Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

Lereyrung aller dieser Vamen, soweit er sie nicht schon vesttzt 
Große Heiterkeit) erwerben, wenn er hier ohne weiteres ein⸗ 
enß und das Wort Amt wieder in seine Rechte einsetzte. Mix 
steserner mitgeteilt worden, daß ein ehinaliges Dienst-— 
mädchen als Telephonistin nicht eingestellt werden darf. 
Ich ee persönliche Erfahrungen damit gemacht. (Große Heiter⸗ 
teit)“ Ein Dienrstmädchen aus memem Hause wollie nuümlich 
Telephonbeamtin werden, und ich hätte mich gefreut, wenn unter 
ven Fittichen des Staatssekretärz Kraette einen Unterschlupf ge⸗ 
funden hälte. (Stürmische Heiterkeit und Zurufe links.) Aber es 
st doch noch nicht im Reichstage verboten, in Bildern zu sprechen. 
(Heiterkeit.) Ich habe dann wegen dieses Gerüchts davon Abstand 
zehmen müssen, mich darum zu bemühen. Ich würde nun dem 
Ztaatssekretär für eine Auskunft dankbar sein, ob eine solche ge— 
chriebene oder nicht geschriebene Bestimmung besieht, ich würde sie 
ür unangebracht halten. 
Staatssekretär Kraetke: Diese Ausführungen waren so ver⸗ 
ührerisch, daß ich mir alle Mühe geben würde, diesen Dank zu ver—⸗ 
—38 (Abg. Gothein (F. V.): Ich warne Neugierige! Heiter⸗ 
eit.) Ich werde sehen, daßz das harte Wort „Gruype“ für das 
damburger Amt beseitigt wird. Was den auderen Wunsch betrifft, 
do bestehl keine geschriebene oder gesprochene Perlücns, wonach be⸗ 
timmte Kategorlen von weiblichen Wesen * Telephondienst nicht 
Jenommen werden; Bedingung ist, daß sie elne entsprechende Bildung 
aben und in ihrem ganzen Auftreten für das Amt geeignet sind. 
—*9— Bestimmungen müssen aufrecht erhälten werden, weil die Tele— 
honistinnen im Dienst mit allen Gesellschaftsklassen in Verbindung 
ommen. Eine gewisse Bildung wird also verlangt, andere Bestim— 
nungen bestehen nicht. 
Abg. Dr. Görcke-Brandenburg (nl.) „spricht dem Staats⸗ 
sekretär feine Anerkennung aus für die kechnischen Einrichtungen der 
zroßen Telephonzentralen. 
Abg. Werner (Refp.) bittet um Regelung der Pensionsver⸗ 
—— 
Staatssekretär Kraetke: Die Postagenturen werden vielfach 
»on Lehrern, Gastwirten, Kaufleuten, Privatiers, Landwirten, 
nden usw. nebenamtlich verwaltet, ein Pensionsbedürfnis 
segt in den meisten Fällen nicht vor. In nötigen Fällen werden 
Beihilfen gewährt. 
Abg. Büchtemann (F. Vpt.)!: Das Arbeitsfeld der Post⸗ 
agentur hat sich derart erweitert, daß man von nebenamtlicher 
Taͤtigkeit nicht mehr sprechen kann. Die Leute sind zum Teil recht 
lange in Dienst Es muß etwas für sie geschehen, besonders da 
man nicht weiß, ob sie unter das Privatverficherungsgesetz fallen. 
Staatsselkretär Kraetke; Es aibt ja Agenturen, die ihre In— 
haber ziemlich stark in Anspruch nehmen. Aber die Gesamtheit 
ann nicht wohl zur Versicherung herangezogen werden, da sich 
auch wohlhabende Leute darunter befinden, die die Versicherungs⸗ 
beiträge nicht zahlen wollen. Für besondere Fälle haben wir einen 
Unterstützungsfonds, aus dem zum Teil recht namhafte Beträge 
gezahlt werden. — 
Zu Tit. 38d: Beihilfen zu Genesungsheimen, wird 
rin Zusatz „und Krankenkassen“ angenommen. 
Ueber die Ostmarkenzulage für die Postbe— 
umten, wird auf Antrag des polnischen Abgeordneten v. Czar⸗ 
ijusti besonders abgestimmt; die Position wird bewilligt; dagegen 
timmen Zentrum, Polen, Sozialdemokraten und die Fortschrittler 
Träger, Haussmann, Dohrn, Feater und Gothein. 
Zu den Betriebskosten im Bexeich der Telegraphie beantragen 
die Abgg. Albrecht (Soz.) und Gen. folgende Resolution: „Den 
Herrn Reichskanzler zu ersuchen Arbeiten und Lieferun— 
gen für die Reichspostverwaltungen nur an 
solche Firmen zu vergeben, die in Beziehung auf die Arbeitsbedin⸗ 
aungen die gesetzlichen Vorschriften einhalten und sich verpflichten, 
zur Regelung und Sicherung der Lohn⸗ und Arbeitsbedingungen 
auf den Abschluß von Tarifverträgen hinzuwirken.““ 
Abag. Lehmann-Wiesbaden (Soz.) befürwortet die Resolution 
und weist darauf hin, daß eine gleichlautende Resolution bereits 
heim Marine-Etat in namentlicher Abstimmung mit großer 
Mehrheit angenommen worden ist. 9 9 
Rbg. Vehrens (Wirtsch. Ver.): Die Abstimmung zum Militöär— 
etat, wo eine gleiche Resolution abgelehnt wurde, war weniger, durch 
Zu den Arbeitslhlöhnen für die Telegraphen- 
irbeiter befürwortet — 
Abg. Wiedeberg (3.) folgende Resolution: den Herrn Reichs— 
eanzler iersuchen: 1. die Arbeiter-Ausschüsse der im Telegraphenbau 
reschästigten Atbeiter und Handwerker so auszubauen, daß es den 
Ausschüssen ermöglicht wird, durch geeignete Vertreter die Wünsche 
»er Post- und Telegraphen-Arbeiter und ⸗Handwerker jährlich einmal 
»en Vertretern der Oberpostdirektion und einem Vertreter des 
Neichspestamts vorzutragen; 2. für die Post⸗, Telegraphen- und 
Jeugamtsarbeiter eine Pensionskasse zu errichten, wie solche die Eisens 
ahnarbeiter der Reichs- und preußischen Staatseisendahnen in ihren 
Pensionskassen schon besitzen. Der Redner empfiehlt außerdem Peti— 
tionen des Verbandes deutscher Post- und Telegraphen-Arbeiter und 
Handwerker in Bochum um Ausbau der Arbeiter-AMüs schüsse, umAn— 
rechnung der Arbeuns ahre auf das Besoldungsdienstalter unnd um 
rühere Bewilligung des Höchstlohnes. 
Abg. Hormann⸗Breinen (f. V.): Die Spaltung der Arbeiter in 
verschiedene Verbäude kann der Durchsetzung ihrer Wünsche nicht 
zünstig sein. Die Telegraphenarbeiter, die ein befonderes Vertrauen 
gerdienen und tüchtige Leute sein müssen, werden zu Anfang wenig— 
tens nicht genügend bezahlt. Auch ihre sonstigen Wünsche könnten 
wohl berücksichtigt werden. 
Abg. Noske (Soz.): Die Debatte beweist, daß die Post noch 
miner unsozial ist. Ihre Ueberschüsse erzielt sie zum Teil damit, daf 
ig ihre, Unterbeamten ganz unzureichend bezahlt. Die Arbeiteraus- 
schüsse sind heute vielfach noch Tekoration. Die Forderung der Re— 
solution ist daher ungenügend, wenn nicht das Wort „ährlich“ darin 
gestrichen wird. 
„Abg. Stresemann (natle); Der Resolution kann man zustimmen. 
Zelbst wenn das Wort „ährlich“ gestrichen würde, könnte man das 
Vertrauen zu den Arbeltern haben, daß sie elnen Mißbrauch nut ihren 
Weinwaeheeee würden. 
Abag. Werner (Reformpt.): Die Bezahlung der Telegraphen⸗ 
arheiter genügt tatsächlich nicht. Dazu bommt, daß zurhnt 
itellnugsverhältnisse immer schlechter werden. 
Abg. Behrens (Wirtsch. Vag.); In der Resolution des 
Zentrums sollte es heißen, daß die Wünsche der Arbeiter min— 
destens jährlich einmal den Vertretern der Oberpostdirektion 
und einem Vertreter des Reichspostamts vorzutragen find. Bei 
Anlegung von Telegraphenlinien auf dem Lande follten die 
—— namentlich die Obstbäume, möglichst geschont 
werden. 
Abg. Wiedenkers (Zentr.) bittet im Interesse des Zustaude— 
ommens eines Beschlusses von jeder Abändernng der Zentrums— 
resolution abzusehen. 
Abg. Harmann-Bremen (Fortschr. Vp.): Ein einheitliches 
Vorgehen der Arbeiter ist geopten, wenn sie etwas e 
wollen. Die ausnesurocheuen Wunsche find berechugt. 
daß bn Soste (Soz )Cbaratterifisch sr die Verwaltung ist, 
In Ftagtssetzenar sich zu der Debalte in allen Sprachen 
J 
aa g sche kennt, das Gehalt verweigern. 
g. Behreus: Die Interessen der Telegraphenarbeiter ver— 
reten wir nach besten Kraäften; das wissen auch die LArbeiter aus 
inseren parlamentarischen Erfolgen. 
Staatssekretär Kraetke: Es ist ganz verständlich, daß jeder 
so viel Geld wie mönlich verdienen 858 d sch da 
doch gewundert, daß man hier so ganz allgemein sant, wir müßten 
nehr bezahlen. Die Postvermaltung gehl bei der Befoldung der 
Arbeiter von dem ortsüblichen Tagelohn aus und gibl daun' Zu— 
agen. Das ist das einzig richtige, was man tun Pe denn es 
xistieren nicht bloß Telegraphenarbeiter, sondern auch Hand— 
werker und In dustriearbeilcr, und sobald eine Verwaltung über 
das Maß des Gebotenen hinausgeht, müsfen die anderen sofort 
nachfolgen. Das ist die Raison, die eijngehalten werden muß. Daf 
an einzelnen Orten nur 2,50 . gezahlt werden, dafür können wir 
licht, wenn der ortsübliche Tagelohn so ist. Wir zahlen aber 
chon nach dem ersten Jahr, eine Zulage. Die, einzelnen 
Lohnkategorien verteilen sich folgendermaßen: “In der 
Aenklasse his zu 3.4 befinden sich 1,7 p8t. der Arbeiter, in der 
Nonnklasse bis 3,50 .AMA 5,8 pBt., in der Lohnklasse bis 4,660 4 
81,8 pRZt., in der Lohnklasse bis 3.M 9,6 pgt. In der Lohnklosse 
über 5.4 1pBt. Ueber 90 pZt. haben also einen guten Lohn. 
Zulagen waren folgende: 1907 war der Durchschnittslohn 
, I3: 3, 20 , Tο: 3.95.4, 10103 411. M, megefamt find 
dafin in diesem Zeitraum, 213 Welliouen anfaewender woarden 
hei 10000 Arbeirern. Galuben Sie doch nmicht allen 
Wünschen, die an Sie herantreten, ohne ge—⸗ 
Bört zu haben, wie die Verwaltunge, dazu steht. 
Nan soll nicht von Hungerlöhnen, sprechen, sonst tun es auch die 
Arbeiter und sagen: Die Abheoronelen nennen es so, 
Mmanche Herten tun so, als ob sie gar nicht wüßten, daß Ar — 
usschuͤsse existieren. Wir haben die Arbeiteraus schusse vor 
Jahren eingerichtet, um Beziehungen zwischen den Arbeitern und er 
Lerwoltung herzustellen. Die Ausschüsse geben den Arbeitern Ge r 
enheit, ihre Wuͤnsche zur Kenntnis der Behörden zu hringen. d 
enügt Ihnen nicht, jetzt sollen auch noch die Derr reenend 
zie Grunbe des Slaatsfetretärs bestimmt. (Der Vizepräfident bitte 
den Redner bei weiteren Aussührungen, die Vorgänge beim Militära 
tat hler nicht zu berühren.) Wir werden hier gegen, die Resolulon 
timmen, aber eine gleiche beim Etat des Reichskanzlers einbringen, 
wo sie hingehört. F J 
be WohteenWiesbaden ESoz.) polemisiert gegen den Vorred⸗ 
er und wird vom Wizepräfident Dr. Spahn wiederholt darauf hin⸗ 
ewiesen, daß die Vorgänge beim Militäretat hler nicht besprochen 
verden sollen. ....8 albd. 
Der Antrag Albrecht wird gegen die Stimmen der Sozlal emo⸗ 
raten, der Fortschritispartei, Polen und einiger Zentrumsmitglieder 
bgelehnt. J 7— 
setletär jeden, einzelnen Wunsch prüsen. Haben Sie sich 
enn niemals klar gemacht, wie der Weg,ist? Die Ausschüsse treten 
usammen, besprechen die Wünsche, und darüber wird elin Protokoll 
eführt. Es entspricht allerdings meinen Wünschen, daß Entschei⸗ 
ungen schneller getroffen werden. Die Mitglieder der Arbeitergus⸗ 
chüsse follen vor Entlassung sichergestellt werden, aber Sie müssen 
erst einmal abwarten, wie die Sache verläuft. Ich kann Ihnen nicht 
in Aussicht stellen, alle diese Wünsche zu befriedigen. In einem 
Hlatt der Arbeiter selbst heißt es. an der Hand der Versuͤgung der 
erwaltung könnten sich die Kollegen überzeugen, wie zutreffend die 
zZehauptung ist, daß die Arbeiterausschüsse für Groß-Berlin mit Er⸗ 
olg gewirkt haben Wenn auch mancher Antrag unter den Tisch 
gesallen sei, so sei doch in wichtigen Dingen ein Erfolg erzielt. und es 
vürden weitere fsolgen. Die Justitution den Arbeiterausschüsse be⸗ 
teht erst kurze Zeit und sie werden sich'noch weiter eutwickeln. Stören 
Zie nicht dürch zu weitgehende Anträge das Vertrauen der Arbeiter 
ur Verwaltung. Bezüglich der Anftellung ist in Betracht zu 
iehen, daß unseren ordentlichen Arbeitern Gelegenheit geboten ist, 
n das Unterbeamtenverhältnis hineinzukommen. Die Frage —R 
Instellung wird auch eingehend geprüft werden und sie werden das 
rgebnis erfahren. Was die Versorgung der allen ehrlichen Ar— 
eiter betrifft, so ist bekannt, daß sie Invalidenpension bekommen, 
ind sie bekommen auch Unterstützimg. Der Frage der Errichtung 
iner Pensionskasse sind wit naͤher getreten uͤnd Ermittelungen 
arüber liegen uns jetzt vor. Wir werden nun durch einen Ver— 
icherungstechniker die erreichbaren Leistungen berechnen lassen. Erst 
venn wir die Summe wissen, können wir Ihnen milteilen, wie wir 
„u der Frage stehen. Sie dürfen überzeugt sein, daß auch nach 
dieler Richtung volles Wohlwollen den Arbeitern gegenuber berricht. 
(Beifall rechts.) 
Abg. Noske (Soz.): Die Worte des Staatssekretärs beweisen 
vieder, daß er der unsozielste Staaissekretär des Reiches ist. Er 
vehrt sich mit Händen und Füßen dagegen, daß Staatsbetriebe 
Nusterbetriebe werden. Man dgahlt skandalöse Löhne. Tas 
st unmoralisch. (Glocke. Präsident Graf Schwerin rügt d'esen 
us druck. Die Löhne der Landwirifchaft sind standalss. (Prä— 
ident Graf Schwerin macht darauf aufmerksam, daß 
ies nicht zum Postetat gehört) Eoiche Loöhne leg 
nan e, den Löhnen der Telegraphenarbeiter zu““ Grunde 
. Abgen Hormauu-Bremen (Fe Vpt): Die Erklaärungen des 
ẽtaatssekretürs können nicht genugen. 
Die Resolution, wird angen ommen. Bei Tit. 68 
Zonstige Ausgaben bemerkt 
Aba. Dr. Seckscher (F. Vpt.): In der Südfee hat sich 
hei den Unruhen auf Vonape das Fehlen einer telegraphifchen 
berbindung sehr unangenehm bemertbac gennacht. Könme mn 
richt die Funbentelegrapre zu Hilfe nehmen. 
Staatssekretär Kraeikte: Die Kostenanschläge sind fertig; es 
handelt sich nur noch darum, au welchen Hrten die Funten⸗ 
stationen errichtet werden sollen. Alle in Betracht kommenden 
dessorts beschäftigen sich damit. Wir haben eine ganze Reiche 
Stationen in Ausficht genommen, die daun die Südsee mit den Ka⸗ 
ꝛeln verbinden. Sobald diese Erwägungen abgeschloffen sind, 
verden wir mit Forderunngen kommen. 
Damit sind die dauernden Ausgaben erledigt. Es folgen die 
inmaligen Ausgaben. Beim Titel Postscheck-Amit in Köln 
vünschen die Abgg, Kirsche(ttr.) und Hamecher (Ztr.) die 
Zentralisation der Postscheck Aemter. 
Die einmallgen Ausgaben, werden bewilligt. Beim außer— 
irdentlichen Etat werden für Fernsprechzwecke 22 Millionen in⸗ 
efordert. Das Extraordinarium wird bhne Debane geunehmigt. 
ẽ8 folgen die Einnahmen, Titel Portorund Tele⸗ 
zraphen-Gebühren. 
Abg. Oeser (Fortschr. Vp.): In den Zeiten des lebhaftesten 
Leschäftsverkehrs ist es unmoöglich, zwischen den größeren Orten 
zewöhnliche Telephongespräche zu führen— drirgende 
osten die dreifache Gebühr. vierin ift Wandel zu schhaffen Nin 
m Paketverkehr sind Erleichterungen notwendig, ebenso ist eine 
chnellere Beförderung zu bewerlstelligen. 
Staatssekretär Kraetke; Das Postgesetz verbietet die Bei— 
ügung von geschlossenen Briefen. Wir legen das Postgesotz so 
uis, daß verschlossene Briefe Paketen nicht beigelegt werden zür— 
en. Dagegen ist es unbedenklich ——— beizufiigen. An 
den. Postregeln miüssen wir festhalten, weis nach auen Richtungen 
ocrsucht wird, dagegen vorzugehen. Ich kann alfo nicht in Aus⸗ 
icht stellen, daß hierin etwas geändert wird. Ungebörigkeiten 
nüssen nach dem Gesetz geahndet werden. Die Paketbeförderung 
nach Frankfurt wird moöglichst beschleunigt werden, die Sada 
iegt bei der Eisenbahnverwaltung. 
Der Rest des Etats wird bewilligt. 
„Nächste Sitzung Sonnabend 12 Uhr: Etat des Reichsomts 
des Innern. 
Schluß nach 7 Uhr. 
—— 
Die rufsische Bauern Befreiune. 
Anläßlich der Fünfziglahrfeier der russischen Bauecrn Befreiung 
eröffentlicht das Rußkie- Archiv Auszüge' aus den Aufzeichnungen 
»es Senators K. N. Lebedew, die auf das Jahr 1001 Bezug haben 
ind die damalige bedeutsame Epoche der russischen Geschichle vor— 
refflich widerspiegeln. „Die geplante Aufhebung der Leibeigenschost 
äßt Jetzt alles aundere in den Hintergrund treten“, schreidt Lebedemw 
u Beginn des Jahres „Ddie letzte Schranke, die lebte Tür bileibt 
ioch zu öffnen, damit auch die Familie der geringeren VBrüder das 
Licht Gottes erblicke. .. Man kann sich schwer einen Begriff von 
der, Härte und der Grausamkeit der russischen Leibeigenschaft machen 
loch schwerer jedoch kann man sich eine Vorstellung niachen von der 
Festigkeit, die der sonst so weiche und nachgiebige Kaiser in diejer 
Zache zeigt. Die Spannung der Gemüler ist, in Pelersbuürg wenig 
tens, so groß, daß die Verkündigung des e Entschlusses 
)ringend, notwendig geworden ist.“ In Petersburg herrschlie jedoch 
richt, bloß „eine Spannung der Gemmuͤter“, sondern auch eine große 
Furcht vor dem Befreiungs-Manifest, daß anun 8. März verkundet 
verden Wee die Furcht war groß, daß viele Familien überein 
amen, den bedeutungsvollen Tag gemeinsam zu verbringen und 
ich Jegenseitig zu aeee daß in den Häusern die Vorhänge— 
chlöffer und Riegel geändert, und daß für den Fall eines Angriffs 
er befreiten Bauern Waffen bereit gehalten —*28 
Am 1. März trafen in Petersburg plötzlich Nachrichten von einem 
Yufstande in Jahep ein: „In Warschau id eeer es. „Der 
Zlalthalter gebdenkt über die Stadt den lagerungszustand zu ver⸗ 
ängen.“ Unter dem Eindruck dieser beunruhlgenden Meldung will 
nan das Erscheinen des die große Reform verkündenden Naeet 
is zu den Festen verschieuen. —B2 — bemerkt Lebedew; 
is zu den Foen verschieben. Unnötigerweise“, bemerkt Lebedew; 
dürfen, zumal da es, wie es heißt, vom eite Ferne be reits 
geschrieben und vom 3. März daliert ist.“ VTann helßt es weiter? 
Die Generalgouverneure in dae ie und Moskau verkünden den 
Dwornikts, daß am 8. Maͤrz leine Verüguns in 
er Bauern⸗ — ergehen werde, Man lindet, 
»aß diese Kundgebung ungeschickt sei. Manläßt 
den Redakteur Ussow rufen, und am folgenden Tage wird hinzu— 
gedruckt, daß die „Verfügung am Tage des —F und des 
vebetes“ erscheinen werde. Man fürchtet, daß die erste Freude 
n den tollen Tagen der Butterwoche böse Folgen baben könnte. 
dem erbabeuen Alte von weltbistoriiches Bedeutung legen klein⸗ 
iche Menschen die Bedeutung einer Polizeimaßnahme bei, eince 
heschenks jsür Gehorsam und gute Sitte. Ueberall wird davo. 
Ba überall herrscht Befürchtung, Ungewißheit, Verlegen— 
eit.“ 
Am 17. März wurde dann in den Kirchen das Manifest über 
ie Freiheit des Volkes verlesen. „Der große Tag ist gekommen,“ 
chreibt der Senator. „Unsere neue Geschichte benginnt. Beten wir 
ind denken wir darüber nach! Das Manifest ist schlecht stilisiert, 
vortreich und schlapp. Es wurde fast „so nebenbei“ verkündet 
ind machte keinen Eindruck. Aber vielleicht müssen große Sachen 
mmer so bescheiden in die Erscheinung treten. Bis zum 22. März 
vird es im ganzen Reiche verkündet sein; am 17. März geschah 
das nur in den Residenzen. Ich habe das Manisest meinen Leuten 
vorgelesen. Beim Mittagessen trank ich mit ihnen Champanner 
und erhöhte jedem das Gehalt um 50 Kopeken monatlich. Als 
ich, wie gewöhnlich, nach dem Essen spazieren ging, gewahrte ich 
nicht die geringste Veränderung, an der Physivanomie der Stadt. 
Und so ist die Sache zu Ende.“ Das schien jedoch nur in den 
ersten Tagen so; eine Woche später muß Lebedew melden: „Die 
Leibeigenschaftsfrage erzeugt fast überall Mißverstündnisse. Auf 
dem Gute Mussin-Puschkins im Dorse Bresduo, Gouvernement 
Fasan, trat offene Widersetzlichkeit ein, die ein bewassfnetes Ein— 
chreiten erforderlich machte: General Apraxin streckte 22 Men⸗ 
chen nieder und verwundete 80. Man befürchtet Mord umud 
zrandstiftung, und von verschiedenen Orten kommen Nachrichten 
iber Kämpfe. In Kasan wurde geschossen, und es fielen 70 Ver— 
onen, iju Vensa wurden 160getötet. Die Gouverneure verlössen 
hre Posten; neuernannte reisen nicht an den Ort ihrer Bestim— 
img vder überlassen die Verwaltung den Vizeghuverneuren . 
tebedew selbst erhält den Auftrag zu einer Revidierung des 
zouvernements Wladimir; er bekommt keine lustigen Bilder zu 
ehen: „Ueberall hörte ich Murren gegen die Regierung, die im⸗ 
taude sei, sogar wirkliche Anbänglichkeit an die Dyngstiec und an 
das Vaterland wankend zu machen ... Die umgestülpte R 
zung aller Dinge hat besonders in alten Köpfen alle Begriffe 
zerwirrt, und Greise, die früher trotz ihres hohen Alters stolz 
und würdevoll durchs Leben schritten, scheinen plötzlich geiftig 
und körperlich den Halt verloren zu haben..“ 
Der Appetit des Sonnenkönigs. 
Kon VLudwig XIV., dem Roi Soleil, hat man behauptet, daß et 
nallen Lebenslagen sich als ein geborener König erwiesen habe; et 
var groß von dem Augenblick an, da er sich am Morgen erhob, bis 
u der Stunde, da in nüächtlicher Stille der Schlummer ihn umsing. 
Er war auch groß im Efssen, ein echter König der Gourmands, der 
nicht umsonst 324 Menschen in seinen Diensten hielt, deren einziges 
Amt es war, für den Gaumen des Königs und für die einsanen 
Nahlzeiten des großen Monarchen zu sorgen Der Generalinspeltor 
ʒes Vrhhen Unterrichtswesens E. Cazes, hat soeben in Paris 
in Werk über das Schloß von Versailles und seine Geschichte er⸗ 
Seen lassen, das an der Hand ron Dotumenten eine Fülle inter⸗ 
ssanter Einzelheiten über den Appetit des Sonnenkönigs und seine 
külingrische Lebensweise zusammenstellt. 
Schon in der Wiege hatte ihn die Natur zum krästigen Esser 
rädestiniert, denn als das Kind geboren wurde, das später Lud⸗ 
oig XIV. werden sollte, sah man mit Eistaunen, daß das Knäblein 
Jereits zwei Zähne hatte. Der ganze Hof war begeistert, nur die 
Amme machte eine Ausnahme; die gute Elisabeth Ancel legte nach 
drei Monaten ihr Amt nieder, ihre Brust war von den Bissen des 
Säuglings ganz entstellt, und nicht besser erging es den Nachfolge— 
rinnen, die alle über das jammerten, woas das Hofgesinde als eine 
lückliche Vorbedeutung prles. Aber die Zähne aein genügen nicht, 
e 963 auch gesund und kräftig sein Ludwig hat sein ganzes 
deben lang unter ner Zähnen zu leiden gehabt, und als er 40 
Jahre alt war, verfügte er nuͤr noch über ein paar künnmerliche Reste 
eines normalen Gebisses. Doch mit den Zähnen verschwand keines— 
vegs un Appetit, im Gegenteil, er schien nur noch zu wachsen, und 
za er seine Speisen kaum noch kauen konnte. hatte er immer unter 
Beschwerden zu beiden. 
Auf die Arbeit in der Hostüche, im der die „Vande du rore, vre 
Mahlzeiten des Königs, bereitet wurden, blieben freilich diese 
— 
nan täglich die feierliche Prozession sehen, die aus der Küche denmt 
zerricher die Mahlzeit zutrug: eine prächtige lange Prozession, 
ie mit großem Zeremouiell in das Schloß einzog und über 
Treppen und Gemächer beim Wirbeln der Trommel dem Soitnen—⸗ 
önig das Mahl(l brachte. An der Spitze des Zuges marschierte 
zravitätisch der erste Haushofmeister, von B diensttuenden 
dammerherren begleitet, dann folgten 12 Hausmeister, die als Ab— 
eichen ihrer Würde einen vergoldeten Silberstock trugen, den 
zeschluß machte die endlose Kette von Dienern, die die uner— 
chöpfliche Reihe von Gerichten einhertrugen. Der König aß 
mmer allein in seinem Zinimmer, nur an besonderen Festtagen 
ursten bisweilen Mitglieder der Familie und auwesende Fürjsten 
n der Mahlzeit teilnehmen. Da Ludwig XIV. zum Friühstück 
ewöhnlich nur eine Bonillon nahm, bekam er frühy Appetit, und 
as große Diner wurde in der Regel schon um 10 Uhr vormittags 
erviert. Der Sonnenkönig nahm es ernst mit dem Essen. Mtit 
iner Mischung von Staunen und Grauen liest die Nachwelt das 
Menü, das für einen einzigen Vienschen hereitet und ihm allein 
erviert wurde. Ein gewöhnliches Mittagsmahl bestand z. B. aus 
olgender Speisenmenge: Als Suppe gab es auerst eine „Potage de 
Anté“, in der zwei Kapaunen gekocht waren; dazu eine Reb⸗— 
ühnersuppe mit Kohl (vier Rebhühner) Aber dieser Suppe 
olgten noch die „kleinen Suppen“: Kraftsuppe vonb Tauben und 
ine zweite Suppe mit Hahnenkämmen und alklerlei VLeckerbissen. 
daran schließen sich die die Hors d'ocuvre: um sie zu bereiten, ist 
in Kapaun und ein Rebhuhn gekocht und gebackt worden. Doch 
uch die Hors d'oeuvre tauchen zweimal auf dem Menu auf, c3 
sibt besondere „Petits potages hors d'oeuvre“, denen endlich der 
rste „ernstere“ Gang folat. Er besteht aus einem Kalhsbraten 
zon 20 Rfund und 12 Tauben. Nun, werden „petites entrées“ sers 
diert: sechs frikassierte Hühner, zwei gehackte Rebhühner, denen 
ich drei Rebhühner in Gelee, sechs Türteltauben vom Rost, zwei 
kruthähne vom Rost und drei getrüffelte Poularden anschlichen. 
Uls Braten erscheinen dann auf der Tafel: zwei fette Kaparume, 
senun Poularden, nemm Tauben, zwei junge Ponlarden, sechs Reb— 
zühner und vier Turteltauben. Obst und Dessert bestehen aus 
wei großen Schüsfseln mit verschiedenen Obstsorten und zwei 
uderen Schüsseln mit trockenen Konfitüren, denen dann noch vier 
Zzchüsseln Kompott folgen. — 
Selbstverständlich ließ der Sonnenkönig etwas von dieser 
nmasse an Speisen „stehen“, doch es gehört schon der Unter⸗ 
chmungsgeist eines echten Gourmand dazu, sich täglich ein der— 
rtiges Menü vorsetzen zu lassen. Ein moderner Feinschmecker 
ürde nach einem solschen Mahl drei Tage Diät halten; der 
zonnenkönig kennt solche Sorgen nicht, wie gleich das Menündes 
olgeuden Abendessens zeigt: zwei Kapaunen, zwölf Tauben, ein 
sebhuhn in VParmesan, vier andere Tanben, sechs Poularden, 
icht Pfund Kalbileisch, drei fette Poularden, ein Fasan usw. usw. 
iber der König mußte wohl denken, daß man ihnm mit Speisen 
aͤrglich hielt, denn er verfügte bald darauf, daß das tägliche 
Nenüsum zwei weitere Entrées bereichert wird und daß auch der 
Zraten um „zwei kleine Gänge“ zu vergrößern sei. Dabei sind 
n dieser Zusammenstellung die leichteren Hors d'ocuvre und Ge- 
müse, die je nach der Saison wechseln, nicht berücksichtigt. Schos 
nung gönnte Ludwig XIV. seinem Magen nur in der Fastenzeit, 
wenn auch seine Fastenzeit für unsere Begrijfe wenig von 
Kasteiung hatte. Das Fastenmahl beginnt mit einer Suppe, in 
der ein Kapaun und je 4 Pfund Hammel-, KMalb⸗- und Oehsenileisch 
gekocht sind; erst dauach beginnt das richtige Fasten. Es besteht 
us: einem Karpfen, hundert Krabben, einer Milchsnvpe, zwei 
-childkröten, einer Gemüsesuppe, einer Seezunge, einem großen 
»echt, vier 116 Fuß langen Forellen, drei Barschen, hindert 
Nustern, und als Braten folgen dann ein halbgroßer Lachs und 
iechs Seezungen. Zum Souper wird dem einsamen Genmießer 
olgendes Fasten-Menü serviert: zwei 1 Fuß garoße Karpsen, eine 
Gemüsesuppe, ein Barsch, eine zweite Gemüsesuppe, ein Hecht 
don 12 Fuß, drei Varsche, drei Scczungen, eine Forelle von 126 
Fußz, zwei Makrelen, ein mittelgroßer Lachs und ein großer 
Karpfen. Danach blieb dem König nichts auderes zu tun, als 
chlafen zu gehen, abex wenn er zu Bett ging, fuhlte er gewähnlich 
einen Magen leer. Er, fürchtete, in der Nocht Hnngerqualen ers 
ulden zu müssen, umd bestimmte daher, daß ihm „fiir alle Fälle“ 
drei, Brote, zwei Flaschen Wein und eine Flasche Wasser auf den 
—
	        
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