Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

⸗Die Lage der Seeschiffahrt. Der Bericht des Deutschen 
Nautischen Vereins für das Jahr 1910 äußert sich über 
die Lage der Seeschiffahrt wie folgt: Die Belebung des 
Weltverkehrs hat weitere Fortschritte gemacht, so daß die 
vorhandene Tonnage wieder ausreichende Beschäftigung fand. 
Wenn auch diese Beschäftigung nicht auf allen Routen ge— 
winnbringend war, darf man doch sagen, daß die See— 
schiffahrt zum Teil die Folgen der Krisis überwunden hat 
und nunmehr wieder in eine günstigere Konjunktur einge— 
treten ist. Wie nicht anders zu erwarten, zog Vorteile aus 
der besseren Geschäftslage zunächst die Linienreederei, welche 
im allgemeinen auf ein recht befriedigendes Geschäftsjahr zu— 
rückbbliden kann. Für Dampfer in freier Fahrt kam die Auf— 
besserung erst im Herbste zur Geltung. Sowohl von den 
Nordsee- als auch besonders von den Ostseehãafen wird 
übereinstimmend mitgeteilt, daß die Frachten für Dampfer 
in freier Fahrt zu Anfang des Jahres und auch im Sommer 
noch verlustbringend waren. Durch die frühe Eröffnung der 
Schiffahrt wurde der Markt ungSistig beeinflußt, und erst 
im Spätsommer und Herbst fand sich so ausreichende Be— 
schäftigung, daß gewinnbringende Frachtraten zu bedingen 
waren. — Ueber die Segelschiffahrt wird noch wenig 
Erfreuliches berichtet. Es befinden sich zwar wieder einige 
Segelschiffe flr Hamburger Rechnung im Bau, und es hat 
auch die Weserflotte durch Ankauf einiger großer Segelschiffe 
einen Zuwachs erfahren, ferner nimmt auch die Zahl der 
Aeinen Schoner wieder zu. Es ist deshalb die Annahme be— 
rechtigt, daß für bestimmte Fahrten besonders geeignete Schiffe 
unter guter Leitung und Führung immer noch, wenn auch nur 
mit geringem Vorteil, beschäftigt werden können. Es sind dies 
aber Ausnahmen; denn im allgemeinen liegt die Segelschiff⸗ 
reederei arg darnieder. — Auch in England scheint man das 
Vertrauen zur Wiederbelebung der Segelschiffahrt verloren 
zu haben, denn man sucht die Schiffe zu beispiellos billigen 
Preisen abzustoßen. Käufer für solche Schiffe sind noch immer 
nordische Reedereien, welche mit wesentlich geringeren Lasten 
arbeiten und deshalb die Schiffe noch gewinnbringend be— 
schäftigen können. So wird z. B. von Kiel berichtet, daß 
die größeren in der Ostsee beschäftigten Segelschiffe fast durch— 
weg die schwedische und russische Flagge führen, und daß 
diese Schiffe im vorigen Jahre gegen 1909 wesentlich erhöhte 
Frachtraten erzielen konnten. 
In der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger 
Tätigkeit sprach am Dienstag Herr Dr. Allendorf über 
das Thema „Licht bilder aus Deutsch-Südwest; 
Erinnerungen eines Feldzugteilnehmers“ 
der Vortragende machte die zaäahlreichen Zuhörer zunächst 
nit dem Lande und seiner eingeborenen Bevölkerung be— 
kannt. Dann erzählte er von dem Verlauf des Feldzuges, 
schilderte einige bemerkenswerte Szenen aus dem Kriege 
gegen die schwarzen Horden besonders anschaulich und ging 
hierbei auch verschiedentlich auf das Leben der Weißen 
und Schwarzen unter sich ein. Herr Dr. Allendorf hat 
den Feldzug bis zu Ende mitgemacht und auch er be— 
stätigte, wie wir dies schon in manch anderen WVorträgen,; 
die Deutsch-Suüdwest zum Thema- hatten, hören klonnten, 
daß jeder Weiße, der längere Zeit in der Kolonie geweilt 
habe, das Land bald herzlich lieb gewinne und es deshalb 
oft auch zu seiner zweiten Heimat mache. Den Schluß 
des sehr interessanten Vortrages bildete die Vorführung 
einer Reihe von Lichtbildern. Der Vortragende erntete 
rür seine Ausführungen starken Beifall. 
*Vom 17. Deutfschen Bundesschiefzen. Im Kaisersaale des 
Römers zu Frankfurt a. M. hat Sonnabend unter dem Vorsitz 
des Oberbürgermeisters Dr. Adickes die grundlegende Ver—⸗ 
isammlung für das 17. Deutsche Bundesschießzen statt— 
zefunden, das als goldenes Jubiläumsschießen im nächsten 
Jahre in Frankfurt a. M. stattfinden soll. 
0- Taubendiebstahl. In der Nacht zum Dienstag, 14. 
März, sind dem Pächter in Carlshof 12 Tauben gestohlen 
aund an Ort und Stelle abgeschlachtet worden. Die Tauben 
,aben weißes, blaues, braunes und buntes Gefieder. 
0-c Festgenommen wurden: J1 kiesiger Arbeiter, der seitens 
der hiesigen Staatsanwaltschaft wegen Diebstahls, und 1 
Seemann aus Memel, der seitens der Amtsanwaltschaft 
in Bremerkapen wegen Betruges steckbrieflich verfolgt wird. 
p. In der „Fledermaus“, Hamburg. dem so rasch beliebt 
zewordenen vornehmen Ballhaus, gibt es dieser Tage wieder 
einige neue Ueberraschungen. Die anmutige Primaballerina 
Rose del' Jano, wohl eine der besten Spitzentänzerinnen der 
Jetztzeit, ist mit einer neuen Ensemblenummer herausgekommen. 
Zusammen mit dem auf acht fesche junge Damen verstärkten 
Hausballett wird sie einen echten Cancan parisien, diesen über⸗ 
mütigen Tanz der Frangosen, in prächtigen Kostümen vorführen, 
der ihr erneut Gelegenheit gibt, ihre Kunstfertigkeit als Jüngerin 
der Terpsichore zu zeigen. Jenny Malten, die durch ihre 
blendendeErscheinung sowohl wie namentlich auch durch ihre aus⸗ 
gezeichnete Vortragsweise allabendlich das Entzücken der zahl— 
ceichen Fledermaus-Besucher erregt, wartet gleichfalls mit neuen 
Schlagern auf. Sie hat den Beinamen Brillantenkönigin er— 
halten. Den Besuchern der „Fledermaus“ harrt autzerdem 
eine außerordentliche und ganz eigenartige Sensation: Der 
Hosenrock. Einige elegante junge Damen werden dies neue 
Kostüm dort zur Schau tragen. Für diesen Zweck sind direkt 
aus Paris einige hochelegante echte Modelle verschrieben worden, 
und man wird Gelegenheit haben, sich aus eigener Anschauung 
ein Urteil über diese neueste viel umstrittene Variser Made— 
schöpfung zu bilden. 
Schles wig⸗Holstein. 
Kiel, 15. März. Provinziallandtag. In Fort—⸗ 
sezung der Verhandlungen am dritten Sitzungstage solgte eine 
Vorlage des Provinzialausschusses zu dem Gesuch des Land⸗ 
kreises Flensburg um Gewährung einer Beihilfe zu den Kosten 
einer Linienverlegung zwischen Engelsby und Kauslund an der 
Kleinbahnstrecke Flensburg⸗-Kappeln. Die Kosten für diese Ver⸗ 
legung, welche die Bahn an die Marinestation Mürwit hinan⸗ 
sühren soll, sind mit 116 000 Meäberechnet, wovon der Pro⸗ 
vinzialverband 24000 Mutragen soll. Der Provinzial⸗Aus- 
schuß ist zu einem ablehnenden Beschluß gekommen. Die Ent—⸗ 
scheidung wird erst in 2. Lesung fallen. Zwei weitere Anträge 
des Provinzial⸗Ausschusses betreffen Wegebausachen; und zwar 
soll der Westerdeichweg im Kreise Süderdithmarschen in die 
Klasse der Nebenlandstraßen erhoben, der sogenannte Oelmühlen⸗ 
weg von Marne nach Fahrstedter Neuendeich aus der Klasse 
der Nebenlandstrahen in diejenige der unwichtigeren Nebenwege 
versetzt werden. Ferner wird beantragt, die Nebenlandstraße 
Leezen⸗Sühlen⸗Wakendorf⸗Bahnhof in den Kreisen Stormarn und 
Segebera in die Klasse der wichtigeren Nebenwege zu versetzen. 
Tie Vorlagen wurden angenommen. Die Rechnungsprufungs— 
mmisston beriete Qher das Fraehnis der Rebision der Rio— 
mzialrechnungen für 1900. Darnach stellen sich die Pro⸗ 
inzialrechnungen in der allgemeinen Verwaltung im Ordi⸗ 
arium auf 9770 928 MeEinnahme und 8870 861 M Ausgabe, 
m Extraordinarium auf 1596 387 Mubezw. 1245 107 M. Bei 
er Fondsverwaltung auf 1239 633 Mubezw. 1142 310 M 
ind bei der Landesbrandkasse auf 6667 501 bezw. 6246 748 
MNark. Zur Verhandlung gelangte sodann ein Antrag des Pro— 
inzialausschusses betreffend den Erlaß einer neuen Satzung für 
ie Schleswig-Holsteinische Landesbrandkasse in Kiel. Bean⸗ 
ragt wird, den Satzungsentwurf zu genehmigen. Landesrat 
Wenneker referiert über die neuen Satzungen, denen zufolge 
s hinfort u. a. zulässig sein soll, bewegliche Sachen auch in 
en Städten Hamburg und Lübedk zu versichern, woselbst von 
en Behörden diese Ausdehnung des Betriebs bereits geneh— 
nigt worden ist. Die Entscheidung über diese Vorlage wird 
benfalls erst in 2. Lesung gefällt werden. Endlich stand zur 
tagesordnung ein berichtlicher Antrag des Provinzial⸗Aus— 
chusses betreffend die Uebernahme anderer Versicherungszweige 
urch die Schlesw.-Holst. Landesbrandkasse. Dieser Antrag, nach 
em die Landesbrandkasse künftig auch die Versicherung gegen 
zinbruchsdiebstahl und Beraubung, die Versicherung gegen 
Wasserleitungsschäden, die Glasversicherung und die Gewäh—⸗ 
rung von Rücyversicherung an andere Versicherungsanstalten 
zufnimmt, wurde mit 31 gegen 30 Stimmen angenommen. 
Großherzogtum Oldenburg, Fürstentunt Lübed. 
RK. Ahrensbök, 15. März. Goldene Hochzeit felert 
im 22. März das Ehepaar H. Vogt-Gnissau. Vogt ist Kriegs⸗ 
eteran von 1848 und hat auch an der Schlacht bei Ecernför de 
eilgenommen. Um dem Jubelpaar eine besondere Ehrung zu 
rweisen, veranstalten der Gemeindevorstand und der Krieger— 
»erein dortselbst eine offizielle Feier. Der Ueberschuß des 
Festes soll dem alten Kämpfer als Ehrengabe überreicht werden. 
Großherzog lümer Mectlenburg. 
Schwerin, 158. März. Herzog Adolf Friedrich 
zu Mecklenburg kehrt nach einer Zeitungsmeldung von 
einer Afrika-Expedition im August in die Heimat zurück. — 
Ddie Großnherzogin Marie begab sich an den Hof 
nach Braunschweig. — 5Serzog-Regent Johann 
Albrecht und Gemahlin treffen am 1. Mai aus Braunschweig 
zu längerem Aufenthalt in Wiligrad ein. 
Rostock, 15. März. Vogelschutz. Die im voriäh— 
igen Frühling auf dem langen Werder bei Poel eingerichtete 
Vogelfreistätte, mit deren Ueberwachung ein besonderer Vogel— 
wart betraut worden war, hat sich vorzüglich bewährt. Hun⸗ 
derte von Sturmmöwen, Seeschwalben, auch Austernfischer 
jaben auf der Insel gebaut und zahlreiche Junge aufgebracht. 
Als neuer Brutvogel hat sich der langschnäblige Säger auf 
»em langen? Werder angesiedelt. Diese Insel bildete schon in 
rüheren Jahren eine beliebte Brutstätte des Wassergeflügels, 
durch die fortgesetzten Nestplünderungen gewinnsüchtiger Eier— 
äuber wurden die Seevögel jedoch vollständig vertrieben. 
stunmehr ist diesem Uebelstande ein Ende gemacht worden. 
Auch in diesem Jahre wird auf dem langen Werder während 
der Monate Mai bis Juli eine Vogelschutzstätte eröffnet 
werden. 
Rehna, 15. März. Die Postassistenten⸗ 
»rüfung hat Poltgehilfe Schacht hierselbst in Schwerin be— 
tanden. — Der Lehrerverein hielt im Hotel Stadt Ham⸗ 
burg eine Versammlung ab. Lehrer Weide⸗-Rehna berichtete über 
die Vertreterversammlung des Landeslehrervereins vom 29. Dez. 
1910 in Güstrow; ferner hielt Lehrer Borgwedel⸗Gletzow einen 
Vortrag über „Die ländliche Forthildungsschule“ 
derein für das Deutschtum im Auslande. 
Zur Feier des zehnjährigen Bestehens der 
SFrauengruppe. 
Engel in der Kuust. 
Lübeck, 15. März. 
So voll habe ich die Stadthalle bei Vorstellungen noch 
nicht gesehen. Die Unzulänglichkeit der Garderoben wurde denn 
ruch herrlich offenbar, es mußten sogar Garderoben angebaut 
verden, und es gehörte ein ziemlicher Grad von Engelhaftigkeit 
dazu, um nicht die Geduld zu verlieren. 
Nach einem Harmoniumvorspiel sprach Irl. Betke einen 
varmherzigen Prolog von Herrn Eisenbahndirektor Christ en— 
en eindringlich und schwungvoll. Und dann wurden unter 
zegleitung entsprechender Musit sünfzehn lebende Bilder nach 
talienischen Meistern des Trecento, Quattocento und Cinque— 
ento, nach drei deutschen Malern des 15. und 16. Jahrhunderts 
ind einem Spanier des 17. Jahrhunderts vorgesührt. Ich will 
nich hier nicht auf prinzipielle Erörterungen einlassen über 
ie Grenzen der Künste, über das Verhältnis der Malerei zur 
Blaftif und der Plastik zum lebenden, in natürlichen Farben 
ekleideten Körper, ich möchte nur konstatieren, daß diejenigen 
ebenden Bilder, welche dem Original am wesensverwandtesten 
jaren, bei mir auch den reinsten rünstlerischen Genuß hervor—⸗ 
iefen: der Engel nach einer bemalten Terrakotta im Stile 
er Robbia's und die Verkündigung nach einem Relief von Dona⸗ 
ello. Sodann kamen die Bilder, welche einen ganz ruhigen, 
röglichst indifferenten Hintergrund hatten, wie das Altgold 
eim Trecentisten Simone Martini, oder Himmel und Wolken, 
die bei der Raffaelschen Engelgruppe. Dagegen war ich von 
Botticellis Tobiasbild lebhaft enttäuscht, hier wirkte die übri— 
gens außerordentlich geschickt gemachte Landichgitsmalerei kulissen— 
aft. — 
Trotz der ausgeprägten Eigenheiten der einzelnen Maler, 
son der kindlichen Frömmigkeit eines Fra Angelico und der 
iaiven Farbenfreude eines Schongauer bis zur reifen Schönheit 
kaffaels sind doch alle die vorgeführten Maler durch ur—⸗ 
prüngliche Einheit der Auffassung nahe verwandt — einzig 
»er Spanier Murillo schien mir abseits zu stehen, seine Auf— 
assung gemahnt fast an gewisse Bilder des 19. Jahrhunderts; 
reilich trennen ihn vom Spätesten der anderen, von Dürer, 
ast hundert Jahre, d. h. Dürer starb beim Beginn der Refor⸗ 
nation und Murisslo lebte in Spanien zur Zeit der Gegen⸗ 
eformation. 
Auf das vielgerühmte und vielangegriffene Engelattribut 
möchte ich hier noch zu sprechen kommen: auf die Flügel. 
ks läßt sich nun einmal nicht wegleugnen, sie sind etwas 
Anrgaonisches, ein Fremdkörper am Wenschenleibe, zumal 
im bekleideten. Ich wurde dadurch schon als Kind zu der 
Frage veranlaßt: „Wie bekommt denn der Engel sein Hemd 
an?“ Nun wirkt diese Umatürlichkeit in der Plastik natur— 
zemäß weit krasser, als aufß Gemälden, die Erfahrung 
lam man bei vielen Denkmälern, z. B. den Rauchschen 
Viktorien in der Bavaria, dem Engel auf dem Schilling— 
ichen Kriegerdenklmal in Hamburg, machen. Gestern störten 
mich die Flügel am meisten beim Engel der Verkündigung 
wmus Schongauers Schule, die zum Ueberfluß mit Pfauen— 
edern heseßkt und dan; verzwicht gestellt sdind 
Bewunderungswürdig ist dije Hingabe, mit der die Wat⸗ 
virkenden sich in den Geist der darzustellenden Engel und 
zie Art des jeweiligen Malers eingefühlt hatten. Fräulein 
Reineck aus Weimar gebuhrt hohe Anerkennung für den 
Zcharfblikk, mit dem sie immer aus den ihr gänzlich 
inbekannten Personen, welche sich ihr zur Versügung stellten, 
zie richtigen an den rechten Platz zu stellen wußte, und 
iüür die vornehme Regiekunst, die sich aus der ganzen 
Anordnung offenbarte. 
Die Weimarer Damen sind bei der Herstellung der 
stleidung außerordentlich gewissenhaft zu Werke gegangen. Die 
Hewandstoffe sind teilweise besonders nach den Originalen 
gesärbt. Auch der landschaftliche Hintergrund und die 
Umrahmung sind geschmacvoll und stilgerecht hergerichtet. 
Eine imponierende Anzahl warmherziger Kuünstler hatte 
ich zusammengetan, um den Bildern durch weihevolle Musik 
:ne myiystische Umrahmung zu geben, und die Herzen der 
zörer aus dem Reiche des Alltäglichen in höhere Sphären 
zu entführen. Sie leisteten durchweg Vorzügliches; sie alle 
hei Namen zu nennen, würde zu weit führen, ich möchte 
nur meine besondere Freude aussprechen über die schönen 
Harfensoli des so lange verstummten Fräulein Ida Herrmann. 
Eine farbenprächtige Gruppe von siebzehn Engeln mit 
Beeibopens gewaltigem Chor: „Die Himmel rühmen des 
kEwiegen Ehre“ schloß die herzgewinnenden Darbietungen des 
Abends mit rauschendem Alkord. —A 
Vermischtes. 
Lord und Chorisftin. Der Chor der Londoner Ausstellungs 
hühnen entwickelt sich mehr und mehr zu einer Vorstufe des „Peerage“, 
der Liste, in der die würdigen Lords von Großbritannien, Schottland 
und Irland mit ihren Familien ausgeführt find. Im Laufe der 
etzten Jahre hat mindestens ein Dutzend der niedlichen „Chorus Girls“ 
die Bretter, die die Welt bedeuten, verlassen, um einem Mitgliede 
— Pfarrer 
ingetrautes Ehegemahl Gefolgschaft zu leisten. Die Zahl dieser Ver⸗ 
bindungen wird jetzt. wie man aus London meldet, wieder um 
ine neue vermehri werden. Lord George Hugo Cholmonde de y 
dieser etwas umständliche Name wird der Kürze halber „Chumley“ 
rusgesprochen) kündigt seine Verlobung mit Mes. Clara Elisabeth 
Stiuͤrling an, die zu den hübschesten Chordamen des Gaiety Theatre 
gehört. Lord George Hugo Cholmondeley ist der zweite Sohn des 
leichnamigen Marquis, der während der Regierung des ver torbenen 
Krnigs Eduard VII. von England Lord⸗Großkammerherr des Hofes 
war. Die Würde des Lords-Großkammerherrn ist erblich in den 
drei Familien der Marquis oĩ Cholmondeley und der Grafen von 
Ancaster und von Carrington. Gegenwärtig bekindet sich dieses bohe, 
aber reich dekorative Amt in den Händen des Lords Carrington. 
Lord George Hugo Cholmoendeley ilt erit 23 Jahre alt und Artillerie 
leutnant von Beruf. Man darf, ohne ungalant zu sein. annehmen, 
daß seine Braut schon aud dieser Welt war, als er deren Licht zum 
ersten Wale erblickte. Wirs. Stirling ist von Geburt Amerikonerin 
und hieß Miß Taylor, aus sie vor son ziemlich geraumer Zeit mit 
hrer Multer nach England kam und in dem Chor der Operette The 
katl and ihe Girl“ zum ersten Male austrat. Ihre blonde, zarle 
Schönheit siel bald auf, ihr Bild ershien in den illustrierten Blättern, 
und eines Tages vernahm man, daß ein junger Schotte aus gutem 
zause, Mr. Stirling Johu Alexander Stirling, Leutnant bei der 
cholischen Garde, sich mit ur verheiratet halte. Das geschah im Herb 
1904. Sehr lande dauerte dieser eheliche Bund aber nicht. Vor 
wei Jahren waren alle englischen Zeitungen voll von Berichten 
iber den Ehesceidungsprozeß zwischcn Vir. und Mrs. Stirling. und 
es karaen dabei Dinge zum Vorschein, die auf die Gewohnheiten und 
Sitten der enzlischen Arißokratie ein reat merkwürdiges Licht varfen. 
Schließlich endele die Sachhe nach vielen Wochen damit, daß Mrs 
Stirling, der ihr Gatte allzu enge Beziehungen zu dem Viscoum 
Northland, dem ältesten Sohne und Erben des Grafen von Ransurln, 
vorgeworfen hatte, für den schuldigen Teil erklärt und ihr Kind ihr 
abgesprochen wurde. Dieser Prozeß, der damals das größte Auf⸗ 
ehen erregte, hatte für Mrs. Stirling auch die unanzenehme Folge. 
daß sie sich, von allen Mitteln entblößt, genötigt jah, den Kampl 
ums Dasein von neuem aufzunehmen. Was bliehb ihr anderes übrig, 
As zum Theater zurückzukehren und wieder Choristin zu werden. 
Der Entschluß ist., wie man sieht, zu ihrem Glüce eusgeschlagen. 
Denn wenn Mrs. Stirling vor sieben Jehren für das kleine Chor 
nädchen eine recht gute Partie war. so bietet ihr Lord George Hugt 
Fholmondeley, dessen Vater 35 000 Morgen Land und zwei detr 
schönsten Schlösser Englands sein eigen nennt, denn doch noch eine 
piel glänzendere Zukunft. Ihre kleinen Kolleginnen gönnen ihr, wie 
jie versichern, ihr Los von ganzem Herzen. Sie sind ohne Neid, denß 
u frag⸗en bich wor wird die schste von uns sein 
Neueste Nachrichten und Telegramme. 
W. Brüfsel, 14. März. Der Kammier ist der Entwurfk 
eines neuen Schulgesetzes zugegangen, das 1914 in Kraft 
treten soll. Die Schulpflhicht wird darin bis zum 
bierzehnten Lebensijahr ausgedehnt, die Kinder 
arbeit bis dahin verboten. Der Gesetzentwurf bringt keinen 
obligatorischer Schilunterricht, sucht aber einen moralischen Drud 
auf die Eltern auszuüben. 
W. Rom, 156. März. Der Präsident der dentschen Gruppe 
der Interparlamentarischen Vereinigung, Dr. Eickhhoff, sandte 
anläßlich des 50jährigen Bestehens des Königreichs Italien eine 
in herzlichen Worten gehaltene Glückwunschdepesche an die 
italienische Gruppe der Vereinigung. Der Präsident der italie— 
tischen Gruppe, Marauis Capelli. danfte in einem Antwort— 
telegramm. 
VWV. Madrid, 14. März. Nach dem jetzt vorliegenden 
ndgültigen Ergebnis der Generalwahlen sind am Sonntad 
gewählt worden: 253 Liberale, 135 Konservative, 38 Repu⸗ 
blikaner, 13 Karlisten, 14 Katholiken, 4 Sozialisten und 
9 Unabkhängige. 
W. Newyork, 14. März. Nach Privatmeldungen des New— 
york Herald aus der Stadt Mexito ist gestern vormittag in 
Vera Cruz ein Aufstand ausgebrochen. Ein 
Amerikaner wurde getötet und sechs Polizeibeamte sind ver— 
wundet worden. Die Gefängnistore wurden geöffnet, wobei 
/0 Gefangene entwichen. Ein im Hafen liegendes Kriegsschiff 
und Marinesoldaten unterstützten die Zioil- und Militärbehörden. 
Ddie französischen Interessen wird ein sranzösisches Krieasschiff 
vahrnehmen. 
W. Wafshington, 15 März. Das Kriegsdepartement 
jibt bekannt, daß keines der in Texas mobilisierten 
Infanterieregimenter an die mexikanisch« 
ßrenze gesandt wird. Dagegen sollen sieben weitereé 
4avalleriec?eilungen die drei bereits an der Grenze patrouil« 
lierenden Abteilungen ergünzen, um den Waffen- und Munitions— 
schmuggel zu heendigen
	        
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