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Beilagen: Vaterstädtische Blätter. — Der Familienfreund.
Amtsblatt der freien und Hansestadt Lübect 61. Jahraen Nachrichten für das herzogtum Lauenburg, di
Beiblatt: Gesetz und Verordnungsblatt Bt — htaa ug Fürstentũmer Katzeburg, Lübeck und das angren
εσσ. ασα SESE —EZ zende mecdlenburgische und holsteinische Gebiet.
Orug und Veriag: Gebrüder Borchers G.m.b. S. in Lũbec. — Gesichäfisstelle Adreß haus Koniastr. a). Fernivrecher s8ood u. 8001
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Ausgabe CGGroße Ansgabey dienstag, den 14. März 191. Abend⸗Blatt Nr. 134.
Erstes Blatt. hierzu 2. Blaft.
Umfang der heutigen Rummer 8 Seitauu.
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Nichtamtlicher Ceil. *
Deutsche Wehrmachtspolitik und die
nächsten Reichstagswahlen.
R. Lübeck, 14. März.
Als im Reichstage die Vorlage über die Heeresverstär—
;ung beraten wurde, da hat der sozialdemokratische Abge—
ordnete Stücklen angesichts der Haltung der bürger⸗—
nichen Parteien, deren Vertreter, von einer Anzahl von
Zentrumsabgeordneten abgesehen, geschlossen für die
Verstärkung gestimmt haben, die Behauptung aufgestellt,
eine solche Militärfreudigkeit wie im deutschen Reichstage gäbe
es in keinem Parlament der Welt. Bereits 24 Stunden
päter ist dieser Abgeordnete dann darüber belehrt wor—
den, daß fast zu derselben Zeit die französische Deputierten—
kammer eine Vorlage über Flottenverstärkung mit noch er—
heblich größerer Mehrheit angenommen hat. Die deutschen
Sozialdemokraten find also wieder einmal dursch
französische Genossen beschämt worden. Sie sind
aber auch von den letzteren durch das Bekenntnis zu
nationaler Gesinnung und vaterländifcher
Pflichterfüllung vor aller Welt an den Pranger
qgestellt worden.
Diese unrühmliche und unwürdige- Haltung der Vertreter
der deutschen Sozialdemokratie wäre aber noch deutlicher zum
Bowußtsein gekommen, wenn der Rücktritt des Kabinetts
Briand ein oder zwei Tage früher erfolgt wäre.“ Denn die
leußerungen des neuen Kriegsministers Berteaux im Kabinett
Hdonis sind die denkbar schlagendste Rechtfertigung der in
Deutschland zu schaffenden Heeresverstärkung. Der genannte
Minister hat nämlich einem Mitarbeiter des Pariser Matin
erklärt, Frankreich sei eine erste Militär- und Flottenmacht, seine
Sorge werde es lein, sie auch zur allerbesten Flugmacht der
Welt zu machen. Nach wie vor sollen also in Frankreich
die Rüstungen und Vorbereitungen für den Krieg
nit allergrößter Energie betrieben werden. Es
olle nichts vernachlässigt werden, was dazu dienen könne,
die Wehrmacht der französischen Republik zu Wasser und zu
Lande und in der Luft den stärksten Militärmächten eben—
zürtig an die Seite zu stellen.
Gegen wen Frankreich rüstet und auf welchen Fall es sich
vorbereitet, das kann für niemand ein Geheimnis sein. Der
Name Delcassé bürgt dafür, daß mit der neuesten Forde—
rung von 64 Millionen Francs für zwei neue Riesenschlacht⸗
schiffe erst der Anfang eines großartigen Ausbaues der
öJ:..... p
Ob fie wohl kommen wird?
Von Renata Greverus.
4. Fortsetzung.) Machdruck verboten.)
Der Abschied von den gastfreien Menschen und ihrer be—
zaglichen Stätte am Weserstrande war kurz und herzlich, und
man trennte sich mit einem fröhlichen, ernstlich gemeinten „Auf
Wiedersehen!“, ohne zu ahnen, daß vor ihnen, ehe das duftige
Gras der saftigen Weiden noch einmal geschnitten und zu Heu
werden würde, in diesen anscheinend so zufriedenen, harmlosen
Kreis ein ernster, strenger Gast einziehen und sich unerbittlich
seine Beute fordern würde.
2. Kapitel.
Es war der Tag des Schulschlusses vor den Osterferien.
Die Zeugnisverteilung hatte stattgesunden, und daran hatte
rich die Entlassungsfeier der diesjährigen Abiturienten ge—
schlossen, an der die Schüler der oberen Klassen, wie gewöhnlich,
teilgenommen hatten. Jetzt entströmte die junge Schar dem
Portale des Schulgebäudes, die bunten Schülermützen mehr
oder weniger keck auf dem Kopfe und die verhängnisvollen
blauen Zeugnishefte unter dem Arm. Die einen eilten in
frohen, kühnen Sätzen im Vorgefühl eines guten Empfanges
heimwärts, die anderen schlenderten in angenommener Gleich—
qültigkeit dahin, und noch andere schlichen mit rotgeweinten
Augen oder in' verbissenem Trotze fort, sich; möglichst Sei⸗
lenwege suchend.
Aus dem freien Platze vor dem Gymnasium stand eine
Gruppe junger Leute in JFesttagsgewändern, es waren die
entlassenen Abiturienten, welche für die am Abend statt—
jindende Abschiedskneipe noch die letzten Verabredungen trafen.
Die meisten hatten die roten Primanermützen bereits mit
dem Zeichen des freien Bürgertums, dem Hute, vertauscht,
der — ich weiß nicht warum — den jungen ffrischen Gesichtern
einen etwas nüchternen Ausdruch und ihrem Gebaren eine ge—
wisse spießbürgerliche Gemessenheit gab.
„Und du willst wirklich nicht mittun, Pollux?“ sagte
rein forscher, gesund und etwas derb aussehender Jüngling,
dem man den angehenden Mediziner und Burschenschaftler,
a fast schon die demnächstigen Schmisse und Schmarren ansah.
Du kannlt doch morgen reisen und heute nochmal mit sidel sein.“
französischen Flotte gemacht ir. VDas wird vollinhaltlich be—
tätigt durch eine neue RNFeußerung des Ministers Del—
alsés, wonach im Jobre 1920 die deutsche und.
vie französische Flotte den gleichen Bestand an
Ddreadnought-Panzern haben, also gleich stark
ein würden. Deutschland wird sich also schon jetzt in
»en Gedanken einzuleben haben, daß auch in der Folgezeit,
nag es unter dem ausgesprochen sozialistisch-radikalen Mini—
terium Monis. oder unter einem anderen Regime geschehen, in
»er frauzösischen Republik jedenfalls an die Möglichkeit einer
Abrüstung nicht geglaubt, geschweige denn an die Verwirk—
ichung dieser Idee gedacht, poder an ihr gearbeitet wird.
dort wird vielmehr an der Aufgabe, zu einem möglichst hohen
ßrad der Vollkommenheit und Leistungsfähigkeit die Wehr⸗
nacht der französischen Nation zu entwickeln, ununterbrochen
veiter gearbeitet. *
Aus diesem Grunde bedarf es in Deutschland eines
esten und andauernden Zusammenhaltens der—
enigen Parteien, die aus dem Boden unserer
Wehrmachtspolitik stehen und die entschlossen sind
zie Rangstellung, die das Deutsche Reich sich geschaffen hat,
und die es dank der unermüdlichen Fürsorge unseres Kaisers
ür Heer und SFlotte, dank der Opferwilligkeit der Nation,
segenwärtig einnimmt, unter atlen Umständen aufrecht zu
rhalten. Die Bedeutung der Worte des französi—
chen Kriegsministers darf jedenfalls nicht unter—
schätzt werden. Sie darf es um so weniger in einer
Zeit, wo Deutschland am Vorabend neuer Reichstags—
wahlen steht. Deshalb wird es die unerläßlichste Forderung
des Tages sein müssen, daß die deutschen Wähler nur
solche Abgeordnete in den Reichstag senden, die
rwuch in der nächsten Zukunftt die Sicherheit und
ztärke des Vaterlandes unter keinen Umstän—
»en vernachlässigen. Wenn das deutsche Volk unter der
Hertschaft dieses Gedankens und unter dem Zwange dieser
zinsicht den Wahlkampf durchführt, wird es sich selbst am
sessen beraten und wird sich die Bürgschaft verschaffen, daß
ie Segnungen des Friedens, die es seit mehr als 40 Jahren
jenießt, ihm auch weiter erhalten bleiben.
die Stellung der Nationalliberalen in der Gießener
Reichstagsstichwahl.
Nach einer im Morgenblatt gebrachten Drahtmeldung hat
der Wahlausschuß der nationalliberalen Partei in Gießen mit
13 gegen 5 Stimmen beschlossen, für die Stichwahl zwischen
bem Antisemiten Werner und dem Sozialdemokraten Becmann
ven Parteiangehörigen die Abstimmung freizugeben. Auf Grund
dieses Beschlusses können die nationalliberalen
Wähler des Kreises Gießen ihre Stimme für den
Sozialdemokraten abgeben. Da eine solche Hal—
Gerhard Friesing, denn er war der mit Pollux Ange—
redete, schüttelte den Kopf. Karl, sein treuester Freund, den man
Tastor hieß, legte ihm die Hand auf die Schulter. „Ueber⸗
ege es dir noch einmal,“ sagte er freundlich. „Was soll denn
aus dem Singen werden ohne dich?“ Die anderen drangen
zugleich in ihn.—
„Mach doch mit, Bauer! Entziehe uns beim Rundgesang
nicht deinen famosen Ton; es geht fonst nicht,“ sagte ein
schlanker junger Mann, der sich aui seinem Schneid etwas zu
zute tat und Offizier werden wollte. „Wir kommen so jung
nicht wieder zusammen.“
„Und so froh und lustig nun mal gar nicht,“ ergänzte
ein hoffnungsvoller Theologe, während ein elegant gekleideter,
twas förmlich sich gebender angehender Jurist und Korps—⸗
dudent, Berghorst mit Namen, mit dem zierlichen Spazier—
tödchen an seine Lacktiefel schlug und Friesing nach seinen
Gründen fragte.
„Der Bauer hat kein Geld im Haus,“ trällerte Fritze,
der schon vor drei Jahren mit dem Einjährigen-Zeugnis ab-
zegangen war und sich dem Kaufmannsstande gewidmet hatte,
iich aber gern noch in dem alten Kreise zeigte. J
„Nicht doch,“ wehrte energisch der baldige Leutnant ab,
„der Bauer hat stets Geld wie Heu.““ *21
„Das stimmt,“ rief der Mediziner, „und nun erst Marsch-
heu! Das hat doppelten Wert““..
Gerhard nahm die Scherze leineswegs übel auf. Er war
flolz auf den Bauernstand, dem er entstammte; das wußten
die Kameraden gar wohl. Und da er mit dem Gelde, das
ihm vom Vater stets reichlich zugeteilt worden war, nie⸗
mals weder protzte noch geizte, wie wohl andere Schüler seines
Standes, so konnten ihm derartige Scherze nur ein heiteres
Lächeln entlocken. m2
„Ich will mir's noch einmal überlegen mit dem Abreisen,;
ich täte es mit aufrichtigen Bedauern. Aber mein Alter
ist nach den letzten Nachrichten, die ich von Hause erhielt,
nicht ganz wohl, schon längere Zeit nicht. Wenn ich abert
heute höre, daß es besser mit ihm ist, so bleibe ich noch und
tue mit. Sonst aber trinkt einen Extraschoppen auf mein
Wohl und vergeht mich nicht! Ich bin am Weserstrande
auch fernerhin zu finden, wie ihr wißt. und hoffe auf ein
αιNα
tung den nationatliberalen Grundsatzen — von Baden
abgesehen — widerspricht, erscheint der Beschluß des
Gießener Wahlausschusses schon aus rein prinzipiellen
Erwägungen bedauerlich. Er muß aber doppelt
wegen der Wirkungen bedauert werden, die er
mit Sicherheit hervorrufen wird. Schon heute beeilt sich die
Deutsche Tageszeitung, jenen Beschluß gegen den nationalen
Charakter der nationalliberalen Partei auszuspielen. Die An—
nahme, daß die agitatorische Verwertung des
Gießener Beschlusses auf die Wählerschaft in anderen
Gebieten des Reiches ohne TFinfluß bleibe, dürfte mit den
Tatsachen nicht im Einklange stehen. Aus praktischen Gründen
wie aus prinzipiellen Erwägungen sollte deshalb der
Zentralvorstand der nmationalliberalen Pariei ge—
eignete Schritte tun, um der Wiederholung der—
artiger Beschlüsse vorzubeugen
Die Schulaufsichtsfrage im preußischen Abgeordneten
hause.
Die Frage der geistlichen Schulaufsicht hat schon seit
Jahren bei der Erörterung des preußischen Kultusetats
im Abgeordnetenhause eine hervorragende Rolle gespielt.
So scharf wie gegenwärtig in einer Zeit des .Ringens
zwischen kirchlicher und staatlicher Autorikät um die Ober—
herrschaft, ist aber das Problem noch nie in den Vorder—
grund getreten. In die jetzigen Debatten um den
Modernisteneid paßt ja auch dieses Thema besonders gut
hinein. So hat denn eben der Abg. Hoff, wie wir schon
im Morgenblatt telegr. mitteilten, zu der zweiten Lesung
des Kultusetats mit Unterstützung sämtlicher Mitglieder der
sortschrittlichen Vollspartei folgenden Antrag ein—
nebracht:
Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, die
Köonigliche Staatsregierung aufzufordern, die noiwendigen
Maßnahmen zu treffen, um
a. die geistliche Ortsschulinspektion aufzuheben;;—
b. mit tunlichster Beschleunigung die nebenamiliche Kreis—
ischulinspektion durch die hauptamtliche zu ersetzen und
hierfür in erster Linie im Dienste der Volksschule
bewährte Männer zu berufen.
Dieser Antrag stellt einen Gegenstoß gegen den
von den Konservativen und dem Zentrum in der
Budgetkommission angenommenen Antrag dar, wonach' die
Ortsschulinspektion auch an solchen Schulen aufrecht er—
jalten bleiben soll, die Rektoren unterstellt sind. Der
Antrag Hoff wurde bezüglich der formellen Erledigung
unächst zurückgesetzt. Er spielte aber in der Debaite doch
rzine gewisse Rolle. Von dem Antragsteller wurde auf
Srund der historischen Entwicklung der Volksschule nach—
zewiesen, daß von einem historischen Recht der
Kirche auf die Schule keine Rede sein könne.
—
baldiges, srohes Wiedersehen.“ Tann reichte er allen mit
jeinem sonnigen, herzlichen Lächeln die Hand zum Abschied und
ging mit Karl grüßend davon.
Castor und Pollux schritten durch einige enge Straßen
den Wallanlagen zu, welche die Altstadt der Residenz um—
zaben. Vor dem KHarentore befand sich in einer der einfachen
tleinen Villen die Rüdersche Wohnung. Karls Mutter war
die Witwe eines höheren Justizbeamten, sie befand sich in
war auskömmlichen, aber keineswegs glänzenden Verhältnissen
und bewohnte mit ihren drei Kindern eine hübsche, freundliche
Iberwohnung. Eine saubere kleine Magd öffnete den jungen
Männern auf ihr Klingeln die Korridortür. Karl führte
den Freund zunächst in sein eigenes kleines Zimmer mit dem
Bemerken, er wolle nachsehen, ob die Mutter und Elisabeth zu
prechen seien und Pollux sich von ihnen verabschieden könne,
der ihnen als Rarls liebster Freund wohlbekannt war. Gertrud,
die älteste Schwester, sei verreist. Er kam gleich zurück und
neldete, die Mutter lasse die Freunde in einer halben Stunde
zum Frühstück bitten.
„Mache dir's so lange bequem, Gerhard,“ bat Karl.
Es war ein Ausnahmefall von der Schülersitte, daß diele
»eiden sich fast immer mit ihren Taufnamen anredeten, an—
tatt, wie sonst üblich mit dem Familiennamen oder Epitz—
iamen, den sonst jeder Schüler oder Lehrer hatte; und dieser
cheinbar bedeutungslose Umstand, von dem lsie selbst kaum
ingeben konnten, wie er sich gesügt hatte, kennzeichnete ihr
nniges Verhältnis zu einander. Gerhard hatte in der Sofaede
Platz genommen. Karl setzte sich zu ihm, und man zündete
eine Zigarette an.
„Ist es etwas Besorgniserregendes mit deinem Vater.
Pollux?“ fragte Karl. „Du siehst so ernst aus!“
„Ich weiß es nicht,“ sagte Gerhard. „Er hatte letzthin
schon mehrere Male Zeiten, in denen er sehr — aufgerea!
war und dann plötzlich ganz schwach und elend. Ich glaube,
jein Herz ist krank, Doktor Stumpf sagte mal etwas De—
artiges. “
„Und deine Mutter?“
Gerhard seufzte ktief auf. „Ja,“ sein Antlitz überflog eir
Schatten, — „ja, wenn er nur mehr auf Mutter gehörr
hätte. Ich fürchte, er fängt es verkehrt an, wenn ihm di—