Deutscher Reichstag.
148. Sitzung.
Berlin, den 15. März.
Am Bundesratstische: Delbrück. Die Spezialberatung des
Etats für das Reichsamt des Innern
wird fortgesetzt und die allgemeine Besprechung beim ersten Titel
der fortdanernden Ausgaben Staatssekretär“ wieder aufge—⸗
nommen.
Abg. Graf v. C — 1 (dk.): Auch ich als Land⸗
wirt berüße die agrarfreundliche Aeußerung des Abg. Dr. Strese-
nann mit großer Freude. Aber ist in diese Aeußerung auch der
Hansa-Bund kingeschlossen? Der Kollege Dr. Pieper hat
seiner Meinung dahin Ausdruck gegeben, daß der Hansa⸗Bund
Zwietrucht zwischen Landwirtschaft und Industrie säte, und eine
Bemerkung, die ich in einem Flugblatt des Bundes finde, lautet
misdrücklich dahin, daß die „Entrechtung der Industrie“ beseitigt
werden müsse. Die Sozialpolitik hat in diesen Tagen ihr 2jäh⸗
riges Jubiläum gefeiert; sie ist aber noch nicht e Wie
vir bisͤher an der sozialen Gesetzgebung gern mitgearbeitet haben,
verden wir auch an den noch reichlich vorliegenden weiteren Ar⸗
eiten auf diesem Gebiete uns beteiligen. Immerhin haben die
Schultern, welche die Lasten der Sozsalreform auf sih
n nehmen hatten, schon reichlich daran zu tragen und es ist doch
raglich, ob sie eine weitere Belastung werden ertragen können.
Namentlich der gewerbliche Mittelstand wird von dieser
vast bedrückt, und von dem wirtschaftlichen Aufschwung der letzten
Zeit hat gerade er so gut wie gar nichts gehabt, im Gegenteil
nuß er auch noch aufbringen, was den Beamten an Besoldungs-
erbesserung zu teil geworden ist. Ihm gebührt also besondere
Berücksichtiung. Daher muß man ihm jede unberechtigte und
zum Teil sogar unlautere Konkurrenz fernhalten. In dieser Rich—
ung bewegt sich unsere Resolution: „Die Verbündeten Re—
fierungen zu ersuchen, dem Reichstag einen Gesetzentwurf vorzu⸗
egen, durch welchen 8S6e der Reichsgewerbeordnung (Wan⸗
derläger) durch eine Bestimmung ergänzt wird, wonach für den
Betrieb eines Wanderlagers eine besondere Erlaubnis erforderlich
st, die von dem Nachweis eines vorhandenen Bedürfnisses abhän⸗
gig machen ist.“ Das Publikum, zumal die Hausfrauen, wer⸗
ben dadurch zu einer Menge unnützer Einkäufe verleitet, die ihre
wirtschaftliche Kraft en und es erhält Ramschware die
aatürlich billiger ist als die reelle, während die Ersteher Aur zu
eicht geneigt sind, den Preisunterschied dem reellen ansässigen
taufmann oder Gewerbetreibenden zur Last zu legen. Daher
nuß hier die Bedürfnisfrage geprüft werden. In den Jahren von
9003 bis 1908 hat sich die Zahl der Wanderlagerbetriebe um nicht
veniger als 60 bis do pgt. vermehrt. Gewiß sind die Rerhältnisse
n den einzelnen Distrikten verschiedenz in Süddeutschland soll ja
in Bedürfnis für die Wanderläger beftehen Das onnte den
Finzelstaaten überlassen werden; gber im preußischen Osten ist eine
Einschränkung dieser drückenden Konkurrenz dringend notwendig.
Auch die Erlangung des Wandergewerbescheins muß erschwert
werden. Eine ünberechtigte Schädigung wird dem gewerblichen
Mittelstaude in der Provinz auch durch den direkten Handel der
Brossisten in —den, Handelszentren nach der Provinz
ugefügt, Der direkte Handel, wie er durch Beamte und
Beamtenvereine getrieben wird, gehört ebenfalls hierher.
Das Recht, sich zusammenzutun, um en gros sich kommen zu lassen,
darf den Beamten nicht verkürzt werden. Die Beamten lassen
iber nur einen Teil für sich kommen und verkaufen den Rest an
indere. Das ist unzuläsfig und es widerspricht der Würde und
»em Ausehen des deutschen Beamtenstandes, einen solchen Handel
u treiben. Solche Auswiichse müssen im Interesse der Beatuten
elbst bekämpft werden. Eine gesetzliche Vorschrift ist nicht pötig;
ie Behörden können von selbst Wandel schaffen. Beim Suss⸗
missionswesen empfiehlt es sich, die preußischen Vorschriften
nuf das ganze Reich zu übertragen. Durch lächerliche Unter⸗
ietungen versucht man den Auftrag au sich zu bringen. In
Peußen besteht nun die Uebung, daß sich die Behörden von Ha'i⸗
velskammern und anderen gutäachtend beraten lassen. Am bejiten
st eine Vergebung in kleinen Losen. Die Warenhäuser
verden in Preußen seit 1900 bestenert bis zu 3p8t. Diese Steuer
önnte ruhlg auf —6Bt. erhöht werden, unbeschadet der
Rentabilität. Die Konsumbereine werden so gut wie gar nicht
besteuert. In Preußen werden sie nur zu einem geringen Satz
besteuert, deun die Steuer trifft nur diesjenigen Vereinc die ein
kinkommen haben, und das find die allerwenigsten. Die Kon⸗
umvereine haben gewiß Gutes geleistet, aber sie me hen dem
leinen Gewerbe bei ihrer kolossalen Vermehrung namentlich in
leinen Drien eine ganz außerordentliche Konkurrenz. Es wäre
sür billig, die Konfumvereine zur Kommunalsteuer heranzu—
jehen, nicht nur die Arbeiterkonsumvereine, sondern auch die
Reamnlenkonsfumdereine, auch die mögen ruhig die Steuer zahlen
m Interesse der sozialen Gerechtigkeit. Ein eigenes wichtiges
dapltel ist die Ueberhandnahme der Schmutzlüteratux und
der Schmutzhildwerke, die obsturen Postkarten usw. Diefe Dinge
ind eine nationale Gefahr, denn sie vergiften unsere Jugend. Ich
begrüße es, daß 16 Staaten Zentralstellen eingerichtet haben mit
der Rifgabe, alle zur Unterdrückung der Schmutzliteratur ge⸗—
sammelten Berichte sicy gegenseitig mitzuteilen. Deutschland
marfchiert leider in dieser Industrie mit an der Spitze. Wie sich
diefe Dinge verbreiten, beweist der Umstand, daß 52 Verlagus⸗
handlumgen sich damit beschäftigen mit 33000 Kolporteuren. Unsere
rafgeseblichen Vorschriften, scharf und rücksichtslos angewendet,
eichen zur Unterdrückung der Schmutzliteratur aus. Aber auch die
Hemerbeordnung kann zu diesen Zwecke noch weiter ausgebaut werden.
das RAutomobilgesetz und seine Ausführungsbestimmun⸗
Jen haben fehr gut gewirkt. Die Statistik der Uunfälle zeigt einen
cht erfreulichen Ruͤckschritt. Die Chausseen dürfen durch Quali⸗
als⸗ vnd Echnelligkeitsprüfungen von Antomobilen nicht rui⸗
siert werden; in dieser Beziehung bleibt noch manches zu wün⸗
chen. In einer Form muß die Zwangsversicherung für die
adenerfatzpflicht zustande gebracht werden, erst dann wird die
hefehßgebung ihre Äufgabe auf, diesem Gebiet erfülen können.
Wie weit sind die bezüglichen Vorarbeiten gediehen?
Slaatsfekretär des Reichsamts des Innern Dr. Delbrüd:
Der Vorredner ist noch einmal eingegangen auf die Notwendig⸗
rit einer Abänderung der Bestimmungen über den Hausier⸗
handel. Ih beziehe mich auf das, was ich hierzu bereits ge⸗
agt habe. Was die Beschwerden des Kleingewerbes über den
dandel der Beamten, anbetrifft, so stimme ich mit dem
Lorredner darin überein, daß man den Beamten nicht wohl ver⸗
nieten kaun, sich die-Vorteile des Massenkonsums zunutze zu
nachen, daß es aber nicht zulässig ist, wenn Beamte einen De⸗
ailhandel womöglich in Dienfträumen betreiben. Ich habe be—
reits für mein Ressort Anordnungen ergehen lassen, damit daranuf
zeachlet wird, daß derartiges nicht vorkommt, und ich habe mich
zuch mit den übrigen Ressorts in Verbindung gesetzt (Beifall).
das ist nach meiner Ansicht hinreichend. Ich glaubenicht,
daß wir éein Gesetz brauchen. Was die Mißstände be—
trifft, die dem Kleingewerbe aus dem Bestehen der Waren-
Nãnser erwachsen, so hat der Vorredner anerkaunt, daß durch
zie Reichsgefetzgebuing nicht eingegriffen werden kann. Es han—⸗
delt sich um Steuern, die bisher den Landesregierungen vorbe⸗
halten waren. Ich kann mir, daher ersparen, weiter auf diese
Frage einzugehen. Wir werden es den Bundesstaaten über—
assen müsfen, wie weit sie den Anregungen auf schärfere Be⸗
tenerung der Waxenhäuser nachkommen wollen. Mit der Frage
der Schund-und Schmutzliteratur hat sich der Reichs-
sag schon im vorigen Jahre beschäftigt. Es war eine Resolution
eingebracht, die den Verbündeten Regierungen erneut empfahl,
hre Aufmerksamkeit auf diese, wie ich anerkenne, schweren Miß—
tände zu lenken. Bevor die Resolntion beschlossen war, waren
m Reichsiustizamt bereits kommissarische Beratungen eingeleitet,
um festzustellen, inwieweit die bestehende Gesesgebung zur Be⸗
sämpfung dieser Mißstände ausreicht. Das Ergebnis dieser Ver—
handlungen ist gewesen, daß, soweit die umsittliche Literatur mit
Alen ihren, Begleiterscheinungen in, Betracht kommt, die be⸗
tehende Gesetzgebung genügt, wenn sie mit der nötigen Energie
ind Schärfe zur Anwendung kommt. Dagegen bestehen, wie ich
chon im vergangenen Jahre ausführte, Schwierigkeiten hinsicht⸗
ich der Ueberwachung. Ein Teil der Kulturstagten der
Welt hat sich zu einer Vereinigung zusammengeschlossen, der nun⸗
nehr auch die Vereinigten Staaten beigetreten sind. Wir wer⸗
den gemeinschaftlich versuchen, dem Uebel beizukommen, und ich
joffe, daß wir auf diesem Wege Fortschritie machen. Ein
esctzliches Eingreifen ist sehr schwer, weil der Be⸗
vite de⸗ ESchundliteratur schwer testzustellen ist.
—
Der Unterschied zwischen Schundliteratur und anderer Literatur
vird kaum feftzufiellen sein. Ich, habe in der Ausstellung hier im
eichsstaasnebande mit einem Sachverständigen herauszufinden ge⸗
scht, was Schundliteratur war und was nicht. Der Sachver⸗
n dige erklaͤrie mir, er sei sich über manche Literaturerzeugnisse
ijber zweifelhaft. Ich habe mich um Vorschläge an die Bundes⸗
aaten gewandt. Sie haben mir erklärt, daß an sich, wenn man
er gesehgeberischen Schwierigkeiten Herr werden könute, ein Ein⸗
hreiten wünschenswert wäre, und man hat speziell darauf hinge—
blefen, daß man vielleicht Erfolge erreiche, wenn man die Ge—
derbeordnung dahin abaudere, daß auch die Kolportange der—
Ager Erzeuanisse innerhalb des Wohnortes verboten wird, daß
ie Beschlagnahme zugelafssen wird und die Strafbestimmungen
erschärft werden. Dann ist der Vorredner auf die ANuto?
nobe zu sprechen gekommen und hat die Aufmerksamkeit auf
ie Weitfahrten gelenltt. Was lestere betrifft, so ist im 8 24 der
uen Bundesralsverordnungen über den Verkehr mit Krast-
rzeugen beftimmt, daß Wettfahrten auf öffentlichen Wegen und
Zlaben verbolen find. Die Zuverlässigkeitssahrten zu Prüfungs—
eden bedürsen der Zuftimmung der Landeszentralbehörden, die,
denn eine Geschwindigkeitsprüfung stattfindet. die Bedingungen
zustellen haben. Damit ist die Möglichkeit gegeben, Mißstäuden
ntgegenzuwirken. Im übrigen wird internationaler Wegekon⸗
reß im nächsten Jahre zusammentreten und wir werden eventuell
akiner iniernationalen Regelung aelangen. Was die Ver⸗
icherung gegen Automobilschaͤden betrisft, so ist beim letzten
utomobilneseß regierunasfeitig die Eiubingung einer Vorlage
Liusficht gefteut, welche die Haftpflicht für die Automobilunfälle
egeln soll. Damals war man sich über die Bedürfnisfrage nicht
ar.“ Zum Zwege der notwendigen Ermittelungen haben wir
ßorsorge getroffen, daß in der Unfallstatistik bei einem ent—
hadigungspflichtigen ünfall auch gleichzeitia die Höhe des
chadens sestgefiellt wird, und wer den Schaden au bezahlen hat.
ch hoife, wir werden so ein Urteil gewinnen. Ich werde bem
zaufse von dem Ergebnis Mitteilung machen und ihm eventuell
ne Vorlage zugehen lassen. Von Interesse ist, daß nach der Un—
auistatistik der entstaudene Schade in den weitaus meisten Faãlien
em Rutomobilhalter felbst zugefüat ist. Geifall.) J
NAbg. Giesberts (Zir): die Konsumvereine dürfen
licht in einen Topf geworsen werden mit den großkapitalistischen
Varenhaͤufern. LAn dem AInstandekommen der Reichsversiche⸗
ungs-Ordnung und der anderen sozialpolitischen Gesetze, von
enen der Tidatssekretär sprach, werden wir, nach besten Kräften
iarbeilen Zu bedauern waäre es, wenn das Arbeitskammer⸗
efetz an der Zuziehnng der Arbeitersekretäre scheitern sollte.
ielleicht geüngat es doch noch, den Widerstand der Industrie zu
berwinden. Die von uns gewünschte Zentralstelle zur Förderung
zes Tarifwesens soll Vorsorge treffen, daß Schwierigkeiten mog⸗
ichst im Keime erstickt werden. Ueber das Privatbeamtenrecht
llen wir bestimmtere Erklärung von, dem Staatssekretär ge⸗
hünscht. Die Regelung des Privatbeamtenrechts
ird Line der ersten Auffaben bei Aenderung der Gewerbe—
dnung sein müfsen. Die Bundesratsverordnungen sollten im
gemeinen beweglicher sein, namentlich die Schutzbestimmungen
bilten wo mönlich alle 10 Jahre erneuert werden. Ich denke hier
or allem an die Großeiseninduftrie Wir dürfen an den Feuer—
rveilern nicht vorübergehen, In Bezug auf die Privatbeamten.
ersicherung möngte ich wünschen, daß bei dieser gesetzlichen Rege.
ug“ auch die Arbeiterpensionskassen mitgeregelt werden
ein Staa:sselretär möchte ich dann empf hlen, die Bestrebungen
er Bauvereine auf Schafsung billiger Arbeiterwohnungen durch
Awendung von Keichsversicherungsgeldern gegen mäßige Hinsen
scieichtern; es bestehen auf, diesem Gebiete berechtigte Klagen.
ie Sozialdemotraten sollen ruhig Kritik üben; sie haben
a8 Feecht dazu,; Kritik muß sein, sie ist der Hebel des Fort⸗
Hritis. Aber eine Kritik, die nur das Schlechte sieht und hervor;
ebt, muß schließlich das Gegenteil erwecken, muß Mutlosigkeit auf
her ganzen, Lunie erzeugen. Die sozialpolitische Gesetzgebungs⸗
aschine arbeilet ja mit Hechdruck. Beim Arbeitskammer-
Jeseß hat sich das Zentrum bis auf einige Wenige für die Ein⸗
eglehung der Staatsarbeiter ausgesprochen. Kommt das Gesetz
icht zuflande, so dehen wir an die einzelstaatlichen Verwaltungen
mit der Fordernng, die siskalischen Arbeiterausschüsse ordentlich
uszubauen. Ddie Sozialdemokraten sollten die Nationalliberalen
veranlassen, darauf hinzuwirken, daß der Arbeitersekretär⸗Para⸗
raph im Ärbeitskammergesetz bleibt, und ihnen, wenn sie es nicht
un, die Entaiehung ihrer, Unterstützung bei den näüchsten Wahlen
drohen, dann werden wir das Geseß in dieser Form bekommen.
Lebhafte HZustimmung und große Heiterkeit im Zentrum.) Nach.
em wir veim Warineetat für die sozialdemokratische Resolution
zetreffend die Tarisverträge usw., die uͤrsprünglich eine Zentrums
efolution war, geftimmt hatten, erfahren wir, aus den Blättern
er uüßersten Linken, daß das Zentrum damit bis auf die Knochen
lamiert jeii Darum haben wir sie beim Militäretat auf dieser
esplution sitzen jaisen, und auch die Rede des Aba. Hue hat ihr
dirfung auf uns bei diefer veränderten Stellungnahme nicht ver⸗
chi. Was von der Resolution annehmbar war. dem ist durck
ns bei den andern Etats auch zur Annahme verholfen worden
hir sollen auch beteiligt sein daran, daß den Gewerkschaften
chwierigkeiten gemacht werden. Ich weiß nichts davon; wenn die
stechte geaen die Gewerkschaften redet, so schadet das jhrer Ent⸗
vicklung uichts. Aber, die arößten Geaner der Entwicklung des
svewertkichaftswesens sitzen in dem Lager der Sozialdemokraten
elbft sSehr ant! im Zentrum)]; der alte Gegensatz zwischen der
evolutionaren Klassenkampfidee und der praktischen Ge—
ertschafrsarbeit bricht immer wieder gelegentlich hervor.
dech 1906 trat eine Konferenz zusammen, die Iront gegen die
zegnerfchaft in den eigenen Reihen der Sozialdemokratie, gegen
e“ spaialdemotratische Varteipresse machen mußte, wo Bömelburg,
zer lich in der AÄrbeit für die Besferung des Loses der Maurer
fgerreben hat und jetzi schwerkrank liegt, sich gegen die häßlich-
len AÄngriffe dieser Presse verteidigen mußte; Legien hat sich
hnliche Gemeinheiten von seinen eigenen Parteigenossen gefallen
aiffen müffen. (Kärm und andauernde Zuruse von den Soz., stür⸗
ilsche Rufe: Ruhe! rechts.) Es ist uns auch vorgeworfen worden,
as Zenirum erstrebe Ausnahmegesetze. Das sagt wman,
achdem wir das Ausnahmegesetz, die ZJuchthausvorlage, die Aus⸗
ahmebestimmungen beim Vereinsgeseßz bekämpft und abgelehnt
aben sAnbdauernde Zurnse ven links; Vizepräsident Sp.a hen bittet
as Haus und den Redner. die Zwiegespräche zu unterlassen. Heiter-
i.Wir werden jedes Ausnahmegeseß abweisen.
Jas fich jetzt für die nicht sozialdemokraätische Arbeiterschaft vor⸗
creitet. ist viel schlimmer als sozialdemokratischer Terrorismus,
tdie BGefahr der Arbeltsmonopolisierung (Gört,
örti bd. Soz), des Ausschlufses von der Arbeit auf dem Wege
er Tarifvertraͤge. Ich verweise nur auf die Vorgänge im Buch⸗
ruckerverband und im chemigraphischen Gewerbe. Die sozial⸗
eimnokratische Meiallarbeiter⸗Zeitung hat geschrieben, die Frage
eg Ausschlisses müfse von Fall zu Fall entschieden werden, Was
eistt das Erft diot, dann Brot. und ohne Rot kein Brot; den
iicht sozialdemokratischen Arbeitern wird der Herd umgedreht.
Lie verwerfen jeden Terrorismus, aber vor allem den Terroris-
us der Maffen,. Die Vergntwortung für die Verhetzung der
ristlichen Arbeiter trägt Ihre & den Soz.) Presse und die
aitatoren. Die Freiheit der Arbeiter ist vom Zentrum, gewiß
icht bedroht; das soslien die Sozialdemokraten in einer Selbst—⸗
rüfung vor den Wahlen sich klar machen. Den deutschen Ar—⸗
eitern droht hier keine Gefahr durch ein Ausnahmegesetz, sondern
urch den sozialdemokratischen Terrorismus. Jede Ausnahme—
esetzgebung verwerfen wir, aber wir verlangen, daß Gerechtigkeit
md Arbeitefresheit aufrecht erbalten bleihen. Lebh. Reifall im
entrum.)
Abg. Zachse (Soz.): Früher, noch bei den letzten Wahlen,
at es beim Zentruüm anders geheißen als jetzt. Mit der
ʒozialpolitik sieht es daher auch kläglich genug, gus. Wir haben
nit dem Nationalliberalismus keinen Block geschlossen und auch
sicht mit den Konservativen wie das Zentrum. Dieses richtet
ch nur nach der Regierung. Die Arbeiterschaft mußte es ver⸗
immen, wenn das Hentrum bei den Etats des Heeres und der
Narine einmal für und einmal gegen ein und dieselbe Resolution
immte. Nachher sollen wir nach echt München-Gladbacher Art
mmer die Schuldigen sein. Außerhalb, der Betriebe soll
ach unserer Auffassung kein Arbeitgeber einem Arbeiter ivgend⸗
velche Vorschriften machen dürfen. Das Zentrum verlangat da⸗
egen, das Einschreiten gegen die sozialdemokratischeagitatorische
ätigkeit der Arbeiter innerhalb und außtzerhalb der Betriebe. Sie
um deunn müssen sich dem Grundsatz fügen: Wer Kuecht ist,
oll Knecht bleiben. Solange es sich um Tarifverhandlungen
andelte konnten wie mit den christlichen Gewerkschaften zu⸗
ammengeyen, Reibungen entstanden erst, als sie mit hret
doppelzüngihkeit uns und den Arbeitgebern gegenüber begannen
irhr. v. Gamp, der leider wieder nicht hier ist (Heiterk.), meinte,
en Arbeitern gehe es jetzt besser; da hat er nicht au die Hunger⸗
öhne der Textilarbeiter und an den Lohnrückgang für die Berg—
rbeiter gedacht. Die Hebung des Axrbeiterstandes ist
n erster Linie der Arbeiterbewegung zu danken (Lachen rechts),
as beweisen z. B. die Geierkschaftsbibltiotheken. Niemals ist
in Arbeiter von uns in Schutz genommen worden, wenn
er sich eine Verfehlung hat, zu schulden kommen lassen.
Fon Seiten der Unternehmer würde vielfach Texxorismus getrie—
en, in den Elberfelder Farbfabriken werden z. B. weder organi—
ierte Arbeiter beschäftigt, noch dürfen sie freien Hilfskassen ange—
hören. Von allen Seiten wird über den Terrorismus geklagt, und
Jabei wird er stets gegenseitig ausgeübt; Zentrum und Nationallibe⸗
rale, Freisinnige und Bund der Landwirte klagen sich gegenseitig
ein. Wir müssen den Arbeitern in dieser Hinsicht volle Freiheil
derschaffen. Abg. Rieseberg ist hier für eine Reichsumsatzsteuer für
donsumbereine und Warenhäuser eingetreten, bei Handwerkertagun—
zen verlangt er Förderung des Genossenschaftswesens. Somit ver—
aungt er wiederum, Ausnahmegesetze gegen die Arbeiter, die keinen
zorkteil aus dem Genossenschaftswesen ziehen sollen. Mit der Ein—
hränkung des Haussierhandels wird den Armen das Brot
enommen. Weshalb hat X Rieseberg nicht gegen die Einfuhr—
heine Stellung genommen? Die Bäcker klagen doch auch hierüber.
da wäre —— für den Schutz des Handwerls etwas zu machen.
Die Ausfuhr deutschen Getreides wächst von Jahr zu —5— deshalb
nuß der Identitäisnachweis gefordert werden, Zur För czung des
zergarbeiterschützes muß eine gesetzliche Maximalarbeits-
eit eingeführt werden, vielfach haben wir noch 10- bis 1estündige
Schicht. Die Unfallziffer würde dadurch herabgemindert werden.
Vir müssen unabhängige, vom Staat seene Grubenkontrol⸗
eure als Sicherheitsmänner haben. Jetzt sind die Sicherheitsmän—
ier von den Grubenbaronen abhängig und werden bei ped Gelegen⸗
eit gemaßregelt, und zwar nicht nur die sozialdemokratischen, son—
ern auch, die Dn een Sicherheitsmänner. Wir, verlangen gach
oie por ein Reichberggesetz. Nach ihren Neberschüssen kann
ie Kohlenindustrie sehr wohl die sozialen Lasten tragen. Die Regie—
rung soll nicht bloß den Wünschen der Rechten, sondern auch der
unsrigen Gehör schenken. Wir vertreten durchaus keine unerfüll⸗
baden Forderungen. Wie alles andere muß auch das Berggesetz ein
I geregelt werden im Interesse des Gemeinwohles. Bravo!
.d. Sozdem.)
Abg. Schwabach (nh): Die Handhabung des 8 12 be
eresns- und Versammlungsrechts durch die unteren
dolizeibehörden ist das einzige Thema, das ich behandeln möchte.
LBir werden dem Antrage Müller-Meiningen über diese Frage zu—⸗
immen, den sozialdemokratischen Antrag aber ablehnen. 8 12 des
se anagesenee stellt das Prinzip auf, daß die Verhand'ungen
in deutscher Spraͤche zu führen sind. Ausnahmen sind der Landes—
gesetzgebung überlassen. Preußen hat nun von diesem Vorbeualt
hisher überhaupt keinen Gebrauch gemacht. Der frühere Minister
„Moltke erklärte, er könne sich auf, eine gesetzliche Regelung nicht
inlafsen. da die Sache bereits grundfätzlich geregelt sei. Noch be—
enklicher ist die Erklärung, die sein Kommissar abgegeben hat, daß
zie Regelung auf dem Verwaltungswege richtiger sei als die auf ge—
eßlichem Wege. Durch diese Erklärung klingt sehr deutlich Lin
Nißtrauen hindurch gegen diejenige Bevölkerung, die durch ihr
Zaterlandsliebe und Königstreue hierzu keine Veranlassung gegeben
at. Nach der Fassung des 8 182 ist es nicht gerechtfertigt wenn
in Siaat wie Preußen von einer Gesetzgebung absehen will, son⸗
ern auf dem Verwaltungswege die Sache regeln will. Es wäre
voch diel einfacher gewesen, die ganze Sache der Landeszentral⸗
ehörde zu überlassen; dafür wäre aber eine Blockmehrheit nicht ꝓp
saben gewesen. Der damalige Staatssekretär v. Bethmann Holl—
beg hatte erklaͤrt, daß das fremde Idiom Überall da geschützt
verden solle, wo eine Abkehr vom deutschen Vaterlande nicht zu
— DV
enug gefagt worden. Sollten die Littauer dieses Schutzes beraubt
ein, so würden sie schlechter stehen als vor Erlaß des Vereins-
esetzes. Die Masuren sind geschützter, weil ste mit den Polen zu—
ammen über 60 pZt. der Bevölkerung bilden; die Littauer sind trotz
hres lohalen Verhaltens, weil sie nicht 60 pZt. bilden, der Wisskür
er Verwaltung ausgesetzt. 5 12des Vexreinsgesetzes enthält in
einem vierten Absatz nur eine Uebergangsbestimmung in dem
Sinne, daß bis zur landesgesetzlichen Regelung die Landeszentral⸗
ehörde denjenigen Zustand herbeiführen folle, der später durch die
defehgebung herbeigeführt werden soll. Der Staatssekretär sollte
gie vreußischen Bebörden hiervon überzeugen. (Beifall.)
Abg. Gothein se 83 Graf Kanitz hat die Erklärung des Abg.
Ztrefemann vbegrüßt, baß die nationalliberale Partei auf dem
Zoden des Zolltarifes stehe. Es hat eine Zeit gegeben, wo auch
ditglieder der nationalliberalen Fraktion den Zolltarif für ein—
* — erklaͤrt haben. Allmählich hat man sich an das
Scheußliche gewöhnt, ob es aber besonders zweckmäßig ist, immer
vieder zu betonen, daß man an dem Zolltarif festhalte, ist mir
weifelhaft. Man follle doch an die bevorstehende Revision der
ʒandelsbertfräge denken. Gegenüber dem Abg. Stresemann stelle
ch fest, daß weite Kreise der Industrie den g98 IItarif, von An⸗
ang an als einfach scheußlich empfanden. Inzwischen ist ja eine
hewöhnung an das Scheußliche eingetreten, aber zufrieden ist man
nit dem Zolltarif darum nicht. Selbst der Zentralverband hälf
hn für perbeheunastedürtig Der Landwirtschaft nüitzt er au
ie Dauer auch nicht, denn die Vesculduna wãchst so fort, sodaß
neiner einzigen Generation bereits der ganze Vorteil verschwun⸗
en ist.Der Prafident, des Deutschen Landwirtschaftsrates hat
usdrücklich festgestellt, daß die Landwirtschaft durch technischen
zortschritt ihre Produttion erheblich gesteigert hat. Danng brauchte
mnan aber nicht die Zölle zu steigern. Der technische Fortschritt
zätte einer Ermäßigung der Preise dienen müssen. Die wenigsten
ʒüter gehen J durch Erbgang in andere Hände über. Auf diese
iß wir bald wieder so weit, wie vor Beginn der jetzigen
Jollpolitik. Die Freih andelspartei gewinnt in England,
anada, selbst in Frankreich an Boden, man will dort keine Ver—
euerungspolitik mehr. Wir ändern uns in dieser Beziehung nicht
ind bewahren genau den Unterschied von der nationalliberalen
zartei. Wir verlangen 53 nach einer Zusage Bismarcks die
leichstellung der landwirtschaftlichen Arbeiter mit den gewerb⸗
chen hinsichtlich des Köoglitionsrechtes.
c landwirtschaftlichen Selbstverwaltungskörperschaften sind ledig
ch eine Insude Begünstigung des Großgrundbesitzes, der allein
steresse an den Zöllen hat. Der Zentralverband ist nicht die
eutsche Industrie, er vertritt nur die schwere Industrie. Bei der
nnahme von Einladungen derartig einseitiger Interessenvertre—
ingen sollte der Staatssekretär künftig vorsichtiger sein, will er sich
icht Disziplinaruntersuchungen von dieser Seite aussetzen. Heiter⸗
eit.) Er begibt ig damit in eine gottgewollte Abhängigkeit von
ieser Seite. Die Regierung sollte weniger reglementieren und bevor—
iunden. Eine einzige Regierung in Preußen hat nicht weniger als
2 Regierungsräte, die sich alle betätigen wollen, Daraus entsteht die
derrschaft der Bureaukratie. Die Freiheit des Indivi—
uu m s muß eschnt werden, Terrorismus ist immer ein Beweig
on niedriger Gesinnung. Sehr richtig!) Er besteht aber auch auf
zeiten der Arbeitgeber. (Widerspruch rechts.) Auch der preußische
ziskus entläßt aus den Staatsgruben sozialdemokratisch organisierte
irheiter; auch er ist also nicht gusnme hinn Die Kreuzzeitung be⸗
eichnet den politischen Boykott als unanständig, In
Wangenheim predigt ihn aber. Wollen Sie den Handwerkern wirk⸗
ich helfen, so brechen Sie mit der Verteuerungspolitik der Lebens⸗
nittel. Wir treten für die Tarifperträge, ein, weil wir aus
dem Machtverhältnis ein Rechtsverhältnis für die Arbeiter schaffen
voslen. Durch das Börsengesetz kann das Anreißertum der Wi nkel
banken nicht bekämpft werden. Die Börse kann nicht verantwort;
ich gemacht werden für Bankktrache. Gegen unreelle Rursenaeichäfi-
ind wir immer Me vorgegangen.
Abg. Waida o Die Löhne und die Behandlung der
Arbeiter im oberschlesischen Judustriebezixk ht
ehr zu wünschen übrig. Infolge der schwarzen Listen sind die
on den Multimillionaͤren, auf die Straße gesetzten polnischen
Arxbeiter noch heute ohne Arbeit. Auch die fiskalischen Gruhen
nehmen sie nicht auf, obgleich sie völlig schuldlos sind, Mit der
Freiheit des Gedankens ist es bei, uns in Oberschlesien nichts
Mit Hilfe des 8 12 des Vereinsgesetzes wird es uns unmöglich
emacht, Wählerversammlungen abzuhalten. Der Redner eht
odann ausführlich und mit bewegten Worten auf seine persön⸗—
ichen Erlebnisse in, Oberschlesien, den Schulstreik und sonstige Er—
ignisse ein und wird schließlich wiederholt vom Prüsidenten zur
ache gerufen, Er schließt:? Man sollte dem polnischen Volk seine
Figenheiten lassen, insbesondere seine Sprache. Nur so kanp
nan die Volen zu Deutschen machen