee für 
die Erbauung einer Chaussee von Kl.Siemz 
dach Carlosw ist aufs neue eine mit zahlreichen Unterschriften 
bedeckte Petition an den am 20. März zusammentretenden 
außerordentlichen Landtag gerichtet. Da die Bewohner der 
Irtschaften Siemz, Lindow, Samkow, Pogez und Carlow be⸗ 
deutende Beiträge gezeichnet haben, so ist für diese Strecke 
lein größerer Zuschuß erforderlich, als für die kürzere Linie 
daddings dorf⸗Carlow, deren Anwohner, wie es heißt, die 
ehlenden Mittel nicht aufgebracht haben. — Zum Brand⸗ 
meister für den 17. Löschbezirk des Fürstentums ist Hauswirt 
Langhans, Thandorf, ernannt. — Die Maul⸗ und 
Klauenseuche ist nach einer amtlichen Bekanntmachung in 
Schlags dorf und damit auch im Fürstentum erloschen. 
Cportnachrichten. 
Der Hamburger Segel⸗Verein wird in diesem Sommeér 
und zwar nach der Kieler Woche einen Ferien⸗Ge⸗ 
scchwader⸗Segelausflug innerhalb der Dänischen Ede der 
Dstsee machen. Es sind Tagestouren von 20—25 Seemeilen 
orgesehen. Für die auf 2 Wochen berechnete Fahrt haben 
J Jachten, die sämtlich dem 8⸗—m⸗Typ angehören, gemeldet. 
Dag Fahrt geht von Hamburg durch den Kaiser-Wishelm⸗ 
Kanal nach Kiel. Von dort über Svendborg nach Fredericid 
und dem Vejlefjord. Die Heimfahrt führt durch den Alsew 
fund wieder Üüber Kiel. 
Luftschiffahrt. 
Doae Fliegerichule ien Kronshagen, die vom Ingenieut 
Steffen, Kiel, errichtet worden ist, konnte, nachdem der 
dehrapparat eingetroffen ist, eröffnet werden. Donnerstag 
sind schon die ersten Fluguübungen aufgenommen. 12 
S5ch ler, zum größten Teil Marineoffiziere, haben 
ich für die Fliegerschuls angemeldet. Die Anlage des 
/0 000 qm großen Platzes steht unter dem Protektorat 
des Schleswig⸗Holsteinischen Fliegerllubs, zu dessen Mit— 
gliedern Prinz Heinrich von Preußen zählt. — Von der 
auf dem Flugplatze errichteten Hallen sind fünf mit Fluo— 
maschtnen belegt. — Das Intereise an diesem Flugplaßs 
ijt in der Marine groß, was schon aus der starken Be— 
teiligung der Seeoffiziere ersichtlich ist. Die Marine— 
verwaltung wird sich von April an gleichfalls mit 
der Eroberung der Luft beschäftigen und die ersten Flug— 
verfuche von Bord eines Kriegsschiffes aus UÜber See 
rusführen. 
Zãder, Sommerfrischen und Reisen. 
173 Nordseebad Wittdün auf Amrum, 10. März. Mil 
bem heutigen Tage ist ein erfreulicher Fortschritt in der 
Entwicklung Witldüns zu verzeichnen. Die Inselbahn, welche 
don Wirtdun nach Norddorf die Insel der Länge nach durch⸗ 
fährt und nicht nur ein wichtiges Beförderungsmittel ist für 
»ie Verbindung zwischen den Inseln Sylt, Amrum und Föhr, 
ondern auch dem Ausflugsverlehr auf der Insel selbst und 
wischen den benachbarten Bädern und den Halligen dient, ist 
nit dem heutigen Tage in die Verwaltung der Hamburg⸗ 
Umerika⸗Linie (Seebäderdienst) übergegangen. Dieser Name 
aAllein gewährt den Eingeweihten schon die weitgehendste Ga⸗ 
antie dafür, daß das Interesse des reisenden Publilkums in ganz 
jervorragendem Maße gewahrt werden wird und wird x daher 
ron allen Besuchern unseres Bades mit ganz besonderer Freude 
begrüßt werden. Ist doch die HSamburg-Amerika⸗Lin'e auch 
als Eigentümerin der Sylter Suüdbahn durch ihre exalte und 
uvorkommende Besörderung der Reisenden und ihrer Effekten 
und die Promptheit in Erreichung der Anschlüsse bekannt. Dieser 
srundzug ihres Betriebes kann nur zum Segen der neuüber⸗ 
rommenen Bahn und somit der ganzen Insel gereichen. 
Vermischtes. 
Eine Ehrentasel für den Prinzregenien ven Vayern am 
Köntgsfee. Die Jagdgesellschaft des Prinzregenten hat an 
der am Südende des Königssees steil einfallenden Kanner 
Wand eine 2,2 m hohe, 1,6 mubreite Bronzetasel mit 
dem Reliefsbild des Regenten in dreifacher Lebensgröße, 
zm hoch über dem Wasserspiegel anbringen lassen. Der 
Regent ist im Lodenrock und mit der Subertusmütze dar⸗ 
gestellt. Die Anbringung der schweren Tafel war äußerst 
chwierig. Sie wurde von einem Floß an Ort und Stelle 
jebracht, das Floß verankert und an einer einsamen starken 
hochstehenden Tanne ein Sängegerüst befestigt, auf dem 
Rnächst die Steinmetzarbeiten an der granitharten Kalkwand 
vorgenommen werden mußten. Die Tafel ist auf der 
Kahnfahrt von Sankt Bartholomä auf dem Obersee gu 
sichtbar. 
Ein franzõofischer Testtaments fäthet⸗Slaudal. Aus Paris 
vrrd geschrieben: In dem Bezirke Saint-Amand haben schon 
eit einiger Zeit Enthüllungen über Schw'ndel ien, die bei 
den letztwilligen Versügungen eines Tierarztes Léon Baudon 
begangen wurden, einen gewaltigen Skandal hervorgerusen. 
herr Baudon hänterliehß ein Vermögen von 400 000 Fr., das 
durch ein erstes Testament seiner Nichte Frau Amichaud, 
einer Pariser Zahnärztin, zugewiesen wurde. Da brach!e aber 
der Generalrat des Bezirks Chateaumeillant, gleicheitig 
Maire von Jeauvrin und Friedensrichter, ein anderes 
Testament vor, durch das er zum Erben eingesetzt worden 
väre und durch das das erste Testament als hindfällig 
rklärt wurde. Der Generalrat, namens Beguin, wurd« 
iber sosfort mit seinen Ansprüchen vom Zivilgericht ab— 
zewiesen. Als die Sache dann bei der Berusung vor den 
Appellshof gelangte, wurde die Testamentsfälschung entdeckt. 
Man eröffnete eine Untersuchung, die zur Verhaftung des 
Notars von Chäteaumeillant Thabaud und seines Schreibers 
Vannier führte. Der Notar hat nunmehr Herrn Begquta 
als seinen Spießgesellen angezeigt, worauf auch dessen Ver 
haftung angeordnet wurde 
Sàò æ 
Komfort. 
Von Dr. Heinrich Pudor. 
Machdruck verboten) 
nge. Nachdem die deutsche Gewerbekunst die Periode des 
Formalismus überwunden hat, ist es an der Zeit, daß wir 
uns über das Wesen dessen, was man Komfort nennt, klar 
werden. Denn so lange, wie uns die Engländer und Ameri— 
kaner im Komfort noch „über“ sind, werden wir auf dem 
Weltmarkt nicht bestehen. Haben doch vielleicht sogar die 
Franzosen noch mehr Sinn für Komfort als die Deutschen, die 
musrieden sind, wenn sie nach getaner Arbeit wieder weiter 
arbeiten können, und deren Stärke nicht der Komfort. sondern 
das Gemüt ist. Und vielleicht hängt es mit Fragen des 
Komforts zusammen, daß 3. B. auf dem ganz neuen Export⸗ 
gebiet des Automobils die französische Ausfuhr im Jahre 
1808 110 Mill. M, die deutsche aber nur 82 Mill. Mebetrug. 
Man versteht unter Komsort den höchsten Grad der Be— 
quemlichkeit. In diesem Sinne sind 3. B. die englischen, 
amerikanischen Klubsessel aus Leder, die sich auch bei uns 
eingeführt haben, komfortabel. 
Der Deutsche liebt von Haus aus nicht das Bequeme, 
sondern geradezu das Unbequeme, er liebt die Ecken und 
Kanten, die harten Lager, er liebt das Derbe und „Vier⸗ 
schrötige“. Er hat offenbar noch zu viel urwüchsige Kraft 
und Gesundheit, um das Wesen des Komforts erfassen zu 
können. Die romanischen Völker, die eine mehrtausendiährige 
Kulturvergangenheit hinter sich haben,. die Enaländer. Ameri—⸗ 
aner und Belgier, die mit viel schnelleren Schritten in d 
Industrie eingetreten sind, die Orientalen, die von Hause aus 
er Verweichlichung zuneigten, sie alle haben mehr Sinn für 
Bequemlichkeit, wenn auch das Behagliche, namentlich soweit 
s das Heim angeht, dem deutschen Wesen durchaus nicht 
remd isti. 
Man köͤnnte also sagen, daß das Komfortable gar kein 
estrebenswertes Ziel bilde, daß es vielmehr mit der Dekadenz 
ind Sittenverweichlichung im Schritt gehe, und daß der Deutsche 
eine Ursache habe, den Spuren der GEngländer hierin zu folgen 
und sich zum Verständnis des Komsorts zu erziehen. 
Auf der anderen Seite mussen wir uns aber vergegen⸗ 
värtigen, daß das Praktische und Gebrauchsmähßige, dessen 
zöchste Ausbildung wiederum das ist, was wir als komfor 
abel bezeichnen, unter allen Umständen erstrebenswert bleibt 
ind daß der Deutsche, als der Unpraltische, alle Ursache hat, 
nuf allen gewerblichen Gebieten mit gewohnter Gräundlichkeit 
anach zu streben, einen Gegenstand so praktisch als nur 
nöglich zu machen, daß man ihn eben komfortabel nennen 
ann. Wir müssen bei jedem einzelnen Gegenstand fragen, wie 
nit seiner Hilfe der Bequemlichkeit, dem praktischen Gebrauchs⸗ 
wedd am besten gedient werden kann. Wir mulsen sehr ge— 
vissenhaft studieren, wie ein Henkel beschaffen sein muß, um 
einen Zwech zu erfüllen, wie der Henkel bei der Tasse, beim 
drug, bei der Zuglampe, beim Korb beschaffen sein muß 
lehnliches gilt von den Gießzmuündungen von Gefähen, den 
ßriffen von Messern, den Lehnen und FIßen der Möobel, den 
Kädern und Schrauben von Maschinen. Aus der Herausarbei⸗ 
cung der geeignetsten Zwech- und Gebrauchsform ergibt sich du 
künstlerische Form danz von selbst, während das rein Dekora 
tive, das wir jetzt, zum mindesten auf allen künstlerischä 
Hebieten, voranstellen, zurückzustehen hat. Auch die fkon 
Aruktive Form schließt die Zwedform in sich, denn der Zwei 
wind auf die kürzeste und knappeste Art nur dann erfüllt. 
xenmn das Konstruktive berüchsichtigt ist, sei es nun bei einen 
Stuhl oder bei einem Gebäude. Auch die Architektur hat sid 
diesen Forderungen weit mehr als bisher anzupassen, und auch 
—XL 
es nicht sein. 
Freilich muß noch etwas anderes hinzutreten, und das 
ift ein gewisser Reichtum des Materials. Statt knapp und 
»ürftig muß das Material nicht nur an sich schön sein, ob es 
dun einem Ledersessel oder einem Pelzmantel, einem Automobh 
oder einer Geldbörse dienen soll. 
Gerade hierin sind uns die so schnell reich gewordenen 
Engländer noch voraus und erst in den allerletzten Jahren 
ind wir in ihre Bahnen eingetreten. Ich erinnere an die 
dederwarenindustrie, an Reisekoffer, Necessaires, dann an das 
vebiet der Sportartikel und Sportkleidung vom Radfahrstrumpf 
zis zum Luftschifferkostürüm, vom Lawn⸗Temisschläger bis zum 
vig oder Auto. Es soll zugestanden werden, daß wir auf 
»em besten Wege sind, den Vorsprung der Engländer einzu— 
olen, und wenn wir dies erreicht, wenn wir die Engländer 
vomöglich übertrumpft haben, dann werden wir sehen, wie 
zerade am Export der „konrfortablen“ Artikel am meisten zr 
verdienen ist.
	        
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