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Abend⸗Blatt UAr. 132.
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Ausoe
(Große Ausgabe) Montagq, den —15. März 1911.
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Erstes Blatt. hierr Blatt.
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Umfang der —
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nichtamtlicher eil.
Münchener Festtage.
(Telegramm unseres Korrespondenten.)
n. München, 12. März.
Schon die ganze Woche dauerte die Jubiläumsfeier an,
und München hatte sich richtig herausstaffiert. Bis in
die Vorstädte hinaus waren die Häuser beslaggt. Die
langen Fahnen, die von den Dächern fast bis zum ersten
Stockwerk hinabreichen, wiegten sich feierlich im Winde.
Weiß-blau, weiß-blau wechselten farbig unterbrochen von
den Reichsfarben oder den Flaggen der Gesandtschaften
und Konsulate. In den Hauptverkehrsstraßen sind die
Fassaden mit frischem Grün geziert. Grün und gold war
die Losung. Grüne Tannenzweige und goldene Schleisen
waren überall zu treffen. Das gab dem Bilde eine schöne
und gar nicht eintönige Harmonie. Manche großen Geschäfts—
häuser haben sich gärtnerische Wunderwerke geleistet. Am
prunkvollsten war der herrliche Max-Josephs-Platz geschmückt.
Da war am Vorabend der eigentlichen Geburtstagsfeier
die große Serenade. Mächtige Feuer loderten von
hohen Dreifüßen, und eine verschwenderische Fülle farbigen
Lichtes ergoß sich vom Hoftheater und den benachbarten
Häusern und ließ die grünen Gewinde, die rotumspannten
Säulen in seltsam kraftwollem Vich. aufleuchten. Die
Militärkapellen brachten dem Jubilar, der am Mittelsenster
des Pitti-Baues stand, eine rauschende Serenade, und der
Gesang der Volkshymne von den Tausenden
von Menschen da unten auf dem weiten Platz drang
wie die begeisterten Hochrufe hinauf zu dem un—
ermüdlich dankbar grüßenden Prinzregenten, der so am
Abend seines Lebens die überwältigende Kundgebung des
Dankes und der Verehrung seiner Münchener freudig bewegt
entgegennahm.
Die offiziellen Festlichkeiten häuften sich na—
türlich in, ungeheurer Zahl. Alle Hochschulen, die
Akademien, die ienzelnen Korporationen des Handels und
der Industrie, die Kammern des Landtages, die Schulen
und Kirchengemeinden, die Offiziere und Beamten aus dem
ganzen Lande und sämtliche großen Vereine hatten in
diesen Tagen in München gesonderte Veranstaltungen. Be—
sonders eindrucksvoll war die imposante Huldigung
der Vertreter der gesamten Beamtenschaft vom
Minister bis zum geringsten Unterbeamten, die im Hof—
heater stattfand. Tem reihte sich die würdige Fest—
zitzung der Akademie der Missenschafbtfen an
äοͥ.
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bei welcher der um Kunst und Wissenschaft gleich hochver⸗
diente Enkel des Regenten, Prinz Rupprecht, zum Ehren⸗
mitglied der Akademie proklamiert wurde. Hierzu kam
chließlich der unvergeßliche Festakt der Uni—
dersität in der von German Beetelmeyer geschaffenen
oundervollen Treppenhalle des neuen Universitätsgebäudes.
die großen schönen Formen des weiten Raumes, den die
arbigen Talare der Professoren und der blendende Glanz
er Kostüme aller farbentragenden Verbindungen auf den
kreppen und Emporen aufs malerischste belebten, gaben
inen idealen Rahmen für die Feier, bei der Standbilder
es Königs Ludwig J. und des Regenten enthüllt wurden.
Vertreter aus dem ganzen Lande hatten sich bereits am
)onnerstag im Thronsaal der Residenz versammelt. Da
daren alle Gemeinden, alle Behörden, Stände, Korporationen
ertreten, und in ihrer aller Namen r3 ichtete der Präsident
er Kammer der Reichsräte, Fürst zu Löwenstein, eine An—
prache an den Fürsten, auf welche dieser vom Throne aus
n seiner schlichten, gütigen Art erwiderte. Die Frische, mit
oelcher der hohe Herr dann bei der großen Galatafel in
er Residenz sich mit seinen 300 Gästen unterhielt, war geradezu
rstaunlich. Noch erstaunlicher aber war, daß der Neunzig⸗
ihrige am Abend auch noch der Festvorstellung im Hoftheater
das er sonst nur ganz selten besucht) beiwohnte, die außer
mem nicht besonders großartigen Prolog Szenen aus den
Meistersingern“ und die liebreizende Oper „Susannens Ge—
eimnis“ von Wolff-Ferrari brachte.
Wo der Regent nicht selbst erscheinen konnte, auch bei
zeer Enthüllung von Ferdinand von Millers großer Statue
IRtto von Wittelsbach, vertrat ihn sein ältester Sohn,
1 üdlj Fifor. —RL
dhronfolger eeeaoge ifer“ ocn“ kurgen
zwischenpausen, nach seiner Gewohnheit, mit seiner Gemahlin
nurch die belebten Strahen der Stadt zu wandeln und die
mmer reicher werdenden Dekorationen zu besichtigen.
Das ausgezeichnete Verhältnis zwischen dem Herrscherhause
ind dem Volke, speziell den Münchenern, ist wohl noch nie—
nals so zu voller Geltung gekommen, wie gerade bei der Feier
»es 90. Geburtstages des Regenten. Großer Enthusiasmus
ind gar Byzantinismus liegt dem Münchener ganz fern,
und er gibt seiner überzeugten Anhänglichkeit an die Dynastie
nie lärmend demonstrativen Ausdruck. Ebensowenig wie er
ein Herz an Würden und Orden hängt, an denen es nicht ge—
ehlt hat.
Der Münchener ist im allgemeinen ja nicht abgeneigt,
Feste zu feiern des Festes wegen. Aber diesmal war er
oärmer mit seinem Herzen dabei. Das edle Menschentum und
ie patriarchalische Schlichtheit des greisen Regenten haben
alle, die ihn kennen, in seinen Bann gezogen, und die geistige
ind körperliche Frische, mit der er sich noch heute seinen Pflich—
ien widmet, hatte die bewundernde Verehrung der Seinen
nur aesteigert
— — —s
Dieser Jubel der Menge, diese Fülle ernster Feiern, die
kein Mißton gestört hat, war in München etwas ganz unge—
wöhnliches. So ungewöhnlich wie das Bild des Herrschers,
dem niemand die 90 Jahre ansah und anmerkte. Aus dem
ßetriebe dieser bewegten Zeiten wird es dem Prinzregenten
zald wieder hinausverlangen in die stille, friedliche Einsamkeit
einer Berge. Da wird er dann mit dem kleinen Kreis
ertrauter Freunde die Eindrücke der jetzt abgeschlossenen
Jubiläumswoche noch einmal sammeln, während die Haupt⸗
tadt ihr Alltagskleid wieder anzieht, und er wird der von
invergleichlich schlichter Herzlichkeit getragenen Ehrentage ge—
denken, mit denen München und das Land, in dem es seinen
treuen Regenten ehrte, sich selbst geehrt hat.
v. Bethmann kontra v. hendebrand.
In dem Wochenrückblich der offiziösen Norddeutschen Allge—
meinen antwortet Herr v. Bethmann auf die „Zuschrift von
hesonderer Seite“, welche die Kreuzzeitung neulich gegen seine
Antimodernistenrede im preußischen Abgeordnetenhause ver—
ffentlichte. Diese Zuschrift „könnte den Anschein erwecken,
ils teile sie den Interessen der konservativen Partei eine
naßgebende Rolle in dieser, das Gesamtwohl des Landes
erührenden Frage zu. Für den Ministerpräsidenten schieden
dei der Behandlung dieser Angelegenheit parteipolitische Er—
vägungen ganz aus“. Aus der Diplomatensprache in ge—
wöhnliches Deutsch übersetzt heißt das also, daß Herr von
ßethmann-Hollweg es ebenso höflich wie bestimmt ab—
sehnt, von dem ungekrönten König von Preuben Direk-—
ivenentgegenzunehmen und die Interessen der
a bbb qla ertewestt tShüchet ds BBedeuwhhl des
zwar deutliche, aber doch sehr saufte Zurechtweisung zu grö—
zerer Vorsicht bewogen wird?
Die neue Reichstagsersatzwahl in Prenzlau—
Angermünde.
Die Reichstagsersatzwahlen häusen sich gerade noch kurz
»or Sessionsschluß, wo sich die ganze Wahlaufregung kaum
roch verlohnt. Eben ist der Kampf in Immenstadt-Lindau
rusgetragen und in Gießen auf dem Höhepunlt angelangt und
schon wird wieder eine neue Reichsstagsersatzwahl
in der Udermark, im Wahlkreis Prenzlau-Angermünde,
notwendig. Dort ist der vor zwei Jahren erst gewählte
deichstagsabgeordnete Oberpräsidialrat v. Winterseldt jetzt zum
Landesdirektor der Provinz Brandenburg ernannt worden, was
eine Neuwahl notwendig macht. Prenzlau-Angermünde ist der
rollendetste Typus eines ostelbischen, durch und durch groß—
rgrarischen Wahlkreises. Trotzdem hat schon die
ietzte allgemeine Reichssstagswahl ein überraschendes Anwachsen
der liberalen Stimmen im Kreise gezeiat. Bei der Ersakwahl
— ——
auf dem Tisch fort, während Gerhard in einer gewissen Hast
den Freund mit ins Haus zog.
Nachher sah Karl ihn ans Feniter treten und gespannten
Blickes hinausspähen. Er sah nach der Laube hin, wo man
im Scheine des Mondlichtes den jungen Erben mit weit von
sich gestrecten Beinen, den Kopf über den verschränkten Armen
auf dem Tische liegend, wahrnehmen konnte. Der Bauer
saß noch rauchend und trinkend neben ihm. Karl sah auch,
wie die Mutter leise auf dem Fliesenpfade wieder auf die
daube zukam, und wie es ihrem Zuspruch nach einiger Zeit
zjelang, Mann und Sohn mit sortzuziehen. Gerhard sagte
ein Wort und hatte es wohl auch nicht bemerkt, daß der
Freund hinter ihm stand. Aber ein tiefer Seufzer entrane
ich seiner Brust.
Am anderen Morgen jedoch begrüßte Gerhard den städti—
chen Langschläfer mit dem alten, frohgemuten Ausdrucke und
nit hellen Augen. Die abendlichen Vorkommnisse schienen
öllig vergessen zu sein. Man rührte sich wieder allerseits
m Hofe, im Garten und auf der Wiese, wo Hinrich mitten
inter den Knechten seiner Arbeit nachging und der Bauer
tramm und gemütlich zugleich die Aufsicht führte und auch
rästig mit anfaßte, wo es nötig war. Im Hause wirt—
chafteten Mutter und Tochter, denn die Mägde hatten draußen
u tun, und zu deiner eingehenden Unterhaltung mit ihnen
gelangte Karl selten.
Die Ferien vergingen rasch genug,“ und die sungen Leute
ühlten sich an Leib und Seele erfrischt und gestärkt, als
ie nach Verlauf von vier Wochen ihre Stadtquartiere wiede,
russuchen mußten. Es war dem FJreunde aufgefallen, wie
eigentümlich fremd bei aller natürlichen Herzlichkeit und Liebe
einerseits Gerhard sich neben den Angehörigen ausnahm,
ohne es vielleicht selbst zu bemerken. Schon sein Aeußzeres
ieß ihn kaum sals zu ihnen gehörig erscheinen. Et hatte mit
der älteren Schwester zwar den schlanken Wuchs, die schönen
Farben, die regelmäßigen Züge, das starke, gewellte, blonde
Haar und die tiefblauen Augen gemein, aber bei dieser war
alles robust, kernig, gesund und nüchtern. Gerhards Art
nit den durchgeistigten Zügen und dem strahlenden Glanz der
ugen und seine ritterliche, liebenswürdige Frohnatur schtenen
ruf ganz anderem Boden gewachsen zu sein und nahmen sich
Ob sie wohl kommen wird?
Von Renata Greverus.
Machdruck verboten.)
In einem angenehmen, nervenberuhigenden Gleichmaß ver—
liesen den jungen Leuten die Ferientage. Die herzlich gebotene,
schlichte Gaftlichkeit tat dem Stadtkinde wohl; sie war so ganz
anders als die städtische bei ihnen zu Hause, wo man erst
wochenlang überlegte, wie Platz und Zeit für einen Gast
geschafft werden könne und sich fragte, was man ihm̃ zu
bieten habe, und ach, oft noch ängstlicher fragte, wie lange
der Gast bleiben werde. Hier war die Gastfreundlichkeit etwas
ganz Natürliches und wurde ohne ängstliche Bedenklichkeit
gegeben. Man bot den Gästen das Beste, was man hatte,
aber suchte nach nichts Außergewöhnlichem. Waren die Gast—
detten besetzt, so nahm man gelegentlich für die Jugend seine
Zuflucht zum Heuboden. Schinken, Eier, Wurst, Landbrot,
Milch und Butter gab es immer genug, auch den Kuchen
zum Obst backte man selbst, und Unterhaltung und Ab⸗
wechselung ergaben sich ungezwungen; man ließ seine Gäste
sich diese selbst suchen, wenn man der ktäglichen Arbeit nach-
zing, ohne viel Rast, aber auch ohne stete Hast. Die Gäste
ruhten und schliefen sich aus und fanden dennoch ihr Früh—
tück bereit; aber man wunderte sich auch nicht, wenn sie
früh erschienen, man ließ sich unbefangen bei jeder Arbeit
und im Arbeitskleide antreffen und litt es gern, wenn der
Gast mit angriff. In den besten Stuben, die mit städti—
schem Prunke eingerichtet waren, hielt man sich wenig auf;
im kühlen Hinterzimmer auf der sogenannten Kellerstube, die
neben der Küche über dem Keller lag, und zu der eine An⸗
ahl Stufen hinaufführten, gab es eine köstliche Ruhe zum
Arbeiten, wenn man einmal der Hitze wegen nicht hinaus—
nrebte. Toch gern auch ging man hinaus auf die Wiesen
„um Heuen, kletterte auf die vollen Erntewagen, begleitete
die Haustochter, wenn sie mit den Mägden zum Melken ging,
und trank die frische, warme, schäumende Milch aus hohen
Kelchgläsern mit wonnigem Behagen.
Hinter dem Deiche lag ein trisch angestrichenes Boot an
einen fest in den Boden eingelassenen Pflock gekettet. Das
wurde oft genug losgemacht, und die jungen Leute ruderten
den breiten Strom hinab und mühsam wieder herauf, oder
etzten aufs jenseitige Ufer über, machten dort weite Spazier—
änge, besichtigten die große Porzellanfabrik in Blumental
der weiter stromaufwärts die herrlichen Parkanlagen der Bremer
Kaufherren, die deren Sommervillen umgaben, und die betrieb—
ame Stadt Vegesack mit ihrer Schiffahrt.
Abends war man müde und ging meistens früh zur Ruhe,
»a für die Landleute der Tag wieder früh begann. Mur
»ereinzelt blieb man länger in der großen Lindenlaube zu—
ammen, die Frauen mit dem Strickzeug oder beim Erbsen—
alen und Bohnenschneiden, die Männer rauchend und in ge—
rütlicher Unterhaltung. Dem Vater wurde dann sein regel—⸗
nähiger Abendgrog herausgebracht.
Dabei kam es mitunter vor, daß der Bauer sein Glas
ehr häufig leerte und wieder füllen ließ, und Karl bemerkte
ach dem Geruch, der demselben entstieg, daß die Mischung eine
rästige sein müsse. Dann bekamen die Augen des Mannes
inen seltsam unruhigen Blick, sein Gesicht rötete sich, die
Ztimme klang laͤut und heiser, und der sonst so gemütliche
ausvater fing an, mit Hinrich oder mit dem um mehrere
zahre älteren Nachbarssohn, der ein häufiger Gast im Frie—
ingschen Hause war, zu streiten. Karl bemerkte, daß ein Blick
einer Frau ihn leicht wieder ruhig zu machen pflegte. Sie
rich ihm mit einer Lindigkeit, die bei der arbeitsgewohnten
dand überraschend war, über das erhitzte Gesicht und sagte
Sachte, Alter! Nun ist's genug!“
Eines Sonntagabends war der Bauer weniger lenkbar
As gewöhnlich und stritt mit dem jungen Mende über die
n Aussicht stehenden Viehpreise mit lauter Hartnädigkeit.
zinrich und die ältere Schwester Christiane, der die Besuche
„es jungen Mende galten, schienen nichts Besonderes an diesen
Borgängen zu finden; doch bemerkte Karl, daß Gerhards
züge einen unruhigen, ja gequälten Ausdruch annahmen, be—
onders als auch Hinrich mit der Selbständigkeit des künftigen
krben anfing, sich einen Grog zu mischen und, aus seiner
tumpfen Gleichgültigkeit heraustretend, großzuprahlen begann.
die Schwesler stieß den jungen Mencke vertraulich an, der das
‚utmütige, gebräunte Gesicht zu einem breiten, vielsagenden
Lächeln verzog, und räumte dann gleichmütig das Geräte
J